Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einseitiger Linsenlosigkeit, wenn der Verletzte eine Haftschale trägt.
Normenkette
RVO § 581 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Juni 1967 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahre 1927 geborene Kläger hat das Schmiedehandwerk erlernt. Später ist er als Schlosser tätig gewesen. Seit dem Jahre 1956 war er bei der Firma St in H in deren Abteilung Tankwagenbau beschäftigt. Er war auf den Einbau hydraulischer Anlagen für Tankwagenpumpen spezialisiert.
Am 23. August 1963 drang dem Kläger, als er unter einem Tankwagen mit Meißelarbeiten über Kopf beschäftigt war, ein Metallsplitter in das linke Auge. Dadurch kam es zu einer Linsenlosigkeit des Auges. Am Ende des Jahres 1963 wurde dem Kläger auf Kosten der Beklagten eine Haftschale verordnet; diese verträgt er im allgemeinen gut. Er klagt allerdings über Lichtempfindlichkeit, häufiges Verschwommensehen, Verschmieren der Haftschale bei Schweißbildung und erhebliche Sehschwierigkeiten bei Arbeiten unter ungünstiger Beleuchtung. Da die Akkommodationskraft der Linse nicht mehr vorhanden ist, erhielt er außerdem auf Kosten der Beklagten für die Naharbeit ein Trifokalglas, und zwar in einer Form, welche ein sonst während der Arbeit erforderliches ständiges Auf- und Absetzen der Brille erübrigt. Außerdem wurde, da bereits eine das gleichzeitig beidäugige Sehvermögen gefährdende Auswärtsstellung des linken Auges aufgetreten war, eine Schulung der Fusion am Synoptophor mit dem Kläger durchgeführt.
Im Februar 1964 nahm der Kläger seine Tätigkeit im Betrieb wieder auf. Es zeigte sich jedoch, daß er infolge der Sehbehinderung auf dem linken Auge die früher von ihm verrichtete Akkordarbeit, welche meist unter dem Tankwagen bei Kunstlicht auszuführen ist und bei der es, da sie teilweise eine Genauigkeit bis zu 1/100 mm erfordert, auf ein genaues Sehen ankommt, auf die Dauer nicht mehr verrichten konnte. Ein mehrfacher Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebes, wobei der Kläger teilweise einer im Akkord arbeitenden Gruppe zugeteilt wurde, stieß, da der Kläger nicht alle anfallenden Arbeiten ausführen konnte, auf den Widerstand der Mitarbeiter und befriedigte auch den Kläger nicht, so daß er am 27. August 1965 das Arbeitsverhältnis beendete. Er kehrte in seinen erlernten Beruf zurück und trat in eine fahrende Schmiede ein, in welcher vorwiegend Turnierpferde beschlagen werden. Der Kläger wird im wesentlichen damit beschäftigt, die Pferde beim Beschlagen festzuhalten und die rohen Vorarbeiten auszuführen, weil er für die feinen Arbeiten nicht genügend sieht, vor allem wenn die Arbeiten in dunklen Ställen zu verrichten sind; er benötigt für seine Arbeit in der Regel eine erheblich längere Zeit als die anderen Schmiedegesellen.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 27. Juli 1965 die Gewährung einer Unfallentschädigung ab, weil die Erwerbsfähigkeit durch Unfallfolgen nur um 15 v.H. gemindert sei.
Mit seiner beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhobenen Klage hat der Kläger zunächst begehrt, diesen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zu gewähren. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1966 hat er abweichend davon beantragt, vom 18. Februar 1964 an ihm vorläufige Rente von 20 v.H. der Vollrente zu gewähren; beide Beteiligte haben außerdem beantragt, die Berufung zuzulassen. Dieser geänderte Antrag ist in der mündlichen Verhandlung vom 4. Januar 1967, in der das SG einen Vorarbeiter des Unternehmens, in welchem der Kläger zur Zeit des Unfalls beschäftigt war, sowie seinen jetzigen Arbeitgeber als Zeugen gehört hat, aufrechterhalten worden.
