Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
I. II. die Arbeitnehmer 1. bis 61. Bevollmächtigter zu II. |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte oder die Beigeladene zu I. der für die gesetzliche Krankenversicherung der pflichtversicherten Arbeitnehmer der Klägerin zuständige Versicherungsträger ist.
Die Klägerin betreibt ein Straßen- und Tiefbauunternehmen, dessen Betätigungsbereiche zu etwa 70% im Straßenbau und zu etwa 30% im Tiefbaubereich liegen. Sie ist für den gesamten Betrieb mit dem Gewerbe "Straßenbau" in die Handwerksrolle eingetragen. Sie ist Mitglied der Baugewerks-Innung D., deren Innungsbereich die Handwerke Maurer, Wärme-, Kälte- und Schallisolierer, Mosaik-, Platten- und Fliesenleger, Betonstein- und Terazzohersteller sowie Brunnenbauer im Bezirk des ehemaligen Landkreises D. umfaßt.
Die Baugewerks-Innung D. hat sich ab 1. Oktober 1978 der beigeladenen Innungskrankenkasse (IKK) angeschlossen. Im Zusammenhang damit entstanden zwischen den Hauptbeteiligten und der beigeladenen IKK Unstimmigkeiten darüber, ob die versicherungspflichtigen Beschäftigten der Klägerin ab Oktober 1978 bei der beigeladenen IKK zu versichern sind. Die Beklagte stellte mit dem Bescheid vom 21. Dezember 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1979 fest, daß die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Klägerin über September 1978 hinaus ihre Mitglieder seien.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat mit Urteil vom 27. Februar 1980 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, daß die beigeladene IKK der für die versicherungspflichtigen Beschäftigten der Klägerin zuständige Krankenversicherungsträger sei. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein- Westfalen hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 24. November 1982 zurückgewiesen: Die Anfechtungs- und Feststellungsklage der Klägerin sei statthaft und begründet. Die mit dem Gesamtbetrieb unter der Bezeichnung "Straßenbau" erfolgte Eintragung des Inhabers der Klägerin in die Handwerksrolle und die mit dem "Betrieb in seiner Gesamtheit" begründete Mitgliedschaft bei der Baugewerks-Innung binde die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Wegen dieser Bindungswirkung sei es auch unerheblich, ob der Inhaber der Klägerin möglicherweise einer anderen Innung angehören müsse, da die Begründung der Mitgliedschaft bei der Baugewerks-Innung jedenfalls nicht nichtig sei.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision vor, das LSG habe verkannt, daß den Innungskrankenkassen gemäß § 250 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nur die Beschäftigten eines Betriebes angehören können, dessen Inhaber nicht nur Gastmitglied einer Innung i.S. des § 59 Handwerksordnung (Hw0), sondern deren Vollmitglied sei. Das LSG habe auch nur von der Gastmitgliedschaft des Inhabers der Klägerin ausgehen dürfen, da dieser mit dem - in die Handwerksrolle allein eingetragenen - Straßenbauer-Handwerk ein Handwerk ausübe, für das die Trägerinnung, der er angehöre, nicht gebildet worden sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1982 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Februar 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die beigeladene IKK hat sich dem Vortrag der Klägerin angeschlossen.
Die Beigeladenen zu II. sind im Revisionsverfahren nicht durch einen nach § 166 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
II
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht, weil die abschließende Entscheidung von der Nachholung weiterer tatsächlicher Feststellungen abhängt.
Das LSG hat die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zutreffend als statthaft angesehen.
Ob die im Betrieb der Klägerin beschäftigten versicherungspflichtigen Arbeitnehmer Pflichtmitglieder der Beklagten oder der beigeladenen IKK sind, hängt davon ab, ob der Inhaber der Klägerin "Mitglied" der Baugewerksinnung D., der Trägerinnung der beigeladenen IKK ist (§ 250 Abs. 2 RVO). Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 18. Juni 1968 - 3 RK 11/62 -; BSGE 28, 111 = SozR Nr. 6 zu § 250 RVO; Urteil vom 22. Februar 1974, a.a.O.) entschieden, daß der Entschließung der Innungsorgane über die Aufnahme in die Trägerinnung "Tatbestandswirkung" zukommt. Die vorgenannten Entscheidungen betrafen allerdings, worauf die Revision zutreffend hinweist, Fälle, in denen nur die vollberechtigte Mitgliedschaft i.S. des § 58 HwO in Betracht kam. Der erkennende Senat hat jedoch in dem Urteil vom 6. Dezember 1978 - 8/3 RK 27/77 - (BSGE 47, 246 = SozR 2200 § 250 Nr. 4) klargestellt, daß versicherungspflichtig Beschäftigte in Betrieben, deren Inhaber nur Gastmitglieder einer Trägerinnung sind, nicht Mitglieder der Innungskrankenkasse sind. Der Senat hat dies aus der Stellung des Gastmitgliedes in einer Innung, insbesondere daraus hergeleitet, daß ein Gastmitglied nicht stimmberechtigt ist (§ 59 Satz 3 Hw0) und auch bei Entscheidungen der Innung gemäß § 250 Abs. 1, 1a RVO nicht mitzuentscheiden hat; schließlich hat es der Senat für mit dem Sinn und Zweck der Pflichtmitgliedschaft in einer Innungskrankenkasse für unvereinbar gehalten, wenn Beschäftigte in Betrieben von Gastmitgliedern Pflichtmitglieder der Innungskrankenkasse wären; obwohl die Gastmitglieder kein Handwerk betreiben müßten (§ 59 Satz 1 HwO). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Unterscheidung zwischen den Wirkungen der vollberechtigenden Mitgliedschaft und der Gastmitgliedschaft erfordert deshalb jedenfalls in den Fällen, in denen die Gastmitgliedschaft nicht von vornherein ausscheidet, die Feststellung der vollberechtigten Mitgliedschaft. Diese Prüfung erstreckt sich allerdings nicht, wie die Revision meint, darauf, ob der Inhaber des aufzunehmenden Betriebes von der Innung nur als Gastmitglied hätte aufgenommen werden dürfen. Denn wie zuvor bereits dargelegt, hat auch die Entscheidung der Innungsorgane über die Aufnahme in die Trägerinnung Tatbestandswirkung; sie erstreckt sich nicht auf das Versicherungsverhältnis oder die versicherungsrechtlichen Wirkungen, sondern nur auf eine die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindende handwerkliche Vorfrage (erkennender Senat, Urteil vom 16. Februar 1982 - 8 RK 4/81 -, SozR 2200 § 250 Nr. 8). Auch insoweit ist also die Befugnis des Gerichts im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2. SGG über den Eintritt der Rechtsfolgen des § 250 Abs. 2 RVO auf die Prüfung beschränkt, ob die Entscheidung von Anfang an nichtig ist. Der vom LSG festgestellte Sachverhalt bietet dafür jedoch keinen Anhalt. Ob etwa eine fehlende Eintragung in die Handwerksrolle ein Nichtigkeitsgrund sein könnte, kann dahingestellt bleiben, denn ein solcher Fall liegt nicht vor. Das LSG hat jedoch, wie die Revision zutreffend geltend macht, keine erschöpfenden Feststellungen über die Art der Mitgliedschaft des Inhabers der Klägerin getroffen; insbesondere hat das LSG nicht festgestellt, ob die für die Aufnahme des Inhabers der Klägerin in die Baugewerks-Innung D. zuständigen Organe dieser Innung den Inhaber der Klägerin als vollberechtigtes Mitglied i.S. des § 58 Abs. 1 HwO oder nur als Gastmitglied i.S. des § 59 HwO aufgenommen haben. Diese Feststellung hat das LSG nachzuholen. Hierbei wird es von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufnahme in die Innung auszugehen, jedoch zu prüfen haben, welche Rechtswirkungen eine möglicherweise später eingetretene Änderung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Baugewerksinnung D. oder einer anderen für das Gewerbe des Inhabers der Klägerin errichteten Innung auf die Mitgliedschaft hat. Kommt es danach zu dem Ergebnis, daß der Inhaber der Klägerin nur Gastmitglied ist, wäre es bei der Mitgliedschaft der im. Betrieb beschäftigten versicherungspflichtigen Arbeitnehmer bei der Beklagten verblieben. Stellt das LSG hingegen fest, daß der Inhaber der Klägerin Vollmitglied der Baugewerksinnung D. ist, so ergibt sich die weitere Frage, ob sich die Mitgliedschaft auf beide von der Klägerin betriebenen Gewerbe - Straßenbau und Tiefbau - erstreckt. Nach den unwidersprochen gebliebenen und gemäß § 163 SGG für den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß der Inhaber der Klägerin mit dem Handwerk "Straßenbau" (ein Handwerk im Sinne der Anlage A Nr. 7 zur Hw0) in die Handwerksrolle eingetragen ist. Eine solche Eintragung hat ebenfalls Tatbestandswirkung (BSG, Urteil vom 22. Februar 1974 - 3 RK 88/72 -, BSGE 37, 135 = SozR 2200 § 250 Nr. 1). Sie ist bei Zugrundelegung der unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des LSG jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig (nichtig).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG betreibt die Klägerin jedoch mehrere Gewerbe (Straßenbau und Tiefbau). Da von der Tatbestandswirkung die Frage nicht erfaßt wird, ob das Gewerbe, mit dem jemand in die Handwerksrolle eingetragen und in eine Trägerinnung aufgenommen worden ist, ein selbständiger Betrieb im Sinne des § 250 RVO oder nur ein unselbständiger Teil einer größeren Einheit (Gesamtbetrieb) ist, hat das LSG nach entsprechender Tatsachenfeststellung auch darüber zu entscheiden, ob beide Gewerbe in einem einheitlichen Gesamtbetrieb oder in verschiedenen selbständigen Betrieben ausgeübt werden und welches Gewerbe die Innungsmitgliedschaft begründet hat (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 250 RVO Nr. 1 ).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.8 RK 40/83
Bundessozialgericht
Verkündet am
28. Februar 1985
Fundstellen