Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. April 1972 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden Verletztengeldes (Verletztenhausgeldes).
Der Kläger, von Beruf Hauer im Steinkohlenbergbau, war wegen der Folgen eines im April 1969 auf einer Zeche in Dortmund erlittenen Arbeitsunfalles bis zum 28. September 1970 arbeitsunfähig kranke. Die beklagte Berufsgenossenschaft gewährte ihm für diese Zeit Verletztengeld. Dieses zahlte sie während des Jahres 1969 auch für die Samstage, die in eine Woche mit einem gesetzlichen Wochenfeiertag fielen und an denen deshalb in der Zeche nachgearbeitet wurde. Dagegen gewährte sie für die Zeit ab 1. Januar 1970 für in einer Woche mit einem Wochenfeiertag liegende Samstage kein Verletztengeld mehr.
Einen entsprechenden Nachzahlungsantrag des Klägers lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21. Mai 1971 mit der Begründung ab, daß bei der Berechnung des Verletztengeldes erst nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorgenommene Lohnänderungen nicht zu berücksichtigen seien. Hierzu gehöre auch die tarifliche Lohnerhöhung, ab 1. Januar 1970. mit der der Wegfall der Nachholschichten an Samstagen ausgeglichen worden sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht (SG) hat die Rechtsauffassung der Beklagten gebilligt, und das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil mit der angefochtenen Entscheidung vom 18. April 1972 zurückgewiesene. In der Begründung heißt es, die durch Änderung des Manteltarifvertrages für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaues ab 1. Januar 1970 bewirkte Lohnerhöhung könne beim Verletztengeld zugunsten des Klägers nicht berücksichtigt werden, weil der hierbei gemäß § 560 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erhebliche „Geldfaktor” auf eine Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalles, also „vergangenheitsbezogen”, während der „Zeitfaktor” – die Tage, für die das Verletztengeld zu zahlen ist – „gegenwartsbezogen” sei. Da nach dem letzten Satz des § 182 Abs. 5 RVO das Verletztengeld nur für Arbeitstage und bezahlte Feiertage zu gewähren sei, aber laut dem ab 1. Januar 1970 geltenden neuen Tarifvertrag jeder – auch der in eine Woche mit einem Wochenfeiertag fallende – Samstag arbeitsfrei sei, habe die Beklagte für die streitigen Samstage zu Recht kein Verletzten- oder Verletztenhausgeld mehr gezahlt.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er bringt im wesentlichen vor: Die Tatsache, daß bei der Berechnung des Verletztengeldes vergangenheitsbezogene Faktoren eine Rolle spielten, gebiete gerade eine Neuberechnung des Verletztengeldes, wenn sich die der Entlohnung zugrunde liegende Arbeitszeit ändere. Wenn sich die Arbeitszeitänderung im Lohn niederschlage, so handele es sich nicht um eine unbeachtliche Lohnerhöhung schlechthin.
Der Kläger beantragt,
die angefochtene Entscheidung sowie die Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund vom 1. September 1971 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 1971 zu verurteilen, ihm für die acht im Jahre 1970 zwischen dem 1. Januar und dem 28. September zusätzlich infolge Zusammentreffens von Feiertagen und Samstagen in einer Woche angefallenen Ruhetage Verletztengeld bzw. Verletztenhausgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, eine Reduzierung der Arbeitszeit ohne entsprechende Lohnminderung bedeute eine Lohnerhöhung. Eine solche könne aber bei der Berechnung des Verletztengeldes nachträglich nicht berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Das Verletztengeld beträgt nach § 560 Abs. 2 RVO i.V.m. § 182 Abs. 4 Satz 1 RVO einen Vomhundertsatz des wegen der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts (Regellohn). Die Höhe des Verletztengeldes muß sich demgemäß – auch – nach der Zahl der Zeitabschnitte richten, für die der Versicherte Arbeitslohn erhalten hätte, wenn er nicht wegen des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig gewesen wäre. Diese Zeitabschnitte sind gemäß § 561 Abs. 1 Nr. 1 RVO i.V.m. § 182 Abs. 5 Satz 9 RVO die wegen der Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Arbeitstage und bezahlten Feiertage. Der Kläger ist Arbeiter, dessen Entgelt nicht nach Monaten bemessen wird (§ 182 Abs. 5 Satz 2 RVO), und er war nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt in einem Betrieb tätig, in dem regelmäßig nur an fünf Tagen in der Woche gearbeitet wurde (Satz 7 aaO). Zu der Zahl der unfallbedingt ausgefallenen Arbeits- und bezahlten Feiertage – „Zeitfaktor” – tritt bei der endgültigen Berechnung des Verletztengeldes ein „Geldfaktor” hinzu; bei ihm handelt es sich um den Betrag des Lohns für einen Arbeitstag, der gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 bis 4 RVO aus dem vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt des Klägers zu ermitteln ist. Die Vervielfachung der Zahl der ausgefallenen Arbeits- und bezahlten Feiertage mit dem Regellohnbetrag ergibt – nach Anwendung des entsprechenden Vomhundertsatzes – das Verletztengeld.
Das LSG hat richtig erkannt, daß der oben herausgestellte, der Berechnung des Verletztengeldes dienende Zeitfaktor – Zahl der ausgefallenen Arbeits- und bezahlten Feiertage – „gegenwartsbezogen” ist. Damit bringt das Berufungsgericht zutreffend zum Ausdruck, daß sich die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage (bezahlten Feiertage) daraus ergibt, an welchen Arbeitstagen der Versicherte nach Eintritt und während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats in BSG 22, 205) zu arbeiten gehabt hätte. Es kommt hiernach nicht darauf an, welche Zahl von Tagen der Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gearbeitet hat oder regelmäßig zu arbeiten gehabt hätte. Eine solche Gegenwartsbezogenheit des Zeitfaktors fordert die Sachlogik des § 560 Abs. 2 i.V.m. § 182 Abs. 4 RVO, wonach das Verletztengeld an die Stelle des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts tritt. Entsprechend dieser Funktion des Verletztengeldes als Ersatz des unfallbedingten ausgefallenen Lohnes kann der Kläger die beanspruchte Leistung nur für Tage erhalten, an denen in seinem Betrieb nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge tatsächlich gearbeitet worden ist.
Für den konkreten Fall bedeutet dies, daß der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, die Verringerung der Anzahl der regelmäßigen Wochenarbeitstage, die durch eine entsprechende Änderung des Manteltarif Vertrages für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus ab 1. Januar 1970 bewirkt worden ist, bei der Berechnung des Verletztengeldes unberücksichtigt zu lassen.
Der Umstand, daß der erwähnte Manteltarifvertrag für die ab 1. Januar 1970 bewirkte Verminderung der Wochenarbeitstage einen Lohnausgleich durch eine entsprechende Lohnerhöhung geschaffen hat 9 vermag an diesem rechtlichen Ergebnis nichts zu ändern. Zu Recht hat das LSG darauf hingewiesen 9 daß ein Lohnausgleich bei Verkürzung der Arbeitszeit nichts anderes als eine Lohnerhöhung ist. Daß eine nach Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vorgenommene Lohnerhöhung bei der Berechnung des Regellohnes, d. h. bei der Ermittlung des „Geldfaktors” im oben dargelegten Sinn nicht berücksichtigt werden kann, räumt der Kläger selbst ein. Tatsächlich ist dieser Geldfaktor „vergangenheitsbezogen”, d. h. – wie oben bereits dargestellt – allein aus dem vom Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wirklich erzielten Entgelt abgeleitet. Hierdurch ist sichergestellt, daß – soweit es den Geldfaktor betrifft – dem Versicherten der bei Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit erreichte Lebensstandard erhalten bleibt.
Was nach den vorstehenden Ausführungen für die Berechnung des Verletztengeldes gilt, gilt gemäß § 560 Abs. 2 i.V.m. § 186 Ab S. 1 RVO entsprechend für das Verletztenhausgeld.
Das angefochtene Urteil trifft nach alledem zu. Die Revision des Klägers hiergegen war mit der auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes gestützten Kostenentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.
Unterschriften
Schröder, May, Rauscher
Fundstellen