Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.12.1979) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Dezember 1979 wird zurückgewiesen, soweit sie den Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils betrifft.
Im übrigen wird das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1972 an die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit zusteht.
Der im Juni 1919 in Luxemburg geborene Kläger, der in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls seinen zweiten Wohnsitz hat, bezieht von der luxemburgischen Altersund Invalidenversicherung eine Invalidenrente. Auf seinen Antrag vom 14. März 1972 gewährte die Beklagte ihm die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Mai 1972 an. Die Klage, mit der der Kläger die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit begehrte, nahm er im Termin vom 2. April 1975 zurück.
Die Beklagte sah eine an das Bundesversicherungsamt gerichtete Eingabe vom 10. Februar 1977 als neuen Rentenantrag an, den sie mit Bescheid vom 12. Mai 1977 ablehnte. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem Urteil vom 20. Dezember 1979 im wesentlichen ausgeführt, für die Zeit vom 1. Mai 1972 bis zum 1. Februar 1977 sei der Anspruch bereits bindend abgelehnt worden. Für die Zeit vom 1. Februar 1977 an bestehe der Anspruch nicht, denn die Voraussetzungen des § 47 Abs 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) seien nicht erfüllt. Der medizinische Sachverhalt sei zwar nicht ausreichend geklärt. Eine weitere Klärung sei aber nicht möglich, da der Kläger sich geweigert habe, die vom Senatsvorsitzenden angeordnete Untersuchung durchführen zu lassen. Das Gericht brauche dem Antrag des Klägers nicht zu folgen, einen ausländischen Arzt mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen.
Auch ein medizinisches Gutachten nach Lage der Akten komme nicht in Betracht. Abgesehen davon, daß die vorhandenen medizinischen Unterlagen inzwischen erheblich an Beweiswert eingebüßt hätten, lasse sich die Frage, ob der Kläger nunmehr die Grenze der bereits festgestellten Berufsunfähigkeit überschritten habe, nicht ohne erneute Untersuchung beantworten. Der Kläger trage die objektive Beweislast dafür, daß seine Leistungsfähigkeit und damit die Voraussetzungen des § 47 Abs 2 RKG nicht festgestellt werden könnten.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der – vom erkennenden Senat zugelassenen – Revision angefochten.
Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. August 1980 für die Zeit vom 10. Februar 1977 an das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit anerkannt und sich verpflichtet, dem Kläger die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Kläger hat die Anfrage des Gerichts, ob er das Anerkenntnis annehme, mit dem Antrag beantwortet, er bitte im Rahmen des erfolgten Anerkenntnisses um ein Urteil, das dieses Anerkenntnis berücksichtige. Im übrigen ist er der Ansicht, daß er schon seit März 1972 erwerbsunfähig sei. Sein Gesundheitszustand habe sich bis zum 10. Februar 1977, von dem an auch die Beklagte Erwerbsunfähigkeit annehme, nicht wesentlich verändert. Die Beklagte müsse schon aufgrund der von dem luxemburgischen Versicherungsträger festgestellten Arbeitsunfähigkeit den Zustand der Erwerbsunfähigkeit anerkennen. Das ergebe sich aus den EWG-Verordnungen Nr 1408/71 und Nr 574/72. Der Kläger rügt die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts und die Nichtberücksichtigung seines Antrags, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen. Darüber hinaus ist er der Ansicht, das LSG hätte ihn auf die Möglichkeit hinweisen müssen, daß er im Falle seines Beharrens auf der Untersuchung durch einen ausländischen Facharzt mit der Zurückweisung seiner Berufung rechnen müsse.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger seit dem 1. Mai 1972 Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers insoweit zurückzuweisen, als der Rechtsstreit wegen des Anerkenntnisses der Beklagten vom 8. August 1980 nicht erledigt ist,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger habe das schriftsätzliche Anerkenntnis der Beklagten angenommen, so daß der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt sei. Soweit der Rechtsstreit die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund des Antrags des Klägers vom 14. März 1972 betreffe, sei der ablehnende Bescheid der Beklagten durch die Klagerücknahme des Klägers bindend geworden. Sehe man in dem Bescheid vom 12. Mai 1977 jedoch einen negativen Zweitbescheid oder einen negativen Bescheid nach § 93 Abs 2 RKG, so fehlten insoweit die erforderlichen Tatsachenfeststellungen, so daß der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen sei.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers hat teilweise Erfolg.
Soweit der Kläger mit der Revision den Erlaß eines Anerkenntnisurteils begehrt, ist das Rechtsmittel unbegründet. Insoweit ist für ein Urteil kein Raum mehr, weil der Rechtsstreit durch die Annahme des Anerkenntnisses der Beklagten nach § 101 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Hauptsache erledigt ist. Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich erklärt, daß er das in dem Schriftsatz der Beklagten vom 8. August 1980 enthaltene Teilanerkenntnis annehme. In dem Antrag des Klägers auf Erlaß eines Urteils, das das Anerkenntnis der Beklagten berücksichtigt, liegt aber sinngemäß die Annahme dieses Teilanerkenntnisses. Da der Kläger das Anerkenntnis nicht ablehnt, sondern sich darauf beruft, muß seine Erklärung bei verständiger Würdigung des darin zum Ausdruck gebrachten Willens als Annahme des Teilanerkenntnisses gewertet werden. Wenn er gleichwohl auch für die von der Beklagten anerkannte Zeit ein Urteil begehrt, so liegt darin nicht die Ablehnung des Anerkenntnisses, denn dieses Begehren beruht lediglich auf einer Verkennung der rechtlichen Wirkung eines angenommenen Anerkenntnisses im sozialgerichtlichen Verfahren.
Nach § 101 Abs 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache. Das gilt nicht nur für ein im Termin zur Niederschrift des Gerichts erklärtes und angenommenes Anerkenntnis, sondern auch für ein schriftliches Anerkenntnis, das der Kläger schriftlich angenommen hat. Zwar ist ein Prozeßvergleich nach § 101 Abs 1 SGG nur zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des Beauftragten oder ersuchten Richters möglich. Wenn auch das angenommene Anerkenntnis seinem Inhalt nach praktisch die Elemente eines Prozeßvergleichs enthält, so unterscheidet es sich doch von dem Prozeßvergleich insbesondere durch die Formerfordernisse, denn § 101 Abs 2 SGG fordert im Gegensatz zu § 101 Abs 1 SGG nicht die Erklärung zur Niederschrift des Gerichts. Anerkenntnis und Annahme sind Prozeßhandlungen, die nur der für sie vorgeschriebenen Form bedürfen, dh der Form eines bestimmenden Schriftsatzes (vgl Peters/Sautter/Wolff Anm 3 zu § 101; BSG SozR Nr 3 zu § 101 SGG; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG RdNr 21 zu § 101; anderer Ansicht Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 246w). Bedenken gegen die Zulässigkeit des angenommenen Anerkenntnisses durch Einreichung von Schriftsätzen können auch nicht aus § 199 Abs 1 Nr 2 SGG hergeleitet werden, wonach aus Anerkenntnissen vollstreckt wird. Zwar mögen Schriftsätze der Beteiligten keine ausreichende Vollstreckungsgrundlage sein. Wenn § 101 Abs 2 SGG auch keinen Beschluß über die Wirkung eines angenommenen Anerkenntnisses vorsieht, so wird doch in entsprechender Anwendung des § 102 Abs 2 SGG die Wirkung des angenommenen Anerkenntnisses durch Beschluß auszusprechen sein, wodurch ein für die Vollstreckung ausreichender Vollstreckungstitel hergestellt werden kann.
Ist danach der Rechtsstreit durch das angenommene Teilanerkenntnis gemäß § 101 Abs 2 SGG insoweit in der Hauptsache erledigt, so kann der erhobene Anspruch in diesem Umfang nicht mehr Gegenstand eines Urteils sein. Der erkennende Senat hat zwar in seinem Urteil vom 22. September 1977 entschieden, daß in sozialgerichtlichen Verfahren der das Anerkenntnisurteil betreffende § 307 Abs 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden sei (SozR 1750 § 307 Nr 1; ebenso BSG SozR 1750 § 307 Nr 2). Ein Anerkenntnisurteil kann aber nur dann ergehen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht schon anderweitig erledigt ist.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Klage insoweit nicht auch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre, wenn man davon ausginge, daß das schriftliche Anerkenntnis der Beklagten den Rechtsstreit in diesem Umfang nicht in der Hauptsache erledigt hat, weil der Kläger es durch seinen Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht angenommen hat.
Die Revision des Klägers ist jedoch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit sie den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die nicht anerkannte Zeit betrifft. Insoweit reichen die festgestellten Tatsachen zur abschließenden Entscheidung nicht aus.
Es trifft zwar zu, daß mit der Klagerücknahme die Ablehnung des Rentenantrags vom 14. März 1972 bindend geworden ist. Es mag dahingestellt bleiben, wie weit diese Bindungswirkung zeitlich reicht, denn die Eingabe des Klägers vom 10. Februar 1977 an das Bundesversicherungsamt könnte einen vor dem Anerkenntnis der Beklagten liegenden Rentenbeginn nach § 82 RKG nicht auslösen, wenn darin lediglich ein neuer Rentenantrag läge. Der Kläger hat aber mit dieser Eingabe und während des gesamten Verfahrens immer wieder einen Anspruch auf die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund seines bindend abgelehnten Antrags vom 14. März 1972 geltend gemacht. Für das Berufungsgericht hätte daher Veranlassung bestanden, den angefochtenen Bescheid vom 12. Mai 1977 in der Fassung des Widerspruchsbescheides darauf nachzuprüfen, ob mit ihnen nicht nur der Rentenanspruch für die Zukunft, sondern auch die Änderung des bindend gewordenen Bescheides – entweder in der Form eines negativen Zweitbescheides oder in der Form eines negativen Bescheides nach § 93 Abs 2 RKG – abgelehnt worden ist. Da das LSG sich für die Zeit vor dem 10. Februar 1977 lediglich mit der Feststellung der Bindungswirkung des ersten Ablehnungsbescheides begnügt hat, fehlen auch die notwendigen Tatsachenfeststellungen, um den Rechtsstreit unter dem Gesichtspunkt des negativen Zweitbescheides oder des negativen Bescheides nach § 93 Abs 2 RKG abschließend zu entscheiden.
Der Senat hat auf die Revision des Klägers das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben und den Rechtsstreit zur Nachholung der erforderlichen Tatsachenfeststellungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen