Leitsatz (amtlich)
Enthält die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. VUVNG vom 1960-12-29 (BGBl 1 1085) - am 1961-01-01 - geltende Satzung des Versicherungsträgers einen Höchstbetrag für den Jahresarbeitsverdienst (RVO § 563 Abs 3 aF), so ist diese Summe für die Vervielfältigung des Jahresarbeitsverdienst nach 2. VUVNG § 2 Abs 1 als Höchstbetrag maßgebend.
Normenkette
RVO § 563 Abs. 3 Fassung: 1952-08-13; VUVNG 2 § 2 Fassung: 1960-12-29
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 22. März 1962 wird dahin geändert, daß die Beklagte verurteilt wird, die Witwenrente der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 30. Juni 1963 aufgrund eines Jahresarbeitsverdienstes von 12.600 DM zu berechnen; im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Ehemann der Klägerin, der als Kameramann tätig war, verunglückte am 18. August 1958 bei Filmaufnahmen tödlich.
Durch Bescheid vom 11. September 1958 stellte die Beklagte eine Witwenrente in Höhe von 2/5 des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) fest und legte hierbei den damals nach ihrer Satzung geltenden Höchst-JAV von 12.000,- DM zugrunde, so daß sich eine monatliche Rente von 400,- DM ergab. Die Klägerin erhob hiergegen Klage mit dem Antrag, der Rentenberechnung den tatsächlichen JAV ihres Ehemannes im Jahre vor dem tödlichen Unfall in Höhe von mehr als 30.000,- DM zugrunde zu legen; diese Klage nahm sie jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Berlin am 6. Januar 1959 zurück.
Nachdem die Beklagte durch Satzungsnachtrag vom 9. Dezember 1960 den Höchstbetrag des JAV von 12.000,- DM auf 24.000,- DM erhöht hatte, beantragte die Klägerin erneut eine Erhöhung der Rente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 9. März 1961 mit folgender Begründung ab: Die Änderung des § 27 der Satzung, durch die der Höchstbetrag des JAV auf 24.000,- DM festgesetzt worden sei, trete erst mit Wirkung vom 1. Januar 1961 in Kraft und gelte nur für Unfälle, die sich von diesem Zeitpunkt an ereignen. Für die Umrechnung der Rente nach dem 2. Gesetz zur vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 29. Dezember 1960 (BGBl I S. 1085) - 2. NeuregelungsG UV - bleibe also der Höchst-JAV von 12.000,- DM maßgebend.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum SG Berlin erhoben mit dem Antrag, die Witwenrente nach dem Höchstbetrag des JAV von 24.000,- DM festzusetzen.
Zur Begründung hat sie u. a. vorgetragen, es sei eine Ungerechtigkeit, daß die Rente nicht erhöht werde, da auch die Hinterbliebenen der vorher Verunglückten unter der Teuerung zu leiden hätten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 6. November 1961 haben sich die Beteiligten mit einer schriftlichen Entscheidung einverstanden erklärt. Durch ein am 17. November 1961 beschlossenes Urteil, das der Klägerin am 9. Dezember 1961, der Beklagten am 11. Dezember 1961 zugestellt worden ist, hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 9. März 1961 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, mit Wirkung vom 1. Januar 1961 der Unfallwitwenrente einen JAV von 24.000,- DM zugrunde zu legen.
Die Berufung ist vom SG zugelassen worden.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt: § 27 der Satzung der Beklagten sei durch den Satzungsnachtrag vom 9. Dezember 1960 wie folgt geändert worden:
"Der Höchstbetrag des JAV wird über den in § 563 Abs. 3 RVO vorgesehenen Höchstbetrag hinaus auf DM 24.000,- festgesetzt."
Diese Änderung sei mit Wirkung vom 1. Januar 1961 in Kraft getreten. § 1 des 2. Neuregelungsgesetzes bestimme, daß die Geldleistungen für Unfälle, die sich vor dem 1. Januar 1961 ereignet haben, nach den §§ 2 und 3 umgestellt würden. § 2 Abs. 5 laute aber: "Werden die Geldleistungen auf Grund eines JAV berechnet, dessen Betrag in der Satzung des Versicherungsträgers zahlenmäßig festgesetzt ist, so werden sie auf den ab 1. Januar 1961 gültigen JAV umgestellt." Dementsprechend sei der JAV der Klägerin auf 24.000,- DM zu erhöhen. Eine Beschränkung des § 27 der Satzung auf Unfälle, die sich nach dem 1. Januar 1961 ereignet haben, sei aus dem Satzungsnachtrag nicht zu ersehen und würde dem Wortlaut des § 2 Abs. 5 des 2. Neuregelungsgesetzes widersprechen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 6. Januar 1962 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des SG aufzuheben und den Bescheid vom 9. März 1961 wiederherzustellen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt: § 2 Abs. 5 des 2. Neuregelungsgesetzes sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, er beträfe nur Geldleistungen, die auf Grund eines JAV berechnet seien, dessen Betrag in der Satzung zahlenmäßig festgesetzt sei. Hier sei die Rente nach dem tatsächlichen Arbeitsverdienst und unter Zugrundelegung des nach der Satzung maßgebenden Höchst-JAV gewährt worden. In der Satzung sei also nur der Höchst-JAV, nicht aber der JAV selbst zahlenmäßig festgelegt. § 2 Abs. 5 sei lediglich bei den Versicherungsträgern anwendbar, bei denen Geldleistungen auf Grund eines in der Satzung zahlenmäßig festgesetzten JAV berechnet würden, also insbesondere bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften - BG - (vgl. auch Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen BG vom 31. Dezember 1960, VB 174/60 II 7).
Durch Urteil vom 22. März 1962 hat das LSG den Bescheid der Beklagten vom 9. März 1961 unter Aufhebung des Urteils des SG vom 17. November 1961 wiederhergestellt.
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Änderung des § 27 der Satzung der Beklagten sei erst in der Vertreterversammlung der Beklagten vom 9. Dezember 1960 beschlossen worden und gelte vorbehaltlich des 2. Neuregelungsgesetzes nur für Unfälle, die sich nach dem Inkrafttreten dieser Satzungsänderung am 1. Januar 1961 ereignet hätten. Für eine Satzungsänderung seien die gleichen Rechtsgrundsätze maßgebend wie für eine Gesetzesänderung, nach denen ein neues Gesetz nur dann rückwirkende Kraft habe, wenn das Gesetz bzw. die Satzung dies ausdrücklich bestimme (vgl. Bayr. LVA Breithaupt 1950 S. 1185, Lauterbach 2. Aufl. S. 128, 128 a, Anm. 9 zu § 563 RVO).
Auch das 2. Neuregelungsgesetz vom 29. Dezember 1960 stütze den Anspruch nicht. Eine Umstellung nach § 2 Abs. 5 des 2. Neuregelungsgesetzes komme nach dem klaren Wortlaut nur in Betracht, wenn die Geldleistungen auf Grund eines JAV berechnet seien, dessen Betrag in der Satzung "zahlenmäßig festgesetzt" sei. Eine derartige zahlenmäßige Festlegung des JAV auf einen bestimmten Betrag, wie z. B. in den Satzungen zahlreicher BG, für die Pflichtversicherung von Unternehmern oder in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (UV) nach § 932 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) liege hier nicht vor. Die Satzung der Beklagten habe in § 27 lediglich eine Höchstsumme für den JAV festgesetzt, nicht aber den JAV generell oder für eine bestimmte Gruppe von Versicherten zahlenmäßig bestimmt. Auch eine Umstellung nach § 2 Abs. 1 des 2. Neuregelungsgesetzes mit dem für das Unfalljahr 1958 bestimmten Faktor 1,05 sei nicht zulässig, weil der vervielfältigte JAV nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes den durch die Satzung der Beklagten festgesetzten Höchstbetrag von 12.000,- DM nicht übersteigen dürfe. Die Festsetzung einer höheren Grenze durch die Änderung des § 27 der Satzung gelte, wie ausgeführt, nur für Unfälle, die nach dem Inkrafttreten der Satzungsänderung am 1. Januar 1961 eingetreten seien.
Die Klägerin, der dieses Urteil am 13. April 1962 zugestellt worden ist, hat hiergegen am 21. April 1962 Revision eingelegt und sie am 11. Mai 1962 begründet.
Sie hat zunächst beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, mit Wirkung vom 1. Januar 1961 der Witwenrente der Klägerin einen JAV von 24.000,- DM zugrunde zu legen.
Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt: Mit den Gesetzen zur vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der gesetzlichen UV habe der Gesetzgeber eine Anpassung der alten Renten an die neue Preis-, Wirtschafts- und Sozialsituation gewollt. Dieser Wille sei bei der Auslegung zu berücksichtigen. Auf die Rente der Klägerin sei § 2 Abs. 5 des 2. Neuregelungsgesetzes anzuwenden, denn eine zahlenmäßige Festsetzung liege immer vor, wenn ein tatsächlicher Arbeitsverdienst bis zu einem Höchstbetrag begrenzt werde. Der Berufungsrichter hätte untersuchen müssen, ob eine Satzungsänderung mit der Beschränkung auf neue vom 1. Januar 1961 eingetretene Rentenfälle überhaupt zulässig gewesen sei und nicht gegen den Wortlaut des Neuregelungsgesetzes und den erklärten Willen des Gesetzgebers verstoßen habe. Auf Grund der gesetzlich geregelten Anpassung alter Renten an die neue Situation sei die Beklagte vielmehr gehalten, den neuen Höchst-JAV von 24.000,- DM zugrunde zu legen. Die Beklagte habe die Wohltat der Rentenanpassung nur einer bestimmten Gruppe von Rentenempfängern zuerkannt, nämlich denen, denen die Renten nach dem 1. Januar 1961 zustanden. Das verstoße gegen den Willen des Gesetzgebers und gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).
Die Beklagte hat beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt: § 2 Abs. 5 des 2. Neuregelungsgesetzes sei nur dann anwendbar, wenn die Satzung einen festen Betrag als JAV vorsehe, z. B. für die Pflichtversicherung von Unternehmern (§ 538 RVO) oder in der landwirtschaftlichen UV. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich auch aus der amtlichen Begründung, wo es heiße "soweit bei Unternehmerversicherungen der Betrag des JAV in der Satzung ... zahlenmäßig festgesetzt ist, gilt die Regelung des Abs. 5" (BT-Drucks. 3. Wahlperiode Nr. 2104). Die Auffassung werde auch vom Hauptverband vertreten (VB 174/60 II 7 und von Linthe in BABl 1961 S. 92, 94). Wenn § 2 Abs. 5 für alle Versicherungsträger gelten würde, die von der Ermächtigung des § 563 Abs. 3 RVO Gebrauch gemacht haben, würde der Zusatz "zahlenmäßig" überflüssig sein.
Auch nach § 2 Abs. 2 des 2. Neuregelungsgesetzes sei eine Erhöhung der Rente nicht möglich; denn die Satzung der Beklagten habe in § 27 bis zum 31. Dezember 1960 eine Höchstgrenze von 12.000,- DM bestimmt und diese erst vom 1. Januar 1961 an auf 24.000,- DM erhöht. Diese Erhöhung habe auf die Berechnung der Rente der Klägerin keinen Einfluß, denn auch Verwaltungsrechtssätze hätten ohne ausdrücklichen Hinweis keine rückwirkende Kraft (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allg. Teil, 7. Aufl. S. 138). Auch das Reichsversicherungsamt (RVA) habe diese Auffassung vertreten (= Grunds. E. 2794 AN 1924, 114). Auch bei der Änderung des § 563 Abs. 3 RVO durch § 4 des Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung vom 13. August 1952 (BGBl I S. 403, 37), durch die der Höchst-JAV von 7.200,- DM auf 9.000,- DM angehoben wurde, sei entsprechend verfahren worden (Rundschreiben VB 170/52).
Durch den Ausschluß der Rückwirkung für die Änderung des § 27 der Satzung werde auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG nicht verletzt. Der Gleichheitssatz lasse einen weitgehenden Ermessensspielraum, dessen Grenzen erst verletzt seien, wenn sich für die getroffene Entscheidung kein sachlicher Grund finden lasse (BVerfGE 12, 326, 333; 341, 348). Der Grund für die Erhöhung der Höchstgrenze sei, daß die Löhne und Gehälter generell gewachsen seien. In der Festsetzung eines Stichtages liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei den Altfällen handele es sich nicht um mit den Neufällen vergleichbare Tatbestände; z. B. sei bei den Altfällen im Laufe der Entschädigungszeit eine gewisse Anpassung an den nach dem Unfall geschaffenen Lebensstandard eingetreten. Die rechtsetzenden Organe der BG hätten grundsätzlich das Recht zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgeblich sind und ob sie rechtlich gleich oder ungleich zu behandeln seien (BVerfGE 6, 273, 280; 10, 59, 73). Auch die Berufskrankheitenverordnung vom 28. April 1961 (BGBl I S. 505) setze einen Stichtag und habe für die neuen Berufskrankheiten "Lärmschwerhörigkeit" und "Lärmtaubheit" überhaupt keine rückwirkende Kraft. In einem weiteren Schriftsatz hat die Beklagte auch auf das Fremdrentenurteil des Bundesverfassungsgerichts (BG 1962 S. 376) hingewiesen.
Nach Verkündung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I S. 241) hat die Beklagte durch Bescheid vom 24. Juni 1963 die Rente der Klägerin mit Wirkung vom 1. Juli 1963 an neu festgestellt und ihr einen JAV von 30.062,50 DM zugrunde gelegt, so daß sich von da an eine monatliche Rente von 1.002,10 DM ergibt (vgl. § 171 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, mit Wirkung vom 1. Januar 1961 bis zum 30. Juni 1963 der der Klägerin zu zahlenden Rente einen JAV von 24.000,- DM zugrunde zu legen und ihr die im gesamten Verfahren entstandenen außergerichtlichen und sonstigen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte hält auch gegenüber diesem Antrag den Antrag aufrecht, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Auf die Ladung zum Termin am 27. September 1963 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, daß er den Termin nicht wahrnehmen könne, jedoch mit einer Entscheidung nach Aktenlage einverstanden sei.
Im Termin am 27. September 1963 hat der Terminsbevollmächtigte der Beklagten nach Aufruf der Sache, aber vor Eintritt in die mündliche Verhandlung Entscheidung nach Lage der Akten beantragt. Der Senat hat diesem Antrag entsprochen und ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 126 SGG).
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte jedoch nur in beschränktem Umfang Erfolg.
Die Revision will sich anscheinend nicht mehr gegen die Rechtsauffassung des LSG wenden, daß die am 9. Dezember 1960 beschlossene und am 1. Januar 1961 in Kraft getretene Änderung des § 27 der Satzung der Beklagten, durch die der Höchstbetrag des JAV (§ 563 Abs. 3 aF, § 575 Abs. 2 nF RVO) von 12.000,- DM auf 24.000,- DM heraufgesetzt worden ist, nur für Unfälle Geltung hat, die sich seit dem Inkrafttreten der Änderung - bis zum Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Höchstgrenze von 36.000,- DM des § 575 Abs. 2 RVO idF des UVNG - ereignet haben.
Diese Auslegung der Satzung der Beklagten, die vom Revisionsgericht nachgeprüft werden kann, da das Satzungsrecht der Beklagten im gesamten Bundesgebiet gilt (vgl. § 162 Abs. 2 SGG), trifft auch zu.
Wie bereits das LSG ausgeführt hat, wirken sich Rechtsänderungen auch in der gesetzlichen UV grundsätzlich nur auf Ansprüche aus, die auf nach dem Inkrafttreten der Rechtsänderung eingetretenen Tatbeständen beruhen (vgl. BSG 7, 282, 284 und das Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1959 - SozR RVO § 563 aF Bl. Aa 2 Nr. 3; für das bürgerliche Recht vgl. z. B. RGZ 54, 149, 154; BGHZ 10, 394; Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. §§ 61 - 63). Für Versicherungsfälle, die vor Inkrafttreten einer Rechtsänderung eingetreten waren, bleibt deshalb das im Zeitpunkt des Versicherungsfalles geltende Recht weiterhin maßgebend, wenn im neuen Recht nicht ausdrücklich Abweichendes bestimmt ist (vgl. als Beispiel hierfür Art. 4 §§ 2-8 UVNG). Weder aus dem Wortlaut des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 9. Dezember 1960 noch aus den sonstigen Bestimmungen der Satzung der Beklagten ergibt sich jedoch ein Anhalt dafür, daß die Erhöhung der JAV-Höchstgrenze rückwirkend auch für die in der Vergangenheit eingetretenen Unfälle gelten sollte.
Die Revision rügt, das LSG habe aber verkannt, daß diese Beschränkung des neuen Satzungsrechts auf die nach dem Inkrafttreten eintretenden Unfälle gegen den in dem - am selben Tage in Kraft getretenen - 2. NeuregelungsG UV zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers verstoße.
Diese Rüge ist nicht berechtigt. Die beiden Neuregelungsgesetze (vom 27. Juli 1957, BGBl I 1071 und vom 29. Dezember 1960, BGBl I 1085) bezweckten lediglich eine vorläufige Anpassung der Geldleistungen der UV an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse. Im Gegensatz zu den beiden vorangehenden Gesetzen mit ähnlicher Zielsetzung (Gesetz über Verbesserungen der gesetzlichen UV vom 10. August 1949, WiGBl S. 251, Gesetz über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen UV ... vom 29. April 1952, BGBl I 253) suchten die beiden Neuregelungsgesetze dieses Ziel zwar nicht durch die Gewährung von Zulagen zu den laufenden Geldleistungen, sondern durch Umrechnung des den Geldleistungen zugrunde liegenden JAV zu erreichen, sie ließen jedoch die für die Berechnung dieses JAV geltende gesetzliche Höchstgrenze von 9.000,- DM (Gesetz über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung ... vom 18. August 1952, BGBl I 437) ebenso unberührt wie die sonstigen für die Berechnung des JAV geltenden Vorschriften. Die Reform des Dritten Buches der RVO blieb einem weiteren Gesetz vorbehalten und ist erst durch das UVNG erfolgt. Für die Beklagte ergab sich deshalb aus dem 2. NeuregelungsG UV keine zwingende Notwendigkeit, den bereits über dem gesetzlichen Höchstbetrag liegenden satzungsmäßigen Höchstbetrag zu erhöhen.
Der Beklagte hat auch nicht - wie die Revision meint - dadurch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstoßen, daß sie davon absah, die neue JAV-Höchstgrenze rückwirkend auch für die vor dem Inkrafttreten des neuen Satzungsrechts eingetretenen Unfälle wirksam werden zu lassen. Auch für das Satzungsrecht gilt, daß die rechtsetzende Stelle grundsätzlich in der Entschließung darüber frei ist, ob und inwieweit sie neues Recht nur mit Wirkung für die Zukunft in Kraft setzen oder Verbesserungen, insbesondere solche mit finanziellen Auswirkungen, auch auf abgeschlossene und unter Umständen weit zurück in der Vergangenheit liegende Versicherungsfälle anwenden will. Die mit jedem Stichtag notwendigerweise verbundenen Härten rechtfertigen für sich allein die Annahme eines Verstoßes gegen das GG nicht; vielmehr ist hierzu erforderlich, daß sich für die durch den Stichtag herbeigeführten unterschiedlichen Regelungen schlechthin keine vernünftige Erklärung finden läßt (vgl. BSG 11, 278, 286; BVerfGE 1, 1652; 3, 162, 182; 3, 338, 340). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.
Ein Anspruch auf Anwendung der neuen JAV-Höchstgrenze von 24.000,- DM kann auch - entgegen der Auffassung der Revision - nicht aus § 2 Abs. 5 2. NeuregelungsG UV hergeleitet werden. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich dieser Absatz nur auf solche JAV, deren Betrag sich unmittelbar aus einer "zahlenmäßigen" Festsetzung in der Satzung ergibt, wie das z. B. in den Satzungen verschiedener BG für den JAV der nach Satzungsrecht versicherungspflichtigen Unternehmer (§ 538 aF, § 543 nF RVO) der Fall ist. Nur in einem solchen Falle ist der JAV auf den Betrag umzustellen, der sich aus dem am 1. Januar 1961 geltenden - oder bis zum 31. Dezember 1961 beschlossenen - Satzungsrecht ergibt. Der Höchstbetrag für den JAV ist kein JAV im Sinne dieser Vorschrift, sondern eine für die Berechnung des JAV geltende Begrenzung nach oben, so daß eine neue, höher liegende Begrenzung nicht unmittelbar als neuer JAV zugrunde gelegt werden könnte, sondern vielmehr nur eine günstigere Neuberechnung rechtfertigen würde. Da die Neuregelungsgesetze wie bereits dargelegt die Vorschriften für die Berechnung des "den Geldleistungen zugrunde liegenden" JAV unverändert gelassen haben, kann § 2 Abs. 5 2. NeuregelungsG UV auf die Höchstgrenze für den JAV auch nicht entsprechend angewendet werden.
Das LSG hat jedoch nach der Auffassung des erkennenden Senats verkannt, daß die beim Inkrafttreten des 2. NeuregelungsG UV am 1. Januar 1961 geltende satzungsmäßige JAV-Höchstgrenze von 24.000,- DM für die Anwendung des § 2 Abs. 1 2. NeuregelungsG UV von Bedeutung ist.
Nach dieser Vorschrift ist der "den Geldleistungen zugrunde liegende" JAV mit nach den Unfalljahren gestaffelten Faktoren zu vervielfältigen. Dieser JAV beträgt im Falle der Klägerin 12.000,- DM, da - wie dargelegt - auf eine Neuberechnung unter Anwendung einer günstigeren Höchstgrenze kein Anspruch besteht. Da sich der tödliche Unfall des Ehemanns der Klägerin im Jahre 1958 ereignet hat, ist der JAV mit 1,05 zu vervielfältigen, so daß sich ein neuer JAV von 12.600,- DM ergibt. Hierfür ist jedoch nach der Auffassung des Senats nicht die an sich für Unfälle im Jahre 1958 geltende satzungsmäßige Höchstgrenze von 12.000,- DM maßgebend, sondern die am 1. Januar 1961 geltende Höchstgrenze von 24.000,- DM.
Der Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 3 2. NeuregelungsG UV ausdrücklich bestimmt, daß das Ergebnis der Umrechnung nach § 2 Abs. 1 nur insoweit berücksichtigt werden darf, als es den damals geltenden gesetzlichen Höchstbetrag von 9.000,- DM nicht überschreitet. Das hat die Wirkung, daß dieser Höchstbetrag für die Umrechnung nach § 2 Abs. 1 2. NeuregelungsG UV auch dann anzuwenden ist, wenn für die Rente an sich noch der Höchstbetrag von 8.400,- DM (2. Gesetz über Änderungen in der UV vom 14. Juli 1925, RGBl I 97, Art. 3 und 136) oder von 7.200,- DM (Gesetz zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Invaliden-, der Angestellten- und der knappschaftlichen Versicherung vom 7. Dezember 1933, RGBl I 1093, § 11 Abs. 3; 5. Gesetz über Änderungen in der UV vom 17. Februar 1939, RGBl I 267, Art. 1 Nr. 15) gilt. Der erste Halbsatz des § 2 Abs. 3 2. NeuregelungsG UV ist also dahin zu verstehen, daß für die Umrechnung nach Abs. 1 in jedem Fall der beim Inkrafttreten des 2. NeuregelungsG UV geltende gesetzliche Höchst-JAV gelten soll (vgl. hierzu auch Linthe, Die neuen Geldleistungen in der UV, 1957, S. 21, Anm. 9 zu § 2 Abs. 3 1. NeuregelungsG UV); deshalb ist nach der Auffassung des Senats auch der zweite Halbsatz dahin auszulegen, daß der beim Inkrafttreten geltende satzungsmäßige Höchst-JAV und nicht der an sich für die Rente geltende - gesetzliche oder satzungsmäßige - Höchst-JAV die obere Grenze für das Ergebnis der Umrechnung nach Abs. 1 bilden soll (vgl. auch Zilz, Bl. f. Steuerr. 1958, S. 24).
Die Klägerin hat also einen Anspruch darauf, daß ihre Witwenrente während des in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Zeitraums vom 1. Januar 1961 bis zum 30. Juni 1963 auf Grund eines JAV von 12.600,- DM berechnet wird.
Das LSG hat somit das Urteil des SG, durch das die Beklagte verurteilt worden ist, der Berechnung der Rente einen JAV von 24.000,- DM zugrunde zu legen, mit Recht aufgehoben; jedoch ist die Revision der Klägerin insoweit begründet, als das LSG auch einen Anspruch auf Berechnung der Rente nach einem JAV von 12.600,- DM verneint hat. Das Urteil des LSG mußte infolgedessen entsprechend geändert werden.
Da die Klägerin mit ihrer Revision, wenn auch nur in sehr beschränktem Umfang, einen Erfolg gehabt hat, hat der Senat die Beklagte für verpflichtet erklärt, der Klägerin die Hälfte der in der Revisionsinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).
Fundstellen