Leitsatz (redaktionell)
1. Wegfall der wehrdienstbedingten Ursachen einer als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung als wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des BVG § 62 Abs 1.
2. Zur Abgrenzung eines Verwaltungsaktes von einer sogenannten schlichten Verwaltungsäußerung.
3. "Herzbeschwerden" - Dystrophie - vegetative Dystonie.
Normenkette
BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juni 1963 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger war von Mai 1943 an Soldat und wurde am 23. Juni 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen; er ist selbständiger Handwerksmeister. Am 30. Juni 1949 stellte er einen Antrag auf Versorgung wegen Erfrierung der Großzehe am linken Fuß und Amputation des Daumenendgliedes rechts. Der Versorgungsarzt Dr. H führte in seinem Gutachten vom 16. Dezember 1949 aus, der Kläger habe im Februar 1944 eine Phlegmone des rechten Armes gehabt und sei deswegen bis Mai 1944 in stationärer Behandlung gewesen. Nach seinen substantiierten Angaben und dem klinischen Befund seien Herzbeschwerden anzunehmen, die zum Teil Folge der Phlegmone im Jahre 1944 und zum Teil Folge der Dystrophie in russischer Kriegsgefangenschaft seien. Das EKG sei in Ruhe und nach Belastung ohne sicher verwertbaren krankhaften Befund gewesen. Die Erfrierung des linken Fußes habe nennenswerte Folgen nicht hinterlassen. Bei einem Unfall an der Kreissäge habe der Kläger während der Kriegsgefangenschaft im April 1948 das Endglied des rechten Daumens verloren. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage noch 50 v. H. für ein weiteres halbes Jahr. Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden vom 21. Februar 1950 wurden "Herzbeschwerden, Verlust des Daumenendgliedes rechts, Zustand nach Erfrierung der linken Großzehe" als Schädigungsfolgen anerkannt und die MdE ab 1. Juni 1949 vorbehaltlich einer endgültigen Festsetzung auf 50 v. H. festgestellt.
Auf einen Verschlimmerungsantrag wurde der Kläger durch Dr. N nachuntersucht, der in seinem Gutachten vom 26. Oktober 1950 zu dem Ergebnis kam, daß eine Besserung der Herzbeschwerden nicht eingetreten sei. Wenn auch bei der vorhergehenden Untersuchung am 16. Dezember 1949 weder röntgenologisch noch nach dem EKG ein sicher verwertbarer krankhafter Befund vorhanden war, so gebe doch das Fortbestehen der systolischen Geräusche, noch mehr aber das Auftreten von Ödemen bei negativem Urinbefund zu denken. Auch zeige das Verhalten von Atmung und Puls nach Belastung, daß die Leistungsfähigkeit des Herzens ungenügend sei. Daraufhin teilte die LVA Baden mit Postkarte vom 4. Dezember 1950 dem Kläger mit, daß sich in den für die Feststellung der Rente maßgebend gewesenen Verhältnissen nichts geändert habe. Der Bescheid vom 21. Februar 1950 werde nunmehr für endgültig erklärt.
Durch Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) Heidelberg vom 26. August 1952 wurden die bisher anerkannten Schädigungsfolgen und die MdE unverändert übernommen. Eine von Amts wegen durchgeführte Nachuntersuchung am 15. März 1955 (Dr. K) ergab, daß die jetzt vom Kläger vorgetragenen Beschwerden auf eine vegetative Übererregbarkeit und eine damit einhergehende Herzstörung hindeuteten. Der Kläger meine selbst, es sei wohl ein nervöses Herzleiden; der objektive Befund entspreche dem völlig. Es bestehe zwar im Liegen ein Spitzengeräusch, jedoch sei ein Klappendefekt wenig wahrscheinlich. Eine Verformung des Herzens bestehe nicht, das EKG zeige keinen verwertbaren krankhaften Befund, der Kreislauf sei ausgeglichen und Ödeme bestünden nicht. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gegenüber der letzten Rentenfeststellung sei nicht eingetreten. Daraufhin teilte das VersorgA dem Kläger mit Postkarte vom 24. Mai 1955 mit, daß seine Rente nicht neu festzustellen sei, weil eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei.
Bei einer weiteren von Amts wegen durchgeführten Untersuchung am 21. Dezember 1959 (Dr. K) war das Herz klinisch und röntgenologisch nicht verbreitert; es bestand keine Unausgeglichenheit des Kreislaufs, auch waren keine krankhaften Veränderungen im EKG nachweisbar. Dr. M vertrat die Auffassung, daß unter diesen Umständen Herzbeschwerden, die etwa durch Einflüsse des Kriegsdienstes bedingt wären, nicht mehr objektiviert werden könnten. Es handle sich bei den jetzt geklagten Herzbeschwerden ausschließlich um solche auf konstitutioneller Basis und nicht um Schädigungsfolgen. Herzbeschwerden als Schädigungsfolgen seien während des Bestehens bzw. als Nachwirkung einer früher durchgemachten Dystrophie vertretbar gewesen, es sei jedoch ausgeschlossen, Schädigungsfolgen am Herz-Kreislaufsystem noch weiter anzuerkennen. Die MdE betrage weniger als 25 v. H. Daraufhin wurden durch Bescheid vom 22. Januar 1960 lediglich noch "Verlust des rechten Daumenendgliedes, Substanzverlust an der linken Großzehe nach Erfrierung mit Beteiligung des Nagels" anerkannt; die Herzbeschwerden wurden als konstitutionell bedingt angesehen und daher als Schädigungsfolge nicht mehr aufgeführt. Die bisher gewährte Rente fiel ab 1. März 1960 weg, weil die MdE infolge der anerkannt gebliebenen Schädigungsfolgen weniger als 25 v. H. betrage. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des LVersorgA Baden-Württemberg vom 27. Mai 1960).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) ein fachchirurgisches Gutachten des Krankenhauses S (Dres. H und K) vom 3. März 1961 eingeholt. Die Sachverständigen haben eine Änderung in den chirurgischen Schädigungsfolgen - Verlust des rechten Daumenendgliedes, Substanzverlust an der linken Großzehe nach Erfrierung - nicht feststellen können und die MdE auf 15 v. H. geschätzt. Die Sachverständigen Dr. H und O vom Krankenhaus S haben in ihrem internistischen Gutachten vom 7. März 1961 ausgeführt, daß die ursprünglich als Schädigungsfolge anerkannten Herzbeschwerden objektiv nicht mehr nachzuweisen seien. Es handle sich um vegetativ funktionell bedingte Beschwerden seitens des Herzens ohne klinischen Anhalt für eine Myocardschädigung oder eine coronare Mangeldurchblutung. Diese Beschwerden seien anlagebedingt und schicksalhafter Natur im Rahmen einer vegetativen Dystonie. Die kriegsbedingte MdE betrage ab 1. März 1960 nur noch 15 v. H. Das SG Mannheim hat sich den Gutachten der Sachverständigen des Krankenhauses S angeschlossen und die Klage durch Urteil vom 30. November 1961 abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) ein weiteres Gutachten vom Städtischen Krankenhaus Ludwigshafen vom 18. Oktober 1962 eingeholt. Die Sachverständigen Prof. Dr. H und Dr. T haben ausgeführt, daß nach den Erfahrungen der Nachkriegszeit fast alle Rußlandheimkehrer an einer Dystrophie erkrankt gewesen seien und entsprechende, dadurch bedingte vegetative Störungen gehabt hätten. Die Herzbeschwerden des Klägers im Anschluß an seine Entlassung könnten daher als vegetative Störungen auf eine in russischer Gefangenschaft durchgemachte Dystrophie bezogen werden. Diese postdystrophischen vegetativen Regulationsstörungen hätten aber die Tendenz zum Abklingen; man rechne etwa mit einem Zeitraum von 2 bis 4, höchstens 5 Jahren. Dies gelte insbesondere dann, wenn - wie beim Kläger - in der Folgezeit keine organpathologischen Befunde zu erheben seien, deren Zusammenhang mit evtl. Folgen einer Dystrophie diskutiert werden könnte. Darüber hinaus sei hervorzuheben, daß die dystrophischen Störungen des Klägers nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft keineswegs schwerwiegend oder erheblich gewesen sein könnten, weil entsprechende Befunde aus den Akten nicht zu entnehmen seien. Die postdystrophischen Störungen, die seinerzeit als Herzbeschwerden anerkannt wurden, seien schon bei der Untersuchung des Klägers im Jahre 1955 abgeklungen und schon damals lediglich als Ausdruck einer neurozirkulatorischen bzw. vegetativen Dystonie anzusehen gewesen. Aus großangelegten Statistiken sei bekannt, daß auch bei 30 bis 50 % der Zivilbevölkerung mit einem Vorkommen dieser vegetativen Dystonie gerechnet werden könne. Diese sei als persönlichkeitseigen anzusehen und stehe in keiner Beziehung zu dem Wehrdienst und der Kriegsgefangenschaft. Im übrigen sei im Jahre 1955 insofern eine Änderung i. S. der Besserung objektiv zu verzeichnen, als jetzt die Leistungsfähigkeit des Herzens nicht mehr ungenügend und der Kreislauf ausgeglichen sei. Gegenüber 1950 bestünden keine Ödeme mehr, auch sei der Blutdruck dem Alter des Klägers entsprechend als noch normal zu bezeichnen. Damit sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse beim Kläger eingetreten und die Rentenentziehung hinsichtlich der "Herzbeschwerden" gerechtfertigt, weil diese als Schädigungsfolgen nicht mehr bestünden.
Durch Urteil vom 25. Juni 1963 hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 30. November 1961 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen wird insbesondere ausgeführt, daß die Unterschiede in den objektiven Befunden zwischen 1949/50 und 1959 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i. S. des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) darstellten, die zunächst zu einer Herabsetzung des Grades der MdE berechtige, dagegen aber nicht ohne weiteres dazu, die subjektiven Herzbeschwerden überhaupt nicht mehr als Schädigungsfolge anzuerkennen. Dies sei aber doch aus anderen Gründen zulässig und gerechtfertigt. Es entspreche medizinischer Erfahrung, daß eine mehrjährige russische Kriegsgefangenschaft mit ihrer Unterernährung zu Dystrophie und diese zu einer vegetativen Dystonie mit Herzbeschwerden führe. Aus diesem Grunde seien bei dem Kläger ohne objektiv nachweisbare krankhafte Befunde Herzbeschwerden als Schädigungsfolge i. S. der Entstehung anerkannt worden. Mitursächlich für diese Herzbeschwerden sei beim Kläger damals auch die Phlegmone am rechten Unterarm aus dem Jahre 1944 angesehen worden. Daß die Phlegmone für die jetzt bestehenden Herzbeschwerden mitursächlich noch in Betracht käme, werde schon dadurch ausgeschlossen, daß ihr sämtliche Gutachter bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage keine Bedeutung mehr beigemessen hätten. Nach der gesicherten medizinischen Erfahrung seien die Herzbeschwerden im Rahmen einer vegetativen Dystonie nach durchgemachter Dystrophie in höchstens 5 Jahren abgeklungen. Das zwinge zu dem Schluß, daß die subjektiven Herzbeschwerden, die beim Kläger bei der Untersuchung im Dezember 1959 noch vorlagen, mit der in russischer Kriegsgefangenschaft durchgemachten Dystrophie in keinem ursächlichen Zusammenhang mehr stünden, vielmehr Symptome einer kriegs- und gefangenschaftsunabhängigen vegetativen Dystonie aus dem persönlichen Lebensbereich des Klägers seien. Welche verschiedenen möglichen Umstände aus diesem persönlichen Bereich die vegetative Dystonie mit Herzbeschwerden unterhalte, könne dahingestellt bleiben, weil diese Umstände meist höchst persönlicher Art seien und in der Intimsphäre lägen, so daß sie regelmäßig nicht ermittelt werden könnten. Insoweit einzelne Feststellungen zu treffen, sei entgegen dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Oktober 1960 (BSG 13, 89) nicht erforderlich, weil es nicht darum gehe aufzuzeigen, welche Faktoren die Herzbeschwerden seit der versorgungsärztlichen Untersuchung im Dezember 1959 und heute verursachen, als vielmehr darum festzustellen, ob die in russischer Kriegsgefangenschaft durchgemachte Dystrophie und die Phlegmone im Jahre 1944 als wesentliche Ursache für die heutigen Herzbeschwerden ausgeschlossen werden könnten. Dieser Nachweis sei aber im Hinblick auf die vorliegenden fachärztlichen Gutachten geführt.
