Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. November 1993 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Kindergeld für seine im Promotionsstudium befindliche Tochter.
Die im August 1965 geborene Tochter B. … (B.) des Klägers schloß im April 1990 ein Studium an der Humanistischen Universität in R. mit einem Examen ab, das nach dem Vortrag des Klägers einer deutschen Magisterprüfung gleichzuachten ist. Mit dem Wintersemester 1990/1991 hat sie sich an der Universität H. … für ein Promotionsstudium der klassischen Archäologie eingeschrieben; nach dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren hat sie außer an einem Doktorandenkolloquium an keinen Universitätsveranstaltungen teilgenommen. Sein Antrag auf Wiedergewährung des Kindergeldes ab Oktober 1990 blieb, ebenso wie Widerspruch und Klage, erfolglos.
Das Landessozialgerichts (LSG) Berlin hat die – in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (vom 27. Oktober 1992) zugelassene – Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 16. November 1993). Zur Begründung hat es ausgeführt, B. befinde sich in ihrer Promotionszeit nicht mehr in Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Eine solche liege nur dann vor, wenn die Ausbildung nach Inhalt und zeitlicher Gestaltung sowie Leistungskontrolle einem von vornherein festgelegten Plan entspreche. Es müsse ein echtes, planmäßig ausgestaltetes, Ausbildungsverhältnis vorliegen, welches sich an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiere; die Ausbildungsdauer dürfe nicht allein im Belieben der am Ausbildungsverhältnis Beteiligten stehen. Diese Voraussetzungen erfülle das Promotionsstudium von B. nicht. Seine Dauer sei nicht von vornherein festgelegt; ein fester Zeitplan sei nicht vorhanden. Das Verhältnis zwischen B. und dem ihre Promotion betreuenden Professor sei kein leistungskontrolliertes Ausbildungsverhältnis im erwähnten Sinne. Unerheblich sei, daß B. den Beruf einer Hochschullehrerin anstrebe, für den die Promotion eine notwendige Voraussetzung sein möge.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 2 Abs 2 BKGG und trägt vor, B. strebe den Beruf einer Hochschullehrerin an. Die hierfür erforderliche Habilitation sei jedoch nur nach einer Promotion möglich. Die vom LSG aufgestellten Voraussetzungen für eine Berufsausbildung seien in der Praxis nicht realisierbar. Dennoch habe B. mit ihrem „Doktorvater” in der fraglichen Zeit durchaus eng zusammengearbeitet. Wenn die Promotion für den erstrebten Beruf typisch sei, sei es zumindest möglich, die Zeit des Promotionsstudiums als kindergeldfähig anzusehen (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 14. Februar 1991 – 10 RKg 2/90). Bei einer Hochschullehrerin sei eine Promotion nicht nur berufstypisch, sondern sogar erforderlich. Daß eine Promotion Berufsausbildung sei, ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Lohn- und Einkommensteuerrecht (Hinweis auf BFH vom 27. März 1991 – VI R 52/88). Hiernach seien Kosten der Promotion Berufsausbildungs- und nicht Werbungskosten. Der Kläger wendet sich ferner gegen die Feststellung des LSG, seine Tochter habe in R. die „Doktorwürde” erworben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts vom 16. November 1993 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 2. April 1991 und ihres Widerspruchsbescheides vom 19. August 1991 zu verurteilen, dem Kläger Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter B. ab Oktober 1990 bis August 1992 zu zahlen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Ein Promotionsstudium sei nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn nicht bereits zuvor in dem Studiengang ein berufsqualifizierender akademischer Abschluß erlangt worden sei und die Promotion alternativ geeignet sei, als Abschluß der Berufsausbildung zu dienen, oder allein die Promotion zur Ausübung eines bestimmten Berufs befähige (zB staatlicher Archivar). Nach § 44 Abs 1 Nr 2 Hochschulrahmengesetz (HRG) sei jedoch die Promotion als Nachweis der wissenschaftlichen Qualifikation nicht unabdingbare Voraussetzung für die Einstellung als Hochschulprofessor, wenn auch die Regel. Um Mißbräuchen vorzubeugen, könne auch nicht die Behauptung des Kindes, eine spätere Tätigkeit als Hochschulprofessor anzustreben, zur Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG ausreichen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bewilligung von Kindergeld für seine Tochter B. in der streitigen Zeit ihres Promotionsstudiums. Das Promotionsstudium von B. ist keine Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG.
Der Begriff der Berufsausbildung hat in mehreren Rechtsbereichen des Sozialrechts seinen Niederschlag gefunden; er wird, soweit Unterschiede in der begrifflichen Abgrenzung nicht aus dem jeweiligen Rechtsgebiet folgen, übereinstimmend dahin verstanden, daß Berufsausbildung nur dann vorliegt, wenn es sich dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt und diese dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen (s zu § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BKGG die Urteile des erkennenden Senats in SozR 5870 § 2 Nrn 39, 41, 51, 53 jeweils mwN; st Rspr; vgl zusammenfassend auch das Urteil vom 23. August 1989, BSGE 65, 250, 251 = SozR 5870 § 2 Nr 66). An dieser Abgrenzung hält der erkennende Senat fest.
Die hiernach aufgestellten Anforderungen sind im vorliegenden Fall schon deswegen nicht erfüllt, weil es sich beim Promotionsstudium von B. nicht dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt. Nicht jede Zugangsvoraussetzung für einen bestimmten Beruf kann auch als Ausbildung angesehen werden (vgl BSG vom 9. Februar 1984, SozR 2200 § 1267 Nr 31; BSG vom 12. Dezember 1984, SozR 5870 § 2 Nr 38 S 128 f; BSG vom 29. Januar 1985, SozR 5870 § 2 Nr 41 S 136 f; BSG vom 3. November 1987, SozR 5870 § 2 Nr 53 S 174 f). Eine solche setzt vielmehr ein echtes Ausbildungsverhältnis voraus, welches planmäßig ausgestaltet ist und sich an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiert. Dazu gehört in der Regel, daß sachkundige verantwortliche Ausbilder bestellt sind, die den Ausbildenden anleiten, belehren und ihn mit dem Ziel unterweisen, ihm die für den erstrebten Beruf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln (BSGE 65, 250, 251 = SozR 5870 § 2 Nr 66).
Ein derartiger Ausbildungscharakter aber ergibt sich weder aus der einschlägigen Promotionsordnung noch folgt er aus den sonstigen Feststellungen des LSG.
Zwar kommt der Zeit der Promotion dann Ausbildungscharakter zu, wenn diese die erste Abschlußprüfung eines Hochschulstudiums darstellt (s BSG vom 18. März 1987, SozR 2200 § 583 Nr 6). Denn ein Studium ohne Abschluß stellt keine Berufsausbildung dar; bis zu diesem steht insgesamt eine wesensmäßige Ausbildung im Vordergrund. B. befindet sich jedoch nicht mehr auf dem Wege zu einer derartigen Abschlußprüfung. Die angestrebte Promotion setzt vielmehr nach § 2 Abs 1 der einschlägigen Promotionsordnung (Ordnung für die Promotion zum Doktor der Philosophie im Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität H. … vom 26. März 1981, Amtlicher Anzeiger 1981, 697, die der Kläger dem LSG eingereicht und auf die es Bezug genommen hat) ein bereits abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium mit einem (ersten) berufsqualifizierenden Abschlußexamen voraus. Für ein Studium mit einem solchen Abschluß (zB Magister, Diplom) ist die Tochter des Klägers jedoch nicht eingeschrieben. Ihr Promotionsstudium ist gerade kein Teil der üblichen sonstigen Ausbildung einer Archäologin. B. besucht weder Vorlesungen noch Übungen oder Seminare. Damit unterscheidet sich ihr Promotionsstudium von einem einheitlichen Ausbildungsgang, an dessen Abschluß die Promotion steht.
B. befindet sich auch nicht aus anderen Gesichtspunkten in einem vorgeschriebenen oder sonst üblichen Ausbildungsgang. Die Promotionsordnung schreibt für die Zulassung zur Promotion keine zusätzliche Ausbildung vor. Dem entspricht, daß nach § 10 Abs 5 Satz 3 HRG hierfür ein Zusatz-, Ergänzungs- oder Aufbaustudium nicht verlangt werden darf. Auch im übrigen ergibt sich nicht, daß sich B. in einer Ausbildung befindet. Nach den vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG war die Dauer des Promotionsstudiums nicht von vornherein festgelegt; ein fester Zeitplan ist nicht vorhanden. Zwischen B. und dem ihre Promotion betreuenden Professor besteht auch kein Ausbildungsverhältnis in der erforderlichen Ausprägung. Sie wird zwar teilweise von ihm angeleitet, erbringt aber auch in nicht unerheblichem Umfang eigenverantwortlich fachbezogene Leistungen ihres erlernten Berufs. Die im Einzelfall erfolgende Unterweisung durch den Professor ist einem geregelten Ausbildungsgang nicht vergleichbar. Wenn die Revision vorträgt, derartige Anforderungen seien bei einem Promotionsstudium in aller Regel nicht erfüllbar, kann hieraus nichts Abweichendes hergeleitet werden.
Zu Recht ist das LSG ferner davon ausgegangen, daß die Einschreibung als Student als solche das Promotionsstudium nicht zu einer Berufsausbildung macht, wenn die Einrichtungen der Universität zwar in Anspruch genommen werden, tatsächlich aber keine Ausbildung stattfindet.
Entgegen dem Vortrag der Revision folgt aus dem Urteil des Senats vom 14. Februar 1991 – 10 RKg 2/90 nichts anderes. Hierin hat er im Gegenteil betont, daß eine Betätigung nur dann als Berufsausbildung gewertet werden kann, wenn es sich dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt. Er hat nicht entschieden, daß Kindergeld während eines Promotionsstudiums dann zu gewähren sei, wenn die Promotion vorgeschrieben oder in sonstiger Weise erforderlich ist, um die Fähigkeit zu erlangen, später einen bestimmten Beruf auszuüben oder wenn sie bei bestimmten Berufsgruppen berufstypisch ist. Vielmehr hat er diese Frage damals – ohne weitere Prüfung des Ausbildungscharakters eines Promotionsstudiums – ausdrücklich offengelassen.
Zugunsten des Klägers spricht nicht, daß Kosten eines Promotionsstudiums steuerrechtlich als – nicht abzugsfähige – Kosten der Berufsausbildung (nicht jedoch als Werbungskosten) behandelt werden (s hierzu zusammenfassend BFH vom 9. Oktober 1992, BFHE 169, 193 mit Besprechung List, JuS 1993, 912). Denn steuerrechtliche Kategorien sind nicht denknotwendigerweise auch auf das Sozialrecht zu übertragen. Dies wird auch aus der – weiten – Definition deutlich, die die Berufsausbildung im Steuerrecht erfahren hat (vgl BFH vom 11. Oktober 1984, BFHE 142, 140, 141 – dort auch zu unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs je nach gesetzlichem Zusammenhang –, BFH vom 9. November 1984, BFHE 142, 450, 452).
Schließlich läßt sich im hier interessierenden Zusammenhang aus dem zivilen Unterhaltsrecht für das Kindergeldrecht nichts herleiten, zumal auch dort kein genereller Anspruch eines volljährigen Kindes auf Unterhalt während der Promotionszeit besteht (vgl OLG Hamm vom 9. August 1989, FamRZ 1990, 904; OLG Düsseldorf vom 19. März 1986, FamRZ 1987, 708).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen