Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenanpassung. Berechnungsfehler
Orientierungssatz
Der Versicherungsträger darf bei der Anpassungsberechnung die Berechnungsfaktoren, die ohne Zweifel unrichtig festgestellt worden sind, durch die richtigen ersetzen, er ist bei der Anpassungsberechnung an eindeutig falsch berechnete Berechnungsfaktoren nicht gebunden (vgl BSG 1966-02-15 11 RA 289/65 = BSGE 24, 236).
Normenkette
RAG 6 Art. 1 § 2; RAG 7 § 2; AVG § 30
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen und des Sozialgerichts Oldenburg aufgehoben, soweit sie über die Anpassung der Rente des Klägers vom 1. Januar 1964 an entschieden haben.
Die Klage gegen die Anpassungsbescheide vom 13. März 1964 und 20. Januar 1965 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Rechtsstreit zur Hälfte zu erstatten.
Gründe
I
Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 4. Juni 1958 eine nach der neuen Rentenformel berechnete Rente wegen Berufsunfähigkeit. Dabei rechnete sie die mit niedrigen Pflichtbeiträgen belegte Zeit vom 26. September bis 31. Dezember 1955 irrtümlich als Ersatzzeit an. Infolgedessen erhöhte sich der für die persönliche Bemessungsgrundlage maßgebende Prozentsatz von 155,78 auf 158,88. Die Rente wurde mehrfach den Änderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage angepaßt; im Jahre 1963 betrug sie nach der Anpassung auf Grund des 5. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) 274,40 DM.
Am 15. Oktober 1963 erteilte die Beklagte dem Kläger einen "Ergänzungsbescheid", in dem der richtige Prozentsatz zugrunde gelegt und die Rente für die ganze Bezugszeit hinsichtlich der Höhe neu festgestellt wurde; sie betrug danach im Jahre 1963 269,10 DM. Die Beklagte forderte die überzahlten Beträge nicht zurück; sie zahlte die Rente auch in der bisherigen Höhe weiter, behielt sich jedoch vor, sie in Zukunft erst anzupassen, wenn der wirklich zustehende Betrag den Zahlbetrag übersteige.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg wies die Klage gegen den Ergänzungsbescheid ab. Den während des Klageverfahrens nach dem 6. RAG erteilten Anpassungsbescheid vom 13. März 1964 (Zahlbetrag für 1964: 291,10 DM) hob es dagegen auf; es verurteilte die Beklagte, "an den Kläger ab 1. Januar 1964 eine höhere Rente unter Zugrundelegung eines Anpassungsbetrages von 274,40 DM bei der Rentenanpassung nach dem 6. RAG zu zahlen".
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung der Beklagten "mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte den Rentenanpassungen ab 1. Januar 1964 einen Vomhundertsatz von 158,88 zugrunde zu legen hat." Auf die Anschlußberufung des Klägers verurteilte es die Beklagte, das auch bei der Rentenanpassung nach dem 7. RAG zu tun; entsprechend änderte es den während des Berufungsverfahrens nach dem 7. RAG erteilten Anpassungsbescheid vom 20. Januar 1965 (Zahlbetrag für 1965: 318,30 DM). Außerdem hob das LSG den Ergänzungsbescheid vom 15. Oktober 1963 auf. Das LSG begründete sein Urteil damit, daß die Pflichtbeitragszeit zwar -für den Kläger erkennbar- offensichtlich zu Unrecht als Ersatzzeit angerechnet worden sei; deshalb habe die Beklagte den Bescheid vom 4. Juni 1958 jedoch nicht mehr im Oktober 1963 -nach über 5 Jahren- berichtigen dürfen; da nach den Anpassungsvorschriften des 6. und 7. RAG die persönlichen Berechnungsfaktoren nicht geändert werden dürften, müsse die Beklagte auch bei den Rentenanpassungen weiterhin von einem Prozentsatz von 158,88 für die persönliche Bemessungsgrundlage ausgehen.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügte die Verletzung der §§ 54, 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und der Anpassungsvorschriften des 6. und 7. RAG.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Durch Erklärung vom 21. Juni 1967 hat die Beklagte den Ergänzungsbescheid vom 15. Oktober 1963 aufgehoben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 153, 165 SGG).
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig.
Da die Beklagte den Ergänzungsbescheid vom 15. Oktober 1963 inzwischen zurückgenommen hat, hat sich die Klage gegen diesen Bescheid erledigt. Zu entscheiden ist daher nur noch über die Anpassung der Rente nach dem 6. und 7. RAG. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet.
Die Anpassung richtet sich nach den §§ 1 und 2 im ersten Artikel bzw. Abschnitt des 6. und 7. RAG. Danach ist die Rente des Klägers für die Jahre 1964 und 1965 so anzupassen, daß sich eine Rente ergibt, wie sie sich nach Anwendung der Kürzungs- und Ruhensvorschriften ergeben würde, wenn die Rente ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren unter Zugrundelegung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1963 bzw. 1964 berechnet werden würde. Der für die persönliche Bemessungsgrundlage maßgebende Prozentsatz gehört zu den "übrigen" Berechnungsfaktoren. Insoweit schließen jedoch entgegen der Ansicht des LSG die Worte "ohne Änderung" nicht schlechthin jede Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren aus. Vielmehr darf der Versicherungsträger bei der Anpassungsberechnung die Berechnungsfaktoren, die ohne Zweifel unrichtig festgestellt worden sind, durch die richtigen ersetzen, er ist bei der Anpassungsberechnung an eindeutig falsch berechnete Berechnungsfaktoren nicht gebunden. Das hat der Senat schon im Urteil vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 236) entschieden. Der Senat hat seine Auffassung in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 23. Mai 1967 (11 RA 280/65) überprüft und daran festgehalten. Die Darlegungen des LSG geben keinen Anlaß, von dieser in beiden Urteilen eingehend begründeten Rechtsansicht abzuweichen.
Nach den Feststellungen des LSG ist die Zeit vom 26. September bis 31. Dezember 1955 unzweifelhaft zu Unrecht als Ersatzzeit angerechnet und infolgedessen der Prozentsatz für die persönliche Bemessungsgrundlage zu hoch festgesetzt worden. Die Beklagte durfte daher bei der Anpassungsberechnung für die Jahre 1964 und 1965 nunmehr den richtigen Prozentsatz von 155,78 zugrunde legen. Ihre Anpassungsbescheide nach dem 6. und 7. RAG sind deshalb rechtmäßig.
Die Urteile der Vorinstanzen sind somit aufzuheben, soweit sie die Rentenanpassung ab 1. Januar 1964 betreffen. Die Klage gegen die Anpassungsbescheide der Beklagten nach dem 6. und 7. RAG ist abzuweisen.
Bei der Kostenentscheidung (§ 193 SGG) hat der Senat berücksichtigt, daß die Klage insofern einen Teilerfolg hatte, als sie zur Aufhebung des ursprünglich allein angefochtenen Ergänzungsbescheides vom 15. Oktober 1963 geführt hat.
Fundstellen