Gegen dieses am 11. Juli 1963 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 1963 Revision eingelegt und beantragt,
1. das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Mannheim vom 30. November 1961 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27. Mai 1960 aufzuheben, den Bescheid vom 22. Januar 1960 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die beim Kläger bestehenden Herzbeschwerden auch weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen und über den 29. Februar 1960 hinaus Rente nach einer MdE um 50 % zu gewähren;
2. hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger hat die Revision innerhalb der bis zum 11. Oktober 1963 verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 13. September 1963, auf den Bezug genommen wird, begründet. Er rügt eine Verletzung des § 62 BVG und trägt hierzu vor, daß der Bescheid vom 26. August 1952 hinsichtlich der Herzbeschwerden nur dann nachträglich unrichtig geworden wäre, wenn nach Erlaß des vorhergehenden Bescheides vom 21. Februar 1950 neue krankhafte körperliche oder seelische Erscheinungen aufgetreten wären, die mit Wahrscheinlichkeit das unverändert ebenso wie früher vorhandene Leiden hervorrufen. Das Berufungsgericht gehe zwar im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG in Bd. 13, 89 zutreffend davon aus, daß die Anlage zu einem Leiden kein Umstand ist, der zu einer Änderung in den Verhältnissen i. S. des § 62 BVG führen kann. Das LSG meine aber zu Unrecht, daß bei einem Leiden der vorliegenden Art der Zeitablauf genüge, um darauf die Annahme einer Änderung der Verhältnisse zu gründen, ohne daß es der Feststellung bedürfe, welche neuen krankhaften Erscheinungen und von wann ab aufgetreten sind, die das unveränderte Krankheitsbild hervorrufen. Letztlich laufe die Auffassung des LSG darauf hinaus, daß das streitige Leiden, dessen Erscheinungsformen im wesentlichen die gleichen geblieben seien, von einem völlig unbestimmten Zeitpunkt an auf die in der Person des Klägers begründete Anlage zurückzuführen sei. Vor allem genüge nicht der allgemeine Hinweis darauf, daß Umstände aus dem Lebensbereich des Klägers hinzugetreten seien, welche die vegetative Dystonie weiter unterhalten. Welche Umstände dies im Falle des Klägers seien - es gebe keine abstrakte "vegetative Dystonie" -, lasse das Berufungsgericht zu Unrecht völlig offen. Umstände die nach Auffassung des LSG im Falle des Klägers nicht zu ermitteln seien, könnten in concreto auch nicht zur Begründung der Annahme einer Änderung in den Verhältnissen dienen. Welcher Art diese Umstände sind, hätte das LSG daher im Rahmen der ihm nach § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) obliegenden Sachaufklärungspflicht feststellen müssen. Es habe hierbei auch die Grenzen des Rechts zur freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG in prozessual unzulässiger Weise überschritten, weil es ohne ausreichende eigene Sachkunde und beim Fehlen einer verwertbaren medizinischen Stellungnahme nur auf Grund allgemeiner Erwägungen zu der Feststellung gelangt sei, daß die Herzbeschwerden des Klägers "bei dessen Veranlagung durch Umstände seines persönlichen Lebens- und Erlebnisbereichs" bedingt seien.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig; sie ist aber nicht begründet.