Das SG hat durch Urteil vom 16. Juni 1967 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 18. Februar 1964 bis zum 31. Juli 1965 vorläufige Rente von 20 v.H. der Vollrente zu gewähren. "Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Erwerbsminderungsgrades bei einer Haftschalenkorrektur nach einseitiger Linsenlosigkeit" hat es die Berufung, die es nach § 145 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für ausgeschlossen hält, zugelassen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG im wesentlichen ausgeführt: Im Streit sei, ob der Kläger Anspruch auf vorläufige Rente habe. Wie sich aus seinen glaubhaften Angaben und den Bekundungen der Zeugen ergebe, sei der Kläger infolge seiner Sehbehinderung in seiner Arbeitsleistung und damit in seiner Wettbewerbsfähigkeit erheblich benachteiligt. Dies bestätigten die Gutachten des Augenfacharztes Dr. A vom 26. August 1966 und des Direktors der Universitäts-Augenklinik H, Prof. Dr. S, vom 6. Februar 1967. Diesen sei zu entnehmen, daß, obwohl der Kläger eine Haftschale trage, dadurch nicht, wie der Facharzt für Augenkrankheiten Dr. G-D im Gutachten vom 13. Januar 1964 ausgeführt habe, eine optimale Korrektur der Linsenlosigkeit des linken Auges erzielt worden sei. Die Prüfung des beidäugigen Sehens durch Prof. Dr. S habe eine deutlich eingeschränkte Fusionsbreite, eine erhebliche Beeinträchtigung des Tiefensehens sowie eine Neigung ergeben, das verletzte Auge von dem Sehakt auszuschließen; das Sehvermögen auf diesem Auge sei trotz der Haftschalenkorrektion herabgesetzt. Der Gutachter sei zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger noch grobe Arbeiten, welche nicht zu einer Einschmutzung der Haftschale führen könnten, verrichten könne und Arbeiten bei Kunstlicht zuzumuten seien, jedoch keine Tätigkeiten, bei denen es auf Tiefensehen, Entfernungssehen und ähnliche an das beidäugige Sehen zu stellende Anforderungen ankomme. Eine Gesamtwürdigung all dieser Umstände rechtfertige es, die MdE durch die Einschränkung des Sehvermögens auf 20 v.H. zu schätzen. Die in der ärztlichen Wissenschaft zum Grad der MdE bei einer durch eine Haftschale korrigierten einseitigen Linsenlosigkeit vertretenen Ansichten (Prof. Dr. S und Dr. A 20 v.H., Dr. G-D und Prof. Dr. G 10 - 15 v.H.) könnten nach Lage des Falles auf sich beruhen. Prof. Dr. G dessen Meinung die Beklagte für richtig halte, setze in einem solchen Fall voraus, daß eine optimale Haftschalenkorrektur vorliege. Davon könne aber angesichts der von Prof. Dr. S und Dr. A erhobenen Untersuchungsbefunde keine Rede sein. Die von Dr. G D angestellten Erwägungen, daß das mit einer Haftschale korrigierte Auge zumindest halb so viel wert sei wie der völlige Verlust eines Auges, der im allgemeinen mit 25 v.H. bewertet werde, überzeuge nicht, denn entscheidend sei, inwieweit der Verletzte die durch das Tragen einer Haftschale wiedergewonnene Sehkraft auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens auszunutzen vermöge. Der Kläger könne die wiedergewonnene Sehkraft weder subjektiv noch objektiv bei seiner Arbeit in ausreichendem Maß verwerten. Deshalb komme dem Umstand, daß er die Haftschale gut vertrage, für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit keine maßgebliche Bedeutung zu. Dem Kläger sei daher entsprechend seinem Antrag vorläufige Rente zugesprochen worden.
Die Beklagte hat mit Einwilligung des Klägers gegen das Urteil des SG Sprungrevision eingelegt. Ihr Rechtsmittel hat sie im wesentlichen wie folgt begründet:
Da das SG nur zeitlich beschränkt eine Leistung zugesprochen, die Klage sonach im übrigen abgewiesen habe, hätte der Kläger auch ohne Zulassung der Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG dieses Rechtsmittel rechtswirksam einlegen können. Darauf habe er jedoch durch seine Einwilligung in die Sprungrevision verzichtet. Diese sei statthaft, weil für die Beklagte die Berufung nach § 145 Nr. 2 SGG ausgeschlossen sei, so daß deren Zulassung insoweit zu Recht erfolgt sei. Das angefochtene Urteil leide an einem unerklärlichen Gegensatz, denn es beschränke die Verurteilung auf eine zurückliegende Zeit, obwohl Prof. Dr. S in seinem Gutachten vom 6. Februar 1967 angenommen habe, daß auch damals noch Einschränkungen der Sehfähigkeit des verletzten Auges bestanden hätten. Daraus sei zu schließen, daß das SG diese nach seiner Ansicht trotz des Tragens der Haftschale gegebene Beschränkung in Wirklichkeit seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt habe. Diese innere Widersprüchlichkeit zwischen dem erkennenden Teil des Urteils und seinen Entscheidungsgründen zwinge zu dessen Aufhebung. Abgesehen von diesem Verfahrensverstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG treffe das angefochtene Urteil in der Sache nicht zu. Bei Augenverletzungen dürfe man bei der Beurteilung des Grades der MdE nicht auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls abstellen, es sei vielmehr im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung von allgemeinen Richtlinien auszugehen. Die Gutachten, auf die das SG sein Urteil stütze, legten die Rententabellen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft zugrunde, welche die MdE bei einseitiger Linsenlosigkeit mit 20 v.H. bewerteten, wenn keine Haftschalenkorrektur möglich sei. Selbst wenn diese beim Kläger, wie das SG unzutreffenderweise angenommen habe, nicht optimal sei, müsse sie doch einen gewissen Erfolg gehabt haben, weil kein Arzt eine Haftschalenkorrektur vornehme und kein Augenverletzter eine solche über sich ergehen lasse, wenn sie nicht erfolgversprechend sei. Daher werde durch eine solche Maßnahme die Erwerbsfähigkeit auf jeden Fall gebessert. Beim Kläger sei sie insoweit erfolgreich gewesen, als er nach seinen eigenen Angaben die Haftschale gut vertrage. Die Übung der Unfallversicherungsträger, Rente von 20 v.H. nur zuzubilligen, wenn ein Verletzter die Haftschale nicht vertrage oder sonst eine günstige Haftschalenkorrektur nicht möglich sei, sei daher berechtigt. Da beim Kläger die Verhältnisse günstig seien, sei ein Rentenanspruch nicht gegeben. Das SG habe bei der Beurteilung der MdE nicht auf die Fähigkeiten des Klägers zum Erwerb auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, sondern zu Unrecht auf die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten abgestellt. Es gebe jedoch für Schlosser Beschäftigungsmöglichkeiten, in denen sie bei verminderter Sehkraft nur eines Auges vollwertige Arbeiten leisten könnten.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Das Rechtsmittel der Beklagten ist nach § 161 SGG statthaft.
Das SG hat vorläufige Rente für einen Zeitraum zugesprochen, welcher innerhalb der Zweijahresfrist des § 1585 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) liegt. Obwohl durch die Ablehnung des Rentenanspruchs mangels MdE in rentenberechtigendem Grad seitens des Versicherungsträgers nicht nur die vorläufige, sondern auch die Dauerrente abgelehnt worden ist (RVA, AN 1914, 479; 1914, 757; 1917, 368; 1921, 352, 354), geht das dem Versicherungsträger nach dieser Vorschrift zustehende Wahlrecht, die Rente als vorläufige oder als Dauerrente festzustellen, nach § 1585 Abs. 1 Satz 3 RVO auf das Gericht über, und es kann auch zur Gewährung einer vorläufigen Rente verurteilen, solange die Voraussetzungen des § 1585 Abs. 1 Satz 1 RVO gegeben sind (RVA, An 1921, 354; 1917, 368). Das angefochtene Urteil ist allerdings zu einem Zeitpunkt ergangen, der länger als zwei Jahre nach dem Unfall liegt. Nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts darf in einem solchen Fall grundsätzlich nur noch die Dauerrente festgestellt werden (AN 1919, 306; 1924, 72 Nr. 3160). Hat das Gericht trotzdem zur Gewährung einer vorläufigen Rente verurteilt, so ist nach dieser Rechtsprechung bei einem in die höhere Instanz getragenen Rechtsstreit die Dauerrente und nicht die vorläufige Rente streitig und dies für die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblich. Der Versicherungsträger ist allerdings dadurch, daß er unzutreffenderweise zur Gewährung einer vorläufigen Rente verurteilt worden ist, nicht beschwert (RVA, EuM 17, 171, 172). Ob für die Zulässigkeit des Rechtsmittels etwas anderes gelten könnte, wenn das Gericht - wie hier - zwar erst nach Ablauf der Frist des § 1585 Abs. 1 Satz 1, 3 RVO eine Entscheidung fällt, den Versicherungsträger aber zu einer vorläufigen Rente lediglich für einen innerhalb dieser Frist liegenden Zeitraum verurteilt hat (siehe auch RVA, EuM 15, 204, 205; 23, 27), kann indessen für die Statthaftigkeit der Sprungrevision dahingestellt bleiben. Dasselbe gilt für den von der Beklagten angeführten Umstand, daß eine von ihr gegen das Urteil des SG eingelegte Berufung jedenfalls nach § 145 Nr. 2 SGG ausgeschlossen wäre. Selbst wenn die Berufung - entgegen der Auffassung des SG - nach § 143 SGG mangels eines Berufungsauschlußgrundes zulässig sein sollte, ist die Sprungrevision der Beklagten nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen über den Vertrauensschutz (BSG 2, 135, 140; 3, 276, 277; 5, 140, 143) statthaft. Ein Sachverhalt, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu dessen Versagung führt (BSG 8, 84; SozR Nr. 16 zu § 161 SGG), liegt nicht vor.
Die Revision ist aber nicht begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG 4, 147, 149) ist die durch Unfallfolgen verursachte MdE nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Kenntnisse des Verletzten zu schätzen, kann es also insoweit - entgegen der Meinung der Revision - weder allgemein gültige Erfahrungssätze noch ein durch Rechtsübung entstandenes Gewohnheitsrecht geben. Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit bewerten allerdings, insoweit der überwiegenden Meinung des neueren ärztlichen Schrifttums folgend (s. im einzelnen Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand Oktober 1969, Anm. 8 c zu § 581 RVO), bei Linsenlosigkeit eines Auges die MdE im allgemeinen mit 20 v.H., sofern keine Besonderheiten vorliegen (SG Würzburg, ZfS 1955, 86; LSG Berlin, Urteil vom 8.3.1956, Kartei Lauterbach Nr. 2832 zu § 559 a RVO aF; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1957, 322). Die Praxis der Unfallversicherungsträger hat sich dem angeschlossen (Lauterbach, aaO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15.8.1969, Band II S. 569). Ausgehend von dieser Übung folgert nun die Revision, daß es zwangsläufig zu einer Besserung der Erwerbsfähigkeit führen müsse, wenn ein linsenloses Auge durch eine Haftschale korrigiert werde, vorausgesetzt, daß diese vom Verletzten vertragen werde (ähnlich wohl Urteil des Hessischen LSG vom 15.3.1967, Kartei Lauterbach Nr. 6844 zu § 581 Abs. 1 RVO). Diese Folgerung kann jedoch, auch wenn ihr eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist, nicht ohne weiteres in dieser Allgemeinheit gezogen werden; sie kann es erst, wenn die Umstände des Einzelfalls einen solchen Schluß zulassen. Diesen hat das SG angesichts der beim Kläger gegebenen Verhältnisse aber nicht als gerechtfertigt angesehen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz verträgt der Kläger die Haftschale im allgemeinen gut. Wie das SG indessen weiter festgestellt hat, ist trotz der Haftschalenkorrektion das Sehvermögen auf dem linken Auge herabgesetzt und das beidäugige Sehen eingeschränkt; ferner besteht eine Neigung, das erkrankte linke Auge vom Sehakt auszuschließen, und es fehlt das Tiefensehen. Im Hinblick darauf ist Prof. Dr. S, dessen Gutachten das SG sich auch insoweit angeschlossen hat, der Ansicht, daß der Kläger, obwohl er eine Haftschale trägt, eine Reihe von Tätigkeiten überhaupt nicht und andere nur unter Einschränkungen ausführen kann. Das SG ist aus diesem Grunde zu der abschließenden Feststellung gelangt, daß die Haftschalenkorrektion nicht den erwarteten "optimalen" Erfolg gebracht hat. Dabei hat es nicht verkannt, daß durch den Gebrauch dieses Hilfsmittels das Sehvermögen des Klägers günstiger geworden ist, dadurch insbesondere, wie Prof. Dr. S und Dr. A dartun, die Gefahr einer sonst meist eintretenden Schielabweichung des linsenlosen Auges vermieden wird und auch der Kläger die Haftschale als Vorteil empfindet. Andererseits räumt selbst Dr. G-D, welcher die MdE auf weniger als 20 v.H. schätzt, wenn eine Haftschale getragen wird, in seinem der Beklagten erstatteten Gutachten ein, daß das Tragen einer Haftschale ein Notbehelf sei, welcher nicht alle Funktionen des Auges vollwertig wiederherstellen könne. Das SG hat sich bei seiner Auffassung ferner in Übereinstimmung mit der von der Revision für ihre gegenteilige Meinung zitierten Ansicht Prof. Dr. G gesehen. Dieser empfiehlt, bei einer erfolgreichen Haftglaskorrektion den Grad der MdE gegenüber dem unkorrigierten Zustand um 5 bis 10 v.H. herabzusetzen; eine erfolgreiche Haftschalenkorrektur liegt nach seiner Ansicht allerdings nicht vor, wenn die Haftschale nur stundenweise getragen werden kann oder dadurch nur unzureichende optische Effekte erzielt werden können. Das SG hat dies insbesondere aufgrund der von Prof. Dr. S gewonnenen Untersuchungsergebnisse angenommen. Diese hat es durch die Bekundungen der Zeugen über die beruflichen Behinderungen infolge seiner herabgesetzten Sehfähigkeit, denen der Kläger bei seinem früheren Arbeitgeber nach dem Unfall trotz mehrfachen Arbeitsplatzwechsels auch nach Anpassung einer Haftschale ausgesetzt gewesen ist und die auch in dem Unternehmen, in welchem er jetzt beschäftigt ist, fortbestehen, bestätigt gefunden. Das SG hat damit nicht, wie die Beklagte meint, bei der Schätzung des Grades der MdE allein die Verhältnisse der vom Kläger jeweils ausgeübten Berufstätigkeit zugrunde gelegt. Wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ersichtlich ist, hat es vielmehr die Wettbewerbsfähigkeit des Klägers auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens geprüft. Es hat jedoch aufgrund der Sehbehinderung, welcher der Kläger seit dem Unfall ausgesetzt ist, als erwiesen angesehen, daß der Kläger durch die Unfallfolgen in seiner Arbeitsleistung und damit in seiner Wettbewerbsfähigkeit erheblich benachteiligt ist, obwohl durch die Haftschale das Sehvermögen günstiger geworden ist. Die dadurch erzielte Besserung hat sich nach der Auffassung des SG nicht so bedeutsam auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers ausgewirkt, daß dadurch gegenüber Unfallverletzten mit einem linsenlosen Auge, bei denen das Sehvermögen durch eine Haftschale von vornherein nicht gebessert werden kann, ein merklicher Unterschied besteht, der es rechtfertigen würde, beim Kläger die MdE mit nur 15 v.H. zu bewerten.
Aus dem Vorbringen der Revision ergibt sich nicht, daß das SG bei der Schätzung des Grades der MdE die ihm in § 128 Abs. 1 SGG gesetzten - weiten - Grenzen freier richterlicher Überzeugungsbildung überschritten hat. Die Rüge der Revision, das SG habe die besonderen Umstände, welche es veranlaßt hätten, die MdE mit 20 v.H. zu schätzen, in Wirklichkeit seiner Entscheidung doch nicht zugrunde gelegt, weil es sonst nicht zu einer zeitlich beschränkten Verurteilung hätte gelangen dürfen, ist nicht begründet, denn dieser von der Beklagten gezogene Schluß ist nicht zwingend. Die Schätzung des Grades der MdE durch das SG, welche das Revisionsgericht nicht durch eine eigene Schätzung ersetzen kann, läßt auch sonst keine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen für die Ausübung des richterlichen Ermessens erkennen (BSG 4, 147, 149).
Die Revision der Beklagten erweist sich sonach als unbegründet. Deshalb war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Fundstellen