Leitsatz (redaktionell)
Die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128a AFG setzt bei klar erkennbarer Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede regelmäßig voraus, daß das Arbeitsamt die Vertragsparteien auf die Nichtigkeit hingewiesen hat und der Arbeitgeber dennoch auf der Einhaltung besteht.
Orientierungssatz
Erstattung von Arbeitslosengeld gemäß § 128a AFG - Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede - Hinweispflicht des Arbeitsamts:
1. § 128a AFG setzt nach seinem Wortlaut und insbesondere nach seiner Begründung (aaO) voraus, daß die Wettbewerbsabrede den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt. Daraus ergibt sich, daß nur solche tatsächlichen Behinderungen die Erstattungspflicht auslösen können, die durch die Vereinbarung wesentlich verursacht worden sind. Nur dann ist nämlich der Arbeitgeber für das erhöhte Wiedereingliederungsrisiko verantwortlich und nur unter dieser Voraussetzung kommt seine Erstattungspflicht gegenüber der Gemeinschaft aller Beitragszahler in Betracht (vgl BSG vom 3.2.1989 - 11 RAr 63/86).
2. Die Aufgabe des Arbeitsamtes besteht nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe des Arbeitsamtes die Vermittlung des Arbeitslosen (§ 3 Abs 2 Nr 3 SGB 1; § 2 Nr 1, § 3 Abs 2 Nr 2 AFG), durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Deshalb muß das Arbeitsamt sich zuerst dieser Vermittlungsaufgabe zuwenden. Dazu gehört es jedenfalls, klar erkennbare scheinbare Vermittlungshemmnisse zu beseitigen, sofern dies mit zumutbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Bei Wettbewerbsabreden hat das Arbeitsamt die Möglichkeit, sich schnell, erforderlichenfalls telefonisch, beim Arbeitgeber über deren genauen Inhalt zu informieren und in allen Fällen, in denen die Nichtigkeit ohne weiteres erkennbar ist, den Arbeitslosen davon in Kenntnis zu setzen, daß eine rechtlich wirksame Beschränkung seiner beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht besteht. Zugleich muß das Arbeitsamt den Arbeitgeber informieren und ihn auffordern, den Arbeitslosen nicht mehr zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots anzuhalten. Diese Verpflichtung besteht auch dem Arbeitgeber gegenüber, weil dieser im Falle der Leistungsbewilligung in seinen rechtlichen Interessen berührt ist (vgl § 12 Abs 2 SGB 10).
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 26.04.1988; Aktenzeichen L 8 Al 286/86) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 11.09.1986; Aktenzeichen S 4 Al 588/84) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Klägerin der Beklagten nach § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für die Zeit vom 1. Oktober bis 19. Dezember 1983 Arbeitslosengeld (Alg) und die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung zu erstatten hat.
Am 31. Mai 1983 schloß die Klägerin, eine Bürotechnik-Firma, mit dem Arbeitnehmer einen schriftlichen Arbeitsvertrag über seine Beschäftigung als Verkäufer im Außendienst. In § 12 des Vertrages wurde die folgende Vereinbarung getroffen:
"Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, innerhalb des nächsten ersten
Jahres nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der
Arbeitgeberin in je einem Umkreis von 40 km weder als Arbeitnehmer tätig
zu werden noch sich in irgendeiner anderen rechtsverbindlichen Form an
einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen."
Eine Entschädigung für die Dauer des Verbots wurde nicht vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete am 14. Juli 1983.
Nach Ablauf einer achtwöchigen Sperrzeit bezog S. Alg vom 9. September 1983 bis 22. Januar 1984 (Bescheid vom 29. August 1983). Das Arbeitsamt (AA) erhielt von der Klägerin den Arbeitsvertrag, unterrichtete sie über die Erstattungspflicht nach § 128a AFG und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin teilte unmittelbar danach mit, das Wettbewerbsverbot sei wegen fehlender Entschädigungsvereinbarung unwirksam.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 23. März 1984 die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128a AFG für die Zeit vom 9. September bis 19. Dezember 1983 fest und forderte sie zur Zahlung von 10.392,11 DM auf. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. September 1984).
Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Sozialgericht Augsburg (SG) die Erstattungspflicht auf die Zeit vom 9. bis 30. September 1983 begrenzt hat (Urteil vom 11. September 1986). Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 26. April 1988). Die Wettbewerbsbeschränkung sei zwar nach § 74 Abs 2 Handelsgesetzbuch (HGB) nichtig. Darauf könne sich die Klägerin jedoch nicht berufen, weil der Arbeitnehmer nach ihrem offenkundigen Willen dennoch ohne Gegenleistung zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots verpflichtet sein sollte.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 128a AFG. Von der für die Erstattungspflicht erforderlichen tatsächlichen und objektiven Beschränkung der Vermittlungsfähigkeit könne nicht ausgegangen werden, wenn die Wettbewerbsabrede zweifelsfrei von vornherein unwirksam sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. April 1988
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und verweist auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24. April 1980 - 3 AZR 1047/77 - (NJW 1980, 2429).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zu entscheiden ist nur noch über die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128a AFG für die Zeit vom 1. Oktober bis 19. Dezember 1983. Für die vorangegangene Zeit vom 9. bis 30. September 1983 ist der Erstattungsanspruch rechtskräftig abgewiesen worden, weil die Klägerin gegen das Urteil des SG keine Berufung eingelegt hat. Der Beklagten steht der noch streitige Erstattungsanspruch gemäß § 128a AFG jedoch nicht zu.