Der Kläger rügt in erster Linie eine Verletzung des § 62 BVG. Nach dieser Vorschrift idF vor dem Ersten Neuordnungsgesetz (1. NOG) vom 27. Juni 1960 werden die Versorgungsbezüge neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Das LSG hat offenbar § 62 Abs. 1 BVG aF angewendet, wie sich aus der Wiedergabe dieser Vorschrift im zweiten Absatz der Entscheidungsgründe ergibt. Dies ist frei von Rechtsirrtum, weil im vorliegenden Falle die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 22. Januar 1960 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1960 nachzuprüfen ist und die geänderte Fassung des § 62 Abs. 1 BVG durch das 1. NOG, das mit Wirkung vom 1. Juni 1960 in Kraft getreten ist, die Gestaltung des Versorgungsrechtsverhältnisses durch diese Verwaltungsakte nicht berührt (vgl. auch BSG 19, 77, 78). Im übrigen hätte die Änderung des Wortlauts des § 62 Abs. 1 BVG durch das 1. NOG im vorliegenden Falle ohnehin in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Bedeutung.
Voraussetzung für eine Neufeststellung der Rente nach § 62 BVG ist, daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse seit der letzten vorhergehenden Regelung des Versorgungsrechtsverhältnisses eingetreten ist. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil demgemäß zunächst geprüft, ob in der Postkarte des Beklagten vom 24. Mai 1955 ein Verwaltungsakt zu erblicken ist. Mit dieser Postkarte hat das VersorgA dem Kläger mitgeteilt, die am 15. März 1955 durchgeführte ärztliche Untersuchung habe ergeben, daß in den Verhältnissen, die für die Feststellung seiner Rente maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung nicht eingetreten und seine Rente daher nicht neu festzustellen sei. Diese Mitteilung hat das LSG zutreffend nicht als eine Neuregelung des Versorgungsrechtsverhältnisses angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies dann der Fall gewesen wäre, wenn die Nachuntersuchung vom 15. März 1955 auf einen Verschlimmerungsantrag des Klägers erfolgt wäre. Diese Nachuntersuchung ist jedenfalls von Amts wegen durchgeführt worden und die Postkarte vom 24. Mai 1955 hatte ersichtlich allein den Zweck, den Kläger von dem Ergebnis der Nachuntersuchung dahin zu unterrichten, daß diese für die Versorgungsverwaltung keinen Anlaß biete, die Rente nach § 62 BVG neu festzustellen. Von der Postkarte vom 24. Mai 1955 geht somit nicht wie bei einem Verwaltungsakt eine rechtliche Wirkung aus; es handelt sich vielmehr um eine bloße Mitteilung ohne eigene Regelung. Ein derartiges Verwaltungshandeln - sogenannte schlichte Verwaltungsäußerungen - scheidet aber als Verwaltungsakt aus (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Bd. 7. Aufl. S. 182; Haueisen in DOK 1954, 460 unter Nr. 4; Bayer VGH in BayerVBl 1955, 122; vgl. auch zum Begriff des Verwaltungsakts Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb § 54 Anm. 2 b; ferner BSG in SozR BVG § 85 Nr. 19). Das LSG ist somit in dem angefochtenen Urteil zutreffend davon ausgegangen, daß bei der Prüfung der Frage, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG vorliegt, dem angefochtenen Bescheid vom 22. Januar 1960 nicht die Verhältnisse gegenüberzustellen sind, die der Postkartenmitteilung vom 24. Mai 1955 zugrunde gelegen haben.
Das LSG hat ferner ohne Rechtsirrtum ausgeführt, daß die für die Rentenfeststellung i. S. des § 62 BVG maßgebend gewesenen Verhältnisse diejenigen gewesen sind, die auf Grund des versorgungsärztlichen Gutachtens vom 16. Dezember 1949 dem Bescheid vom 21. Februar 1950 zugrunde gelegen haben. Der Umanerkennungsbescheid vom 26. August 1952 ist ohne Nachuntersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG ergangen. In derartigen Fällen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß sich die Frage, ob und seit wann eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i. S. des § 62 BVG eingetreten ist, nach dem Zeitpunkt richtet, zu dem der nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erteilte Bescheid ergangen ist (BSG 11, 236, 241; SozR BVG § 62 Nr. 12, 20 und 24). Das LSG hat somit zutreffend in dem angefochtenen Urteil geprüft, ob sich die Verhältnisse seit dem Bescheid nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz vom 21. Februar 1950 i. S. des § 62 BVG geändert haben.
Bei der Gegenüberstellung der Verhältnisse zur Zeit des angefochtenen Bescheides vom 22. Januar 1960 und der dem Bescheid vom 21. Februar 1950 zugrunde liegenden Verhältnisse hat das LSG zutreffend zur Auslegung das versorgungsärztliche Gutachten vom 16. Dezember 1949 herangezogen. Dr. H. hat in diesem Gutachten ausgeführt, der Kläger habe im Februar 1944 eine Phlegmone des rechten Armes gehabt und sei deswegen bis Mai 1944 in stationärer Behandlung gewesen. Nach seinen substantiierten Angaben und dem klinischen Befund seien Herzbeschwerden anzunehmen, die zum Teil Folge der Phlegmone im Jahre 1944 und zum Teil Folge der Dystrophie in russischer Kriegsgefangenschaft seien. Die Anerkennung der "Herzbeschwerden" als Schädigungsfolge in dem Bescheid vom 21. Februar 1950 ist somit darauf zurückzuführen, daß der Kläger im Jahre 1944 eine Phlegmone und in der Kriegsgefangenschaft eine Dystrophie gehabt hat. Beide Erkrankungen haben zu den Herzbeschwerden geführt, die in dem Bescheid vom 21. Februar 1950 als Schädigungsfolge anerkannt worden sind. Hierzu hat das LSG auf Grund der Gutachten des Dr. M vom 21. Dezember 1959, der Dres. H und O (Krankenhaus S) vom 7. März 1961 und insbesondere des Prof. Dr. H vom 18. Oktober 1962 festgestellt, daß die seit dem Jahre 1959 bestehenden Herzbeschwerden nicht mehr Folge der Dystrophie in der Kriegsgefangenschaft oder der Phlegmone aus dem Jahre 1944 sind, sondern vielmehr auf einer kriegs- und gefangenschaftsunabhängigen vegetativen Dystonie und damit auf Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich des Klägers beruhen.
Der Kläger macht nun mit der Revision unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 18. Oktober 1960 (BSG 13, 89) geltend, das LSG habe im vorliegenden Falle zu Unrecht die Auffassung vertreten, daß der Zeitablauf genüge, um darauf die Annahme einer Änderung der Verhältnisse zu gründen, ohne daß es der Feststellung bedürfe, von wann ab und welche neuen krankhaften Erscheinungen aufgetreten sind, die das unveränderte Krankheitsbild hervorrufen. Letztlich sei das Berufungsgericht der Meinung, daß die Herzbeschwerden, deren Erscheinungsformen im wesentlichen die gleichen geblieben seien, von einem völlig unbestimmten Zeitpunkt ab auf die in der Person des Klägers begründete Anlage zu einer vegetativen Dystonie zurückzuführen seien. Dieses Vorbringen des Klägers ist jedoch nicht geeignet, eine Verletzung des § 62 BVG durch das Berufungsgericht darzutun. Ganz abgesehen davon, daß das LSG in dem angefochtenen Urteil (Seite 9 oben der Urteilsausfertigung) festgestellt hat, die subjektiven Herzbeschwerden, die "nach etwa 1953/54 vor allem bei der Untersuchung im Dezember 1959 noch vorlagen", seien Symptome einer kriegs- und gefangenschaftsunabhängigen vegetativen Dystonie - das LSG hat also einen Zeitpunkt für die Änderung der Verhältnisse angegeben -, hat das Berufungsgericht nicht die Auffassung vertreten, daß bei einem Leiden der vorliegenden Art der Zeitablauf genüge, um darauf die Annahme einer Änderung der Verhältnisse zu gründen. Es hat vielmehr, gestützt insbesondere auf das Gutachten des Prof. Dr. H vom 18. Oktober 1962, eingehend dargelegt, daß und aus welchen Gründen die Herzbeschwerden, die zur Anerkennung im Bescheid vom 21. Februar 1950 geführt haben, nicht mehr auf schädigende Einwirkungen des Kriegsdienstes oder der Gefangenschaft zurückzuführen sind. Diese Herzbeschwerden im Rahmen einer vegetativen Dystonie nach durchgemachter Dystrophie sind nach dem Gutachten des Prof. Dr. H in einem Zeitraum von 2 bis 4, höchstens 5 Jahren abgeklungen. Das LSG hat ferner festgestellt, daß der Phlegmone am rechten Unterarm aus dem Jahre 1944, die nach dem Gutachten des Dr. H vom 16. Dezember 1949 ebenfalls zu dem Auftreten von Herzbeschwerden mitgewirkt hat, keine Bedeutung mehr beizumessen ist, weil sämtliche gehörten Sachverständigen in Kenntnis dieser Erkrankung auf sie bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage nicht mehr eingegangen sind. Diese Feststellungen hat der Kläger mit Revisionsrügen nicht angegriffen; sie sind daher für das BSG nach § 163 SGG bindend. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das LSG zu der Auffassung gelangt ist, daß die kriegsbedingten Ursachen (Dystrophie und Phlegmone) für das Auftreten der Herzbeschwerden beim Kläger nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft jedenfalls spätestens im Zeitpunkt des Neufeststellungsbescheides vom 22. Januar 1960 weggefallen sind. Nach der insoweit ebenfalls nicht angegriffenen Feststellung des LSG beruhen nunmehr die bei dem Kläger noch bestehenden Herzbeschwerden allein auf einer persönlichkeitsbedingten vegetativen Dystonie, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit schädigenden Einflüssen des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft steht.
Für die Feststellung einer wesentlichen Änderung i. S. des § 62 BVG genügt auch in den Fällen, in denen das Krankheitsbild - äußerlich gesehen - weitgehend unverändert fortbesteht, einerseits die Feststellung, daß die wehrdienstbedingten Ursachen für die Anerkennung des Leidens - hier Herzbeschwerden - völlig weggefallen (abgeklungen) sind und anderseits die Feststellung, welche neue Ursache - hier anlagebedingte vegetative Dystonie - an ihrer Stelle getreten ist. Aus welchen Gründen im einzelnen die anlagebedingte vegetative Dystonie ihrerseits zu dem Auftreten von Herzbeschwerden geführt hat, ist somit entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr im einzelnen aufzuklären, wie auch das LSG im Ergebnis zutreffend in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat. Es bestand daher nach der Sach- und Rechtslage für das LSG kein Anlaß, in dieser Richtung noch weitere Ermittlungen vorzunehmen. Auch ist ein Verstoß gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung insoweit nicht ersichtlich. Selbst wenn man die von dem Kläger in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen einer Verletzung der §§ 103, 128 SGG als hinreichend substantiiert i. S. des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG ansehen wollte, bedurfte es somit nach der Rechtslage keiner weiteren Sachaufklärung durch das Berufungsgericht und scheidet aus demselben Grunde eine Verletzung des § 128 SGG aus.
Der vorstehend vertretenen Rechtsauffassung steht das Urteil des 11. Senats vom 18. Oktober 1960 (BSG 13, 89) auch deswegen nicht entgegen, weil dort über einen anderen Sachverhalt zu entscheiden war. Es handelte sich in jener Entscheidung um einen Fall, in dem eine vegetative Dystonie anerkannt war, die im Zeitpunkt des Änderungsbescheides nach § 62 BVG weiterhin vorlag. Das LSG war dort davon ausgegangen, eine Änderung der objektiven Verhältnisse sei nicht nur bei einem Unterschied zwischen den früher festgestellten und den bei Erlaß des Rücknahmebescheides beobachteten Krankheitsbefunden anzunehmen, sondern auch dann, wenn der Unterschied sich allein aus der "Einwirkung des Zeitablaufs auf den ursächliche Zusammenhang" ergebe. Der 11. Senat des BSG hat hierzu ausgeführt, das LSG habe offenbar sagen wollen, daß es Krankheiten, wie insbesondere die vegetative Dystonie, gebe, bei denen "die geringe zeitliche Entfernung" zwischen dem schädige den Ereignis und dem bestehenden Leiden objektiv zu den Verhältnissen gehöre, die für den Erlaß eines begünstigenden Bescheides maßgebend gewesen seien, daß aber einer dieser für den Erlaß des Bescheides maßgebenden Umstände wegfalle, wenn sich der zeitliche Abstand zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Leidenszustand vergrößere und dieser zunehmende zeitliche Abstand es sei, der bei gleichbleibenden Befunden als Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG zu beurteilen sei. Im vorliegenden Falle ist demgegenüber der Sachverhalt ein anderer. Es handelt sich zwar insoweit um einen gleichbleibenden Befund, als nach wie vor Herzbeschwerden beim Kläger bestehen, diese Herzbeschwerden wurden jedoch vom LSG - im Gegensatz zu dem in BSG 13, 89 entschiedenen Fall - nicht allein im Hinblick auf die Einwirkung des Zeitablaufs auf den ursächlichen Zusammenhang anders beurteilt, sondern deswegen nicht mehr als Schädigungsfolge angesehen, weil die für das Auftreten der im Bescheid vom 21. Februar 1950 anerkannten Herzbeschwerden verantwortlich gemachten Leiden (die Dystrophie und die Phlegmone) abgeklungen sind und daher nach den Gutachten der gehörten Sachverständigen die jetzt beim Kläger bestehenden Herzbeschwerden nicht mehr verursachen können. Eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 BVG liegt aber dann vor, wenn Gesundheitsstörungen, die auf schädigende Einflüsse des Wehrdienstes oder der Gefangenschaft zurückzuführen sind, abgeklungen sind (vgl. BSG 2, 113; SozR BVG § 86 Nr. 5). An die Stelle der Dystrophie und der Phlegmone, die ursprünglich das Auftreten der Herzbeschwerden zur Folge hatten, ist nunmehr beim Kläger eine andere Erkrankung - die persönlichkeitsbedingte vegetative Dystonie - getreten, die dazu geführt hat, daß auch weiterhin bei dem Kläger Herzbeschwerden vorhanden sind. Einen solchen Sachverhalt hat jedoch der 11. Senat in seinem Urteil vom 18. Oktober 1960 nicht zu beurteilen gehabt und nach Ansicht des Senats auch nicht beurteilen wollen. Auf diesen anderen Sachverhalt ist auch zurückzuführen, daß der 11. Senat in BSG 13, 89 ausgeführt hat, das LSG habe neu hinzugekommene Umstände nicht festgestellt, es habe nicht nur offengelassen, wann solche Umstände später eingetreten seien, sondern es habe seine Entscheidung allein darauf gestützt, daß die vegetative Dystonie auf andere Umstände als die in der Person des Klägers begründete Anlage zu diesem Leiden nicht mehr zurückzuführen sei. Aus dem Urteil des 11. Senats ist demnach entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu entnehmen, daß das LSG im vorliegenden Falle die Pflicht gehabt hätte, im einzelnen die persönlichen Umstände aus dem Lebensbereich des Klägers, welche "die vegetative Dystonie weiter unterhalten", aufzuklären. Es genügte, daß das LSG die unmittelbare Ursache für das weitere Auftreten der Herzbeschwerden, die persönlichkeitsbedingte vegetative Dystonie, feststellte.
Das LSG hat hiernach zutreffend den angefochtenen Bescheid vom 22. Januar 1960 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1960 als rechtmäßig angesehen. Die Revision des Klägers mußte daher als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen