Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für die Quartale III/2003 und I/2004.
Der Kläger nimmt seit der Übernahme einer Praxis im Oktober 1997 in Kiel als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Honorarbescheiden vom 14.1.2004 (für das Quartal III/2003) sowie vom 14.7.2004 (Quartal I/2004) setzte die beklagte Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Honoraransprüche des Klägers fest. Dabei wandte sie die Honorarbegrenzungen in Gestalt individueller Punktzahlvolumina (IPZ) an, die in § 12 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) in der ab 1.7.2003 geltenden Fassung geregelt waren.
Diese im Zusammenhang mit der Aufhebung der Bestimmungen zum Praxisbudget im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen eingeführten Regelungen sahen die Bildung von IPZ für die meisten Arztgruppen einschließlich der Gruppe der Anästhesisten und für den ganz überwiegenden Teil der Leistungen vor. Für die Bildung der IPZ in den sogenannten Startquartalen (den Quartalen III/2003 bis II/2004) wurde auf das - um 3 % reduzierte - praxisindividuelle Honorar aus dem Jahr 2002 zurückgegriffen. Bei Praxen, die in den Jahren 2001 und 2002 keinen Statuswechsel vollzogen hatten, wurden auch die Quartale des Jahres 2001 berücksichtigt; in diesen Fällen wurde von dem Honorar des entsprechenden "Bestquartals" ausgegangen. Für Leistungen innerhalb der IPZ wurde ein Punktwert von 4,5 Cent angestrebt; darüber hinausgehende Mehrleistungen wurden mit 0,05 Cent vergütet. Für die Weiterentwicklung der Vergütung nach Ablauf der Startquartale (sogenannte Folgequartale ab III/2004) traf § 12.4.3 HVM gesonderte Regelungen, nach denen sich ein Honorarwachstum im Wesentlichen nach dem Maß der Überschreitung oder Unterschreitung der IPZ und nach dem Abrechnungsverhalten der übrigen Ärzte der Fachgruppe richtete. Die erreichbare Zugewinnmenge im Vergleich zum entsprechenden Quartal des Vorjahres wurde zudem auf 10 % der durchschnittlichen Punktzahlanforderung je Arzt innerhalb der Fachgruppe begrenzt.
Auf der Grundlage dieser HVM-Regelungen umfassten die IPZ des Klägers Punktzahlvolumina von etwa der Hälfte bis zwei Drittel des Fachgruppendurchschnitts. Während die gegen die Honorarbescheide sowie gegen die Ablehnung des Härtefallantrags erhobenen Widersprüche des Klägers erfolglos geblieben sind, hat das Sozialgericht (SG) auf die (verbundenen) Klagen die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung seiner Rechtsauffassung verpflichtet.
Im Urteil des LSG ist ausgeführt, von der zu Unrecht erfolgten Ablehnung des Härtefallantrags abgesehen seien die Entscheidungen der Beklagten nicht zu beanstanden. Diese sei nicht gehalten gewesen, den Kläger unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei seiner Praxis um eine kleine Praxis mit unterdurchschnittlichem Honorarvolumen handele, von der Budgetierung auszunehmen. Entsprechende Anforderungen bestünden lediglich für sogenannte Anfängerpraxen in der - nach dem HVM mit fünf Jahren bemessenen - Aufbauphase und damit nicht für den bereits seit 1997 zugelassenen Kläger. Zwar müsse der HVM (generell) Wachstumsraten in einer Größenordnung zulassen, die es einer Praxis mit unterdurchschnittlichem Umsatz noch gestatte, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit - innerhalb von fünf Jahren - zu erreichen. Die hier maßgebenden Regelungen über die Bildung eines IPZ ermöglichten für die Startquartale kein effektives Wachstum in diesem Sinne. Gleichwohl sei der HVM der Beklagten rechtmäßig, da es dieser im Rahmen des ihr zustehenden Gestaltungsspielraums nicht verwehrt sei, bei der erstmaligen Einführung von IPZ zunächst Startquartale ohne Wachstumsmöglichkeit zu bilden, auf deren Grundlage sich die Weiterentwicklung der IPZ vollziehe. Dass in den Startquartalen keine effektive Steigerung des IPZ möglich gewesen sei, sei bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der für die Folgequartale geltenden Regelungen zu berücksichtigen; diese seien jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Entwicklungsregelungen im HVM seien mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und den vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Grundsätzen zur Frage der Steigerungsmöglichkeiten kleiner Praxen nicht vereinbar. Zum einen würden Praxen an Referenzquartalen festgehalten, die noch in der Aufbauphase abgerechnet worden seien. Zum anderen sei der Ausschluss jedweder Steigerungsmöglichkeit für Praxen, die nicht den Sonderregelungen des § 12.4.4 HVM unterfielen, rechtswidrig; auch sei die anschließend vorgesehene Steigerungsmöglichkeit nicht effektiv genug, um innerhalb eines überschaubaren Zeitraums den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen. Die Anforderungen an Steigerungsmöglichkeiten seien nicht auf neu gegründete Praxen beschränkt, sondern gälten für alle unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen. Der HVM der Beklagten gestehe dem Kläger in den Startquartalen überhaupt keine Steigerungsmöglichkeit zu. Daher hätte das LSG auch die für die Folgezeit geltende Regelung mit in die Prüfung einbeziehen und daraufhin überprüfen müssen, ob ein Ausschluss von Steigerungsmöglichkeiten in den Startquartalen nachfolgend kompensiert werden könne. Tatsächlich seien allerdings sowohl der Ausschluss von Steigerungsmöglichkeiten in den Startquartalen als auch die Regelungen zu den nachfolgenden Steigerungsmöglichkeiten rechtswidrig. Zum einen erfüllten die Regelungen nicht die Anforderungen der BSG-Rechtsprechung, zum anderen komme es für die Frage der Steigerungsmöglichkeit gerade nicht bzw nur untergeordnet auf die Leistungen des abrechnenden Arztes, sondern vielmehr auf das Verhältnis seines Leistungsverhaltens zu demjenigen der übrigen Ärzte der Fachgruppe an. Es sei denkbar, dass keine effektive Steigerung erfolgen könne, weil die Praxen letztlich nach dem Umfang ihrer IPZ-Überschreitung proportional an der Zugewinnmenge beteiligt würden; dies könne dazu führen, dass eine Vielzahl der Praxen, die sich gesteigert hätten, aufgrund der in der Regelung liegenden Abstaffelungssystematik an der Zugewinnmenge nicht mehr partizipierten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 13.11.2007 zu ändern und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das BSG habe dargelegt, dass seine Rechtsprechung zu den Wachstumsmöglichkeiten unterdurchschnittlicher Praxen nicht bedeute, dass diese von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden müssten. Die Anforderung, diesen Praxen Wachstumsraten in einer Größenordnung zuzugestehen, die es noch gestatte, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit, dh innerhalb von fünf Jahren, zu erreichen, werde angesichts der für die Folgequartale eingeräumten Wachstumsmöglichkeiten durchaus erfüllt. Bereits die mit der Bildung der Individualbudgets verfolgten Ziele der Stabilisierung der Honorarsituation und der Verbesserung der Kalkulierbarkeit der Einnahmen sprächen jedoch dafür, bei der Erstfestlegung der Punktzahlvolumina für bereits etablierte Praxen ein Wachstum nicht zuzulassen, da andernfalls der vorgesehene Zielpunktwert kaum noch zu kalkulieren gewesen wäre. Es sei daher sachgerecht, eine Begrenzung des Punktzahlvolumens vorzunehmen und durch die geschaffene Wachstumsregelung insbesondere unterdurchschnittlichen Praxen in der Folgezeit die Möglichkeit zu geben, durch Erhöhung ihres Individualbudgets den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen. Zu Recht habe das LSG die erstmals zum Quartal III/2004 zur Anwendung gelangte Wachstumsregelung des § 12.4.3 HVM nicht geprüft.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat die für die angefochtenen Bescheide der Beklagten maßgeblichen Regelungen des HVM zu Unrecht als rechtmäßig angesehen. Diese Vorschriften berücksichtigen nicht in erforderlichem Umfang die Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen.
Die für die Beurteilung des Rechtsstreits maßgeblichen Regelungen des HVM der Beklagten entsprechen nicht den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung der Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen entwickelt worden sind. Zu dieser Gruppe gehört auch die Praxis des Klägers, da die ihm in den strittigen Quartalen zugewiesenen Punktzahlen lediglich die Hälfte bis zwei Drittel des Fachgruppendurchschnitts betrugen .
In der Rechtsprechung des Senats ist wiederholt klargestellt worden, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSGE 83, 52, 58 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18 ff; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 53; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 21; BSG, Beschluss vom 19.7.2006, B 6 KA 1/06 B, RdNr 10 - juris; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16, sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R = MedR 2007, 560 = USK 2007-26; Beschluss vom 28.11.2007, B 6 KA 45/07 B, RdNr 8; zuletzt Beschluss vom 6.2.2008, B 6 KA 64/07 B, RdNr 9 - juris; vgl auch BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6, RdNr 16, 19; BSGE 89, 173, 182 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 378) . Dem Vertragsarzt muss die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19).
Auch wenn es sich bei Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatzniveau typischerweise insbesondere um solche handeln wird, die neu gegründet worden sind (vgl ua BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19) , ist deren Erwähnung in der Senatsrechtsprechung lediglich beispielhaft zu verstehen; nichts anderes gilt für den Begriff der "im Aufbau" befindenden Praxen (vgl ua BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16) . Die grundsätzliche Verpflichtung zur Gewährleistung einer gewissen Wachstumsmöglichkeit beschränkt sich nicht allein auf diese, sondern erfasst alle Praxen, deren Umsatz den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe unterschreitet. Bereits in seinem grundlegenden Urteil vom 21.10.1998 (B 6 KA 71/97 R, BSGE 83, 52, 60 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 209) hat der Senat klargestellt, dass der Umstand einer dauerhaften Festschreibung einer ungünstigen Erlössituation als Folge unterdurchschnittlicher Umsätze für alle kleinen Praxen - nicht nur für neu gegründete - berücksichtigt werden und ein HVM so ausgestaltet werden muss, dass auch solche Vertrags(zahn)ärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl, die nicht mehr als Praxisneugründer angesehen werden können, nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen (in diesem Sinne ua auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16, sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R = MedR 2007, 560 = USK 2007-26; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18: "aber nicht nur"; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 21: "jeder Arzt"; zuletzt BSG, Beschluss vom 6.2.2008, B 6 KA 64/07 B, RdNr 9 - juris; vgl auch Clemens in Wenzel ≪Hrsg≫, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Aufl 2009, Kap 11 RdNr 268) .
Die danach allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen einzuräumende Möglichkeit, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16), bedeutet jedoch nicht, dass diese Praxen von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden müssten (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5 RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18). Derartiges ist allein den neu gegründeten Praxen einzuräumen, solange diese sich noch in der Aufbauphase befinden (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18); diese Praxen sind für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen (BSG, aaO, RdNr 19) .
Im Hinblick auf die mit der Einführung individueller Leistungsbudgets verfolgten Ziele der Punktwertstabilisierung und der Gewährleistung von Kalkulationssicherheit ist es vielmehr auch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zumutbar, dass ihr pro Jahr zulässiges Honorarwachstum beschränkt wird. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diese Begrenzung nicht zu eng ist (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18). Daher sind Wachstumsraten in einer Größenordnung zuzulassen, die es noch gestattet, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit zu erreichen (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18). Absehbar in diesem Sinne ist ein Zeitraum von fünf Jahren (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16, sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R = MedR 2007, 560 = USK 2007-26).
Im Gegensatz zur sog "Aufbauphase" bei neu gegründeten Praxen ist dieser Fünf-Jahres-Zeitraum nicht in dem Sinne statisch, dass er ab einem fixen Zeitpunkt - dem der Praxisneugründung oder -übernahme - beginnt und durch Zeitablauf endet. Ebenso wenig erschöpft sich die Verpflichtung in der Gewährung einer einmaligen Wachstumsmöglichkeit, die nach Ablauf des Zeitraums nicht mehr eingeräumt werden muss; vielmehr besteht sie solange fort, bis die Praxis den Durchschnittsumsatz erreicht hat. Dementsprechend sind Zeitraum und Wachstumsmöglichkeit dynamisch auf die jeweilige, zur gerichtlichen Überprüfung anstehende Honorarbegrenzungsregelung zu beziehen. Alle für die betroffene Praxis maßgeblichen HVM-Regelungen, insbesondere Honorarbegrenzungsregelungen, müssen so viel Spielraum zulassen, dass der Durchschnittsumsatz innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden kann.
Schon daraus folgt, dass bei der rechtlichen Prüfung auch die HVM-Regelungen mit in den Blick zu nehmen sind, die für nachfolgende, prozessual nicht streitbefangene, jedoch innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums liegende Folgequartale Geltung beanspruchen. Denn nur auf diesem Wege kann - sofern nicht bereits die im streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Regelungen das erforderliche Wachstum ermöglichen - festgestellt werden, ob die Vorgaben der Senatsrechtsprechung eingehalten werden. Sollte die Prüfung ergeben, dass auch die nachfolgend maßgeblichen Regelungen es unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen nicht ermöglichen, den Durchschnittsumsatz innerhalb des maßgeblichen Zeitraums zu erreichen, begründet dies zugleich die Rechtswidrigkeit der für den streitbefangenen Zeitraum geltenden Regelung.
Die Einbeziehung der für den nachfolgenden Zeitraum maßgeblichen HVM-Regelungen in die Prüfung ist erst recht dann unabdingbar, wenn der HVM - wie hier - Bestimmungen der Art enthält, die ein Wachstum für einen begrenzten Zeitraum völlig ausschließen. Zwar ist es rechtlich nicht geboten, unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen außerhalb der Aufbauphase eine Wachstumsmöglichkeit zu jeder Zeit - dh in jedem einzelnen Abschnitt (bzw Abrechnungszeitraum) innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums - einzuräumen; lediglich Neugründer müssen die Gelegenheit erhalten, ihren Umsatz sofort zu steigern (siehe oben) . Auch wenn der Senat ausgeführt hat, dass der HVM es dem einzelnen Vertragsarzt mit unterdurchschnittlichem Umsatz nicht nur überhaupt, sondern auch "in effektiver Weise" ermöglichen muss, den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu erreichen (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; zuletzt BSG, Beschluss vom 6.2.2008, B 6 KA 64/07 B, RdNr 9 - juris), erfordert eine "effektive" Möglichkeit keine kontinuierliche Steigerungsmöglichkeit, sondern ist auf das Ergebnis - das Erreichen des Durchschnittsumsatzes - ausgerichtet. Somit sind - für Praxen außerhalb der Aufbauphase - auch HVM-Regelungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, die ein Honorarwachstum innerhalb eines gewissen Zeitraums vollständig unterbinden.
Dies gilt für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie die des Klägers jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie jedenfalls in der nach Ablauf des Moratoriums verbleibenden restlichen Zeit noch die "effektive", dh realistische, Möglichkeit haben, den Durchschnittsumsatz zu erreichen. Mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht im Einklang stehen daher nicht allein Regelungen, die den für ein Wachstum verbleibenden Zeitraum derart einschränken, dass nicht erreichbare Steigerungsraten erforderlich wären, um zum Durchschnitt aufzuschließen, sondern bereits solche, die für die Folgezeit Wachstumsbeschränkungen normieren, welche ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums realistischer Weise nicht erwarten lassen.
Letzteres ist vorliegend der Fall. Die für die Zeit nach Beendigung der "Startphase" geltenden Regelungen in § 12.4.3 des HVM der Beklagten ermöglichen es unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen nicht, in den verbleibenden vier Jahren den Durchschnittsumsatz zu erreichen. Theoretisch ist zwar im jeweiligen Folgequartal eine Erhöhung des IPZ um bis zu 10 % der durchschnittlichen Punktzahlanforderung je Arzt der Arztgruppe möglich, doch hängt dies von weiteren Faktoren ab. Der einzelne Arzt hat nur begrenzten Einfluss darauf, ob und in welchem Umfang er von dieser Wachstumsmöglichkeit profitiert, da das Ausmaß der Möglichkeit der "Weiterentwicklung" nicht primär vom eigenen Abrechnungsverhalten abhängig ist, sondern sich maßgeblich nach dem der übrigen Ärzte der Fachgruppe richtet. Die im Falle einer Überschreitung des individuellen Gesamtvolumens bestehende Möglichkeit einer sockelwirksamen Anhebung hängt, wie dies der HVM in § 12.4.3 Buchst a Satz 3 selbst formuliert, "jedoch von den Überschreitungen aller Praxen sowie von den für Zuwächse der Volumina zur Verfügung stehenden Punktzahlmenge" ab.
Bereits die für ein Wachstum aller Praxen einer Arztgruppe pro Jahr insgesamt zur Verfügung stehende Punktzahlmenge ist gemäß § 12.4.3 Buchst a.a.2 Satz 3 HVM auf zwei Prozent der "Summe der individuellen Gesamtvolumen" (dh des Gesamtpunktzahlvolumens) in der Arztgruppe beschränkt; sie wird zusätzlich dadurch verringert, dass sie ggf durch eine von allen Praxen der Arztgruppe zu zahlende "Wachstumsumlage" zu finanzieren ist. Hinzu kommt, dass gemäß § 12.4.3 Buchst a.a.3 HVM die zur Verteilung anstehende "Zugewinnmenge" nach einem bestimmten Modus verteilt wird. Danach erhält zunächst die Praxis mit der höchsten prozentualen Überschreitung ein Prozent Zuwachs ihres individuellen Gesamtvolumens zugesprochen. Im Folgeschritt wird die Zugewinnmenge um die zugesprochene Punktzahl vermindert sowie die rechnerische prozentuale Überschreitung der begünstigten Praxis um einen Prozentpunkt reduziert. Danach wiederholt sich das Verfahren bei derjenigen Praxis, die nun die höchste prozentuale Überschreitung aufweist; dies kann weiterhin die erstgenannte Praxis sein. Dieses Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis die vorgesehene "Zugewinnmenge" aufgebraucht ist. Innerhalb des Verfahrens wird eine Praxis dann nicht mehr berücksichtigt, wenn sie einen absoluten Punktzahlzuwachs von 10 % der durchschnittlichen Punktzahlanforderung erreicht hat.
Für unter dem (Punktzahl-)Durchschnitt der Fachgruppe liegende Praxen wie die des Klägers ist angesichts dieser Vorgaben ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes ausgeschlossen. Schon rein rechnerisch besteht angesichts einer auf zwei Prozent des Gesamtpunktzahlvolumens beschränkten "Zugewinnmenge" bei gleichmäßigem Verhalten aller Praxen auch nur eine Zuwachsmöglichkeit in entsprechender Höhe; Aussicht auf einen zehnprozentigen Zuwachs hätte ein Fünftel aller Praxen dann, wenn alle übrigen Praxen ihren Umsatz überhaupt nicht gesteigert hätten. Das eine wie das andere ist jedoch unrealistisch. Unterdurchschnittlich abrechnende Praxen hätten im Übrigen nur dann eine reale Chance auf Gewährung einer signifikanten Punktzahlerhöhung, wenn entweder etablierte, zumindest durchschnittlich abrechnende Praxen ihre Leistungsmenge nicht ebenfalls signifikant steigerten, oder dann, wenn zum einen ihr Umsatz nicht allzu weit vom durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe entfernt ist und sie zum anderen weit überdurchschnittliche Umsatzzuwächse aufweisen. Nach der Rechtsprechung des Senats muss eine Wachstumsmöglichkeit jedoch allen unterdurchschnittlichen Praxen offenstehen.
Die von der Beklagten hervorgehobene "Bevorzugung" unterdurchschnittlich abrechnender Praxen - bei gleicher betragsmäßiger Überschreitung erwerben sie eine höhere Prozentualität und damit auch eine günstigere Position im Verteilungsverfahren als größere Praxen - ergibt sich eher zufällig durch rechnerische Effekte und stellt keine systematische Besserstellung dieser Praxen dar. Selbst wenn dies der Fall wäre, fehlte es dieser Regelung an der erforderlichen Effektivität. Denn wie die Beklagte in ihrem Berechnungsbeispiel (in "Nordlicht" - Offizielles Mitteilungsblatt der KÄV Schleswig-Holstein, Heft 3/2003 S 19) selbst veranschaulicht, hat eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis nur dann Aussicht auf einen Zuwachs, wenn sie zugleich besonders hohe Zuwachsraten aufweist. Hinzu kommt, dass auch die der Praxis prozentual zugeteilte Zugewinnmenge an das bisherige IPZ anknüpft, mit der Folge, dass eine größere Praxis eine betragsmäßig höhere Zugewinnmenge erhält als eine kleinere Praxis (so auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.1.2008, L 4 KA 15/07 - juris, dort RdNr 34 = GesR 2008, 359, 360) und hierdurch die zur Verfügung stehende "Zugewinnmenge" stärker reduziert.
Somit hätte es einer Sonderregelung für unterdurchschnittliche Praxen im HVM der Beklagten bedurft, welche deren Belange und die Vorgaben des Senats angemessen berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen Regelungen über die Bemessungsgrundlage für solche Vertrags(zahn)ärzte, die wegen unterdurchschnittlicher Fallzahlen bzw -umsätze im Bemessungszeitraum das durchschnittliche Punktzahlvolumen ihrer Fachgruppe (noch) nicht erreicht haben, im HVM selbst normiert werden (BSGE 83, 52, 60 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 209; ebenso BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 23) . Der HVM der Beklagten enthält zwar in § 12.4 Abs 4 bestimmte Sonderregelungen, jedoch erfassen diese nur veränderte oder neue Praxisstrukturen, Neugründungen oder Praxisübernahmen. Hingegen fehlen - abgesehen von einer Definition der "unterdurchschnittlichen Praxis" - jegliche spezifischen Regelungen für die Fallgruppe der unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen; für diese gilt somit die allgemeine Regelung.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirkt sich dieser Umstand auch auf die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Honorarbescheide aus, da die Rechtmäßigkeit der ihnen zugrunde liegenden, für die Startquartale geltenden HVM-Regelungen aus den oben dargestellten Gründen nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern vielmehr ein Junktim zwischen der Zulässigkeit einer Einbeziehung unterdurchschnittlicher Praxen in das während der Startphase geltende Moratorium und ausreichenden Wachstumsmöglichkeiten in der Folgezeit besteht. Wie dargelegt, muss schon bei Inkrafttreten einer - Wachstumsmöglichkeiten zeitlich begrenzt ausschließenden - HVM-Regelung feststehen und somit normativ geregelt sein, dass und wie unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen in der Folgezeit ermöglicht wird, den Durchschnitt zu erreichen.
Es steht der Beklagten im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit bei der von ihr vorzunehmenden Neuregelung allerdings frei, wie sie die Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen angemessen berücksichtigt. So könnte sie das Moratorium für diese Praxen außer Kraft setzen und ihnen durchgehend ausreichende Wachstumsmöglichkeiten gewähren. Rechtlich nicht zu beanstanden wäre es aber auch, wenn sie zwar die Wachstumsmöglichkeiten auch dieser Praxen zeitlich begrenzt aussetzte, ihnen jedoch in der - im Hinblick auf die erfolgte Verkürzung des für ein Wachstum zur Verfügung stehenden Zeitraums besonders bedeutsamen - Folgezeit ausreichende Weiterentwicklungsmöglichkeiten einräumte, die es ihnen realistischer Weise ermöglichten, innerhalb der verbleibenden vier Folgejahre zum Durchschnitt der Fachgruppe aufzuschließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, da sie unterlegen ist.
Fundstellen