Nach § 128a AFG erstattet der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich das Alg, das dem Arbeitslosen für eine Zeit gezahlt worden ist, in der er durch eine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt war. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, denn in der streitigen Zeit bestand keine Beschränkung der beruflichen Tätigkeit des S.
In § 12 des Arbeitsvertrages vom 31. Mai 1983 wurde zwar eine Wettbewerbsbeschränkung vereinbart. Diese enthielt jedoch keine Regelung über eine Entschädigung des Arbeitnehmers und war deshalb nichtig. Der erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des BAG, wonach Wettbewerbsverbote nichtig sind, die entgegen § 74 Abs 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen (BAG-Urteil vom 13. September 1969 Az.: 3 AZR 138/68 NJW 1970, 626, 627).
Zu Unrecht verweist die Beklagte auf das Urteil des BAG vom 24. April 1980 (aaO), denn diese Entscheidung betraf ein Wettbewerbsverbot, das eine Karenzentschädigung vorsah, die lediglich nicht der gesetzlichen Mindesthöhe entsprach. Solche Vereinbarungen sind gemäß § 74 Abs 2 HGB unverbindlich, dh sie eröffnen dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht, die Abrede zu den vereinbarten Bedingungen einzuhalten oder sich von ihr loszusagen. Das BAG hat aber auch in dieser Entscheidung ausdrücklich auf sein Urteil vom 13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - (aaO) hingewiesen und damit bestätigt, daß eine Abrede, die keine Entschädigungsvereinbarung enthält, kein Wahlrecht eröffnet, sondern nichtig ist.
War somit die zwischen der Klägerin und S. abgeschlossene Wettbewerbsabrede nichtig, konnte er ohne Rechtsverstoß nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten von der Beklagten uneingeschränkt vermittelt und tätig werden.
Dies allein erlaubt es allerdings noch nicht, die Erstattungspflicht der Klägerin zu verneinen. Das LSG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß ein Arbeitnehmer auch dann iS von § 128a AFG durch eine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt ist, wenn er die Nichtigkeit nicht erkennt und deshalb oder gar wegen eines Hinweises seines früheren Arbeitgebers davon ausgeht, bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Das ergibt sich aus dem Zweck des § 128a AFG, der in der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 9/846 S 46 zu Nr 41) wie folgt beschrieben wird:
"Derartige Wettbewerbsabreden erschweren allein im Interesse des
bisherigen Arbeitgebers die Wiedereingliederung des Arbeitslosen. Es ist
deshalb nicht gerechtfertigt, die Gemeinschaft aller Beitragszahler mit
diesem Risiko zu belasten. Den sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit des in
seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkten Arbeitnehmers
hat deshalb der bisherige Arbeitgeber zu tragen ..."
Danach können gleichermaßen die tatsächlichen wie die rechtlichen Auswirkungen einer Wettbewerbsvereinbarung das erhöhte Eingliederungsrisiko und damit die Erstattungspflicht auslösen. Auch für die tatsächlichen Folgen der Wettbewerbsvereinbarung trägt regelmäßig der Arbeitgeber die Verantwortung, weil auch insoweit seine Interessen zu Lasten der Versichertengemeinschaft verwirklicht werden.
Dennoch kommt hier eine Erstattungspflicht nicht in Betracht. § 128a AFG setzt nach seinem Wortlaut und insbesondere nach seiner Begründung (aaO) voraus, daß die Wettbewerbsabrede den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt. Daraus ergibt sich, daß nur solche tatsächlichen Behinderungen die Erstattungspflicht auslösen können, die durch die Vereinbarung wesentlich verursacht worden sind. Nur dann ist nämlich der Arbeitgeber für das erhöhte Wiedereingliederungsrisiko verantwortlich und nur unter dieser Voraussetzung kommt seine Erstattungspflicht gegenüber der Gemeinschaft aller Beitragszahler in Betracht (vgl auch Urteil des erkennenden Senats vom 22. Februar 1989 - 11 RAr 63/86 -).
Die Klägerin hat zwar durch Abschluß der nichtigen Wettbewerbsvereinbarung zunächst eine tatsächliche - weil vermeintliche - Beschränkung der beruflichen Tätigkeit des S. als Arbeitnehmer verursacht. Diese Ursache verlor jedoch ihre den Arbeitnehmer beschränkende Wirkung, sobald die Beklagte den Wortlaut kannte und damit die Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede erkennen mußte. Denn nun hatte sie es in der Hand, die Partner der Wettbewerbsabrede auf deren Nichtigkeit hinzuweisen und dadurch die allein bestehende tatsächliche Behinderung der Vermittlung auszuschalten. Das muß jedenfalls für den hier gegebenen Fall gelten, da die Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede wegen fehlender Entschädigungsvereinbarung (§ 74 Abs 2 HGB) klar erkennbar ist, und die Beklagte bereits am 1. September 1983 durch den vom Arbeitgeber übersandten Arbeitsvertrag genaue Kenntnis von dem Inhalt der Wettbewerbsabrede erhalten hatte.
Der Vorrang der Verantwortung des AA gegenüber derjenigen des Arbeitgebers wird zusätzlich durch ihre Aufgabenstellung gestützt. Die Aufgabe des AA besteht nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe des AA, die Vermittlung des Arbeitslosen (§ 3 Abs 2 Nr 3 SGB 1; §§ 2 Nr 1; 3 Abs 2 Nr 2 AFG), durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Deshalb muß das AA sich zuerst dieser Vermittlungsaufgabe zuwenden. Dazu gehört es jedenfalls, klar erkennbare scheinbare Vermittlungshemmnisse zu beseitigen, sofern dies mit zumutbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Bei Wettbewerbsabreden hat das AA die Möglichkeit, sich schnell, erforderlichenfalls telefonisch, beim Arbeitgeber über deren genauen Inhalt zu informieren und in allen Fällen, in denen die Nichtigkeit ohne weiteres erkennbar ist, den Arbeitslosen davon in Kenntnis zu setzen, daß eine rechtlich wirksame Beschränkung seiner beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht besteht. Zugleich muß das AA den Arbeitgeber informieren und ihn auffordern, den Arbeitslosen nicht mehr zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots anzuhalten. Diese Verpflichtung besteht auch dem Arbeitgeber gegenüber, weil dieser im Falle der Leistungsbewilligung in seinen rechtlichen Interessen berührt ist (vgl § 12 Abs 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB 10 -).
Der Verwaltungsaufwand hierfür ist zumutbar, weil sich das AA immer dann, wenn es im Leistungsverfahren durch Mitteilung des Arbeitslosen oder durch die Arbeitsbescheinigung von einer Wettbewerbsabrede erfährt, ohnehin beim Arbeitgeber über deren Umfang informieren muß. Demgegenüber erscheint es auch vom Verwaltungsaufwand her nicht gerechtfertigt, das sehr viel aufwendigere Erstattungsverfahren durchzuführen, wenn durch einfachere und weniger belastende Maßnahmen die Hauptaufgabe der Vermittlung gefördert werden kann. Deshalb ist der Einwand unbegründet, bei der Vielzahl der Verfahren müsse das AA von dem ersten Anschein ausgehen. Zusätzliche Rechtskenntnisse der Sachbearbeiter werden in Fällen, wie dem hier gegebenen, namentlich bei entsprechenden Dienstanweisungen, nicht in unzumutbarem Umfang vorausgesetzt.
Die Belehrung des Arbeitslosen wird in der Regel dazu führen, daß er sich zur uneingeschränkten Vermittlung bereit erklärt. Auch der Arbeitgeber wird es dann regelmäßig unterlassen, sich auf die nichtige Abrede zu berufen. Die Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht bewirkt mithin in diesen Fällen letztlich, daß das AA an sich mögliche Vermittlungsbemühungen unterläßt. Damit entfällt die Rechtfertigung, den Arbeitgeber mit den Kosten zu belasten, die durch die Fortdauer der Arbeitslosigkeit entstehen. Auch wenn sich ausnahmsweise der Arbeitslose trotz Belehrung über die Nichtigkeit weiter auf das Wettbewerbsverbot beruft, fällt dieses Vermittlungshindernis regelmäßig nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers, weil dann der Arbeitslose aus eigenem Entschluß und ohne eigene berechtigte Interessen aus dem Arbeitsverhältnis seine Vermittelbarkeit selbst beschränkt. Der anders zu beurteilende Fall, daß der Arbeitgeber dem Hinweis des AA widerspricht, die Wettbewerbsabrede sei nichtig, und der Arbeitslose sich im Hinblick auf das Risiko eines Rechtsstreits zunächst an die Wettbewerbsvereinbarung hält, liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE 65, 72-76 (LT1) |
BSGE, 72 |
RegNr, 18525 (BSG-Intern) |
NZA 1989, 981-982 (LT) |
ZAP, EN-Nr 504/89 (S) |
ZIP 1989, 1151 |
AP § 128a AFG (LT1), Nr 2 |
AP § 74 HGB (L), Nr 58 |
DBlR 3495, AFG/§ 128a (LT1) |
SozR 4100 § 128a, Nr 2 (LT1) |