Leitsatz (amtlich)

Ein besonderer Fall bei der Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln iS des BVG § 5 DV § 13 liegt nur dann vor, wenn die vom Gericht vorgesehene Normalversorgung durch die zuständigen Verwaltungsstellen im Einzelfall zu einer angemessenen Versorgung des Beschädigten nicht ausreicht. Die Hinderungsgründe können sowohl bei den Verwaltungsstellen als auch beim Beschädigten liegen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines besondere Falles können deshalb nicht allein mit der Behauptung dargetan werden, die vom Gesetzgeber geregelte und danach zu gewährende Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln sei unzureichend.

 

Normenkette

BVG§13DV § 5 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1956-08-18

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 11. November 1955 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger beantragte im Oktober 1953, ihm den zum Kauf eines Paares Prothesenschuhe ausgegebenen Betrag zurückzuerstatten. Nachdem die orthopädische Versorgungsstelle (OVSt.) Neumünster den Kläger zunächst belehrt hatte, daß die Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Hilfsmittel nur in besonderen Fällen möglich sei, lehnte sie durch Bescheid vom 24. Februar 1954 die Kostenerstattung ab. Der gegen diesen Bescheid gerichtete Widerspruch wurde durch Bescheid vom 8. April 1954 zurückgewiesen.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG.) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger die Kosten für die selbstbeschafften Prothesenschuhe bis zur Höhe des Betrages zu erstatten, der bei Lieferung durch die OVSt. entstanden wäre. Das Landessozialgericht (LSG.) hat das Urteil des SG. aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat in den Gründen ausgeführt, es könne entgegen der Annahme des SG. nicht festgestellt werden, daß beim Kläger besonderes Schuhwerk wegen der Beschaffenheit des erhalten gebliebenen Fußes erforderlich sei, nachdem der Kläger seine dahingehende Behauptung zurückgenommen und durch die Verweigerung der Duldung einer ärztlichen Untersuchung eine entsprechende Feststellung unmöglich gemacht habe. Da der Kläger nur noch Gründe allgemeiner Art gegen die Lieferung der Prothesenschuhe durch die Versorgungsbehörden geltend gemacht habe, liege ein besonderer Fall, der nach § 5 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 13 Bundesversorgungsgesetz (BVG) allein den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Prothesenschuhe rechtfertige, im Falle des Klägers nicht vor. Ein derartiger Fall sei nur dann gegeben, wenn die Versorgungsverwaltung wegen der Besonderheiten eines Einzelfalls aus Hinderungsgründen, die sowohl bei ihr selbst wie beim Versorgungsberechtigten liegen könnten, objektiv oder subjektiv nicht in der Lage sei, ihrer Verpflichtung zur Versorgung der Beschädigten mit orthopädischem Schuhwerk nachzukommen. Der Anspruch auf Barerstattung für selbstbeschafftes orthopädisches Schuhwerk könne ohnehin mit Erfolg nur geltend gemacht werden, wenn sich herausgestellt habe, daß die von der Versorgungsverwaltung gelieferten Schuhe mangelhaft gewesen seien. Durch die Angriffe allgemeiner Art, das bei der Belieferung mit Prothesenschuhen von den Versorgungsbehörden angewandte Meßblattverfahren sei ungeeignet, die von den Versorgungsbehörden angebotenen Schuhe seien von schlechter Beschaffenheit und die Belieferung der Versorgungsberechtigten durch die Versorgungsbehörden unter Ausschaltung des Einzelhandels widerspreche dem herrschenden Wirtschaftssystem, würden keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Besonderheit eines Einzelfalls ergebe. Sie richteten sich vielmehr gegen das angewandte Verfahren im ganzen. Aber selbst dann, wenn die Beschaffenheit des nicht beschädigten Fußes eine Versorgung mit besonderem orthopädischen Schuhwerk erforderlich machen sollte, würde der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbstbeschafftes Schuhwerk, sondern nur einen Anspruch auf Lieferung geeigneter Schuhe durch die Versorgungsbehörden haben.

Das LSG. hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 24. März 1956 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 30. April 1956 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt mit dem Antrag,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Klage stattzugeben.

Gleichzeitig hat er beantragt, ihm wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Er trägt zum Wiedereinsetzungsantrag vor, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 29. März 1956 eine Vorlagefrist zum 20. April 1956 verfügt, um die Revision rechtzeitig einlegen zu können. Diese Verfügung sei jedoch von dem Büropersonal seines Prozeßbevollmächtigten versehentlich nicht ausgeführt worden. Die Handakte sei ohne Notierung einer Vorlagefrist weggelegt und nur durch Zufall am 25. April 1956 nach Ablauf der Revisionsfrist wieder vorgelegt worden, obgleich der Prozeßbevollmächtigte sein Büropersonal angewiesen hatte, Akten erst nach Durchsicht und Erledigung aller Verfügungen in das Fach zu legen, und obgleich er die Nichtbeachtung dieser Anweisung in anderen Fällen bereits früher gerügt und durch besondere Weisungen die Befolgung dieser Anordnung auch für den Fall der Erkrankung einzelner Angehöriger des Büros geregelt hatte. Für die von ihm behaupteten Tatsachen legt der Kläger eidesstattliche Versicherungen vor.

Die Revision ist durch einen am 23. Mai 1956 beim BSG. eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Der Kläger meint, er habe entgegen der Ansicht des LSG. nach § 5 DVO zu § 13 BVG einen Anspruch auf Erstattung des Preises für die von ihm selbstbeschafften Prothesenschuhe selbst dann, wenn das BVG den Versorgungsberechtigten grundsätzlich nur einen Anspruch auf Sachleistungen der Versorgungsverwaltung gewähre. Das ergebe sich daraus, daß orthopädisches Schuhwerk wegen der Verschiedenheit der Fußformen nur dann in geeigneter Form geliefert werden könne, wenn der Hersteller über eine große Anzahl verschiedener Leisten verfüge. Diesem Erfordernis könne die Versorgungsverwaltung nicht gerecht werden, weil sie die von ihr gelieferten Prothesenschuhe in schlechter Verarbeitung und nach ungeeigneten Methoden zur Feststellung der Fußform und Fußabmessung der Versorgungsberechtigten (Meßblattverfahren) von kleinen Schuhfabriken beziehe, die alle Schuhe nur über einen Leisten herstellten und keine Auswahlmöglichkeit böten. Es liege daher bei der Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk stets ein besonderer Fall vor, der den Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Schuhe rechtfertige.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält die Revision wegen der verspäteten Einlegung des Rechtsmittels für unzulässig, im übrigen aber das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß es sich bei Prothesenschuhen um Schuhe konfektionsmäßiger Herstellung und nicht um orthopädische Maßschuhe handele.

Die durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht begründete Revision ist auch als form- und fristgerecht eingelegt anzusehen, weil dem Kläger wegen der Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar wäre der Kläger, bei dem irgendein persönliches Verschulden an der verspäteten Einlegung der Revision nicht ersichtlich ist, dann nicht als ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Verfahrensfrist gehindert anzusehen, wenn seinen Prozeßbevollmächtigten eine Schuld an der Fristversäumung treffen würde. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, folgt aus § 67 Abs. 1 SGG, daß im sozialgerichtlichen Verfahren bei Fristversäumnis das Verschulden eines Vertreters dem eigenen Verschulden des vertretenen Beteiligten gleich zu achten ist (BSG. in SozR. SGG § 67 Bl. Da 16 Nr. 24). Ein Verschulden ist hier jedoch deshalb zu verneinen, weil auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers alles getan hat, was in einem normalen Bürobetrieb zumutbar ist, um die Einhaltung der Frist zur Einlegung der Revision zu gewährleisten. Er hat die Wiedervorlage der Akten auf einen Zeitpunkt verfügt, bei dem er unter normalem Ablauf der Dinge die Revisionsschrift so rechtzeitig hätte anfertigen können, daß sie noch innerhalb der Revisionsfrist beim BSG. eingehen konnte. Ein Rechtsanwalt braucht sich als Prozeßbevollmächtigter nicht selbst um die Fristenkontrolle zu kümmern (RG. in JW. 1935 S. 3622), sondern darf sie seinem geschulten und überwachten Büropersonal überlassen (RG. in JW. 1930 S. 545). Anderenfalls wäre er in seiner eigentlichen Tätigkeit als Berater und Sprecher der Rechtsuchenden zu stark beeinträchtigt. Sein Bürobetrieb muß so geordnet sein, daß normalerweise das Eintragen und die Überwachung der Fristen durch den Bürovorsteher oder einen anderen zuverlässigen Angestellten gewährleistet ist. Mit den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ist glaubhaft gemacht, daß die Eintragung der vom Prozeßbevollmächtigten verfügten Wiedervorlagefrist aus einem Versehen des sonst zuverlässigen, geschulten und überwachten Büropersonals unterblieben ist. Dieses Versehen hat der Prozeßbevollmächtigte und damit der Kläger nicht zu vertreten. Ihm war daher auf den innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses unter Nachholung der versäumten Rechtshandlung gestellten Antrag (§ 67 Abs. 2 SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die hiernach zulässige Revision ist jedoch nicht begründet.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger vom Beklagten die teilweise Erstattung der Kosten für ein vom Kläger selbstbeschafftes und bezahltes Paar Prothesenschuhe, also eines Schuhes für die Prothese und eines Schuhes für den erhalten gebliebenen Fuß, verlangen kann. Schon nach der im Zeitpunkt der Entscheidungen der Versorgungsverwaltung und der Vorinstanzen geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 BVG hatte ein Beschädigter, bei dem ein Anspruch auf Rente festgestellt war, einen Anspruch auf Heilbehandlung. Wie § 11 BVG in der früheren und in der jetzigen Fassung erläutert, umfaßt der Begriff der Heilbehandlung neben der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische. Übungen, der Heilmittelversorgung und der Heilanstaltspflege auch die Ausstattung mit Körperersatzstücken und orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern und die Folgen der Schädigung zu erleichtern, also auch die Ausstattung mit Prothesenschuhen, wenn diese Ausstattung auf Grund der vorhandenen Schädigungsfolgen erforderlich ist. Diese Heilbehandlung ist nach § 14 BVG, soweit es sich um Körperersatzstücke, orthopädische und sonstige Hilfsmittel, Führhunde für Blinde, Badekuren, Heilstättenbehandlungen, Heilanstaltspflege für tuberkulös Erkrankte und heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen handelt, von den zuständigen Verwaltungsbehörden, im übrigen, also insbesondere bei der ärztlichen Behandlung und Versorgung mit Medikamenten, durch die Krankenkasse zu gewähren. Wie das LSG. zutreffend angenommen hat, spricht schon der Wortlaut des Gesetzes, wonach die Heilbehandlung zu "gewähren" ist, dafür, daß diese Heilbehandlung von den Versorgungsbehörden und Krankenkassen den Versorgungsberechtigten zur Verfügung zu stellen ist, also die Versorgungsbehörden und Krankenkassen die ärztliche Betreuung, die Versorgung mit Medikamenten, Körperersatzstücken und Hilfsmitteln bereitzustellen haben. Daß auf der anderen Seite die Versorgungsberechtigten grundsätzlich nur einen Anspruch auf Gewährung der Heilbehandlung durch Krankenkassen oder Versorgungsbehörden, nicht aber einen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für eine selbst durchgeführte und bezahlte Heilbehandlung haben, geht daraus hervor, daß das BVG einen Erstattungsanspruch stets nur für Ausnahmefälle zugelassen hat. So war in § 14 Abs. 3 BVG in den verschiedenen Fassungen dieses Gesetzes, die vor der Fassung durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Erstes Neuordnungsgesetz) vom 27. Juni 1960 - BGBl. I S. 453 - galten, vorgeschrieben, daß die Kosten einer Heilbehandlung, die von einem Versorgungsberechtigten, der nicht Mitglied einer Krankenkasse der Reichsversicherung ist, ohne Inanspruchnahme der zuständigen Krankenkasse durchgeführt worden ist, nur dann in angemessenem Umfang erstattet werden können, wenn zwingende Gründe die Inanspruchnahme der Krankenkasse unmöglich machten. Die entsprechende Vorschrift geht nunmehr im § 14 Abs. 5 Satz 1 BVG in der Fassung des ersten Neuordnungsgesetzes dahin, daß die Kosten der selbst durchgeführten Heilbehandlung zu erstatten sind, wenn zwingende Gründe die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten. In diesem Zusammenhang ist § 10 Abs. 6 BVG i. d. F. des ersten Neuordnungsgesetzes (früher § 10 Abs. 3) bedeutsam, wonach auch die Kosten einer vom Versorgungsberechtigten vor der Anerkennung selbst durchgeführten Heilbehandlung in angemessenem Umfang zu ersetzen sind, wenn diese Heilbehandlung notwendig war. Auch aus dieser Vorschrift läßt sich mithin entnehmen, daß nach der Zielrichtung des Gesetzes grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Gewährung der Heilbehandlung durch Krankenkassen und Versorgungsbehörden bestehen soll. Entsprechend dieser Zielrichtung des Gesetzes, die Kosten von selbst durchgeführten Heilbehandlungen, zu denen auch die Versorgung mit Prothesenschuhen gehört, nur in Ausnahmefällen zu erstatten, schreibt § 5 Abs. 1 Satz 2 der DVO zu § 13 in den Fassungen vom 6. April 1951 - BGBl. I S. 236 - und vom 18. August 1956 - BGBl. I S. 751 - vor, daß die Kosten für selbstbeschaffte Hilfsmittel nur in besonderen Fällen und nur bis zur Höhe des Betrages erstattet werden, der bei Lieferung durch die OVSt. entstanden wäre. Nach dieser sich demnach im Rahmen der Ermächtigung des § 92 Abs. 1 Buchst. a BVG haltenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 der DVO zu § 13 BVG hat der Kläger mithin nur einen Anspruch auf die von ihm begehrte Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte Paar Prothesenschuhe bis zur Höhe des Betrages, der bei Lieferung durch die OVSt. entstanden wäre, wenn die Selbstbeschaffung als "besonderer Fall" gerechtfertigt war.

Bei der vom Gesetzgeber gebrauchten Wortfassung "in besonderen Fällen" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.

Inhalt und Umfang dieses Begriffs ermöglichen eine Differenzierung, sind also unbestimmt. Aus der Zielrichtung des Gesetzes, eine Heilbehandlung der Versorgungsberechtigten auf Kosten der Allgemeinheit in dem vom Gesetz vorgesehenen Umfang unter allen Umständen, also auch in den Fällen sicherzustellen, an die der Gesetzgeber wegen der möglichen Besonderheiten des Einzelfalles nur generell denken konnte, ergibt sich, daß hierdurch der Verwaltung nicht die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten, also ein Ermessensspielraum, eingeräumt werden sollte, sondern daß nur eine Verhaltensweise der Verwaltung den Zwecken der Vorschrift entsprechen kann. Zur Ermittlung dieser vom Gesetz allein angestrebten und gewollten Verhaltensweise sind die Behörden verpflichtet. Indem sie sich dieser Verpflichtung unterziehen, stellen sie rechtliche Erwägungen an, legen damit einen Rechtssatz in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sinne aus und betreiben damit die Auslegung eines Rechtsbegriffs (zum unbestimmten Rechtsbegriff vgl. insbesondere Forsthoff, Lehrb. d. Verwaltungsrechts, Allg. Teil, 7. Aufl. 1958 S. 76). Im gerichtlichen Verfahren haben auch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit den unbestimmten Rechtsbegriff auszulegen, indem sie seinen allgemeinen Sinngehalt ermitteln und nachprüfen, ob die Auslegung des Begriffs durch die Versorgungsbehörden dem Gesetz entspricht. Ein von den Versorgungsbehörden gesetzter Bescheid ist als Verwaltungsakt auch dann fehlerhaft und unterliegt daher der Anfechtbarkeit, wenn er auf der unrichtigen Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs beruht (ebenso zum unbestimmten Rechtsbegriff "besondere Umstände" in § 38 Abs. 2 BVG, BSG. 10 S. 51 (53) mit weiteren Nachweisen).

Besondere Fälle können ihrem Wesen nach nur solche sein, die sich von dem vom Gesetzgeber angenommenen Normalfall unterscheiden (ebenso zum Rechtsbegriff "besondere Umstände" BSG. a. a. O. S. 54). Da der Gesetzgeber die Versorgung der Beschädigten mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln in die Hände der Versorgungsverwaltung gelegt hat und bei dieser Regelung davon ausgehen mußte, daß die Versorgungsverwaltung sich zur Erfüllung dieser ihr übertragenen Aufgaben bestimmter, möglicherweise räumlich entfernter Werkstätten und Personen bedienen würde und müsse, ist diese Art der Versorgung mit allen ihr möglicherweise anhaftenden Vorteilen und Mängeln der vom Gesetzgeber angenommene Normalfall und damit "die" Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln im Sinne des Gesetzes. Das LSG. geht deshalb zutreffend davon aus, daß ein besonderer Fall dann vorliegt, wenn diese Normalversorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln in Einzelfällen zu einer angemessenen Versorgung des Beschädigten nicht ausreicht. Diese Hinderungsgründe können sowohl bei der Versorgungsverwaltung wie beim Beschädigten liegen. Im Gegensatz zum LSG. ist der erkennende Senat allerdings der Ansicht, daß der Feststellung, die Versorgung durch die Versorgungsbehörden reiche zur angemessenen Versorgung eines Beschädigten im besonderen Fall nicht aus, nicht der mißlungene Versuch vorauszugehen braucht, den eingetretenen Bedarf durch die Versorgungsbehörden zu befriedigen, wenn sich nachweisen läßt, daß ein derartiger Versuch scheitern mußte. Mit dem Berufungsgericht ist der Senat jedoch der Ansicht, daß nach den vom LSG. getroffenen, von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen ein besonderer Fall hier nicht vorliegt.

Zu der Frage, ob die Versorgungsverwaltung aus in der Person des Klägers liegenden Gründen nicht in der Lage war, der Verpflichtung zu genügen, den Kläger mit Prothesenschuhen zu versorgen, hat das LSG. festgestellt, daß nicht erweislich sei, daß der Kläger wegen der Beschaffenheit des erhalten gebliebenen Fußes darauf angewiesen ist, sich die Prothesenschuhe von anderen Stellen zu besorgen, worin das SG. die Besonderheit des hier vorliegenden Falles gesehen hatte. Da demnach eine für die Annahme eines besonderen Falles erforderliche Tatsache nicht bewiesen ist, hat das LSG. hieraus mit Recht gefolgert, daß die Voraussetzungen, die die Annahme eines besonderen Falles rechtfertigen könnten, insoweit nicht vorliegen. Die weiter vom LSG. getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen, daß keine weiteren in der Person des Klägers liegenden Hinderungsgründe vorhanden sind, bindet nach § 163 SGG den erkennenden Senat. Auch in der Revision greift der Kläger mit seinem Vortrag, das angewandte Meßblattverfahren sei ungeeignet und die Versorgungsverwaltung könne Prothesenschuhe nur in wenigen Formen, wenigen Mustern und dazu noch in nicht einwandfreier Verarbeitung liefern, nur das bei der Versorgung mit Prothesenschuhen angewandte Verfahren generell an. Der Senat mußte bei seiner Entscheidung demnach davon ausgehen, daß weitere Tatsachen, woraus sich aus den persönlichen Verhältnissen des Klägers das Vorliegen eines besonderen Falles ergeben könnte, nicht vorhanden sind.

Nach alledem leitet der Kläger das Vorliegen eines besonderen Falles lediglich daraus her, daß es nach seiner Auffassung möglich wäre, die Versorgung mit Prothesenschuhen im allgemeinen besser zu gestalten. Wie bereits ausgeführt wurde, gewährt das Gesetz die Versorgung mit Prothesenschuhen grundsätzlich nur in der vom BVG selbst und von der DVO zu § 13 BVG vorgesehenen Form. Diese Form ist also der vom Gesetzgeber angenommene Normalfall der als angemessen angesehenen Versorgung mit Prothesenschuhen. Hierbei kann dahinstehen, ob die Art der Versorgung, die der Gesetzgeber der Versorgungsverwaltung übertragen hat, möglicherweise vom Gesetzgeber anders geregelt oder von der Versorgungsbehörde anders durchgeführt werden könnte.

Es brauchte deshalb nicht geprüft zu werden, ob in dem Meßblattverfahren, das zur Feststellung der Fußabmessungen angewandt wird, etwa insoweit Mängel liegen, als dieses Verfahren, wie der Kläger meint, zu einer beschränkten Auswahlmöglichkeit der Schuhe hinsichtlich Form, Muster und Qualität führt. Hieraus folgt, daß Angriffe, die sich lediglich darauf beschränken, auszuführen und teilweise unter Beweis zu stellen, daß es allgemein bessere Möglichkeiten für diesen Zweig der Versorgung gäbe, nicht geeignet sind, das Vorliegen eines besonderen Falles darzutun.

War hiernach die Versorgungsverwaltung berechtigt, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf anteilmäßige Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Prothesenschuhe abzulehnen, weil die Selbstbeschaffung nicht als besonderer Fall gerechtfertigt war, so hat das LSG. mit Recht die Klage gegen den ablehnenden Bescheid abgewiesen. Die Revision konnte demnach keinen Erfolg haben und war gemäß § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 674096

BSGE, 110

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