Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirtschaftliche Behandlungsweise. Kürzung des Kassenhonorars wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise. Prüfbescheide. Folgeverwaltungsakte. Gegenstand des Verfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Honorarforderung eines an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes kann wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei einem offensichtlichen Mißverhältnis gekürzt werden. Dieses kann schon bei einer Überschreitung von 53 vH vorliegen, wenn eine deutlich steigende Tendenz zu erkennen ist.
2. Der Honorarstreit darüber, welche Gebühr für eine ärztliche Leistung gefordert werden kann, ist zu trennen von einer Klage mit der ein Kassenarzt sich dagegen wendet, daß der Prüfungs- und Beschwerdeausschuß das Kassenhonorar wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise kürzt.
3. Zur Auswahl der Vergleichsgruppe bei einem Facharzt für innere Medizin mit Röntgengenehmigung der Gruppe III (Röntgenaufnahmen des Thorax, des Magen- und Darmtraktes - außer dem Dickdarm mit Kontrasteinlauf -, der Nieren, der Galle, der Extremitäten, der Halswirbelsäule, der Ellenbogen-, Schulter- und Hüftgelenke sowie des Beckens).
Orientierungssatz
1. Wendet sich ein Kassenarzt gegen eine Kürzung des Kassenhonorars durch den Prüfungs- und Beschwerdeausschuß (§ 368n Abs 5 RVO), so rechtfertigen weder der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie noch der Grundsatz des Vertrauensschutzes eine Anwendung des § 96 SGG. Bei den Prüfbescheiden wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise sind Folgeverwaltungsakte und damit Folgeprozesse nicht zwingend zu erwarten, da die Prüfungskommission in jedem Quartal erneut eine Abwägung vornehmen muß.
2. Die Einbeziehung von bloßen Folgeverwaltungsakten in ein laufendes Gebührenverfahren ist prozeßökonomisch gerechtfertigt, da die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund ihres eingenommenen Rechtsstandpunktes auch in der Zukunft zu Kürzungen gelangt und nur die Anwendung des § 96 SGG weitere Prozesse und damit Prozeßverzögerungen vermeiden kann.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 5; SGG § 96 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 368e S. 2
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 18.04.1979; Aktenzeichen II KABf 2/77) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 19.01.1977; Aktenzeichen 3 KA 7/76) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 19.01.1977; Aktenzeichen 3 RK 5/76) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Prüfungskommission der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Honorarforderungen des Klägers wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Ersatzkassenbereich kürzen durfte.
Der Kläger ist Facharzt für innere Krankheiten; er hat die Röntgengenehmigung der Gruppe III, welche Röntgenaufnahmen des Thorax, des Magen- und Darmtraktes (außer dem Dickdarm mit Kontrasteinlauf), der Nieren, der Galle, der Extremitäten, der Halswirbelsäule, der Ellenbogen-, Schulter- und Hüftgelenke sowie des Beckens umfaßt. Er ist seit November 1970 als Kassenarzt in freier Praxis zugelassen. Im Jahre 1975 kürzte die Prüfungskommission der Beklagten in zwei Bescheiden das Honorar des Klägers für Röntgenleistungen im 4. Quartal 1974 und im 1. Quartal 1975 um 20 % wegen Unwirtschaftlichkeit.
Der Kläger widersprach dieser Kürzung unter Hinweis auf Besonderheiten seiner internistischen Praxis. Die Beschwerdekommission der Beklagten wies seinen Widerspruch zurück mit der Begründung, daß er mit seinem Gesamthonorar 58 % über dem Durchschnitt seiner Fachkollegen, die ebenfalls die Röntgengenehmigung der Gruppe III besäßen, gelegen habe, was insbesondere auf die erhöhten Röntgenleistungen zurückzuführen sei. Der Kläger hat dagegen Klage erhoben und nach abweisendem Urteil Berufung eingelegt.
Vor und während des Klageverfahrens sowie des Berufungsverfahrens hat die Prüfungskommission weitere Prüfbescheide, die Kürzungen auf dem Ersatzkassensektor für die Quartale IV/1975, I/1976, II/1976, IV/1976, I/1977 und II/1977 betrafen, erlassen. Der Kläger hat gegen diese Prüfbescheide ebenfalls Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat außer über die Prüfbescheide der Quartale IV/1974 und I/1975 auch über die übrigen noch beim SG anhängigen Verfahren entschieden und dies damit begründet, letztere seien gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
Es hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen bzw dessen Klagen abgewiesen. In seinen Entscheidungsgründen ging es davon aus, daß die Röntgen-Behandlungskosten des Klägers ungefähr zweieinhalbfach über dem Durchschnitt seiner Fachkollegen gelegen hätten (im Quartal IV/1974 um 239 % und im Quartal I/1975 um 238 %). Bei einem solchen offensichtlichen Mißverhältnis ergebe sich die Unwirtschaftlichkeit schon aus einem Vergleich mit den Durchschnittswerten. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Röntgendiagnostik und Einsparungen bei den Krankenhauskosten und den Arbeitsunfähigkeitsfällen könne es nicht feststellen, da es an entsprechenden Unterlagen und geeignetem Zahlenmaterial fehle. Da der Kläger die Facharztanerkennung als Röntgenologe nicht besitze, könne seine Behandlungsweise auch nicht mit denen von Röntgenologen verglichen werden. Die Beklagte habe in gewissem Umfang Besonderheiten der Praxis des Klägers berücksichtigt, was sich in der Höhe der Kürzungen ausdrücke. Es sei das Recht der Prüfinstanzen, die Kürzung ohne genaue Wirtschaftlichkeitsberechnungen nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision erhoben. Er rügt, daß das LSG nicht über die übrigen Prüfbescheide hätte entscheiden dürfen, wodurch ihm eine Instanz genommen worden sei.
Dem LSG seien im übrigen Fehler bei der Auslegung des Begriffs "Unwirtschaftlichkeit" und bei der Beweiswürdigung unterlaufen. Es habe die Vergleichsgruppe nach falschen Kriterien ausgewählt. Denn es habe nicht geprüft, ob die von der Beklagten herangezogene Vergleichsgruppe hinsichtlich der Erbringung diagnostischer Leistungen seiner Praxis entspreche, die in der Diagnose ihren Schwerpunkt habe. Das LSG hätte zu der Frage, mit welcher Gruppe von Ärzten seine Praxis zu vergleichen sei, ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Es hätte sich dazu gedrängt fühlen müssen angesichts seines Hinweises auf die Unvergleichlichkeit seiner Praxis, die sich aus der Verbindung von internistischer mit röntgenologischer Diagnostik ergebe. Gegen den Vergleich spreche auch, daß seine röntgenologischen Leistungen selbst nach Berücksichtigung der Kürzungen noch um 200 bis 300 % über den mit ihm verglichenen Ärzten lägen. Die Frage, ob und in welchem Umfang Untersuchungen erforderlich gewesen seien, dürfe nicht allein nach den Durchschnittswerten der jeweiligen Vergleichsgruppe erfolgen. Eine verstärkte Anwendung diagnostischer Untersuchungsmethoden könne auch aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gerechtfertigt sein, was ebenfalls durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden könne. Er habe ferner den Anscheinsbeweis durch die von ihm dargelegten Besonderheiten seiner Praxis - wie geringere Strahlenbelastung und Ausgabe von sogenannten Strahlenpässen, personelle Ausstattung bei Mitarbeit der Ehefrau, die ebenfalls Ärztin sei, besondere eigene Ausbildung und örtliche Lage - und zum anderen durch viele Einsparungen auf anderen Gebieten widerlegt. Das LSG habe es nicht für notwendig erachtet, diese Praxisbesonderheiten festzustellen und aufzuklären; vielmehr habe es nur in seinen Gründen ausgeführt, die Beklagte habe das schon bei der Höhe der Kürzungen berücksichtigt.
Er sei deshalb stärker röntgendiagnostisch tätig geworden als die anderen neun Internisten der Vergleichsgruppe, weil es im Außenbezirk Bergedorf an einem erfahrenen Internisten mit Röntgenerfahrung und an Röntgenfachkräften gefehlt habe. Erst 1974/1975 hätten sich röntgenologisch tätige Kollegen in Hamburg-Bergedorf verstärkt niedergelassen.
Er beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg und des Sozialgerichts Hamburg sowie die Prüfbescheide der Beklagten aufzuheben, soweit sie Kürzungen von Röntgenleistungen betreffen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Auch sie ist der Meinung, daß das LSG die sechs vom SG noch nicht entschiedenen Klagen nicht in das Berufungsverfahren hätte einbeziehen dürfen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bisher § 96 SGG nur auf Verwaltungsakte für solche Folgequartale angewandt, in denen um die Auslegung derselben Gebührenordnungs- oder Honorarverteilungsbestimmung gestritten worden ist. Eine Ausdehnung auf Bescheide von Prüfinstanzen, die nicht eine für das selbe Quartal bereits getroffene Prüfmaßnahme abänderten oder ersetzten, sei nicht sachgerecht. Im übrigen sei die Revision des Klägers unbegründet. Es lasse sich nicht belegen, daß seine Praxis stärker auf Diagnostik ausgerichtet sei als die Praxis der Ärzte der Vergleichsgruppen. Die besondere Praxisausstattung sei kein Kriterium, um weitaus höhere Röntgenhonorare abzurechnen als diejenigen Ärzte, die im gleichen Umfang Röntgenleistungen wie der Kläger erbringen dürften. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den erhöhten Röntgenkosten und angeblich niedrigeren Therapiekosten sei nicht plausibel. Stärker diagnostisch orientierte Internistenpraxen hätten zwangsläufig geringere Verordnungs-, Arbeitsunfähigkeits-, Krankenhaus- und Beratungskosten als eine landläufige Praxis. Der diagnostisch arbeitende Internist der Röntgengruppe III gebe in nicht geringem Umfang Patienten nach Durchführung der Diagnostik an den Hausarzt, welcher die eigentliche Therapie betreibe.
Der zum Verfahren beigeladene Verband beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat unter Mitwirkung von zwei Kassenärzten als ehrenamtliche Richter entschieden. Die angefochtenen Verwaltungsakte fallen in den Aufgabenkreis der kassenärztlichen Selbstverwaltung und gehören nicht zum Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der KÄV und der Krankenkasse. Auch die Prüfungs- und Beschwerdekommission war ausschließlich mit von der KÄV bestellten Vertragsärzten besetzt.
Entgegen der Ansicht des LSG sind die Prüfbescheide des Quartals IV/1975 und der folgenden Quartale nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Nach dieser Vorschrift, die entsprechend im Berufungsverfahren gilt (§ 153 Abs 1 SGG), wird ein Verwaltungsakt, der einen mit der Klage angefochtenen anderen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt, Gegenstand des Verfahrens.
Durch die Erweiterung des Streitgegenstandes nach § 96 SGG sollen die Streitfragen in einem Verfahren konzentriert und divergierende Entscheidungen verhindert werden. Zum anderen soll aber auch der rechtsschutzsuchende Bürger insoweit geschützt werden, als er darauf vertraut, daß die Streitfrage nur innerhalb seines Klageverfahrens entschieden wird und deshalb weitere gerichtliche Schritte gegen Folgebescheide unterläßt (BSG SozR Nr 14 und 19 zu § 96 SGG; BSG SozR 15OO § 96 SGG Nr 2, 4 und 6; SozR 1500 § 144 SGG Nr 6; Entscheidung vom 7. Oktober 1981 - 6 RKa 9/78 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG entsprechend anzuwenden, wenn der neue Verwaltungsakt sich zwar nicht auf den Streitgegenstand im engeren Sinne bezieht, aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergeht und einen weiteren Zeitraum erfaßt (BSG SozR Nr 14 zu § 96 SGG). Der Senat hat deshalb bei einer Klage eines Kassenarztes gegen Honorarabrechnungen seiner KÄV (§ 368f Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) alle nach Klagerhebung erlassenen weiteren Abrechnungen - mit einer Berichtigung der Ansätze derselben Positionen des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen (BMÄ) - selbst dann als gemäß § 96 SGG zum Verfahren gehörig angesehen, wenn sie andere Quartale betrafen (BSG SozR Nr 14, 19 und 21 zu § 96 SGG; SozR 1500 § 144 SGG Nr 6; Urteil vom 7. Oktober 1981 - 6 RKa 9/78 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Der Honorarstreit, welche Gebühr für eine ärztliche Leistung gefordert werden kann, ist aber zu trennen von einer Klage, mit der ein Kassenarzt sich dagegen wendet, daß der Prüfungs- und Beschwerdeausschuß (§ 368n Abs 5 RVO) das Kassenhonorar wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise kürzt (BSGE 27, S 146 , 148 f).
Weder der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie noch der Grundsatz des Vertrauensschutzes rechtfertigen hier eine Anwendung des § 96 SGG (BSG SozR 1500 § 144 SGG Nr 1, S 3; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, Stand 1. August 1981, § 96, Anm 1b, S II/54; Martens, Einbeziehung von Folgebescheiden in Prozessen wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise, SGb 1970, 283 , 284). Die Einbeziehung von bloßen Folgeverwaltungsakten in ein laufendes Gebührenverfahren ist prozeßökonomisch gerechtfertigt, da die KÄV aufgrund ihres eingenommenen Rechtsstandpunktes auch in der Zukunft zu Kürzungen gelangt und nur die Anwendung des § 96 SGG weitere Prozesse und damit Prozeßverzögerungen vermeiden kann. Bei den Prüfbescheiden wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise sind Folgeverwaltungsakte und damit Folgeprozesse jedoch nicht zwingend zu erwarten, da die Prüfungskommission in jedem Quartal erneut eine Abwägung vornehmen muß. Die automatische Einbeziehung sämtlicher dem angefochtenen Bescheid folgenden Prüfbescheide würde die Erledigung des Rechtsstreits nur verzögern; denn die Gerichte müßten in jedem Quartal mit neuen Bescheiden rechnen und eventuell neue Ermittlungen anstellen. Soweit das LSG daher gemäß § 96 SGG über Verfahren entschieden hat, die noch beim SG anhängig gewesen sind, ist das Berufungsurteil aufzuheben; der Rechtsstreit hierüber ist vor dem SG Hamburg fortzusetzen.
Die Revision ist im übrigen unbegründet.
Die Prüfungs- und Beschwerdekommission der beklagten KÄV hat zu Recht die vertragsärztliche Behandlungsweise des Klägers als unwirtschaftlich beanstandet und das Honorar der Quartale IV/1974 und I/1975 gekürzt.
Die Auswahl der im Einzelfall notwendigen und wirtschaftlichen Behandlung ist grundsätzlich allein Sache des Vertragsarztes.
Ob die ärztliche Behandlungs- und Abrechnungsweise im einzelnen und insgesamt nach den Regeln der ärztlichen Kunst dem Erfordernis der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit genügt, darüber entscheidet gemäß § 14 iVm § 15 AEV eine Prüfungskommission. Der für die Überwachung notwendige Kontrollmaßstab ergibt sich nicht aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Denn die hier zu prüfenden Leistungserstellungsprozesse leiten sich nicht aus bestimmten technischen Arbeitsabläufen her. Die Wirtschaftlichkeit iS von § 14 AEV (und § 368e RVO) wird vielmehr maßgeblich beeinflußt von dem besonderen Charakter der ärztlichen Leistungen. Es ist der Prüfinstanz gestattet, diese Wirtschaftlichkeit mit Hilfe einer Statistik zu messen. Dabei wird der durchschnittliche Kostenaufwand des Vertragsarztes an dem statistischen Durchschnitt seiner Fachkollegen gemessen. Überschreitet er diesen offensichtlich, so wird vermutet, daß der Arzt unwirtschaftlich gearbeitet hat, ohne daß es eines weiteren Nachweises bedarf, es sei denn, daß Besonderheiten der jeweiligen Praxis den Mehraufwand ganz oder teilweise rechtfertigen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 3, Nr 14, S 47, Nr 19; BSGE 50, 85 ff = SozR 2200 § 368e Nr 4). Ist die Überschreitung nicht offensichtlich, so müssen zusätzliche Einzelfallprüfungen erfolgen. Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn die Behandlungs- oder Verordnungsweise eines Vertrags- oder Kassenarztes im ganzen geprüft wird. Sie gelten auch, wenn die Fallwerte von Leistungsgruppen oder von einzelnen Leistungsarten einander gegenübergestellt werden (BSG SozR 2200 § 368n Nr 19 S 52).
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG lagen die in den Quartalen IV/1974 und I/1975 angefallenen Fallzahlen des Klägers für Röntgenleistungen fast 240 % über dem Durchschnitt seiner Fachkollegen, die ebenfalls die Röntgengenehmigung der Gruppe III besitzen.
Ein offensichtliches Mißverhältnis kann schon bei einer Überschreitung von 53 % gesehen werden, wenn eine deutlich steigende Tendenz zu erkennen ist (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 14, S 47). In jedem Fall genügt eine Überschreitung von mindestens 100 % (BSG SozR 2200 § 368e RVO Nr 4; Lüke, Anm zu diesem Urteil in SGb 1981, 362 ff, 363).
Die Kritik des Klägers an der Auswahl der Vergleichsgruppe ist nicht berechtigt. Die Vergleichsgruppe setzt sich zusammen aus 8 Internisten, welche dieselbe Röntgengenehmigung wie der Kläger haben, sowie aus 1 Internisten, der zugleich als Röntgenfacharzt zugelassen ist. Der Kläger beanstandet nicht die Zusammensetzung dieser Gruppe; vielmehr ist er der Meinung, daß sie für einen Vergleich mit seiner Praxis ungeeignet sei. Er möchte, daß die Beklagte ihn, was die röntgenologischen Leistungen betrifft, mit der Praxis eines Röntgenologen vergleicht.
Die Auswahl der Vergleichsgruppe orientiert sich in erster Linie an der Praxisstruktur. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die ärztliche Tätigkeit in großem Maße spezialisiert ist, weshalb darauf zu achten ist, für welches Gebiet der Arzt zugelassen ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 24. Februar 1978, 1 BvR 935/77, abgedruckt in Raddatz/Szidat, WKR 9/1978; BSG SozR 2200 § 368e Nr 4 RVO). Wenn eine besondere Behandlungsmethode nach ärztlichem Berufsrecht dazu berechtigt, eine Zusatzbezeichnung zu führen, die nach einer speziellen Qualifikation verliehen wird, so kann die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe zweckmäßig sein (BSG SozR 2200 § 368e RVO Nr 4; vgl dazu auch Anm von Lüke aaO 362 ff mit Angabe der zugelassenen Zusatzbezeichnungen).
Der Kläger ist lediglich als Facharzt für innere Medizin zugelassen, nicht dagegen als Röntgenfacharzt.
Soweit er mit dem Vorbringen, seine Beratungshonorare und Rezeptierungen seien erheblich niedriger als die seiner Fachkollegen, auf vermehrte Überweisungen hinweisen will, so genügt dies jedenfalls nicht, um die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen. Er hätte darlegen müssen, daß gerade diese Überweisungsfälle seinen Falldurchschnitt bei den Röntgenleistungen derart in die Höhe getrieben haben. Dies erscheint angesichts der enormen Höhe der Überschreitung (fast 2,5-fach über dem Durchschnitt) aber ganz unwahrscheinlich, da auch die Ärzte der Vergleichsgruppe solche Überweisungsfälle abrechnen dürfen.
Auch das übrige Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise zu widerlegen. Weder die technische noch die personelle Ausstattung seiner Praxis können die von der Beklagten gerügten überhöhten Fallzahlen rechtfertigen.
Auch die Argumentation des Klägers, seine besonders strahlengünstige moderne Röntgenapparatur und die Ausgabe von Strahlenpässen hätten zu einem verstärkten Zulauf und gehäufteren Überweisungen geführt, greift nicht durch. Das hätte nur dazu geführt, daß der Kläger mehr Patienten als seine Fachkollegen behandelt hätte. Die Zunahme des Falldurchschnitts zeigt aber, daß er seine Ersatzkassenpatienten erheblich mehr geröntgt hat als es seine Fachkollegen der Vergleichsgruppe getan haben, ohne daß der Kläger hierfür behandlungsspezifische Gründe hätte vorbringen können. Es ist zwar richtig, daß die innere Medizin in den letzten Jahrzehnten einen Zuwachs an technischen Möglichkeiten erfahren hat, die der Arzt nutzen muß. Diesem Umstand ist aber dadurch genügend Rechnung getragen, daß der Kläger mit dem Durchschnitt solcher Praxen verglichen worden ist, die ebenfalls verstärkt diagnostizieren. Aber auch der Einwand, seine umfangreiche Röntgendiagnostik habe zu Einsparungen geführt, vermag nicht durchzugreifen. Das Vorbringen des Klägers kann nur dann die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit widerlegen, wenn der Mehraufwand für sie ursächlich ist. Hier widerspricht sich aber der Kläger, wenn er günstigere Zahlen bei den Arbeitsunfähigkeitszeiten und der Medikamentenverschreibung auf seine Behandlungsweise zurückführt. Denn die Arbeitsunfähigkeit eines Patienten wird in erster Linie durch die Therapie beendet, welche in der Praxis des Klägers weit hinter die Diagnostik zurücktritt, wie er selbst zugibt. Eine breite Röntgendiagnostik mag zwar eine gezielte Therapie beschleunigen und ermöglichen, sie bildet aber nur einen Teil der Gesamtdiagnostik (Hoffmann, aaO, MedSach 1976, S 79). Es ist deshalb schon schwer, eine Verhältniszahl anzugeben, welche die Erfolgsquote der Röntgendiagnostik gegenüber anderen diagnostischen Methoden ausweist. Ungleich schwerer ist es aber anzugeben, welchen Anteil daran speziell die Röntgendiagnostik des Klägers hat. Weil der Kläger hierfür keinerlei Zahlen angegeben hat, ist das LSG jedenfalls nicht verpflichtet gewesen, in dieser Richtung weiter zu ermitteln.
Das Berufungsurteil ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil das LSG nicht näher auf die vom Kläger behauptete röntgenologische Unterversorgung in Hamburg-Bergedorf eingegangen ist. Der Kläger gibt selbst an, daß 1974/75, also ab den hier geprüften Quartalen, eine verstärkte röntgenologische Versorgung in Hamburg-Bergedorf zu verzeichnen war. Im übrigen hätte er sich nicht damit begnügen dürfen aufzuzeigen, welche Fachärzte sich wann in Hamburg-Bergedorf niedergelassen haben. Er hätte vielmehr darlegen müssen, in welchem Maße sich das Fehlen bestimmter Facharztpraxen auf seine Röntgentätigkeit ausgewirkt hat.
Die Revision war daher, was die Quartale IV/1974 und I/1975 angeht, als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat sah keine Veranlassung, der Beklagten Kosten insoweit aufzuerlegen, als die im Tenor genannten Verfahren an das Sozialgericht Hamburg zurückverwiesen wurden.
Fundstellen