Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.04.1988) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 1988 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Er wurde 1944 in H. … an der S. … geboren. In der ehemaligen DDR erlernte er von 1960 bis 1962 den Beruf eines Thermotechnikers und war danach in verschiedenen Berufen tätig. Von DDR-Gerichten wurde er mehrfach zu Freiheitsstrafen verurteilt, jedesmal aufgrund von Straftaten, die mit den politischen Verhältnissen in der ehemaligen DDR zusammenhingen (Vergehen gegen das Paßgesetz, versuchte Republikflucht). Im Oktober 1977 erkrankte er in Untersuchungshaft an Gelbsucht. Er wurde nicht aus der Haft entlassen, sondern mehrmals im Gefängnis operiert. Aufgrund der Operationen trug der Kläger einen Dauerschaden davon. 1979 übersiedelte er in die Bundesrepublik. Der Generalstaatsanwalt in Z. … erklärte die Vollstreckung aus den gegen den Kläger verhängten Freiheitsstrafen nach dem Gesetz über die innerdeutsche Amtshilfe für unzulässig. Das Versorgungsamt L. … erkannte 1981 die in der Haftzeit erlittenen Schäden als Gesundheitsschäden nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) an.
Die Beklagte gewährte dem Kläger vom Zeitpunkt der Übersiedlung in die Bundesrepublik (1979) bis Ende April 1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, anschließend bis Ende November 1982 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit.
Von Dezember 1982 bis März 1985 war der Kläger als Inhaber eines Café-Restaurants tätig. Im April 1985 stellte er erneut einen Rentenantrag. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 22. November 1985). Der Kläger sei in den letzten 60 Monaten vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht mindestens 36 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen (§§ 1247 Abs 2a, 1246 Abs 2a Reichsversicherungsordnung -RVO-).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt (Urteil vom 29. Juli 1987), dem Kläger ab 1. Mai 1985 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen. Der Kläger sei erwerbsunfähig. Das sei mittelbar durch seine Flucht aus der DDR verursacht. Damit seien die Voraussetzungen des § 1252 Abs 1 Nr 6 RVO gegeben.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 25. April 1988). Der Kläger sei seit März 1985 erwerbsunfähig. Die der Festnahme (wegen Republikflucht) folgende Haftzeit sei zwar nicht mehr der Flucht zuzurechnen. Doch sei der Kläger aufgrund seiner Haft erwerbsunfähig geworden, so daß der Tatbestand des § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO erfüllt sei.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das LSG habe ihr das rechtliche Gehör versagt (Art 103 Abs 1 Grundgesetz -GG-; §§ 62, 128 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO, auf den das LSG sein Urteil stütze, sei im Rechtsstreit nie angesprochen worden, auch nicht in der letzten mündlichen Verhandlung. Wäre sie auf diese Vorschrift hingewiesen worden, hätte sie darlegen können, daß diese Bestimmung aus Rechtsgründen nicht anwendbar sei. Die Voraussetzungen des § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO seien nicht gegeben, da der Kläger nicht „Heimkehrer” sei. Im übrigen schränke Art 2 § 10 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) den § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO unter Voraussetzungen ein, die auf den Kläger zuträfen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 29. Juli 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht die begehrte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu.
Das Urteil des LSG ist nicht wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben. Die Rüge der Beklagten ergibt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) schützt nur die Anhörung einer Partei zum Sachverhalt, nicht hinsichtlich ihrer Rechtsmeinung (BVerfG NJW 1980, 1093; BGHZ 85, 291, 292 mwN). Nicht jeder Verstoß gegen § 278 Abs 3 Zivilprozeßordnung -ZPO- (hier in Verbindung mit § 202 SGG) ist zugleich ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (BGHZ 85, 291, 292; Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 48. Auflage, § 278 Anm 5 F). Daß die Beklagte aufgrund der unterlassenen rechtlichen Erörterung des § 1251 Abs 1 Nr 5 RVO versäumt hat, Tatsachen vorzutragen, ist von ihr nicht behauptet worden. Es ist auch nicht erkennbar, daß die Beklagte etwas hätte vortragen können. Denn die Tatsachen, aufgrund derer das LSG den Tatbestand des § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO als erfüllt angesehen hat, sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Wegen eines Verstoßes gegen § 278 Abs 3 ZPO ist dann nicht an die Tatsacheninstanz zurückzuverweisen, wenn das angefochtene Urteil im Ergebnis richtig ist, wenn also die Feststellung der Tatsachen nicht beanstandet wird und die vom Berufungsgericht unerörtert gelassene Rechtsfrage von ihm richtig beurteilt worden ist (Baumbach/Lauterbach aaO; Franzki DRiZ 1977, 164, 165). Das ist hier der Fall.
Aufgrund der Tatsachenfeststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), weil sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen sind, besteht der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu Recht. Die allgemeinen Voraussetzungen des Anspruchs liegen vor. Der Kläger ist seit März 1985 erwerbsunfähig und er hat die Wartezeit erfüllt. Da nach der Feststellung des LSG der Versicherungsfall erst 1985 eingetreten ist, ist § 1247 RVO in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1532) anzuwenden. Die seit dieser Zeit geltenden §§ 1247 Abs 2a, 1246 Abs 2a RVO setzen voraus, daß der Versicherte in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung belegt hat oder daß die Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer der in § 1252 RVO genannten Tatbestände eingetreten ist. Die zweite Alternative ist zugunsten des Klägers gegeben. Nach § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO ist derjenige privilegiert, der während oder infolge der Internierung oder der Verschleppung iS des § 1 Abs 3 und 4 des Heimkehrergesetzes (HKG) berufsunfähig geworden ist. Diese Voraussetzungen treffen auf den Kläger zu.
Unschädlich ist, daß § 1252 Abs 1 RVO die Berufsunfähigkeit des Versicherten voraussetzt, während der Kläger erwerbsunfähig geworden ist. § 1252 RVO gilt auch für den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit. Aus der Entstehungsgeschichte des heutigen § 1252 RVO ergibt sich, daß das Nichterwähnen der Erwerbsunfähigkeit auf einem redaktionellen Versehen beruht. Denn § 1252 des Regierungsentwurfes (BT-Drucks 2437 vom 5. Juni 1956 – heutiger § 1246 RVO –) ging noch vom Versicherungsfall der Invalidität aus. Erst auf Initiative des Ausschusses für Sozialpolitik wurden Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit jeweils ein selbständiger Versicherungsfall (Drucksache 3080 vom 10. Januar 1957, S 34; Deutscher Bundestag 184. Sitzung vom 16. Januar 1957 Bl 10253, zu § 1251). Die entsprechende Änderung bei der Wartezeitfiktion des heutigen § 1252 (damals § 1257) RVO wurde aber vergessen, offenbar deshalb, weil der Ausschuß für Sozialpolitik auf diese Vorschrift überhaupt verzichten wollte (Deutscher Bundestag 184. Sitzung Bl 10254, zu § 1257). Es wäre im übrigen auch nicht nachvollziehbar, wenn nur der berufsunfähige Versicherte in den Genuß der Wartezeitfiktion käme, nicht aber derjenige, der von dem schwereren Fall der Erwerbsunfähigkeit betroffen ist, der also noch schutzbedürftiger ist.
§ 1252 Abs 1 Nr 5 RVO setzt voraus, daß der Versicherte „infolge der Internierung oder der Verschleppung” iS des § 1 Abs 3 und 4 HKG berufsunfähig geworden ist. Die Absätze 1 bis 3 des § 1 HKG (Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer vom 19. Juni 1950, BGBl I S 221) setzen aber ihrerseits voraus, daß der Betreffende wegen Kriegsereignissen, wegen seiner Staatsangehörigkeit oder wegen seiner Volkszugehörigkeit interniert worden ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Dennoch ist § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO auf den Kläger anwendbar. Denn nach Inkrafttreten des HKG (1950) stellte sich heraus, daß weite Personenkreise ein ähnliches Schicksal erlitten hatten, wie die durch das HKG Begünstigten, also wie die Kriegsgefangenen oder Internierten. Sie waren in einer Weise in Haft gehalten worden (Gefängnis, Zuchthaus, Konzentrationslager), wie sie nicht vom HKG erfaßt worden war. Um diesen Personen zu helfen, wurde § 1 Abs 4 HKG durch die Erste Novelle zum Heimkehrergesetz vom 30. Oktober 1951 (BGBl I S 875, 994) – Art I Nr 1c – geschaffen. Die Regelung des HKG für die Personen, die durch die politische Entwicklung während der Nachkriegszeit in der sowjetisch besetzten Zone von Verurteilungen und Verhaftungen aus politischen Gründen betroffen waren, wurde aber schon bald als nicht ausreichend angesehen (vgl Gesetzentwurf zum Häftlingshilfegesetz -HHG- vom 11. Juni 1955, BT-Drucks 1450 S 6 und 7). Mit dem HHG vom 6. August 1955 (BGBl I S 498) wurde für diesen Personenkreis ein eigenes Gesetz erlassen. § 1 Abs 4 HKG wurde durch Art 2 Nr 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des HHG (3. HHÄndG) vom 30. Mai 1969 (BGBl I S 451) aufgehoben. Die Regelung war nicht mehr erforderlich, weil der Schutz des dort genannten Personenkreises durch das HHG übernommen worden war.
Da „das Häftlingshilfegesetz ua die Aufgabe hatte, an die Stelle des § 1 Abs 4 Heimkehrergesetzes zu treten” (so BVerwGE 9, 132, 137) und da § 1 Abs 4 HKG in § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO noch benannt ist, obwohl diese Vorschrift inzwischen aufgehoben wurde, wird zum Teil die in der Tat aus der historischen Entwicklung ableitbare Meinung vertreten, die Bezugnahme auf § 1 Abs 4 HKG stelle heute eine Bezugnahme auf das HHG dar (so Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 1252 RdNr 12). Es kann dahinstehen, ob § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO in dieser Weise gewissermaßen unmittelbar auf das HHG verweist. Denn daß die Vergünstigungen des § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO auch für Häftlinge nach dem HHG gelten, ergibt sich auf jeden Fall aus § 9 Abs 1 HHG.
Diese Vorschrift hatte in ihrer ursprünglichen Fassung vom 6. August 1955 folgenden Wortlaut:
„Berechtigte nach § 1 Nr 1, die länger als 12 Monate in Gewahrsam gehalten wurden und nach dem Inkrafttreten des Gesetzes innerhalb von sechs Monaten nach der Entlassung ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes genommen haben, erhalten in entsprechender Anwendung des Heimkehrergesetzes die dort vorgesehenen Vergünstigungen, sofern ihnen nicht nach anderen Vorschriften gleichartige Vergünstigungen gewährt werden können.”
Die Überschrift lautete: „Anwendung der Vorschriften des Heimkehrergesetzes”. Während die ursprüngliche Fassung also nur auf die im HKG genannten Vergünstigungen verwies, wurden mit dem 3. HHÄndG vom 30. Mai 1969 den Berechtigten auch die außerhalb des HKG vorgesehenen Vergünstigungen eingeräumt. Aufgrund der Neufassung lautet § 9 Abs 1 HHG nun:
„Berechtigte nach § 1 Abs 1, die insgesamt länger als drei Monate im Gewahrsam gehalten wurden und innerhalb von sechs Monaten nach der Entlassung ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes genommen haben oder nehmen oder in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückkehren, erhalten die für Heimkehrer vorgesehenen Hilfen und Vergünstigungen in entsprechender Anwendung der dafür geltenden Vorschriften, sofern ihnen nicht nach anderen Vorschriften Gleichartiges gewährt werden kann”.
Auch die Überschrift wurde abgeändert in „Anwendung der für Heimkehrer geltenden Vorschriften”. Daraus ergibt sich, daß die Änderung des Wortlautes erfolgte, um den ehemaligen Häftlingen auch die Vergünstigungen zukommen zu lassen, die nicht im HKG, sondern in anderen Vorschriften enthalten sind. Die Verweisung in § 9 Abs 1 HHG in der Neufassung vom 29. September 1969 (BGBl I S 1793) bezieht sich demnach auch auf § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO.
Daß der Kläger ein nach dem HHG begünstigter ehemaliger Häftling ist, hat das LSG zu Recht deshalb als festgestellt erachtet, weil der Kläger im Besitz einer Bescheinigung nach § 10 Abs 4 HHG ist. Der Kläger hat auch „infolge” der Internierung iS des HHG die Gesundheitsschäden erlitten, die ihn erwerbsunfähig machen. Dies hat das LSG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, ohne daß diese Feststellung von der Beklagten mit Revisionsrügen angegriffen worden wäre (vgl § 163 SGG).
Die Anwendung der Wartezeitfiktion des § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO auf den Kläger scheitert nicht daran, daß gemäß Art 2 § 10 Abs 2 ArVNG die Vorschrift des § 1252 Abs 1 Nr 5 nur gilt, wenn der Internierte oder Verschleppte (§ 1 Abs 3 und 4 HKG) vor dem 10. August 1955 seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder im Land Berlin genommen hat oder vor dem 10. August 1955 gestorben ist. Das folgt aus mehreren Gesichtspunkten. Art 2 § 10 Abs 2 ArVNG bezieht sich nämlich nur auf die Wartezeitfiktion für diejenigen „Sowjetzonenflüchtlinge”, die bereits vor dem Inkrafttreten des HHG Heimkehrer iS von § 1 Abs 3 und 4 HKG gewesen sind (BSGE 22, 127, 129, 130). Wer nach dem Inkrafttreten des HHG dessen Voraussetzungen erfüllte, ist von der Ersatzzeitenregelung des § 1251 Abs 1 Nr 5 RVO nicht ausgeschlossen. Daß § 9 Abs 1 HHG idF des 3. HHÄndG die für Heimkehrer geltenden Vergünstigungen auch für Häftlinge nach dem HHG anwendbar machen wollte, ist bereits dargelegt worden. Mit dieser Zweckrichtung würde sich ein Ausschluß dieser Vergünstigungen aufgrund des Art 2 § 10 Abs 2 ArVNG nicht vereinbaren lassen.
Daß die Vergünstigungen des § 1252 Abs 1 Nr 5 RVO für Häftlinge nach dem HHG gelten und auch durch Art 2 § 10 Abs 2 ArVNG nicht eingeschränkt sind, ergibt sich zudem aus den Bestimmungen des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261). Gemäß dem in Art 1 RRG 1992 aufgeführten § 53 Abs 1 Nr 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte wegen eines Gewahrsams (§ 1 HHG) vermindert erwerbsfähig geworden sind. Gemäß § 300 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzes (also auch § 53 SGB VI) vom Inkrafttreten an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Nach § 245 Abs 1 SGB VI findet § 53 SGB VI nur Anwendung, wenn ein Versicherter nach dem 31. Dezember 1972 vermindert erwerbsfähig geworden ist. Gemäß § 245 Abs 2 Nr 7 SGB VI ist bei Versicherten, die vor dem 1. Januar 1992 vermindert erwerbsfähig geworden sind, die Wartezeit auch erfüllt, wenn sie nach dem 31. Dezember 1956 wegen eines Gewahrsams (§ 1 HHG) vermindert erwerbsfähig geworden sind. Nach § 245 Abs 2 Nr 8 SGB VI gilt dies auch für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1956 wegen einer Internierung oder Verschleppung (§ 1 Abs 3 HKG) vermindert erwerbsfähig geworden sind.
In der Gesetzesbegründung zu § 245 SGB VI (im Gesetzesentwurf BT-Drucks 11/4124 noch der § 240) heißt es, daß die Absätze 2 und 3 das bis zum 31. Dezember 1991 geltende durch Praxis und Rechtsprechung konkretisierte Recht über die Wartezeiterfüllung für Versicherte aufrecht erhalten, die bis zu diesem Zeitpunkt vermindert erwerbsunfähig geworden sind (BT-Drucks 11/4124 S 199). Da der Gesetzgeber ausdrücklich an das bisher geltende Recht anknüpft und die Möglichkeit der Wartezeiterfüllung für Berechtigte nach § 1 HHG nicht als neu eingeführten Tatbestand anführt, ist davon auszugehen, daß auch der Gesetzgeber des RRG 1992 der Auffassung war, daß die Möglichkeit der Wartezeiterfüllung für Berechtigte nach § 1 HHG schon nach bisherigem Recht (§ 1252 Abs 1 Nr 5 RVO iVm § 9 Abs 1 HHG) bestand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174056 |
NJW 1991, 1910 |