Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrarbeitsvergütung. "verständiger Grund"
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden Mehrarbeitsvergütungen in bestimmten Wirtschaftsbereichen regelmäßig gezahlt und kann der Beschädigte die dabei anfallenden Arbeiten einschränkungslos verrichten, dann kann ein Einkommensverlust nicht dadurch konstruiert werden, daß das Bruttoeinkommen ohne die regelmäßig gezahlten Zulagen und Mehrarbeitsvergütungen berechnet wird. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ein derartiger Beschädigter bei zumutbarer Anspannung seines Arbeits- und Leistungswillens als Bruttoeinkommen auch das Durchschnittseinkommen der Berufs- und Wirtschaftsgruppe, der er ohne die Schädigung wahrscheinlich angehört hätte, oder - falls sich ein Wirtschaftsbereich nicht zum Vergleich heranziehen läßt - die Durchschnittsverdienste in allen bei der Verdiensterhebung erfaßten Wirtschaftsbereichen erzielen kann.
2. Zum "verständigen Grund" (vergleiche auch BSG vom 1966-03-08 10 RV 708/65 = BVBl 1966, 119; BSG 1966-11-11 10 RV 270/64 = BSGE 25, 262-267, 266).
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1966-12-28; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 9 Abs. 4 Fassung: 1968-02-28
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Mai 1972 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der am 3. Oktober 1923 geborene Kläger hatte gemäß Umanerkennungsbescheid vom 27. Februar 1951 wegen "Herzmuskelschädigung mit Bluthochdruck" Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. bezogen. Ein Verschlimmerungsantrag wurde im Dezember 1952 abgelehnt. Mit Bescheid vom 5. Januar 1956 erkannte der Beklagte "Unausgeglichenheit des Kreislaufs" als weiteres Versorgungsleiden an; die MdE wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1956 auf 50 v.H. erhöht. Bei wiederholten Nachuntersuchungen ergaben sich keine Befundänderungen; nach Auffassung der medizinischen Sachverständigen konnten dem Kläger lediglich schwere körperliche Arbeiten nicht zugemutet werden. Vom 25. September bis 24. Oktober 1963 befand sich der Kläger zur Durchführung eines Heilverfahrens in der Versorgungs-Kuranstalt Bad N. Die Ärzte berichteten von einer erheblichen Adipositas und einem "Trainingsverlust"; ein geregelter Arbeitseinsatz sei als Therapie zu empfehlen.
Im Oktober 1969 beantragte der Kläger, der seit Oktober 1959 als Toilettenwärter tätig ist, die Gewährung von Berufsschadensausgleich. Er gab dabei an, sein angestrebter Beruf vor Kriegsbeginn sei zunächst Schlosser und dann Maurer gewesen. Am 1. August 1941 sei er als Freiwilliger in die Wehrmacht (Marine) eingetreten und habe sich auf 12 1/2 Jahre verpflichtet. Nach Kriegsende sei er zu einer Zeche verwiesen worden; diese Tätigkeit habe er wegen seines Gesundheitszustandes nicht verrichtet können, ebenso wie die versuchsweise wiederaufgenommene Tätigkeit auf dem Bau. Er sei nur noch kurzfristig als Hilfsarbeiter, Handlanger und Nachtwächter tätig gewesen, bevor er seine jetzige Tätigkeit aufgenommen habe. Der Beklagte holte eine Auskunft der Firma K ein und zog die Rentenakten der Landesversicherungsanstalt (LVA) R bei.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich, der zugleich als Antrag auf Höherbewertung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins (§ 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) angesehen wurde, durch Bescheid vom 16. Januar 1970/ Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1970 ab. Im Widerspruchsverfahren wurde eine Auskunft der "Deutschen Dienststelle" eingeholt; danach wäre die Dienstverpflichtung auf 12 Jahre erst mit der Beförderung zum Unteroffizier wirksam geworden; der Kläger sei Matrosen-Obergefreiter gewesen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 11. November 1970 abgewiesen. Im Berufungsverfahren machte der Kläger geltend, daß er ohne die Schädigungsfolgen heute zumindest als angelernter Arbeiter tätig wäre. Das Landessozialgericht (LSG) hat Auskünfte von Arbeitgeberverbänden und der Industriegewerkschaft Metall über den monatlichen Bruttoverdienst von ungelernten Arbeitern eingeholt. Durch Urteil vom 2. Mai 1972 hat das LSG die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, soweit sie die Höhe der MdE betrifft; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, nach der Überzeugung des Senats wäre der Kläger auch ohne die Schädigung heute wahrscheinlich nur Hilfsarbeiter; er müsse demzufolge in die Leistungsgruppe 3 der Arbeiter eingestuft werden, der auch seine jetzige Tätigkeit zuzurechnen sei. Der Kläger sei zwar vor Antritt seines Wehrdienstes zweimal Ausbildungsverhältnisse - als Schlosser und Maurer - eingegangen, die er aber beide nach kurzer Zeit wieder aufgelöst habe. Zwei weitere Arbeitsstellen habe er gleichfalls nach kurzer Zeit aufgegeben. Die Verpflichtung zum Berufssoldaten sei nicht wirksam geworden, weil der Kläger sich nicht um die Beförderung zum Unteroffizier bemüht habe, was in der Zeit vom 1. August 1941 bis Kriegsende durchaus möglich gewesen wäre. Hinweise darauf, daß der Kläger nach der Beendigung des Wehrdienstes im beruflichen Bereich mehr Eifer und Zielstrebigkeit entwickelt habe als vorher, fehlten. Der weitere Werdegang des Klägers wecke sogar Zweifel an seinem Arbeitswillen. Es könne nicht als wahrscheinlich angesehen werden, daß der Kläger aufgrund langjähriger Praxis in eine Facharbeiterposition hineingewachsen oder eine qualifizierte Anlernbeschäftigung erreicht hätte. Nach dem ärztlichen Gutachten sei der Kläger durchaus in der Lage, zumindest körperlich leichte Arbeiten einschränkungslos zu verrichten. Derartige Arbeiten würden auf dem Arbeitsmarkt in vielfältiger Form und in durchaus nennenswertem Umfang angeboten. Sein Rentenantrag sei von der LVA durch Bescheid vom 13. September 1969 bindend abgelehnt worden. Der Kläger habe zwar eine Verdiensteinbuße erlitten, wobei mangels anderer Anhaltspunkte von dem Durchschnittseinkommen der Hilfsarbeiter in der Gesamtindustrie auszugehen sei. Dieser Einkommensverlust sei aber nicht als schädigungsbedingt anzusehen, weil der Kläger auch durch körperlich leichte Arbeit einen Verdienst erzielen könnte, der die Höhe des genannten Durchschnittseinkommens zumindest erreiche. Zu dem gleichen Ergebnis führe auch die Vorschrift des § 9 Abs. 4 der Durchführungsversordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 22. Juni 1972 zugestellt, der dagegen am 19. Juli Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 22. September mit Schriftsatz vom 19. September, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 21. September 1972, begründet hat.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Mai 1972 das beklagte Land zu verurteilen, dem Kläger Berufsschadensausgleich nach der Leistungsgruppe 2 (männliche Arbeiter) aus dem Wirtschaftsbereich Gesamte Industrie zu gewähren,
hilfsweise, den Rechtsstreit zur nochmaligen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
sowie dem Beklagten die dem Kläger in allen Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
In seiner Revisionsbegründung rügt der Kläger eine Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG sowie des § 9 Abs. 4 DVO und trägt dazu vor, allein bedingt durch die anerkannten Schädigungsfolgen sei er in seiner Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. gemindert und könne nur noch körperlich leichte Arbeiten zeitweilig im Sitzen verrichten. Schon aufgrund dieser erheblichen MdE spreche mehr dafür als dagegen, daß auch ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorliege. Tatsächlich habe das LSG auch ein Mindereinkommen festgestellt. Das Gericht habe ohne mögliche und notwendige konkrete Feststellungen unterstellt, er könne mit ihm zumutbaren leichten Arbeiten noch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten monatlichen Durchschnittsbruttoverdienst der Hilfsarbeiter in der Gesamtindustrie erzielen, wenn auch durch Akkord- und Überstundenarbeit. Ganz offensichtlich habe das Gericht den eingeholten Auskünften sowohl hinsichtlich der Frage, ob entsprechende Arbeitsplätze dem Kläger erreichbar und zumutbar wären, als auch bezüglich der Einkommensmöglichkeiten etwas entnommen, was darin dem klaren Wortlaut nach nicht enthalten sei. Nach diesen Auskünften könne ein ungelernter Arbeiter, der nur noch körperlich leichtere Arbeiten auszuüben vermöge, nur die Verdienste der Lohngruppen 1 und 2 der metallverarbeitenden Industrie erzielen. Die Tariflöhne dieser Lohngruppen lägen aber unter den Durchschnittseinkünften der Hilfsarbeiter. Das LSG habe daneben die Verdienste der Lohngruppe 4 der Metallindustrie als für den Kläger erreichbar angesehen, obwohl diese Lohngruppe eindeutig für den Kläger nicht zutreffe. Außerdem habe das Gericht Akkordverdienste als mögliche und für den Kläger erreichbare Arbeitsverdienste herangezogen, ohne zu klären, ob der Kläger unter Berücksichtigung der anerkannten Schädigungsfolgen überhaupt zumutbar auf Akkordarbeiten verwiesen werden könne. Der Kläger sei auch auf Überstundenarbeit nicht verweisbar, denn eine über 8 Stunden täglich hinausgehende Arbeitszeit würde von ihm nur auf Kosten seiner Gesundheit verrichtet werden können. Aufgrund des Sachverhalts könne dem Kläger auch nicht vorgehalten werden, er habe den Einkommensverlust ohne verständigen Grund verursacht oder seine Resterwerbsfähigkeit nicht in zumutbarem Umfange eingesetzt. Bei Würdigung der Frage, ob der Kläger, wenn er unversehrt aus dem Kriege heimgekehrt wäre, nicht zumindest den Status eines angelernten Arbeiters (Leistungsgruppe 2) erreicht hätte, habe das Gericht nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens beachtet. Den seit Oktober 1959 innegehabten Arbeitsplatz habe er sich selbst gesucht und durch seinen Leistungswillen - Verrichtung von Überstunden und Nachtarbeit - bis heute behalten.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, nach der Überzeugung des LSG bestehe zwischen der Schädigung und der Verdiensteinbuße des Klägers "keine ursächliche Verknüpfung". Die Verfahrensrügen des Klägers seien nicht geeignet, die sich aus § 163 SGG ergebende Bindung an den das angefochtene Urteil stützenden Sachverhalt zu beseitigen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist von dem Kläger frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166). Die Revision ist somit zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs des Klägers das Durchschnittseinkommen eines Arbeiters der Leistungsgruppe 3 (Wirtschaftsbereich Gesamte Industrie) zugrunde zu legen ist.
Der Kläger hat das Urteil des LSG, soweit dieses die Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG betrifft, mit der Revision nicht angefochten. Im Streit ist daher lediglich noch die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs an den Kläger. Dieser hat seinen entsprechenden Antrag im Oktober 1969 gestellt. Maßgebend ist daher das BVG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 20. Januar 1967 (BGBl I S. 142 - 3. NOG -) mit den seither erfolgten Änderungen. Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 4/10 des auf volle DM nach oben abgerundeten Verlustes, jedoch höchstens 500,- DM (jetzt 712,- DM; vgl. § 30 Abs. 3 BVG idF des 4. Anp.G. vom 24. Juli 1972). Einkommensverlust ist nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommen sind nach Satz 2 dieser Vorschrift die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- und tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes. In der zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG erlassenen Verordnung - von der Bundesregierung am 28. Februar 1968 (BGBl I S. 134) aufgrund der ihr in § 30 Abs. 7 BVG eingeräumten Ermächtigung erlassen - ist in § 2 Abs. 1 Buchst. a bestimmt, daß das Durchschnittseinkommen nach § 3 der DVO ermittelt wird, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung ... wahrscheinlich unselbständig in der privaten Wirtschaft tätig wäre. Nach dieser Vorschrift sind bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens für Arbeiter in der Industrie der in Betracht kommende Wirtschaftsbereich und die Leistungsgruppen 1,2 oder 3 maßgebend.
Das LSG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Kläger die vor Antritt seines Wehrdienstes eingegangenen beiden Ausbildungsverhältnisse (als Schlosser und als Maurer) jeweils nach kürzerer Zeit wieder aufgelöst hat, daß er auf dem eingeschlagenen dritten Berufsweg als Berufssoldat (mit einer Dienstverpflichtung auf 12 Jahre) gleichfalls nicht zum Erfolg gelangt ist, daß keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür zu gewinnen sind, daß der Kläger eine qualifiziertere Position erreicht hätte, daß sein weiterer Werdegang sogar Zweifel an seinem Arbeits- und Ausbildungswillen weckt und daß der Kläger auch ohne die Schädigung heute wahrscheinlich nur Hilfsarbeiter wäre. Das LSG hat daraus die Folgerung gezogen, daß der Kläger "in die Leistungsgruppe 3 der Arbeiter eingestuft werden muß, der auch seine jetzige Tätigkeit zuzurechnen ist" (vgl. Bl. 15 des Urteils). Das LSG hat, gestützt auf die vorliegenden medizinischen Gutachten, weiter festgestellt, daß der Kläger "zumindest körperlich leichte Arbeiten einschränkungslos verrichten" kann. Die Angriffe, die der Kläger gegen diese tatsächlichen Feststellungen des LSG richten will, greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, daß er nur noch körperlich leichte Arbeiten zeitweilig im Sitzen verrichten könne, handelt es sich um eine bloße Behauptung, nicht aber um eine substantiierte Verfahrensrüge im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG. Das gleiche gilt für sein Vorbringen, daß er auf Überstundenarbeit nicht verweisbar sei, weil er eine über 8 Stunden täglich hinausgehende Arbeitszeit nur auf Kosten seiner Gesundheit verrichten könnte; im übrigen hat der Kläger selbst vorgetragen, daß er in seiner jetzigen Tätigkeit laufend Überstunden macht. Das LSG hat auch nicht etwa übersehen, daß der Kläger nach dem Kriege vorübergehend - vom 26. November 1945 bis zum 10. Januar 1946 als Platzarbeiter, vom 23. September 1947 bis zum 10. Januar 1949 als Hilfsarbeiter und vom 9. Februar 1953 bis zum 4. Juni 1954 als Wachmann - eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, sondern es hat diese Zeiten im Tatbestand seines Urteils einzeln aufgeführt und auch in den Entscheidungsgründen berücksichtigt. Wenn das LSG festgestellt hat, daß der Kläger nach dem Kriege "etwa 11 Jahre überhaupt ohne Beschäftigung war", so hat es die genannten Beschäftigungszeiten von dem Gesamt-Zeitraum von 14 Jahren (1945 bis 1959) eindeutig abgezogen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das LSG auch das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt, die Einzelheiten des beruflichen Werdegangs gewürdigt und es alsdann als unwahrscheinlich angesehen, daß der Kläger ohne die Schädigung noch eine Lehrausbildung zum Abschluß gebracht hätte oder aufgrund langjähriger Praxis in eine Facharbeiterposition hineingewachsen oder eine qualifiziertere Anlernbeschäftigung erreicht hätte.
Die weiteren Feststellungen und Folgerungen des LSG, daß der Kläger zwar eine Verdiensteinbuße erlitten hat, weil der für Hilfsarbeiter maßgebliche Durchschnittsverdienst von ihm in der Mehrzahl der streitigen Monate nicht erreicht worden ist, daß dieser Einkommensverlust aber nicht als schädigungsbedingt angesehen werden kann, weil der Kläger auch durch körperlich leichte Arbeiten, wie er sie zweifelsfrei auszuführen vermag, einen Verdienst erreichen könnte, der die Höhe der genannten Durchschnittseinkommen zumindest erreicht, hat der Kläger gleichfalls erfolglos angegriffen. Das LSG hat sich insoweit auf die Auskunft des Arbeitgeberverbandes E vom 2. November 1971, die Auskunft der Industriegewerkschaft (IG) Metall - Verwaltungsstelle Essen - vom 12. November 1971 und die Auskunft des Arbeitgeberverbandes Eisen- und Stahlindustrie in D vom 12. Januar 1972 stützen können. Zwar trifft es zu, daß nach der Auskunft der IG Metall - Verwaltungsstelle Essen - vom 12. November 1971 bei einer Vergütung nach den Lohngruppen 1 und 2 der metallverarbeitenden Industrie und einer normalen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden der maßgebliche Bruttodurchschnittsverdienst der Leistungsgruppe 3 - Gesamte Industrie - nicht erreicht wird. Die Folgerungen, die der Kläger aus dieser Tatsache ziehen will, greifen jedoch nicht durch. Zunächst trifft es schon nicht zu, daß - wie der Kläger vorträgt - nach den genannten Auskünften ein ungelernter Arbeiter, der nur noch körperlich leichte Arbeiten verrichten kann, nur die Verdienste der Lohngruppen 1 und 2 der metallverarbeitenden Industrie erzielen kann. Das LSG hat nämlich - gestützt auf die Auskunft der Essener Arbeitgebervereinigung vom 2. November 1971 - ausdrücklich festgestellt, daß leichte Tätigkeiten - wie sie dem Kläger zugemutet werden können - auch noch in den Lohngruppen 4 und 5 anfallen und daß der durchschnittliche Wochenlohn der Lohngruppe 4 über dem maßgeblichen Durchschnittsverdienst gelegen hat. Außerdem übersieht der Kläger, daß die Berechnungen, die das LSG für die durchschnittlichen Verdienste in der metallverarbeitenden Industrie angestellt hat, nur beispielhaft gemeint sind und keinesfalls dahin verstanden werden können, daß der Kläger nur in der metallverarbeitenden Industrie tätig sein könnte. Das LSG hat nämlich weiter festgestellt, daß "körperlich leichte Arbeiten für ungelernte männliche Personen auf dem Arbeitsmarkt in vielfältigen Formen und in durchaus nennenswertem Umfang vergeben werden"; das gilt insbesondere in hochindustrialisierten Gebieten wie dem Raum Essen, in dem der Kläger wohnhaft ist. Die von dem LSG beispielhaft genannten Tätigkeiten als Pförtner oder Telefonist zeigen bereits, daß auch zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche für den Kläger in Betracht kommen. Das LSG hat auch nicht etwa dem Kläger Akkordarbeiten mit 56 Wochenstunden "zugemutet", sondern ist zutreffend davon ausgegangen, daß nicht die Tariflöhne, sondern die tatsächlich erzielten und gezahlten Löhne (Effektivlöhne) maßgebend sind und daß dabei auch Zuschläge aller Art und die regelmäßig anfallenden Mehrarbeitsvergütungen miteinzubeziehen sind, zumal der Kläger "zumindest körperlich leichte Arbeiten einschränkungslos verrichten" kann und insoweit schädigungsbedingt keinen Einschränkungen unterworfen ist. Das LSG weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß es zu ungerechtfertigten Verzerrungen führen würde, wenn zwar einerseits von einem statistisch ermittelten Durchschnittseinkommen ausgegangen würde (vgl. § 30 Abs. 4 BVG iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 DVO), das Mehrarbeitsverdienste einschließt (vgl. § 6 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes über die Lohnstatistik vom 18. Mai 1956 - BGBl I S. 429), letztere jedoch bei der Prüfung der Frage, welcher tatsächliche Verdienst erzielt werden kann, außer Betracht bleiben müßten.
Dieser Auffassung steht auch die Entscheidung des BSG vom 8. Juli 1969 (SozR BVG § 30 Nr. 39) nicht entgegen. Der 9. Senat des BSG hat in dieser Entscheidung, die überdies ausschließlich auf § 30 Abs. 2 BVG abgestellt ist, lediglich ausgesprochen, daß "Mehrverdienste, die der Beschädigte durch gelegentliche Überstundenarbeiten erzielt, in der Regel nicht anzurechnen sind". Werden aber Mehrarbeitsvergütungen in bestimmten Wirtschaftsbereichen regelmäßig gezahlt und kann der Beschädigte die dabei anfallenden Arbeiten "einschränkungslos verrichten", dann kann ein Einkommensverlust nicht dadurch konstruiert werden, daß das Bruttoeinkommen ohne die regelmäßig gezahlten Zulagen und Mehrarbeitsvergütungen berechnet wird. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ein derartig Beschädigter bei zumutbarer Anspannung seines Arbeits- und Leistungswillens als Bruttoeinkommen auch das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der er ohne die Schädigung wahrscheinlich angehört hätte, oder - falls sich ein Wirtschaftsbereich nicht zum Vergleich heranziehen läßt - die Durchschnittsverdienste in allen bei der Verdiensterhebung erfaßten Wirtschaftsbereichen erzielen kann (vgl. § 3 Abs. 2 und 3 DVO).
Der erkennende Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. Urteil vom 22. Juni 1972 in SozR DVO 1968 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG, § 9 Nr. 1), daß ein Berufsschadensausgleich nur dann gewährt werden kann, wenn ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorliegt, mit anderen Worten, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen besteht. Gründe anderer Art, die zu einer Minderung des Erwerbseinkommens führen, begründen keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich. In der letztgenannten Entscheidung, die zu § 9 Abs. 4 DVO ergangen ist, hat der Senat weiter ausgesprochen, daß zu den allgemeinen Grundsätzen unserer Rechtsordnung, insbesondere aber des Sozialrechts und des Kriegsopferrechts, die Pflicht des Anspruchsberechtigten gehört, den eingetretenen Schaden durch zumutbare Maßnahmen möglichst gering zu halten, und daß er insbesondere nicht berechtigt ist, eine mögliche und ihm zumutbare Schadensminderung zu vereiteln. Die Neuregelung, die § 9 Abs. 4 durch die DVO 1968 erfahren hat, stellt also für die hier angesprochenen Sonderfälle nur eine nähere Ausgestaltung der allgemeinen gesetzlichen Regelung dar, wonach das Durchschnittseinkommen "durch" die Schädigungsfolgen gemindert sein muß.
Die Feststellungen des LSG rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß der Kläger "ohne verständigen Grund" eine Minderung seines derzeitigen Bruttoeinkommens verursacht hat, die deshalb unberücksichtigt bleiben muß (vgl. § 9 Abs. 4 DVO). Als "verständiger Grund" kann nicht ein Grund angesehen werden, der allein aus der Interessenlage und den Zielen des Beschädigten her verständig erscheint; vielmehr muß es sich um einen objektiv verständigen Grund handeln, der auch unter Abwägung der Interessen des Beklagten und insbesondere unter Berücksichtigung des mit der Gewährung des Berufsschadensausgleichs verfolgten Zweckes als verständig erscheint (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 8. März 1966 in BVBl 1966 S. 119 und vom 11. November 1966 in BSG 25, 262, 266). Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger aus rein persönlichen Gründen die im Oktober 1959 aufgenommene - und schlechter bezahlte - Tätigkeit als Toilettenwärter beibehalten hat oder ob dafür auch wirtschaftliche Gründe maßgebend sind, die sich der exakten Nachprüfung entziehen. Gesundheitliche Gründe, die sich als objektiv verständig erweisen könnten, erfordern jedenfalls nicht die Beibehaltung des derzeitigen Arbeitsplatzes. Das LSG hat nämlich, wie bereits dargelegt, bindend festgestellt (§ 163 SGG), daß körperlich leichte Arbeiten - wie sie der Kläger "zumindest" verrichten kann - für ungelernte männliche Personen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in hochindustrialisierten Gebieten wie dem Raum E, in vielfältiger Form und in durchaus nennenswertem Umfang angeboten werden und daß auch dem Kläger "daher ansprechendere und darüber hinaus besser entlohnte Arbeitsplätze zugänglich gewesen wären, sofern er sich mit Nachdruck um diese bemüht hätte". Dem Kläger wird damit nicht angesonnen, daß er seinen Arbeitsplatz aufgeben soll. Der Kläger kann aber nicht verlangen, daß ihm eine zusätzliche, vom Einkommen abhängige Versorgungsleistung gewährt wird, wenn er den Einkommensverlust - d.h. den Minderverdienst gegenüber dem Durchschnittseinkommen seiner Berufs- oder Wirtschaftsgruppe - ohne verständigen Grund selbst herbeigeführt hat. In diesen Fällen gilt als derzeitiges Bruttoeinkommen der Betrag, den der Beschädigte ohne die einkommensmindernden Umstände erzielen könnte (vgl. § 9 Abs. 4 letzter Satz DVO). Das aber ist nach den obigen Ausführungen zumindest das Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 3 der Arbeiter - Gesamte Industrie -. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust ist daher vom LSG zu Recht verneint worden; ein Berufsschadensausgleich steht dem Kläger nicht zu.
Die Revision des Klägers war gemäß § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen