Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 1995 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 1994 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten deren Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger, ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Anästhesist, beansprucht eine höhere Vergütung für die im Quartal I/93 im Zusammenhang mit ambulanten Operationen erbrachten schmerztherapeutischen bzw anästhesistischen Leistungen. Er beanstandet, daß infolge einer im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten angeordneten Begrenzung des für den Komplex „ambulantes Operieren” zur Verfügung stehenden Honorarvolumens die Operations- und Anästhesieleistungen mit einem deutlich niedrigeren Punktwert vergütet worden sind als die übrigen ärztlichen Leistungen.
Der HVM sah in Verbindung mit den zwischen der Beklagten und den Nord-Württembergischen Krankenkassenverbänden vereinbarten Vergütungsregelungen für die Ermittlung der Gesamtvergütung eine Aufteilung in die Teilbereiche „ambulantes Operieren”, „Prävention” und „restliche Leistungen” vor. In Anwendung dieser Bestimmungen schwankten die von der Beklagten errechneten Auszahlungspunktwerte für Leistungen der Prävention zwischen 10,50 Pf und 11,875 Pf, für Leistungen des ambulanten Operierens zwischen 7,21 und 8,79 Pf und für die übrigen ärztlichen Leistungen zwischen 9,16 Pf und 10,76 Pf je nach Kassenart. Die vom Kläger erbrachten schmerztherapeutischen Leistungen im Zusammenhang mit ambulanten Operationen vergütete die Beklagte – was zwischen den Beteiligten nicht mehr umstritten ist – mit dem Punktwert für Leistungen des ambulanten Operierens.
Das vom Kläger wegen dieser Auswirkungen angerufene Sozialgericht (SG) hat den Honorarbescheid für das Quartal I/93 vom 15. Juli 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1993 geändert und die Beklagte verpflichtet, über die Honoraransprüche des Kläger erneut zu entscheiden (Urteil vom 21. Dezember 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Aufteilung der von den einzelnen Kassenarten zu entrichtenden Gesamtvergütungen in die drei Honorartöpfe für „Prävention”, „ambulantes Operieren” und „restliche Leistungen” sei, soweit sie zur Konsequenz habe, daß der Punktwert für Leistungen des ambulanten Operierens unter demjenigen für die übrigen ärztlichen Leistungen liege, mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs 3a Sätze 1 und 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die Partner der Gesamtverträge zwar gehalten gewesen, den Anteil der Gesamtvergütungen für Leistungen des „ambulanten Operierens” getrennt von den übrigen Leistungen zu erfassen. Es sei aber nicht zulässig gewesen, das Teilbudget für Leistungen des ambulanten Operierens auch im Rahmen der Honorarverteilung an die Vertragsärzte auf der Grundlage des § 85 Abs 4 Satz 1 SGB V beizubehalten. Eine Rechtfertigung dafür, Leistungen des ambulanten Operierens schlechter als die übrigen ärztlichen Leistungen zu honorieren, sei insbesondere deshalb nicht zu erkennen, weil der Gesetzgeber ausdrücklich eine Verbesserung der Honorierung ambulanter Operationsleistungen vorgeschrieben habe (Urteil vom 20. Dezember 1995).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 7. Februar 1996 (BSGE 77, 279 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 10; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12) eine fehlerhafte Anwendung des § 85 Abs 4a Satz 3 und des § 85 Abs 3a Satz 6 SGB V. Aus der zutreffenden Beurteilung, daß der Gesetzgeber den Leistungsbereich ambulanter Operationen besonders habe fördern wollen, habe das Berufungsgericht unzutreffende Schlüsse auf den Umfang dieser Privilegierungsabsicht gezogen. Der Gesetzgeber habe das ambulante Operieren nicht von dem mit jeder Mengenausweitung verbundenen Risiko eines Punktwertverfalls völlig freistellen wollen. Das LSG mache die KÄVen im Ergebnis für die fehlerhafte Prognose des Gesetzgebers verantwortlich, der den explosionsartigen Anstieg ambulanter Operationsleistungen ab dem Quartal I/93 nicht annähernd richtig vorausgesehen habe. Im übrigen habe sie – die Beklagte – ab dem Quartal II/94 die aus ihrer Sicht erforderlichen Konsequenzen aus der starken Leistungsausweitung beim ambulanten Operieren gezogen und auf die Bildung eines gesonderten Vergütungstopfs für die auf das ambulante Operieren entfallenden Leistungen verzichtet. Dadurch sei sichergestellt, daß der Punktwert für die Leistungen des ambulanten Operierens jedenfalls nicht hinter demjenigen für die übrigen ärztlichen Leistungen zurückbleibe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 1995 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Urteile können keinen Bestand haben. Der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal I/93 idF des Widerspruchsbescheides ist, soweit die allein streitige Honorierung der schmerztherapeutischen bzw anästhesistischen Leistungen des Klägers im Rahmen ambulanter Operationen betroffen ist, rechtmäßig.
Die Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten sowie in den dort in Bezug genommenen Vergütungsvereinbarungen mit den Primärkassenverbänden, auf deren Grundlage die Beklagte den Punktwert für die vom Kläger im Zusammenhang mit ambulanten Operationen erbrachten Leistungen zutreffend errechnet hat, stehen mit höherrangigem Recht im Einklang. Das ergibt sich aus den Senatsurteilen vom 7. Februar 1996 (BSGE 77, 277 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 sowie BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12), in denen sich der Senat bereits mit der abweichenden Rechtsauffassung des LSG, die auch im angefochtenen Urteil zum Ausdruck kommt, auseinandergesetzt hat (vgl ausdrücklich BSGE 77, 277, 285 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59).
Der Senat hat in seinen Urteilen dargelegt, daß die KÄVen verpflichtet waren, die Vorschriften der § 85 Abs 3a Satz 6 und § 85 Abs 4a Satz 3 (seit dem 1. Juli 1997: Satz 2) SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 20. Dezember 1992 (BGBl I 2266) über die Vergütung der Leistungen des ambulanten Operierens bei der Honorarverteilung umzusetzen. Der Senat hat es mit den gesetzlichen Vorgaben für die Honorarverteilung (§ 85 Abs 4 SGB V) für vereinbar gehalten, daß verschiedene KÄVen – wie auch die Beklagte – den gesetzlichen Auftrag in der Weise erfüllt haben, daß sie auf der Basis des Honoraraufkommens im Jahre 1991 ein separates Teilbudget für Leistungen des ambulanten Operierens gebildet haben, diesem Teilbudget die Steigerungsbeträge nach § 85 Abs 3a Satz 6 SGB V in der zum 1. Januar 1993 rückwirkend in Kraft getretenen Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des SGB V (3. SGB V-Änderungsgesetz) vom 10. Mai 1995 (BGBl I 678) zugeschlagen und aus diesem „Honorartopf” fachübergreifend alle Leistungen des ambulanten Operierens einschließlich der hier betroffenen anästhesistischen Begleitleistungen vergütet haben. Diese Form der Förderung der Leistungen des ambulanten Operierens hat der Senat gebilligt, weil sie sich an den neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Vergütung dieses Leistungsbereichs im Rahmen einer insgesamt budgetierten Gesamtvergütung orientiert habe und im Hinblick auf die in Betracht kommenden Alternativen nicht als willkürlich bewertet werden könne. Dies gilt, wie der Senat ebenfalls entschieden hat, auch für die hier im streitbefangenen Quartal I/93 tatsächlich gegebene Situation, daß die alle Prognosen übersteigende Zunahme ambulanter Operationen zur Folge gehabt hat, daß der Punktwert für die Leistungen des ambulanten Operierens den Punktwert für die übrigen ärztlichen Leistungen unterschritten hat.
An dieser Auffassung ist festzuhalten. Die daran geübte Kritik (zB Hohmann, Medizinrecht 1997, S 402 ff) führt nicht zu einer Änderung der Rechtsüberzeugung des Senats. Soweit aus der unbestrittenen Absicht des Gesetzgebers, mit dem Inkrafttreten des GSG die Leistungen des ambulanten Operierens in besonderer Weise zu fördern, geschlossen wird, damit sei den KÄVen unabhängig von der Mengenentwicklung im Leistungsbereich des ambulanten Operierens eine Punktwertstützung zumindest auf dem Niveau des Verteilungspunktwertes für die übrigen ärztlichen Leistungen vorgeschrieben worden, wird die Neufassung des § 85 Abs 4a Satz 1 SGB V durch das 4. SGB V-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 1995 (BGBl I S 1558) nicht hinreichend beachtet. Dort ist – worauf der Senat in den bereits mehrfach zitierten Urteilen vom 7. Februar 1996 (aaO) hingewiesen hat – bestimmt, daß die KÄVen im Honorarverteilungsmaßstab sicherstellen müssen, daß die generelle Ausweitung der Leistungen keine Auswirkungen auf den Punktwert der hausärztlichen Grundvergütung nach § 87 Abs 2a SGB V hat. In der Begründung des Fraktionsentwurfs der CDU/CSU und FDP zu dieser Vorschrift wird ausgeführt, eine Verringerung der Höhe der hausärztlichen Grundvergütung infolge einer Ausweitung der Leistungsmenge in anderen Leistungsbereichen solle auf diese Weise vermieden werden (BT-Drucks 13/1826 S 4). Eine derart weitgehende, unmittelbar auf den Punktwert durchgreifende Privilegierung hat der Gesetzgeber für die ambulanten Operationsleistungen weder 1993 noch 1995 vorgeschrieben. Er war und ist offenbar der Auffassung, das medizinisch sinnvolle und unter dem Aspekt der Kosteneinsparung im stationären Bereich erwünschte Ausmaß der Steigerung der ambulanten operativen Tätigkeit seitens der niedergelassenen Vertragsärzte durch die Erhöhungsbeträge nach § 85 Abs 3a Satz 6 SGB V angemessen, aber auch ausreichend gefördert zu haben. Angesichts dieser gesetzgeberischen Wertung kann nicht beanstandet werden, daß die Beklagte ihrerseits nach Inkrafttreten des GSG zunächst nur die Erhöhungsbeträge unmittelbar zur Verbesserung der Vergütung für ambulante operative Leistungen verwendet, den Punktwert in diesem Leistungsbereich aber nicht darüber hinausgehend zu Lasten anderer vertragsärztlicher Leistungen gestützt hat.
Im übrigen ist die Beklagte ihrer vom Senat im Urteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 42/95 – (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12) besonders hervorgehobenen Beobachtungs- und Anpassungsverpflichtung hinsichtlich der von ihr erlassenen Vorschriften zur Honorarverteilung nachgekommen. Sie hat auf den kontinuierlichen Anstieg der Leistungen des ambulanten Operierens in der Weise reagiert, daß sie die Bildung eines gesonderten Honorartopfs für diese Leistungen mit Beginn des Quartals II/94 aufgegeben und damit zumindest eine Gleichstellung der Honorierung der Leistungen des ambulanten Operierens mit den übrigen ärztlichen Leistungen bewirkt hat. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Honorarverteilung bereits im hier allein streitbefangenen Quartal I/93 in dieser Weise zu regeln, besteht indessen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen