Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger ist als selbständiger Gastwirt Inhaber des "Bräustübel - Löwenbräu" in Bad Harzburg und nach § 543 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 41 der Satzung der Beklagten bei dieser gegen Arbeitsunfall versichert. Am 20. Januar 1975 wurde der Kläger vom Staatl. Forstamt Harzburg zur Unterstützung der Forstbetriebsbeamten als ziviler Jäger zur Erfüllung des Rotwild-Abschuß-Solls eingesetzt, er jagte auf Anweisung des zuständigen Forstbeamten in Eigenverantwortung. Beim Verlassen eines ihm zugewiesenen Hochsitzes glitt ihm das Gewehr aus der Hand und fiel zu Boden, wobei sich ein Schuß löste und zu einer Verletzung des rechten Beines führte, das im Oberschenkel amputiert werden mußte. In der Unfallanzeige vom 22. Januar 1975 gab der Kläger an, er habe am 20. Januar 1975 beabsichtigt, ein Stück Wild zu schießen, um es in seinem Gaststättenbetrieb zu verwenden. Er erhalte als Jäger vom Staatl. Forstamt Harzburg von Fall zu Fall die Erlaubnis, Wild zu erlegen, das er für seinen Betrieb ankaufe. Auf diese Weise habe er die Möglichkeit, Wild für seinen Betrieb schnell, unkompliziert, frisch und preiswert zu erhalten. Das Staatl. Forstamt Harzburg teilte der Beklagten auf Anfrage am 28. Februar 1975 mit, daß das Forstamt das Wild außer an Kleinabnehmer an mehrere Hotels und Feinkostgeschäfte verkaufe; an diesen Abnehmerkreis seien in der Zeit von Mai 1973 bis Januar 1975 insgesamt 190 Stück Wild abgegeben worden, davon an den Kläger 92 Stück. Die bevorzugte Belieferung der Gaststätte des Klägers - die Nachfrage nach Wild sei sehr viel größer als das Angebot des Staatl. Forstamtes - habe ihren Grund darin, daß der Kläger sich an der Erfüllung des Abschuß-Solls beteiligte. Er habe in der Zeit von Mai 1973 bis Januar 1975 6 Stück Wild selbst geschossen und diese auch alle im eigenen Betrieb verwertet. Der Kläger bemühe sich nach dem Eindruck des Forstamts besonders dann selbst etwas zu schießen, wenn er es im Betrieb benötige. Da die Jagdsaison Ende Januar zu Ende gehe, sei er offenbar in den Tagen vor dem Unfall besonders bemüht gewesen, noch Wild zu bekommen, um es einzufrieren. Hätte der Kläger am 20. Januar 1975 ein Stück Wild geschossen, so hätte er es auch im eigenen Betrieb verwerten können. Der Oberförster H… hat bei der Unfalluntersuchung durch die Stadt Bad Harzburg am 19. März 1975 bestätigt, daß der Kläger mit Genehmigung des Forstamts auf die Jagd gegangen sei, um für seine Gaststätte ein Stück Rotwild zu schießen.
Durch Bescheid vom 28. Mai 1976 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch des Klägers ab, weil der Unfall nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden habe. Die Jagd gehöre zu den Tätigkeiten, die ihrer Art nach üblicherweise in Gaststättenbetrieben nicht vorkämen und ihnen wesensfremd seien. Das Risiko für die dabei eintretenden Unfälle sei daher nicht von ihr zu tragen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1976 zurück, weil die Jagd von Wild nicht zu den arbeitstypischen Tätigkeiten eines Gastwirts zähle. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts - SG - Braunschweig vom 30. März 1978 und des Landessozialgerichts - LSG - Niedersachsen vom 20. November 1979). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, daß er nicht aus Jagdliebhaberei zur Jagd gegangen sei, sondern nur um für seinen Gaststättenbetrieb eine bevorzugte Belieferung mit Wild durch das Staatl. Forstamt Harzburg zu erreichen und es auch sein möge, daß er am 20. Januar 1975 die Absicht gehabt habe, ein Stück Rotwild zu erlegen, um es in seinem gastronomischen Betrieb zu verwerten, habe die zum Unfall führende Tätigkeit nicht in einem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit seinem Gaststättenbetrieb gestanden; ein Arbeitsunfall i.S. des § 548 RVO habe nicht vorgelegen. Die Frage der Wesentlichkeit einer zum Eintritt des Erfolges mitwirkenden Bedingung sei eine Wertentscheidung, bei der der Schutzzweck der anzuwendenden Norm heranzuziehen sei. Ferner gelte grundsätzlich, daß gemäß den §§ 643ff. RVO Unfallversicherungsschutz nur bei Tätigkeiten in dem versicherten Unternehmen gegeben sei. So wäre der Kläger beispielsweise bei einer Tätigkeit als Bauhandwerker auch dann nicht bei der Beklagten versichert, wenn er diese Tätigkeit allein wegen der Kundenwerbung für seinen Gaststättenbetrieb ausüben würde. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 30. August 1979 (- 8a RU 72/78 -) Versicherungsschutz bei einem Gastwirt, der einen angetrunkenen älteren Stammgast über die Straße geleitet habe, deswegen angenommen, weil sich diese Tätigkeit zwanglos in den Betrieb habe einordnen lassen, ihm angemessen gewesen sei und einer allgemeinen Erfahrung und Gewohnheit in Gaststättenbetrieben entsprochen habe. Diese Voraussetzungen seien jedoch bei der Jagdausübung eines Gastwirts auch dann nicht gegeben, wenn diese Jagdausübung zum Zwecke der besseren Belieferung mit Wild erfolge, wobei im Unterschied zur Fahrt zur Wildhandlung der Erfolg der Jagdausübung in der Regel nicht vorausgesehen werden könne. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob durch die Sonderregelung des § 542 Nr. 3 RVO nicht jede mit der Jagdausübung als Jagdgast zusammenhängende Tätigkeit vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt ausgeschlossen sei. Jedenfalls handele es sich bei der Jagdausübung des Klägers nicht um eine seinem Betrieb angemessene Tätigkeit, die sich zwanglos in den Betrieb einordne.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Hinsichtlich des Verhältnisses der 6 Stück Wild, die er selbst geschossen habe, zu den 92 Stück Wild, die er vom Staatl. Forstamt Harzburg insgesamt erhalten habe, verkenne das LSG, daß er auch das selbstgeschossene Wild ausschließlich in seinem Betrieb verwendet habe. Da es für ihn unmöglich sei, den Bedarf seiner Gaststätte an Wild durch eigenen Abschuß zu decken, habe er weiteres Wild dazugekauft. Für die bevorzugte Belieferung durch das Forstamt Harzburg habe die Tatsache eine Rolle gespielt, daß er sich auch selbst an der Jagd beteiligt habe. In jedem Falle habe er die Jagd zur Beschaffung von Wild für seine Gaststätte ausgeübt. Dabei handele es sich um eine für seinen Betrieb typische Tätigkeit. Durch die Einordnung dieser Tätigkeit als betriebliche Tätigkeit werde der Schutzzweck der entsprechenden Norm nicht verletzt. Zur Ausübung der Tätigkeit eines Gastwirts gehöre auch die Beschaffung von Nahrungsmitteln, also auch von Wild, wenn dieses in der Gaststätte verwertet werde. In seiner Gaststätte werde Wild in erheblichem Umfang für die Zubereitung von Speisen verwertet. Um Wild zu günstigen Bedingungen zu erhalten sei erforderlich, daß er sich selbst an der Jagd beteilige. Die Jagdausübung lasse sich zwanglos in den Betrieb einordnen und sei diesem angemessen und durchaus nicht unüblich. § 542 Nr. 3 RVO stehe der Anerkennung eines Jagdunfalls als Arbeitsunfall nicht entgegen. Diese Vorschrift beziehe sich auf jene Fälle, in denen die Jagd als Jagdgast in der Privatsphäre und nicht für betriebliche Zwecke ausgeübt werde.
Der Kläger beantragt,
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1. |
unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. November 1979 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. März 1978 sowie des Bescheides der Beklagten vom 28. Mai 1976 und des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1976 festzustellen, daß die Gesundheitsstörung "Verlust des rechten Beines im mittleren Drittel des Oberschenkels" Folge des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 1975 ist; |
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2. |
die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletzten-Dauerrente seit dem 1. Oktober 1975 zu zahlen. |
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Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß es sich bei der Jagdausübung des Klägers um eine dem Gaststättengewerbe wesensfremde Tätigkeit handele. Nach der Rechtsprechung des BSG seien nur Tätigkeiten versichert, die ihrer Art nach üblicherweise von im Betrieb beschäftigten Personen verrichtet werden (BSGE 29, 159, 161). Entsprechendes gelte auch für die Unternehmerversicherung. Die Ausübung der Jagd sei nicht typisch für das Gaststättengewerbe. Selbst wenn unterstellt werde, daß der Kläger nur zur Jagd gegangen sei, um seine bevorzugte Belieferung mit Wild zu erreichen, könne kein Versicherungsschutz angenommen werden, da es an dem notwendigen engen Zusammenhang der Tätigkeit mit dem Unternehmen fehle. Für die Abgrenzung der unversicherten von der versicherten Tätigkeit sei darauf abzustellen, ob es sich um eine Tätigkeit handele, die sich zwanglos in den Betrieb einordnen lasse und einer üblichen Betreuung entspreche (BSG, Urteil vom 30. August 1979 - 8a RU 72/78 -). Daran ändere nichts, daß der Unternehmer für die Art und Weise, wie er sein Unternehmen betreibe, grundsätzlich eine mitgehende Gestaltungsfreiheit habe. Vom Kläger sei auch lediglich behauptet worden, daß er für betriebliche Zwecke tätig gewesen sei und das von ihm selbst erlegte Wild in seinem Betrieb verwertet worden sei. Das Staatl. Forstamt Harzburg habe darüber nur Vermutungen angestellt. Da der Kläger von 92 Stück des benötigten Wildes nur 6 Stück selbst erlegt habe, werde deutlich, daß die Jagdtätigkeit für Zwecke des Unternehmens ersichtlich ganz zurücktrete. Das LSG habe zudem festgestellt, daß der Kläger zur Erfüllung des Rotwild-Abschuß-Solls eingesetzt gewesen sei. Danach habe es sich um eine nach § 21 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) zur Wahrung allgemeiner landwirtschaftlicher Interessen am Abschuß dieser Wildart durchgeführte Jagd gehandelt (BSG SGb 1970, 223). Insofern könne auch dahingestellt bleiben, ob Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 RVO anzunehmen sei, da dann ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig sei. Der Unfall habe sich auch nicht im Bereich der versicherten Gaststättentätigkeit als eine Betriebshandlung ereignet, die in unmittelbarer Verbindung mit bestehenden, vorher getätigten oder bald bevorstehenden bestimmten Geschäftsabschlüssen gestanden habe. Insbesondere sei mit den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen nicht der Nachweis erbracht, daß ein Zusammenhang zwischen der Belieferung des Klägers und seiner Mitwirkung bei der Jagd bestanden habe, so daß eine reine Gefälligkeitshandlung vorliege. Nach den Feststellungen des LSG könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Tätigkeit des Klägers über den Rahmen einer jagdgastüblichen Tätigkeit hinausgegangen sei. Damit habe die Freude an der Jagd im Vordergrund gestanden, so daß ein Versicherungsschutz nach § 542 Nr. 3 RVO nicht bestehe (BSG Breith 1961, 20).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an. das LSG zurückzuverweisen ist.
Bei der rechtlichen Beurteilung des Unfalls vom 20. Januar 1975 ist außer dem vom LSG festgestellten auch der vom LSG unterstellte Sachverhalt zugrunde zu legen, insbesondere, daß der Kläger nicht aus Jagdliebhaberei, sondern deswegen zur Jagd gegangen ist, um für seinen gastronomischen Betrieb eine bevorzugte Belieferung mit Wild durch das Staatl. Forstamt Harzburg zu erreichen und daß er am 20. Januar 1975 die Absicht hatte, ein Stück Rotwild zu erlegen, um es in seinem gastronomischen Betrieb zu verwenden.
Danach hätte der Kläger am 20. Januar 1975 einen Arbeitsunfall i.S. des § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO erlitten. Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Der Kläger war als Unternehmer eines Unternehmens des Gaststättengewerbes gemäß § 658 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 RVO Am § 3 Nr. 11 der Satzung der Beklagten Mitglied der Beklagten und nach § 543 Abs. 1 RVO i.V.m. § 41 Abs. 1 der Satzung der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert. Der am 20. Januar 1975 erlittene Unfall des Klägers stand im ursächlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Unternehmer eines Gaststättenbetriebes.
Bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) hat festgestellt, daß der Begriff des Betriebes sich nicht auf die den eigentlichen Betriebszwecken unmittelbar oder mittelbar dienenden Verrichtungen beschränkt, sondern auch alle Handlungen und Maßnahmen umfaßt, die durch das äußere Dasein des Betriebes
und seine Beziehungen zum öffentlichen Leben als solchen veranlaßt sind (AN 1896, 423; EuM 20, 74 vgl. auch BSGE 1, 258, 260; SozR Nr. 65 zu § 542 RVO a.F.; BSG Urteil vom 13. März 1975 - 2 RU 9/73 -; Beschluß vom 18. November 1976 - 2 BU 133/76 -; Urteil vom 26. Mai 1977 2 RU 11/77 -) Somit sind auch "unternehmensfremde" Tätigkeiten grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Zwingendes Erfordernis für eine Anerkennung des Versicherungsschutzes ist jedoch in allen Fällen die innere Beziehung der Tätigkeit zu dem Unternehmen. Aus dem Unternehmen herzuleitende Umstände müssen ein wesentliches Glied in der Reihe derjenigen Ursachen bilden, die bei dem Zustandekommen des Unfalls zusammengewirkt haben (BSGE 1, 258, 261).
Nach dem vom LSG unterstellten Sachverhalt waren für den Kläger zwei unternehmensbedingte Gründe für die Jagdausübung am 20. Januar 1975 maßgebend, Zum einen wollte er dadurch für seinen gastronomischen Betrieb eine bevorzugte Belieferung mit Wild durch das Staatl. Forstamt Harzburg erreichen. Nach der vom LSG im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Auskunft des Staatl. Forstamts Harzburg vom 28. Februar 1975 hatte der Kläger von 190 Stück Wild, die in der Zeit von Mai 1973 bis Januar 1975 vom Forstamt an Kleinabnehmer, Hotels und Feinkostgeschäfte abgegeben worden waren, fast die Hälfte, nämlich 92 Stück erhalten. Als Grund für diese bevorzugte Belieferung der Gaststätte des Klägers mit Wild führte das Forstamt die Beteiligung des Klägers an der Erfüllung des Abschuß-Solls an. Zum anderen wollte der Kläger am Unfalltag ein Stück Rotwild erlegen, um es in seinem gastronomischen Betrieb zu verwenden. Der Kläger hatte nach Auskunft des Forstamts vom 28. Februar 1975 von den 92 Stück Wild, die er in der erwähnten Zeit Forstamt erhalten hatte, 6 Stück selbst geschossen und diese alle in seinem eigenen Betrieb verwertet. Beide Gründe stehen im engen ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers als Unternehmer eines Gaststättenbetriebes. Sie sind jedenfalls mit der Tätigkeit im Unternehmen enger verknüpft als etwa Gefälligkeitsleistungen im Rahmen des Kundendienstes, wie z.B. das Nachhausebringen eines geschäftlichen Gesprächspartners (BSG Urteil vom 13. März 1975 - 2 RU 9/73 -), das Geleiten eines angetrunkenen Gastes über die Straße (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 47) oder die Teilnahme an einem Motorradrennen zum Zwecke der Kundenwerbung (BSG SozR Nr. 63 zu § 542 RVO a.F.). Denn für den Unternehmer eines gastronomischen Betriebes gehört das Beschaffen von Nahrungsmitteln für die Zubereitung von Speisen zum Kernbereich seiner unternehmerischen Tätigkeit. Er kann das dafür erforderliche Fleisch in einer entsprechenden Handlung kaufen, aber auch ein lebendes Tier erwerben und schlachten oder ein jagdbares Tier erlegen oder durch die Teilnahme an der Jagd sich die Belieferung von Wild durch den Jagdausübungsberechtigten sichern. Inwiefern durch die Einbeziehung in den Versicherungsschutz auch der Jagd der Schutzzweck der hier anzuwendenden Norm entgegenstehen soll, ist nicht ersichtlich. Der Schutzzweck dient der Ermittlung der Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz reicht. Dem Unternehmer steht für die Art und Weise, wie er sein Unternehmen betreibt, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu (vgl. BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 47). Der Versicherungsschutz ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht auf Tätigkeiten beschränkt, die ihrer Art nach üblicherweise in Betrieben des betreffenden Gewerbezweiges verrichtet werden. Dieser aus dem Urteil des erkennenden Senat vom 7. März. 1969 - 2 RU 181/65 - (BSGE 29, 159, 160) hergeleiteten Auffassung ist der Senat bereits im Urteil vom 27. Juli 1972 - 2 RU 71/70 - (BSGE 34, 240, 242) entgegengetreten; ihr werde eine im Rahmen der Rechtsprechung zu § 539 Abs. 2 RVO nicht zukommende Bedeutung beigemessen. Sie findet daher auch auf die Unternehmerversicherung keine Anwendung. Der Versicherungsschutz läßt sich im vorliegenden Fall nicht mit der Begründung verneinen, daß es sich bei der Jagdausübung des Klägers nicht um eine seinem Betrieb angemessene Tätigkeit gehandelt hat, die sich zwanglos in den Betrieb einordnet. Zwar hat der 8. Senat des BSG den Versicherungsschutz eines Gastwirts für eine "an sich betriebsfremde Gefälligkeit" bejaht, weil sie seinem Unternehmen angemessen war und sich zwanglos in den Betrieb einordnen ließ (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 47). Die Angemessenheit einer Tätigkeit hängt aber nach der Auffassung des 8. Senats wiederum von der Art und dem Umfang des Unternehmens ab, wie es tatsächlich geführt wird und von den sonstigen Umständen des Einzelfalles (SozR 2200 a.a.O. und § 548 Nr. 23).
Das gastronomische Unternehmen des Klägers war, wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG entnehmen läßt, auf Wildgerichte spezialisiert. Diesem Unternehmen war es daher eigen, daß sich der Kläger nach Kräften der Beschaffung von Wild widmete, indem er sich einerseits dem Staatl. Forstamt Harzburg als ziviler Jäger zur Erfüllung des Rotwild-Abschuß-Solls zur Verfügung stellte, um vom Staatl. Forstamt bevorzugt mit Wild beliefert zu werden, andererseits aber auch bestrebt war, selbst Wild zu erlegen, um es in seinem Unternehmen zu verwenden.
Dem Versicherungsschutz für die vom Kläger am Unfalltag ausgeübte Tätigkeit steht nicht entgegen, daß nach § 542 Nr. 3 RVO Personen versicherungsfrei sind, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten unentgeltlich oder entgeltlich erteilten Jagderlaubnis die Jagd ausüben. Das BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 30. April 1971 - 7 Ru 63/70 - (SozR Nr. 3 zu § 542 RVO) angedeutet, daß durch die Sonderregelung des § 542 Nr. 3 RVO nicht jede mit der Jagdausübung als Jagdgast zusammenhängende Tätigkeit vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen sein soll. Es seien Fälle denkbar, in denen die gastweise Teilnahme an einer Jagd derart durch Beziehungen zu einem anderen Unternehmen als dem des Gastgebers. bedingt ist, daß diese gegenüber der Jagdgasteigenschaft rechtlich nicht unwesentlich sind. Dies trifft für die Jagdausübung des Klägers am Unfalltag zu. Sie erhielt ihr unmittelbares Gepräge durch die Absicht, Wild für den gastronomischen Betrieb zu beschaffen und stand damit in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen des Klägers. Unerheblich ist, daß es sich bei der Jagdausübung des Klägers nach Meinung der Beklagten zugleich um eine nach § 21 BJagdG i.d.F. vom 30. März 1961 (BGBl. I 304) zur Wahrung der allgemeinen landwirtschaftlichen Interessen am Abschuß bestimmter Wildarten durchgeführte Jagd gehandelt haben soll (vgl. BSG, SozR Nr. 1 zu § 542 RVO). Auch wenn der Kläger damit zugleich die Interessen des Staatl. Forstamts Harzburg gefördert haben sollte, wurde er dadurch für dieses Forstamt nicht wie ein Arbeitnehmer tätig. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wird ein Unternehmer, der Tätigkeiten im Rahmen seines eigenen Unternehmens verrichtet, auch dann ausschließlich als Unternehmer seines eigenen Unternehmens tätig, wenn seine Tätigkeit zugleich den Zwecken eines anderen Unternehmens dient (vgl. BSGE 5, 168, 174; 7, 195, 197; SozR 2200 § 539 Nr. 2; BSG, Urteil vom 26. März 1980 - 2 RU 13/78 -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., S. 476 h; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 539 Am 100 Buchst. b letzter Absatz; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kennzahl 302 S. 1).
Der Kläger hat sonach am 20. Januar 1975 aufgrund des vom LSG teils festgestellten und teils unterstellten Sachverhalts einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall i.S. des § 548 RVO erlitten. Über den Sachantrag des Klägers kam aber nicht abschließend entschieden werden, weil die noch fehlenden tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich des bislang nur unterstellten Sachverhalts vom LSG nachgeholt werden müssen. Insbesondere hat das LSG zu entscheiden, ob der Kläger der Jagd nachgegangen ist, um seine bevorzugte Belieferung mit Wild durch das Staatl. Forstamt Harzburg zu erreichen oder ob er am Unfalltag die Absicht gehabt hat, ein Stück Rotwild zu erlegen, um dieses dann in seinem gastronomischen Betrieb zu verwerten.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen
BSGE, 89 |
Breith. 1982, 474 |