Entscheidungsstichwort (Thema)
Verleihung der Anwartschaft. Rückwirkung der Verleihung. Rückwirkung der Gewährleistungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung der obersten Verwaltungsbehörde darüber, ob eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet ist (§ 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 RVO), bewirkt Versicherungs- und Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum, für den darin das Bestehen der Anwartschaft festgestellt wird.
Orientierungssatz
Es muß zwischen der dienstrechtlichen Verleihung (Begründung, Gewährleistung) der Anwartschaft durch den Dienstherrn (im folgenden kurz: Verleihung) und der Entscheidung der obersten Verwaltungsbehörde darüber, ob die Anwartschaft als gewährleistet anzusehen ist (im folgenden: Gewährleistungsentscheidung), unterschieden werden. § 169 Abs 3 S 2 RVO versagt seinem Wortlaut nach nur der tatsächlichen Verleihung die rückwirkende Kraft, schließt es aber nicht aus, die Gewährleistungsentscheidung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Verleihung zurückzubeziehen, wenn und soweit die oberste Verwaltungsbehörde die Anwartschaft auch für die Vergangenheit als gewährleistet ansieht. Sofern ihr Bescheid darüber nichts enthält, können die Versicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit den Beginn nicht von sich aus bestimmen.
Normenkette
RVO § 169 Abs 3 Fassung: 1945-03-17, § 172 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1967-12-21; AFG § 169 Nr 1 Fassung: 1975-05-07
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beigeladene zu 1) vom 1. Januar 1977 bis zum 12. Dezember 1978 nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beitragsfrei war.
Der Beigeladene zu 1) war als Lehrer Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen. Zum 1. Januar 1977 ließ er sich ohne Dienstbezüge beurlauben und vom Kläger (Träger einer privaten genehmigten Ersatzschule) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1977 auf Probe als Schulleiter beschäftigen. Am 2. Juni 1977 wurde zum 1. Juli 1977 ein Anstellungsvertrag geschlossen, den die Schulaufsichtsbehörde am 26. September 1977 genehmigte. Inzwischen war der Beigeladene zu 1) am 14. September 1977 aus dem Landesdienst ausgeschieden. Sein Monatsgehalt überstieg in den Jahren 1977 und 1978 die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung.
Auf Antrag des Klägers entschied der Kultusminister durch Bescheid vom 24. April 1979, die beim Kläger derzeit und künftig als Planstelleninhaber beschäftigten hauptamtlichen Lehrer seien von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung befreit, weil ihnen eine Anwartschaft auf lebenslange Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährleistet sei. Weiter hieß es, die Befreiung wirke für die derzeit bereits beschäftigten Lehrer vom 13. Dezember 1978 an (Eingang des Befreiungsantrags vom 12. Dezember 1978); diese Entscheidung gelte auch als Feststellung iS des § 172 Abs 1 Nr 3 Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Kultusminister übersandte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Durchschrift des Bescheides.
Die Beklagte, die von der BfA um weitere Veranlassung gebeten wurde, forderte durch Bescheid vom 27. Juni 1979 Beiträge zur Angestelltenversicherung in Höhe von 13.990,-- DM und Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Höhe von 2.331,-- DM. Sie vertrat die Auffassung, der Beigeladene zu 1) sei vom 1. Januar 1977 bis zum 12. Dezember 1978 versicherungs- und beitragspflichtig gewesen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. September 1979).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage nach Beiladung des Schulleiters durch Urteil vom 11. Februar 1980 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) nach Beiladung der BfA und der BA - jetzt: Beigeladene zu 2) - durch Urteil vom 20. Januar 1982 die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben, als darin für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 12. Dezember 1978 die Beitragspflicht nach dem AFG festgestellt war. Die Anwartschaft sei schon seit dem 1. Juli 1977 verliehen gewesen, so daß von da an Beitragsfreiheit nach dem AFG bestehe. Im übrigen (hinsichtlich der Beiträge zur BA für das erste Halbjahr 1977 und zur BfA für den gesamten Zeitraum) hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Es hat die Revision nur wegen der Beiträge nach dem AFG zugelassen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) haben Revision wegen der Zeit ab 1. Juli 1977, der Kläger hat sie hinsichtlich des ersten Halbjahres 1977 eingelegt. Die Beiladung der BfA ist vom Senat aufgehoben worden, weil Beiträge zur Angestelltenversicherung nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sind.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) rügen eine Verletzung von § 169 Nr 1 AFG sowie § 172 Abs 1 Nr 3 und § 169 Abs 3 RVO. Sie sind der Ansicht, die Beitragsfreiheit trete erst ein, wenn die zuständige Behörde das Bestehen der Anwartschaft bestätigt habe. Eine Rückwirkung dieser Entscheidung führe zu untragbarer Unsicherheit über den Bestand von Versicherungsverhältnissen in der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung. Sie sei, so führt die Beklagte aus, in der Rentenversicherung, wo das Gesetz sie in begrenztem Maße zulasse, noch hinnehmbar, weil dort in der Regel erst auf längere Sicht Leistungsansprüche entstünden. In der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung seien hingegen vielfach schon kurzfristig Leistungen zu erbringen. Die gesetzliche Regelung wolle Lücken im Versicherungsschutz vermeiden und sei in der von ihr (der Beklagten) vertretenen Auslegung verfassungsrechtlich unbedenklich. Nach Ansicht der Beigeladenen zu 2) steht die Auffassung des LSG zu Urteilen des Bundessozialgerichts -BSG- (BSGE 11, 278; SozR Nr 3 zu § 169 RVO) in Widerspruch.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen sinngemäß, 1. das Urteil des LSG vom 20. Januar 1982 aufzuheben, soweit es die Beitragsfreiheit des Beigeladenen zu 1) nach dem AFG für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 12. Dezember 1978 betrifft, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 11. Februar 1980 auch insofern zurückzuweisen, 2. die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, 1. a) die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) zurückzuweisen, b) die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben, soweit sie die Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) nach dem AFG für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1977 betreffen, 2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht begründende Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Der Kläger ist der Ansicht, bei verfassungskonformer Auslegung müsse die Beitragspflicht für die Zeit entfallen, in der der Beigeladene zu 1) anderweitig hinreichend gesichert gewesen sei; anderenfalls sei die Regelung verfassungswidrig. Für den Beigeladenen zu 1) habe in den Jahren 1977 und 1978 das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht bestanden. Als Beamter habe er trotz der Beurlaubung zumindest bis zu seinem Ausscheiden im September 1977 in den Landesdienst zurückkehren können. Bereits im Juni 1977 sei der endgültige Anstellungsvertrag geschlossen worden, durch den er eine beamtenähnliche Stellung erhalten habe. Ein Schutzbedürfnis bis zur Entscheidung der Behörde darüber, ob die Anwartschaft gewährleistet sei, habe also nicht bestanden. Die gegenteilige Auffassung laufe darauf hinaus, die Beitragsforderung lediglich mit Gründen der Verwaltungserleichterung und mit quasi-fiskalischen Interessen zu rechtfertigen.
Der Beigeladene zu 1) hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revisionen führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Beitragsfreiheit und der Beitragspflicht nach dem AFG und insofern zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Der Senat teilt zwar die vom LSG vertretene Auffassung, daß die Gewährleistungsentscheidung der obersten Verwaltungsbehörde schon von der tatsächlichen Verleihung der Anwartschaft durch den Dienstherrn an Beitragsfreiheit nach dem AFG begründet. Es bedarf aber noch einer ergänzenden Entscheidung des Kultusministers dazu, seit wann er die Anwartschaft für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vor dem 13. Dezember 1978 als gewährleistet ansieht.
Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG ua Personen, die als Angestellte gegen Entgelt beschäftigt sind, soweit sie nicht gemäß § 169 AFG beitragsfrei sind. § 169 Nr 1 AFG idF des Art 2 § 4 Nr 3 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl I S 1061) behandelt ua Arbeitnehmer in einer Beschäftigung als beitragsfrei, in der sie die Voraussetzungen des § 172 RVO für die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung erfüllen. § 172 Abs 1 Nr 3 RVO hat durch Art 1 § 1 Nr 2 des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil - Finanzänderungsgesetz 1967 - vom 21. Dezember 1967 (BGBl I S 1259) eine neue Fassung erhalten, durch die Lehrer an Ersatzschulen den Lehrern an öffentlichen Schulen hinsichtlich der Befreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt werden sollten (so Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages zu BT-Drucks V/2341 S 3 zu Art 1 § 1 Nr 02). Die Vorschrift erklärt Lehrer für versicherungsfrei, die an privaten genehmigten Ersatzschulen hauptamtlich beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist (Halbs 1); ob eine Anwartschaft als gewährleistet anzusehen ist, entscheidet die oberste Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dessen Gebiet der Träger der Schule seinen Sitz hat (Halbs 2). § 169 Abs 3 RVO, der gemäß § 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 3 RVO gilt, bestimmt, daß die Gewährleistung der Anwartschaften die Versicherungsfreiheit von dem Zeitpunkt ab begründet, an dem sie tatsächlich verliehen werden (§ 169 Abs 3 Satz 1 RVO); sie hat keine rückwirkende Kraft (§ 169 Abs 3 Satz 2 RVO).
Der Beigeladene zu 1) unterlag als Angestellter des Klägers grundsätzlich nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG der Beitragspflicht. Doch war er - vorbehaltlich der noch erforderlichen Feststellungen - durch die in § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 3 RVO und § 169 Abs 3 RVO enthaltene Regelung davon ausgenommen. Das LSG hat hierzu mit Recht hervorgehoben, daß zwischen der dienstrechtlichen Verleihung (Begründung, Gewährleistung) der Anwartschaft durch den Dienstherrn (im folgenden kurz: Verleihung) und der Entscheidung der obersten Verwaltungsbehörde darüber, ob die Anwartschaft als gewährleistet anzusehen ist (im folgenden: Gewährleistungsentscheidung), unterschieden werden muß. Dieses kommt, wenngleich § 169 Abs 3 RVO nicht unmißverständlich gefaßt sein mag, darin zum Ausdruck, daß § 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 RVO ebenso wie § 169 Abs 2 RVO davon spricht, die Behörde entscheide darüber, ob die Anwartschaft gewährleistet sei. Demgegenüber stellt § 169 Abs 3 RVO auf die "Gewährleistung" der Anwartschaft durch den Dienstherrn ab. Nur sie, also die Verleihung, nicht jedoch die Gewährleistungsentscheidung der obersten Verwaltungsbehörde kann gemeint sein, wenn von dem Zeitpunkt die Rede ist, an dem sie (die Anwartschaften) tatsächlich verliehen werden. § 169 Abs 3 Satz 2 RVO versagt daher seinem Wortlaut nach nur der tatsächlichen Verleihung die rückwirkende Kraft, schließt es aber nicht aus, die Gewährleistungsentscheidung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Verleihung zurückzubeziehen. So gesehen ist die Entscheidung nach § 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 RVO also ihrem Inhalt nach nur deklaratorisch. Konstitutiv ist sie demgegenüber insofern, als sie unerläßliche Voraussetzung der Versicherungs- bzw Beitragsfreiheit ist, also in ihrer Wirkung (vgl zu § 6 Abs 2 AVG: BSGE 50, 289, 294).
Diese Auffassung wird durch die historische Entwicklung des § 169 Abs 3 RVO und die bisherige Rechtsprechung bestätigt.
Die geltende Regelung hat ihren Ursprung in der Rentenversicherung der Angestellten. Schon § 9 des Versicherungsgesetzes für Angestellte (VGfA) vom 20. Dezember 1911 (RGBl S 989) sah - abweichend von der RVO - in seinem Abs 3 eine Gewährleistungsentscheidung vor. Durch sie sollte eine einheitliche und sachgemäße Beurteilung der Frage erreicht werden, "ob eine Anwartschaft auf Ruhegeld und Hinterbliebenenrenten ausreicht und hinreichend sichergestellt ist, um die Befreiung von der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung zu begründen" (so Entwurf des VGfA, RT-Drucks Nr 1035, 12. Legislaturperiode II. Session 1909/1911 S 95). Durch Teil A Art I Nr 4 des Gesetzes über Änderung des VGfA und der RVO vom 10. November 1922 (RGBl I S 849) erhielt § 9 VGfA eine neue, um einen Abs 4 erweiterte Fassung. Der hinzugefügte Absatz entsprach fast wörtlich dem heutigen § 169 Abs 3 RVO und wurde damit begründet, die bisherige Fassung des § 9 sei vielfach zum erheblichen Nachteil der Angestellten ausgenutzt worden (Bericht des Reichstags-Ausschusses für soziale Angelegenheiten RT-Drucks Nr 5093 I. Wahlperiode 1920/22, S 13 zu § 9 unter Bezugnahme auf den Änderungsantrag Nr 397 aaO S 67; zur Verabschiedung der Neufassung von § 9 im Ausschuß aaO S 13/14). Damit waren anscheinend Nachteile durch eine rückwirkende Verleihung gemeint. In der Bekanntmachung der Neufassung des VGfA, nunmehr als Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), vom 28. Mai 1924 (RGBl I S 563) wurde der bisherige § 9 zu § 11. Inzwischen hatte eine ähnliche Regelung auch in die Rentenversicherung der Arbeiter Eingang gefunden (vgl § 1234 RVO idF des Art II Nr 1 der Verordnung vom 13. Februar 1924 - RGBl I S 62).
In der Rentenversicherung trat durch die Erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung (VereinfVO) vom 17. März 1945 (RGBl I S 41; zum Inkrafttreten und zum Geltungsbereich vgl BSGE 3, 161, 163 und 15, 65, 68/69) an die Stelle der bisherigen §§ 1234 RVO und 11 AVG, die wegfielen (Teil I Abschnitt 1 Art 4 und 7 VereinfVO), die entsprechend anwendbare krankenversicherungsrechtliche Regelung des § 169 RVO (§ 1228 Abs 2 RVO idF des Teils I Abschnitt 2 Art 3 Abs 3 VereinfVO; § 1 Abs 6 AVG idF des Teils I Abschnitt 3 Art 6 VereinfVO durch Verweisung auf § 1228 Abs 2 RVO), der gleichzeitig durch Abschnitt 1 Art 1 VereinfVO neu gefaßt wurde; seine Abs 2 und 3 entsprachen im wesentlichen den Abs 3 und 4 des bisherigen § 11 AVG und den Abs 2 und 3 des bisherigen § 1234 RVO. Die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 45 und 88) gaben die Übereinstimmung zwischen der Rentenversicherung und der Krankenversicherung dann jedoch wieder auf. Die Beitrags-(früher: Versicherungs-)Pflicht in der Arbeitslosenversicherung folgt seit jeher im wesentlichen der Krankenversicherung (vgl § 69 Nrn 1 und 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -AVAVG- vom 16. Juli 1927 -RGBl I S 187-; § 169 Nr 1 AFG vom 25. Juni 1969 -BGBl I S 582-; § 169 Nr 1 AFG idF vom 7. Mai 1975 - BGBl I S 1061 -).
Die Rechtsprechung hat sich im Zusammenhang mit der hier anzuwendenden Vorschrift und ihren Vorläufern wiederholt mit Fragen der Rückwirkung befaßt (vgl RVA GE 2119, AN 1915, 775; Versicherungsamt Hamburg, Die Arbeiterversorgung, 1922, 201; RVA GE 3088, AN 1927, 410; RVA GE 4296, AN 1932, 64; RVA GE 5016, AN 1936, 274; RVA GE 5525, AN 1943, 186; Bayer. LSG Breithaupt 1956, 385; BSGE 15, 65, 70; BSG SozR Nr 6 zu § 169 RVO; Urteil des erkennenden Senats vom 23. November 1973 - 12 RK 22/72 - USK 73192). Insgesamt gesehen ist diesen Entscheidungen - von einzelnen mißverständlichen Formulierungen abgesehen - zu entnehmen, daß unter der "Gewährleistung" der Anwartschaft dem Wortlaut des heutigen § 169 Abs 3 Satz 1 RVO entsprechend nicht die Gewährleistungsentscheidung, sondern die tatsächliche Verleihung verstanden worden ist, gleichviel ob sie mit einer Ernennung unausgesprochen verbunden war, durch besonderen Verwaltungsakt erfolgte oder vertraglich vereinbart wurde. Die genannten Entscheidungen beziehen sich allerdings überwiegend auf die - durchweg abgelehnte - Rückwirkung auf die Zeit vor der tatsächlichen Verleihung und befassen sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage, wann die Anwartschaft wirksam verliehen worden ist. Das RVA (GE 4296 AN 1932, 64) und das Bayerische LSG (Breithaupt 1956, 385) hatten jedoch auch schon darüber zu befinden, ob die Gewährleistungsentscheidung auf die tatsächliche Verleihung zurückwirkte, sofern sie dieser nachfolgte. Das ist in beiden Fällen - wie auch vom LSG im vorliegenden Verfahren - bejaht worden (ebenso wohl Weber, Die Beiträge 1960, 289, 296 Fn 45; Zeihe, Die Beiträge 1963, S 193, 202). Das RVA hat zur Begründung ausgeführt, § 11 Abs 4 AVG aF, auf den § 69 Nr 2 AVAVG Bezug nehme, sei einschränkend auszulegen, wenn der innere Grund für das Verbot rückwirkender Kraft im Einzelfall nicht gegeben sei. Die Vorschrift des § 11 Abs 4 AVG aF, die § 9 Abs 4 VGfA entspreche, sei geschaffen worden, um zu verhindern, daß die "Gewährleistung" (hier: die Verleihung) der Anwartschaft mit rückwirkender Kraft ausgesprochen werde, ohne daß ihre Voraussetzungen bereits für den fraglichen Zeitraum vorgelegen hätten. Die Anerkennung der Versicherungsfreiheit für Zeiträume in der Vergangenheit sei daher nach § 11 Abs 4 AVG aF nur dann unwirksam, wenn die Voraussetzungen der "Gewährleistung" der Anwartschaft (dh ihrer Verleihung) iS des § 11 Abs 4 AVG aF in diesen Zeiträumen gefehlt hätten.
Die bisher schon in der Rechtsprechung vertretene Auffassung trifft auch für das geltende Recht zu. Aus den Urteilen in BSGE 11, 278 und SozR Nr 3 zu § 169 RVO ergibt sich entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 2) nichts anderes. Diese Entscheidungen haben andere Fragen aus dem Gewährleistungsrecht zum Gegenstand. Der Beginn der Beitragsfreiheit nach dem AFG braucht auch nicht mit dem Beginn der Versicherungsfreiheit in der Angestelltenversicherung (13. Dezember 1978) zusammenzufallen. Insofern hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, daß die einschlägigen Vorschriften seit 1957 in der Kranken- und Rentenversicherung nicht mehr übereinstimmen und § 169 Abs 3 RVO, der für die Beitragspflicht nach dem AFG maßgebend ist, sich deutlich von der in § 7 Abs 3 und § 8 Abs 1 Satz 4 AVG enthaltenen Regelung unterscheidet. Aus diesem Grunde überzeugt es nicht, die Rückwirkung hier unter Hinweis auf § 7 Abs 3 und § 8 Abs 1 Satz 4 AVG mit der Begründung verneinen zu wollen, sie könne in der kurzfristig zu Leistungen führenden Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht weiter reichen als in der Rentenversicherung, in der Leistungsansprüche in der Regel erst auf lange Sicht entstehen. Das Urteil des Senats vom 26. Oktober 1982 - 12 RK 29/81 - (SozR 2200 § 1229 Nr 16) betrifft vor allem die Bedeutung, die eine für einen Versicherungszweig getroffene Gewährleistungsentscheidung ihrer Qualität nach für andere Versicherungszweige hat, verlangt jedoch keinen einheitlichen Beginn der Versicherungs- und Beitragsfreiheit in den einzelnen Bereichen.
Die Rückbeziehung der Beitragsfreiheit auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Verleihung entspricht dem Zweck der Regelung, einen Personenkreis von der Beitragspflicht auszunehmen, der dem Risiko der Arbeitslosigkeit nicht ausgesetzt ist und der Arbeitsförderung nicht bedarf. Als hinreichendes Indiz dafür läßt es das Gesetz in § 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 1 RVO gelten, daß nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist. Mit einem so ausgestatteten Dienstverhältnis geht in der Regel Unkündbarkeit einher. Das Schutzbedürfnis fehlt schon von der tatsächlichen Verleihung, nicht erst von der Gewährleistungsentscheidung an (vgl zur Förderung der beruflichen Bildung nach dem AFG bei Beamten und Dienstordnungs-Angestellten BSGE 38, 278; 41, 171; allgemein zur Behandlung von Beamten nach dem AFG: Gagel, Kommentar zum AFG, 1984, § 13 RdNrn 13, 21, § 36 RdNr 4, § 169 RdNr 2). Die gegenteilige Auffassung führt dazu, daß Beiträge für eine Zeit entrichtet werden müssen, in der ein Bedarf an Leistungen nicht bestanden hat.
Im Verhältnis hierzu haben die Befürchtungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) weniger Gewicht, Versicherungsverhältnisse und Beitragspflichten blieben in der Schwebe und müßten uU rückabgewickelt werden. Solche Auswirkungen hat der Senat auch für die Krankenversicherung bedacht, weil die gesetzliche Regelung, wie dargelegt, dort und in der Arbeitslosenversicherung dieselbe ist. Solange keine Gewährleistungsentscheidung getroffen ist, ist der Bedienstete beitragspflichtig und genießt in beiden Versicherungszweigen Schutz. Insofern besteht zunächst Klarheit, selbst wenn ein Verfahren zur Erteilung der Gewährleistungsentscheidung eingeleitet worden ist. Ergeht schließlich eine - positive - Gewährleistungsentscheidung, so sind die Beiträge heute im Rahmen von §§ 26, 27 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) und § 185a Abs 1 AFG zu erstatten. Soweit Leistungen erbracht worden (§ 26 Abs 1 Halbs 1 SGB IV, § 185a Abs 1 Satz 2 AFG) oder für die zurückliegende Zeit noch zu erbringen sind (§ 26 Abs 1 Halbs 1 SGB IV), entfällt eine Erstattung; eine Rückabwicklung für die Vergangenheit unterbleibt also. Damit wird deutlich, daß sich die verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten, zu denen die hier vertretene Auffassung führt, in Grenzen halten. Sie sind sogar geringer als die, die beim Beitragseinzug und der Leistungsgewährung während der zahlreichen Kündigungsschutzverfahren auftreten und kaum zu vermeiden sind (vgl BSGE 52, 152, 158/159). Erst recht kann eine Beitragserhebung aus den von der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) angeführten Gründen für die Vergangenheit nicht mehr gebilligt werden, wenn - wie hier - bis zu der positiven Gewährleistungsentscheidung weder Beiträge noch Leistungen gefordert worden sind.
Zu den Sachverhalten, bei denen die Rechtsprechung von jeher die heute durch § 169 Abs 3 Satz 2 RVO ausdrücklich ausgeschlossene Rückwirkung auf die Zeit vor der tatsächlichen Verleihung abgelehnt hat, weisen die Fälle, in denen die Gewährleistungsentscheidung lediglich auf die tatsächliche Verleihung zurückbezogen wird, einen entscheidenden Unterschied auf: Vor der tatsächlichen Verleihung war der Betreffende, auch wenn die Anwartschaft später rückwirkend verliehen wird, für die vor der Verleihung eintretenden Versicherungsfälle durch seinen Dienstherrn nicht mit der vom Gesetz geforderten Zuverlässigkeit gesichert, so daß sozialversicherungsrechtlicher Schutz nicht entbehrlich war. Von der tatsächlichen Verleihung an hat hingegen, wenn später eine positive Gewährleistungsentscheidung auch für die Vergangenheit ergeht, der Schutz durch den Dienstherrn objektiv gesehen schon bestanden, so daß sich die Sozialversicherung erübrigt.
Die Gewährleistungsentscheidung kann indes nur dann auf die tatsächliche Verleihung der Anwartschaft zurückbezogen werden und schon von da an zur Beitragsfreiheit führen, wenn und soweit die oberste Verwaltungsbehörde die Anwartschaft auch für die Vergangenheit als gewährleistet ansieht. Sofern ihr Bescheid darüber nichts enthält, können die Versicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit den Beginn nicht von sich aus bestimmen. Denn die ausschließliche Zuständigkeit der obersten Verwaltungsbehörde, bindend darüber zu entscheiden, "ob" die Anwartschaft als gewährleistet anzusehen ist (§ 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 RVO), umfaßt auch die Feststellung, "ab wann" das der Fall ist. Der Bescheid des Kultusministers vom 24. April 1979 läßt nicht zuverlässig erkennen, von wann an er die Anwartschaft beim Beigeladenen zu 1) als gewährleistet ansieht, zumal der Anstellungsvertrag in den Akten fehlt. Ein Datum nennt der Bescheid nur insofern, als für die Angestelltenversicherung die Wirkung der Befreiung für die derzeit bereits beschäftigten Lehrer ab 13. Dezember 1978 angenommen wird und es dann weiter heißt, diese Entscheidung gelte auch als Feststellung iS des § 172 Abs 1 Nr 3 RVO. Damit steht jedoch noch nicht fest, daß Beitragsfreiheit des Beigeladenen zu 1) auch nach dem AFG erst vom 13. Dezember 1978 an eingetreten ist. Denn die oberste Verwaltungsbehörde entscheidet nach § 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 RVO - insofern allerdings für die Versicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindend (vgl BSGE 24, 45, 47/48; 32, 76, 82; 50, 289, 294) - nur darüber, ob (und: ab wann) die Anwartschaft als gewährleistet anzusehen ist. Die versicherungsrechtlichen Folgen der Gewährleistungsentscheidung (hier: den Beginn der Beitragsfreiheit) zu regeln, hat das Gesetz der obersten Verwaltungsbehörde dagegen nicht übertragen; darüber entscheiden vielmehr die Beklagte als Einzugsstelle und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (BSG SozR 2200 § 1229 Nr 16 S 25). Hätte der Kultusminister dieses und die dargelegte Rechtsauffassung zum Beginn der Versicherungs- und Beitragsfreiheit nach § 169 Abs 3 RVO berücksichtigt, so hätte er das Bestehen der Anwartschaft wahrscheinlich schon von einem früheren Zeitpunkt an bestätigt.
Das LSG wird hiernach den Beteiligten noch Gelegenheit zu geben haben, eine Ergänzung der Gewährleistungsentscheidung herbeizuführen. Darin müßte auch klargestellt werden, ob die Gewährleistung der Anwartschaft aus dem Beamtenverhältnis sich auch auf das Beschäftigungsverhältnis beim Kläger ab 1. Januar 1977 erstreckt hat (vgl hierzu die Urteile des Senats in SozR Nr 2 zu § 6 AVG und in USK 73192).
Über den Hilfsantrag (Vorlage an das Bundesverfassungsgericht) war beim derzeitigen Stand des Verfahrens nicht zu entscheiden. Sollte es nach den weiteren Feststellungen für eine gewisse Zeit bei der Beitragspflicht verbleiben, so ist folgendes zu erwägen: Im sozial- und gesellschaftspolitischen Bereich, dh auch bei der Begründung von Versicherungs- und Beitragspflicht, hat der Gesetzgeber einen weiten Raum zur freien Gestaltung. Wenn sich dort eine Zielsetzung nur unter Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit erreichen läßt, hat der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung zu lösen (BVerfGE 29, 221, 235). Der Gesetzgeber hat hier generell alle Angestellten als schutzbedürftig angesehen (§ 168 Abs 1 Satz 1 AFG) und eine Ausnahme von der Beitragspflicht bei dem hier betroffenen Personenkreis nur aufgrund der Verleihung einer Anwartschaft und einer Gewährleistungsentscheidung normiert (§ 169 Nr 1 AFG, § 172 Abs 1 Nr 3, § 169 Abs 3 RVO). Auf individuelle Besonderheiten, etwa darauf, ob der Betreffende noch in anderer Weise geschützt ist, hat er hingegen keine Rücksicht genommen. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Merkmale, an die angeknüpft wird, regelmäßig keinen Schluß auf das Vorhandensein oder Fehlen von Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers mehr zulassen und zu nutzlosen Beitragspflichten auch des Arbeitgebers führen; dann käme eine Verletzung des Grundrechts des Klägers aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 19 Abs 3 GG in Betracht. Gegen eine solche Annahme spricht hier jedoch, daß das Gesetz die Beitragsfreiheit zwar in § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 3 Halbs 1 RVO nur vorsieht, wenn den Lehrern nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist. Dieses Merkmal geht aber, auch wenn es keinen speziellen Bezug zur Arbeitslosigkeit hat, von der Erfahrung aus, daß derjenige, der eine beamtenrechtliche oder beamtenrechtsgleiche Versorgung hat, vielfach auch wie ein Beamter gegen den Verlust des Arbeitsplatzes gesichert ist. Ferner ist zu berücksichtigen, daß angesichts der vielfach erforderlichen Beurteilung von Versicherungs- und Beitragspflichten sowie zum Zwecke des einheitlichen und rationellen Beitragseinzugs einiges dafür spricht, für die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung möglichst einheitliche Maßstäbe zu wählen. Unter diesem Aspekt kann für die Arbeitslosenversicherung ein spezieller, dem von ihr abgedeckten Risiko entsprechender Anknüpfungspunkt weniger als geboten erscheinen, weil die Beiträge nach dem AFG weit niedriger sind als die zur Renten- und zur Krankenversicherung. Es lag daher nahe, einem dieser Versicherungszweige eine einheitliche Vorgabe zu entnehmen und für das AFG daran anzuknüpfen.
Die Kostenentscheidung war dem Urteil vorzubehalten, das das Verfahren abschließt.
Fundstellen