Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen für eine Verteilung der Entschädigungslast (RVO § 1739) sind auch gegeben, wenn die Tätigkeiten, durch deren schädigende Auswirkung die Gesundheitsstörung verursacht worden ist, nacheinander für mehrere Unternehmen ausgeübt worden sind; jedoch müssen die schädigenden Tätigkeiten ein einheitlicher zeitlich begrenzter Vorgang sein (Weiterführung von BSG 1960-04-06 2 RU 198/57 = BSGE 12, 65 und SozR Nr 1 zu § 1739 RVO).
Orientierungssatz
Dem Erfordernis, daß es sich bei einem Unfall um ein zeitlich begrenztes Ereignis handeln muß, ist auch genügt, wenn erst die Häufung einzelner Gesundheitsstörungen zu einem meßbaren Grad führt, sofern nur die schädigenden Tätigkeiten einen zeitlich begrenzten Vorgang bilden, der den Begriff des Unfallereignisses nicht sprengt, dh sich in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum, längstens einer "Arbeitsschicht", abspielt.
Normenkette
RVO § 1739 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. Mai 1963 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Landwirt und Steinbruchsarbeiter H M (M.) hatte am 28. Juni 1952 von frühmorgens bis 16 Uhr in einem Steinbruch bei R. gearbeitet. Hierbei war er der Einwirkung der an diesem Tage herrschenden Sommerwärme von 25 bis 29° C ausgesetzt. Im Anschluß an die Arbeit in dem Steinbruch war M. auf sein etwa 300 m davon entfernt gelegenes Feld gegangen und hatte dort nach kurzer Ruhepause die Arbeit mit einer Motorfräse aufgenommen. Bei dieser Tätigkeit brach er zusammen und starb. Nach der ärztlichen Todesbescheinigung ist er einem Herzschlag mit Gehirnembolie erlegen.
Seine Hinterbliebenen nahmen die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (lBG) wegen der Gewährung von Unfallentschädigung in Anspruch. Dieser Anspruch wurde durch Bescheid vom 25. September 1953 abgelehnt, weil für den Tod des M. die Arbeit nicht in der Landwirtschaft, sondern im Steinbruch ursächlich gewesen sei. Im Klageverfahren hiergegen wurde die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft (StBG) als Beteiligte beigeladen. Sie wurde nach Einholung zahlreicher ärztlicher Gutachten über die Todesursache, insbesondere über die körperschädigende Auswirkung der Arbeit, die M. am 28. Juni 1952 in dem Steinbruch und in seiner Landwirtschaft ausgeübt hatte, verurteilt, Hinterbliebenenrente und Sterbegeld zu gewähren. Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 1959, durch das die Berufung der StBG gegen die der Klage stattgebenden Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Koblenz zurückgewiesen worden war, ist im wesentlichen wie folgt begründet: M., der an einer Coronarsklerose gelitten habe, sei nach und infolge einer körperlich besonders anstrengenden Tagesarbeit einem Herzinfarkt erlegen. Diese Arbeit habe er in dem Steinbruch ausgeübt. Seiner anschließenden Beschäftigung auf dem Felde, die gegenüber der achtstündigen Steinbruchsarbeit nur kurze Zeit gedauert habe, komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Jedenfalls sei es wahrscheinlicher, daß M. die mehrstündige Beschäftigung in dem engen, sonnenerwärmten Steinbruch mehr zu schaffen gemacht habe als die erheblich kürzere und im freien Gelände verrichtete Feldarbeit. Daher sei die zum Tode führende Schädigung der Steinbruchsarbeit zuzurechnen und die beigeladene StBG für die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung zuständig. Ob unter den beteiligten BGen die Verteilung der Entschädigung nach § 1739 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Betracht komme, sei in dem Entschädigungsverfahren nicht zu entscheiden.
Dieses Urteil ist nicht angefochten worden.
Die StBG gewährte den Hinterbliebenen des M. die gesetzlichen Leistungen, vor allem die Hinterbliebenenrente.
Mit Schreiben vom 3. September 1959 bat die StBG die lBG unter Berufung auf § 1739 RVO, ihr 40 v. H. der Entschädigungsleistungen für Vergangenheit und Zukunft zu erstatten. Die lBG lehnte eine Beteiligung an der Entschädigungslast durch Schreiben vom 21. September 1959 mit der Begründung ab, daß kein Anwendungsfall des § 1739 RVO vorliege, da M. die unfallbringende Beschäftigung für die beiden Unternehmen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander ausgeübt habe.
Am 7. Oktober 1959 hat die StBG Klage erhoben mit dem Antrag, die lBG zu verurteilen, sich mit 40 v. H. an der Entschädigungslast zu beteiligen. Die Klägerin hat ausgeführt, das ihr gegenüber ergangene Leistungsurteil sei für ihren Anspruch gegen die Beklagte auf Mittragung der Entschädigungslast nicht bindend; es müsse vielmehr unabhängig von dem Entschädigungsverfahren geprüft werden, ob und in welchem Umfang die für den Steinbruchsbetrieb und die für den landwirtschaftlichen Betrieb geleistete Arbeit des M. schädigende Auswirkungen auf dessen Gesundheit gehabt habe. M. habe vor seinem Tod eine so intensive Feldarbeit geleistet, daß sie als wesentliche Mitursache für das Herzversagen angesehen werden müsse. Es wäre daher unbillig, die Beklagte nicht zur Beteiligung an der Entschädigungslast heranzuziehen.
Das SG Hannover hat die Klage aus den von der Beklagten geltend gemachten Gründen abgewiesen und außerdem darauf abgestellt, daß in dem Entschädigungsstreitverfahren mit präjudizierender Wirkung auch gegenüber der damals als Beigeladene beteiligten Klägerin festgestellt worden sei, die Beklagte habe nicht für die Entschädigung der Hinterbliebenen einzutreten.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG Niedersachsen durch Urteil vom 30. Mai 1963 die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein Viertel der Unfallast zu erstatten, welche der Klägerin aus dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 1959 bisher angefallen ist und künftig anfällt. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt: Die nach § 1739 RVO vorzunehmende Verteilung der Entschädigungslast sei der notwendige Ausgleich dafür, daß in der gesetzlichen Unfallversicherung dem Versicherten gegenüber immer nur ein einziger Versicherungsträger leistungspflichtig sei, auch wenn die zum Unfall führende Beschäftigung mehreren, bei verschiedenen Versicherungsträgern versicherten Unternehmen gedient habe. Ein Versicherungsträger sei auch dann noch befugt, die Verteilung der Entschädigungslast zu betreiben, wenn der Anspruch des Leistungsberechtigten ihm gegenüber rechtskräftig feststehe. Umgekehrt könne ein Versicherungsträger auch zur Übernahme eines Teiles der Entschädigung herangezogen werden, wenn seine Entschädigungspflicht gegenüber dem Leistungsberechtigten bereits rechtskräftig verneint worden sei. Die Voraussetzungen des § 1739 RVO seien auch gegeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, die zum Unfall führenden Tätigkeiten nacheinander verschiedenen Betrieben gedient hätten. Ein Unfall sei begrifflich auch dann noch anzunehmen, wenn die Schädigung nicht durch ein plötzliches Ereignis, sondern durch eine etwas längerdauernde Einwirkung während der versicherten Arbeitstätigkeit verursacht werde. In einem solchen Falle müsse folgerichtig die Lastenverteilung zwischen den verschiedenen Versicherungsträgern nach § 1739 RVO auch vorgenommen werden, wenn die schädigende Einwirkung durch aufeinanderfolgende, mehreren Betrieben dienende Tätigkeiten eingetreten sei. Fälle dieser Art könnten nicht anders beurteilt werden als Berufskrankheiten, bei denen der Beschäftigte während der Gefährdungszeit für mehrere, bei verschiedenen Versicherungsträgern versicherte Betriebe tätig gewesen sei. Für die Frage, ob und in welchem Umfang die Beklagte zur Beteiligung an der Entschädigungslast herangezogen werden könne, müsse außer Betracht bleiben, daß in dem Entschädigungsstreitverfahren der Hinterbliebenen nur die Klägerin als leistungspflichtig verurteilt worden sei. Im Verteilungsrechtsstreit müsse diese Frage selbständig geprüft werden. Dabei sei zu beachten, daß M. nach seiner mehrstündigen Arbeit im Steinbruch auch in der Landwirtschaft, wenn auch während einer erheblich kürzeren Zeit, anstrengende und den Kreislauf belastende Arbeit geleistet habe. Auf Grund der vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten sei der Schluß gerechtfertigt, daß die gesamte körperliche Arbeit des M. seinen Tod verursacht habe. Für diese Auffassung spreche, daß M. bei der Ankunft auf dem Felde nicht über gesundheitliche Beschwerden geklagt habe. Jedenfalls sei es nicht wahrscheinlich, daß M. ohne die Herzbelastung bei der Ackerarbeit zu derselben Zeit gestorben wäre. Bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände sei daher aus Billigkeitsgründen eine Beteiligung der Beklagten an der Entschädigungslast gerechtfertigt und mit einem Viertel ausreichend bemessen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Beklagten am 24. Juni 1963 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 17. Juli 1963 Revision eingelegt und diese am 21. September 1963 innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet.
Gerügt wird fehlerhafte Anwendung des § 1739 RVO. Die Revision meint, das LSG habe verkannt, daß diese Vorschrift auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar sei. Außerdem beruhe das Urteil auf tatsächlichen Feststellungen, die unter Verstoß gegen § 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zustande gekommen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 30. Mai 1963 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Hannover vom 25. Januar 1962 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie pflichtet den Ausführungen des angefochtenen Urteils bei.
II
Die Revision ist zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Das LSG hat die aus § 1739 RVO hergeleitete Klage zu Recht für zulässig erachtet. Nach dieser Vorschrift können, wenn eine unfallbringende Beschäftigung für mehrere, bei verschiedenen Versicherungsträgern versicherte Betriebe oder Tätigkeiten stattgefunden hat, die in Betracht kommenden Versicherungsträger die Entschädigungslast unter sich verteilen. Auf die anteilige Entlastung von der Entschädigungspflicht hat, wie das LSG unter Bezug auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 6. April 1960 (BSG 12, 65 ff = SozR Nr. 1 zu § 1739 RVO) zutreffend ausgeführt hat, der dem Versicherten gegenüber leistungspflichtige Versicherungsträger einen Rechtsanspruch, den er erforderlichenfalls vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG oder der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgen kann. Der Leistungsklage, der sich die Klägerin bedient, steht, wie das LSG weiterhin zutreffend ausgeführt hat, nicht entgegen, daß in dem rechtskräftigen Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 1959 über die Hinterbliebenenansprüche die Entschädigungspflicht der Beklagten verneint worden ist. Die Verurteilung der Klägerin als der damals beigeladenen Beteiligten zur Entschädigungsgewährung bindet die Beteiligten nur, soweit über den Hinterbliebenenanspruch entschieden worden ist. Zwar betrifft die Klage, über die im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden ist, denselben Sachverhalt; aber im Verfahren nach § 1739 RVO wird eine andere Rechtsfolge geltend gemacht, indem nämlich die Klägerin begehrt, daß die Beklagte die Entschädigungslast mittrage. Es handelt sich also in den beiden Streitverfahren um verschiedene Streitgegenstände (vgl. BSG 13, 181, 184 und 185). Das LSG hat demzufolge zu Recht erneut geprüft, ob die Voraussetzungen für die Verteilung der Entschädigungslast nach § 1739 RVO im vorliegenden Streitfall gegeben sind.
Hierbei ist das LSG unter Bezugnahme auf die oben angeführte Entscheidung des erkennenden Senats vom 6. April 1960 zutreffend davon ausgegangen, daß § 1739 RVO nicht die Bedeutung einer bloßen Zuständigkeitsregelung für das Verteilungsverfahren hat, sondern auch die materiellen Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Versicherungsträgern berührt. Insoweit ist unter den Beteiligten in erster Linie umstritten, ob diese Vorschrift auch angewendet werden kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die zum Unfall führende Beschäftigung für mehrere, bei verschiedenen Versicherungsträgern versicherte Unternehmen stattgefunden, jedoch diesen Unternehmen nicht gleichzeitig, sondern in zeitlicher Aufeinanderfolge gedient hat. M. hatte sich der landwirtschaftlichen Arbeit, die nach Meinung der Klägerin für seinen Tod in rechtlich wesentlichem Maße mitursächlich war, erst nach Beendigung der Arbeit im Steinbruch zugewandt. Auch in einem solchen Falle hat das LSG bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 1739 RVO die Verteilung der Entschädigungslast mit Recht für möglich erachtet.
Nach der vom Senat vor allem in seinem Urteil vom 28. Mai 1957 vertretenen Auffassung (BSG 5, 168, 175) ist dem Versicherten gegenüber immer nur ein einziger Versicherungsträger leistungspflichtig, auch wenn die zum Unfall führende Beschäftigung mehreren, bei verschiedenen Versicherungsträgern versicherten Unternehmen zugute kommt. Für eine solche einseitige Belastung ist jedoch ein Ausgleich notwendig; ihm dient die Regelung des § 1739 RVO über die Verteilung der Entschädigungslast (RVA AN 1902, 469, 470; BSG 12, 69). Es wäre kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, diesen Ausgleich, durch den der übergebührlichen Belastung eines Versicherungsträgers entgegengewirkt werden soll, auf Fälle zu beschränken, in denen eine Beschäftigung mehreren Unternehmen gleichzeitig dient. Zwar werden Fälle dieser Art bei der Anwendung des § 1739 RVO die Regel bilden. Nicht anders aber als in diesen Normalfällen tritt eine übergebührliche, ausgleichgebietende Belastung des allein entschädigungspflichtigen Versicherungsträgers ein, wenn die unfallbringende Beschäftigung für mehrere Unternehmen nacheinander stattgefunden hat. Allerdings muß es sich auch in diesen Fällen um eine einheitliche Beschäftigung insofern handeln, als von den zeitlich aufeinanderfolgenden Tätigkeiten nicht jede für sich zu einer selbständigen, abgrenzbaren Gesundheitsstörung geführt hat. Andernfalls käme eine getrennte Bewertung der Schädigungsvorgänge in Betracht, und es fiele jedem der verschiedenen Versicherungsträger die aus dem gesondert zu behandelnden Unfallgeschehen entstehende Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten zu, so daß ein Anwendungsfall des § 1739 RVO entfiele.
Der Annahme einer sich nacheinander auf mehrere Betriebsbereiche erstreckenden einheitlichen schädigenden Tätigkeit steht nicht entgegen, daß es sich bei einem Unfall um ein zeitlich begrenztes Ereignis handeln muß. Diesem Erfordernis ist auch genügt, wenn, wie im vorliegenden Streitfall, erst die Häufung einzelner Gesundheitsstörungen zu einem meßbaren Grad führt, sofern nur die schädigenden Tätigkeiten einen zeitlich begrenzten Vorgang bilden, der den Begriff des Unfallereignisses nicht sprengt, d. h. sich in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum, längstens einer "Arbeitsschicht", abspielt (BSG in SozR Nr. 6 zu § 542 RVO aF; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Band II S. 479, 482, 490; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., S. 202 Anm. 3 zu § 548 RVO mit weiteren Nachweisungen). Nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte sich M. die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die noch vor Beendigung seiner für die verschiedenen Unternehmen nacheinander geleisteten Tagesarbeit zu seinem Tode führten, durch einen Unfall im Sinne des § 542 RVO aF zugezogen. Wie auch von der Revision nicht beanstandet wird, hat das LSG zu Recht die von den beruflichen Aufgaben des M. als Steinbruchsarbeiter und Landwirt am 28. Juni 1952 bestimmte gesamte Tagesarbeit als dessen Arbeitsschicht betrachtet.
Dafür, daß eine Lastenverteilung auch bei zeitlich aufeinanderfolgenden schädigenden Tätigkeiten eintreten muß, hat das LSG entgegen der Ansicht der Revision zutreffend auf die Praxis der Berufsgenossenschaften bei der Entschädigung von Silikoseerkrankungen hingewiesen. Hier findet sich eine als Argument für die Richtigkeit einer in dem streitigen Punkte weiten Auslegung des § 1739 RVO verwertbare Parallele zu Streitfällen der vorliegenden Art. Nach dem Abkommen der Berufsgenossenschaften über die Verteilung der Entschädigungslast bei Silikose vom 23. Oktober 1957 und dem Abkommen über die Lastenverteilung bei Berufskrankheiten außer bei Silikose (vgl. Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 8. November 1957 - VB 119/57 und 121/57 -), ferner nach der Vereinbarung über die Übernahme der Entschädigungslast bei gewerblichen Hauterkrankungen (vgl. Rundschreiben des angeführten Verbandes vom 8. November 1957 - VB 120 -) sind die bei mehreren Versicherungsträgern desselben Berufszweiges zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Einheit zu behandeln. Die Revision, die eine Lastenverteilung bei Unfällen nicht für vergleichbar mit derjenigen bei Berufskrankheiten hält, weil die Berufskrankheit anders als der Unfall naturgemäß erst nach längerer, vielfach jahrelanger Beschäftigung mit bestimmten Stoffen oder bei bestimmten Tätigkeiten entstehe, verkennt, daß beiden Schädigungstatbeständen eine verbindende Gemeinsamkeit insofern eigen ist, als sich auch beim Unfall die schädigende Tätigkeit über einen gewissen, wenn auch verhältnismäßig kurzen Zeitraum erstrecken kann, in dem versicherungsrechtliche Beziehungen zu verschiedenen Versicherungsträgern entstehen können.
Da hiernach unter Berücksichtigung der dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte ein Anspruch auf Mittragung der Entschädigungslast nach § 1739 RVO auch gegeben ist, wenn die einen einheitlichen, zeitlich begrenzten Vorgang bildenden schädigenden Tätigkeiten für mehrere Unternehmen nacheinander verrichtet worden sind, hängt die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin auf Mitbeteiligung der Beklagten an den Leistungen für die Hinterbliebenen des M. davon ab, ob nicht nur die Arbeit im Steinbruch, sondern auch die Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb rechtlich wesentliche Teilursachen des Todes waren. Diese - wie oben bereits dargelegt - in dem vorliegenden Verteilungsverfahren selbständig zu prüfende Frage hat das LSG ohne Rechtsirrtum dahin entschieden, daß das Herzleiden des M. infolge der Arbeit im Steinbruch wie auch infolge des anschließenden Tätigwerdens auf dem Felde den tödlichen Verlauf genommen hat und daß beide Tätigkeiten rechtlich wesentliche Mitursachen für den Tod sind. Diese Entscheidung des LSG beruht in tatsächlicher Beziehung auf Feststellungen, die entgegen der Meinung der Revision verfahrensrechtlich einwandfrei getroffen sind. Das angefochtene Urteil ist auf Grund der im Verfahren erstatteten fachärztlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, M. sei trotz der anstrengenden achtstündigen Arbeit im Steinbruch körperlich noch imstande gewesen, der ebenfalls schweren Feldarbeit nachzugehen; sein Tod sei nicht allein auf die Steinbruchsarbeit, sondern auch auf das zusätzlich anstrengende Führen der Motorfräse zurückzuführen und deshalb die Folge der verhängnisvollen schädigenden Auswirkung der den ganzen Tag über verrichteten Arbeit auf die Gesundheit des M. gewesen.
Die Revision wendet sich hiergegen zu Unrecht mit der Rüge, das LSG habe sich bei der Würdigung des Sachverhalts über die Gutachten der Medizinischen Akademie in D und der K-Klinik in Bad N ohne eigene Fachkenntnis hinweggesetzt. Die Revision begründet dies damit, daß in dem einen Gutachten die Steinbruchsarbeit als Mitursache des Herzinfarkts bewertet worden sei, während das andere Gutachten die landwirtschaftliche Arbeit für das Herzversagen bloß "in Rechnung gestellt" habe. Dieses Vorbringen läßt nicht erkennen, inwiefern das LSG bei der Würdigung der Gutachten verfahrensrechtliche Vorschriften verletzt haben soll. Es ist anhand der Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen zu seinem Beweisergebnis gelangt. In Widerspruch zu dem Gutachten der Medizinischen Klinik in D, die zu der Bedeutung der landwirtschaftlichen Arbeit für den körperlichen Zusammenbruch des M. nicht Stellung genommen hat, konnte sich das LSG bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage gar nicht setzen und dem Gutachten der K-Klinik in Bad N konnte es entnehmen, daß auch der Arbeit auf dem Felde eine mitwirkende Beeinträchtigung des durch eine Coronarsklerose bereits herzgeschädigten M. zukam. Zu einer weiteren Klärung der streitigen medizinischen Zusammenhangsfrage durch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bestand für das LSG kein ersichtlicher Anlaß. Daß das LSG bei seiner Überzeugungsbildung gegen § 128 Abs. 1 SGG etwa insofern verstoßen habe, als die Denkgesetze oder medizinische Erfahrungssätze verletzt worden seien, hat die Revision selbst nicht behauptet. Ob die Beweiswürdigung des LSG zu einem richtigen Ergebnis führt, ist keine Frage, die geeignet wäre, Gegenstand einer schlüssigen Verfahrensrüge zu sein. Diese Frage berührt den Inhalt des angefochtenen Urteils, nicht aber den Gang des Verfahrens.
Bei der Bewertung des hiernach für das Revisionsgericht nach § 163 SGG bindenden Sachverhalts hat das LSG entgegen der Ansicht der Revision mit Recht in der landwirtschaftlichen Betätigung nicht nur eine rechtlich unwesentliche, den Herztod auslösende Gelegenheitsursache gesehen, sondern dieser Tätigkeit die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Mitursache für das zum Tode führende Herzversagen beigemessen. Hierbei hat es nicht außer acht gelassen, daß sich die anteiligen Arbeitszeiten erheblich unterschieden. Es hat demgegenüber aber zutreffend für ausschlaggebend erachtet, daß auch die Handhabung der Motorfräse die körperlichen Kräfte des M. bei anhaltender Sommerwärme in einem rechtlich wesentlichen Umfange beeinträchtigt und die Steigerung des schon im Steinbruch schädlich beeinflußten Herzleidens bis zum Tode bewirkt hat.
Der Verteilungsanspruch der Klägerin ist somit dem Grunde nach berechtigt. Das Maß der Verteilung ist, wie auch insoweit in der mehrfach angeführten Entscheidung des Senats vom 6. April 1960 ausgesprochen ist, seit dem Inkrafttreten des SGG von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu bestimmen. Sie haben die Entschädigungslast nach Billigkeit zu verteilen. Das LSG hat unter Berücksichtigung der Dauer und der Art der in Betracht kommenden Tätigkeiten, insbesondere der Arbeitsbedingungen, ein Lastenverhältnis von 1/4 zu 3/4 für angebracht gehalten. Diese Beurteilung entspricht auch nach Auffassung des erkennenden Senats der Billigkeit. Eine geringere als einem Viertel der Gesamtlast entsprechende Bewertung der landwirtschaftlichen Arbeit wäre schon angesichts der Tatsache, daß sie überhaupt eine rechtlich wesentliche Mitursache für den Tod des M. ist, nicht gerechtfertigt. Zu einer abweichenden Beurteilung zwingt auch nicht der Hinweis der Revision auf das oben angeführte Abkommen der Berufsgenossenschaften vom 8. November 1957, nach dem zwar Beschäftigungszeiten, die weniger als ein Siebtel der gesamten silikosegefährlichen Beschäftigungszeit betragen, bei der Verteilung der Entschädigungslast außer Betracht bleiben sollen. Die entsprechende Anwendung dieser berufsgenossenschaftlichen Praxis auf den vorliegenden Streitfall konnte bei der Art der landwirtschaftlichen Arbeit, bei der M. schließlich körperlich zusammengebrochen ist, nicht zu einem der Beklagten günstigeren Ergebnis führen. Eine höhere Beteiligung der Beklagten an der Entschädigungslast scheidet schon deshalb aus, weil das Berufungsurteil nicht auch von der Klägerin angefochten worden ist und daher nicht zuungunsten der Beklagten geändert werden darf.
Hiernach ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2380595 |
BSGE, 216 |