Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswirksamkeit der ÄZO BrZ

 

Orientierungssatz

1. Die ÄZO BrZ ist rechtswirksam.

2. Die Verfügung über eine Kassenarztpraxis konnte auch vor Erlaß der ÄZO BrZ nicht Gegenstand einer privaten Vereinbarung mit dem Inhaber der Kassenpraxis sein. Die Praxisübertragung kann sich allenfalls auf die Privatpraxis beziehen.

 

Normenkette

ÄZO BrZ § 18 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 01.07.1953)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 1953 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen tragen die Beteiligten die Kosten des Revisionsverfahrens selbst.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Um den im Januar 1952 ausgeschriebenen Kassenarztsitz eines praktischen Arztes in Bielefeld, der durch Ausscheiden des hochbetagten ehemaligen Militärarztes Dr. E... frei geworden war, bewarben sich u.a. der Kläger und der Beigeladene. Der Kläger ist im Jahre 1917 in Stendal geboren und hat seine Approbation im Oktober 1943 erhalten; er ist verheiratet und hatte im Zeitpunkt der Bewerbung für zwei Kinder zu sorgen. Der Beigeladene ist im Jahre 1912 in Bielefeld geboren, erhielt die Approbation im Oktober 1937, kehrte am 30. März 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heim und ließ sich im April 1949 in Bielefeld als Arzt nieder; sein erstes Kind wurde im Jahre 1952 geboren. Der Zulassungsausschuß ließ durch Beschluß vom 26. März 1952 den beigeladenen Arzt D... zu und berücksichtigte zu seinen Gunsten sein höheres Lebensalter, seine ältere Approbation, seine engere Heimatzugehörigkeit und vor allem seine späte Heimkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft. Der beklagte Berufungsausschuß wies die vom Kläger nach der Zulassungsordnung für Ärzte (britische Zone) - ZulO (brit. Zone) - eingelegte Berufung durch Beschluß vom 30. Mai 1952 zurück: Er erkannte zwar an, daß der Kläger seit dem 1. Juli 1948 als Vertreter in der Praxis des Dr. E... tätig gewesen sei und daß er für zwei Kinder zu sorgen habe, er gab jedoch dem beigeladenen Arzt wegen seines höheren Lebens- und Approbationsalters, seiner engeren Heimatzugehörigkeit und seiner Eigenschaft als Spätheimkehrer den Vorzug.

Mit der beim Landesverwaltungsgericht erhobenen Anfechtungsklage beantragte der Kläger die Aufhebung der Beschlüsse der Zulassungsinstanzen. Er machte geltend, aus Art und Dauer seiner Tätigkeit in der Kassenpraxis des Dr. E... die er auf Grund einer mit Billigung des Vorsitzenden des Kreisvereins der Kassenärztlichen Vereinigung im März 1948 getroffenen Vereinbarung geführt und beträchtlich erweitert habe, ergebe sich, daß er nicht als Vertreter im Rechtssinne tätig gewesen sei, sondern die Praxis des gebrechlichen Arztes Dr. E... in eigener Verantwortung geführt habe. Die zu besetzende Kassenarztstelle sei in Wirklichkeit nicht mehr die des Dr. E... sondern seine eigene gewesen. Demgegenüber machte der Beklagte geltend, die alte Zulassungsordnung für Ärzte sei am 3. September 1939 außer Kraft getreten, bis zum Inkrafttreten der ZulO (brit. Zone) vom 21. April 1948 (ArbBl. für die britische Zone S. 250) hätten ordentliche Zulassungen nicht mehr ausgesprochen werden können. Der Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung habe vor Erlaß der ZulO (brit. Zone) dem damals 78-jährigen Kassenarzt Dr. E... die Genehmigung zur Beschäftigung eines Assistenten erteilt, weil die alten Kassenärzte durch die Nachkriegsverhältnisse besonders hart betroffen worden seien. Aus der nur zum Schutz des alten Arztes getroffenen Maßnahme könne der Kläger aber kein Vorzugsrecht bei Besetzung der Kassenarztpraxis herleiten. Seine Klage hatte keinen Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen wies durch Urteil vom 1. Juli 1953 die Berufung des Klägers zurück, ohne die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zuzulassen: Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage sei auch dann unbegründet, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, daß er den Voraussetzungen des § 15 ZulO (brit. Zone) - mindestens dreijährige Vorbereitung auf die Kassenpraxis nach dem Staatsexamen - genüge, was der beklagte Berufungsausschuß bestreite. Die Entscheidung des Beklagten lasse keinen Ermessensfehler erkennen. Er habe zutreffend gemäß § 18 ZulO (brit. Zone) das höhere Lebensalter, die frühere Approbation und die engere Heimatzugehörigkeit des Beigeladenen berücksichtigt und zu Gunsten des Klägers dessen größeren Familienstand anerkannt. Er habe bei seiner Entscheidung auch erwogen, daß der Kläger die Kassenpraxis des Dr. E... fast vier Jahre tatsächlich ausgeübt habe. Die Behauptung des Klägers, daß es sich dabei nicht um eine bloße Vertretung, "sondern um einen von der Kassenärztlichen Vereinigung gebilligten Übernahmevertrag im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 2 ZulO (brit. Zone) gehandelt habe", könne als zutreffend angesehen werden, "wenn auch das Bedenken entgegenstehe, daß die Vereinbarung des Klägers mit Dr. E... nicht die Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigung selbst, sondern nur des Vorsitzenden des Kreisvereins Bielefeld der Kassenärztlichen Vereinigung gefunden habe". Der Kläger könne sich also außer auf seinen Familienstand auch auf den Übernahmevertrag als Grund für seine Zulassung berufen. Trotzdem habe der Beklagte die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens nicht überschritten, denn er habe bei der Gesamtwürdigung der langjährigen Kriegsgefangenschaft des Beigeladenen ein besonderes Gewicht beilegen können. Die Ansicht des Klägers, seine Tätigkeit in der Praxis des Dr. E... die er aus eigener Kraft bedeutend erweitert habe, gebe ihm gewissermaßen ein Recht auf Übertragung der ausgeschriebenen Kassenarztpraxis, sei unzutreffend. Der Kläger habe bei Übernahme der Praxis des Dr. E... wissen müssen, daß die Kassenarztpraxis nicht Gegenstand seiner Übereinkunft mit Dr. E... sei, sondern nur durch die zuständigen Instanzen habe vergeben werden können. Es sei daher auch nicht entscheidend, ob der Vorsitzende des Kreisvereins der Kassenärztlichen Vereinigung dem Kläger hinsichtlich seiner Zulassung zur Kassenpraxis Zusicherungen gemacht habe, was vom Beklagten und dem Beigeladenen bestritten werde; denn der Vorsitzende des Kreisvereins sei nicht in der Lage gewesen, über die Kassenarztstelle zu verfügen.

Auf die vom Kläger gemäß § 53 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVerwGG) rechtzeitig erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß vom 11. Dezember 1953 die Revision zugelassen, weil die Frage der Rechtsnatur der im Arbeitsblatt für die Britische Zone 1948 S. 250 als Anlage zu einem Erlaß des Präsidenten des Zentralamtes für Arbeit veröffentlichten ZulO für Ärzte vom 21. April 1948 eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei. Auf Grund dieses Beschlusses, der dem Kläger am 17. Dezember 1953 zugestellt worden ist, hat der Kläger - entsprechend der vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Rechtsmittelbelehrung - beim Oberverwaltungsgericht Münster Revision eingelegt, die dort am 16. Januar 1954 eingegangen ist. Die Revision ist mit den Schriftsätzen vom 11. Januar und 1. Februar 1954 - eingegangen beim Bundesverwaltungsgericht am 9. Februar 1954 - begründet worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 18. Februar 1954 ausgesprochen, daß die Streitsache mit Wirkung vom 1. Januar 1954 auf das Bundessozialgericht übergegangen sei.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und zu erkennen,

1. der Kläger ist zur Praxis als Kassenarzt zugelassen; die Ausschreibung der Kassenarztpraxis durch den Zulassungsausschuß für das Arztregister des Regierungsbezirks Detmold in Bielefeld ist unzulässig. Evtl.

2. der Kläger wird zur Praxis als Kassenarzt zugelassen, evtl.

3. die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Zur Begründung der Revision macht er folgendes geltend: Die Vereinbarung mit Dr. E... betreffend die Übernahme der Praxis sei bereits vor dem 1. Juli 1948, also vor Inkrafttreten der ZulO (brit. Zone) getroffen worden. Der Vorsitzende des Kreisvereins habe den Übernahmevertrag schon vor dem 21. April 1948 gebilligt, diese Billigung sei in diesem Zeitpunkt als Zusage anzusehen. Im übrigen sei es zweifelhaft, ob die ZulO (brit. Zone) rechtswirksam zustande gekommen sei, jedenfalls könnten ihre Bestimmungen nicht auf die Übernahme einer Kassenarztpraxis zurückbezogen werden, die schon vor ihrem Erlaß stattgefunden habe. Der Beigeladene hat beantragt, die Revision des Klägers zu verwerfen, evtl. zurückzuweisen. Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

II.

Gegen die Statthaftigkeit der Revision bestehen keine Bedenken. Das Bundessozialgericht ist zwar nicht an die nach § 53 Abs. 5 BVerwGG ausgesprochene Zulassung der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist aber die Revision in Übergangsfällen des § 215 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) jedenfalls dann statthaft, wenn im Revisionsverfahren über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu entscheiden ist (BSG. 1 S. 17 [21], 3 S. 95 [97], 4 S. 54). Da die von der Revision aufgeworfenen Fragen über die Rechtswirksamkeit der ZulO (brit. Zone) vom 21. April 1948 und ihre Vereinbarkeit mit dem Bonner Grundgesetz über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung haben, ist die Revision als statthaft anzusehen. Dem steht nicht entgegen, daß der Senat diese Frage nunmehr bereits entschieden hat, denn für die Frage der Statthaftigkeit der Revision kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt ihrer Einlegung an.

Das Bundesverwaltungsgericht ist in seinem Beschluß vom 18. Februar 1954 davon ausgegangen, daß der Rechtsstreit nach § 215 Abs. 9 in Verbindung mit § 51 SGG auf das Bundessozialgericht übergegangen sei. Dieser Beschluß hat jedoch nur deklaratorische Bedeutung, weil der Übergang der Sache auf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit nach der Vorschrift des § 215 SGG sich kraft Gesetzes vollzieht (BSG. 2 S. 23 [26], SozR. SGG § 215 Bl. Da 6 Nr. 21 und Bl. Da 9 Nr. 31). Der Übergang vom Bundesverwaltungsgericht auf das Bundessozialgericht setzt voraus, daß der Rechtsstreit bei Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (1. Januar 1954) beim Bundesverwaltungsgericht anhängig war. Da der Kläger die Revision aber erst nach diesem Zeitpunkt eingelegt hat, war die Sache am 1. Januar 1954 beim Bundesverwaltungsgericht noch nicht rechtshängig im Sinne des § 215 Abs. 9 SGG. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Kläger die Nichtzulassung der Revision vor dem 1. Januar 1954 mit der Beschwerde gemäß § 53 BVerwGG angefochten hatte, über die bereits vor dem 1. Januar 1954 entschieden war. Da die Sache somit an dem maßgebenden Stichtag noch beim Oberverwaltungsgericht anhängig war (vgl. Stein-Jonas-Schönke, ZPO 18. Aufl. Anm. II 2 zu § 176), ist sie nach § 215 Abs. 8 SGG auf das Landessozialgericht übergegangen (SozR. SGG § 215 Bl. Da 16 Nr. 46). Diese Vorschrift kann aus prozeßökonomischen Gründen nur dahin verstanden werden, daß in Fällen der vorliegenden Art der Rechtsstreit als bereits vom Berufungsgericht entschieden auf das Landessozialgericht übergegangen ist und daß sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nunmehr nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes richtet. Über die Revision hat hiernach das Bundessozialgericht zu entscheiden (BSG. 4 S. 156 [158]).

Obgleich die an das Oberverwaltungsgericht gesandte Revisionsschrift vom 11. Januar 1954 erst am 11. März 1954 an das Bundessozialgericht gelangt ist, muß die Revision als fristgerecht eingelegt angesehen werden, weil die in dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1953 gegebene Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis darüber enthält, daß die Revision vom 1. Januar 1954 an beim Bundessozialgericht in Kassel einzulegen ist. Die Revision konnte infolgedessen nach § 66 Abs. 2 SGG innerhalb Jahresfrist eingelegt werden, ist also noch rechtzeitig beim Bundessozialgericht eingegangen.

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die formelle Rechtswirksamkeit der ZulO (brit. Zone) vom 21. April 1948, die von der Revision angezweifelt wird, hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 1956 bejaht (BSG. 3 S. 95 [98]). Er hat durch Urteil vom 25. Oktober 1956 (BSG. 4 S. 54 [56]) ferner ausgesprochen, daß die Bestimmungen dieser ZulO über die zahlenmäßig beschränkte Zulassung von Ärzten zur kassenärztlichen Tätigkeit nicht verfassungswidrig sind, insbesondere nicht gegen Art, 2 und 12 des Bonner Grundgesetzes verstoßen. Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der im Auswahlverfahren nach § 18 ZulO (brit. Zone) ergangene Beschluß des beklagten Berufungsausschusses vom 30. Mai 1952, den der Kläger mit der Klage angefochten hat. Er erblickt die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses in erster Linie in einem Ermessensmißbrauch der Zulassungsinstanzen bei der Besetzung der Kassenarztpraxis, ferner aber auch darin, daß er die Ausschreibung und die Wiederbesetzung der Kassenarztstelle als unzulässig ansieht, weil es sich bei der ausgeschriebenen Kassenarztstelle in Wirklichkeit um seine eigene Praxis handele. Das ist aber nicht der Fall.

Das Berufungsgericht hat zwar die Behauptung des Klägers, es habe sich bei der mehrjährigen Wahrnehmung der Kassenpraxis durch den Kläger nicht um eine bloße Vertretung, sondern "um einen von der Kassenärztlichen Vereinigung gebilligten Übernahmevertrag im Sinne von § 18 Abs. 2 Nr. 2 ZulO (brit. Zone)" gehandelt, als richtig unterstellt. Erblickt man hierin mit der Revision die tatsächliche Feststellung, daß der Kläger die Praxis des Dr. E... mit Billigung des Vorsitzenden des Kreisvereins der Kassenärztlichen Vereinigung Bielefeld übernommen hat, so steht doch der Annahme des Klägers, ihm sei durch die Billigung des Übernahmevertrages auch die kassenärztliche Praxis rechtswirksam übertragen worden, der Umstand entgegen, daß die Verfügung über eine Kassenarztpraxis auch vor Erlaß der ZulO vom 21. April 1948 nicht Gegenstand einer privaten Vereinbarung mit dem Inhaber der Kassenpraxis sein konnte. Die Zulassung als Kassenarzt war vor dem Zusammenbruch im Jahre 1945 in der ZulO für Ärzte in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1937 (RGBl. I S. 977) geregelt. Nach § 31 dieser ZulO bestand für jeden Arztregisterbezirk ein Zulassungsausschuß bei der Verwaltungsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD.), der nach § 34 a.a.O. über die Zulassung zu entscheiden hatte. Durch Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 4. September 1939 (AN. S. 461) wurde die KVD. angewiesen, Ärzten, die nicht auf Grund der ZulO zugelassen sind, die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung vorübergehend zu gestatten, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht. Durch Erlaß vom 12. September 1939 (AN. S. 454) bestimmte der Reichsarbeitsminister ferner, daß von den Zulassungsstellen bis auf weiteres Zulassungen nicht mehr ausgesprochen werden durften; Ausnahmen waren nur vorgesehen für die beim Reichszulassungsausschuß anhängigen Verfahren, wenn der Leiter der KVD. die Fortführung eines Verfahrens beantragte. Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 wurde in der britischen Besatzungszone erst durch die ZulO vom 21. April 1948 wieder eine Rechtsgrundlage für die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit geschaffen. Bis dahin konnten nur Notzulassungen stattfinden, die auf den Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 4. September 1939 gestützt wurden.

Auch bei solchen Notzulassungen, die vor Erlaß der ZulO (brit. Zone) von der Landesstelle der Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommen werden konnten, hat es sich nicht um endgültige Zulassungen als Kassenarzt gehandelt. Der Kläger hat auch, wie sich aus seinem Vorbringen ergibt, keine schriftliche Bestätigung über eine vorübergehende Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit erhalten, er ist vielmehr der Auffassung, daß die Billigung des mit Dr. E... abgeschlossenen Übernahmevertrages durch den Vorsitzenden des Kreisvereins Bielefeld der Kassenärztlichen Vereinigung einer Zulassung als Kassenarzt gleichstehe. Diese Ansicht ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, rechtsirrig. Die Übertragung der ärztlichen Praxis des Dr. E... konnte sich allenfalls auf die Privatpraxis beziehen. Die Billigung des Übernahmevertrages durch den Vorsitzenden des Kreisvereins der Kassenärztlichen Vereinigung Bielefeld hatte zwar zur Folge, daß der Kläger in der Praxis des Dr. E... auch Kassenpatienten behandeln durfte; sie bewirkte aber nicht die Zulassung des Klägers als Kassenarzt. Demgemäß hat auch der Kläger die Praxis trotz des von ihm behaupteten Übernahmevertrages nicht in seinem eigenen Namen, sondern unter dem Namen des weiterhin als Kassenarzt zugelassenen Dr. E... geführt, und er ist von der Kassenärztlichen Vereinigung zunächst als Assistent des Dr. E... und später als dessen Vertreter behandelt worden. Auch die ungewöhnlich lange Dauer der Vertretung und der Umstand, daß der Kläger die Praxis des im Jahre 1948 bereits 78-jährigen Dr. E... wesentlich erweitert hat, veränderte seine Rechtsstellung nicht. Diese Umstände geben dem Kläger jedenfalls keinen Rechtsanspruch auf Zulassung als Kassenarzt.

In der Billigung des Übernahmevertrages durch den Vorsitzenden des Kreisvereins der Kassenärztlichen Vereinigung kann auch nicht eine vorübergehende Zulassung gesehen werden, die nach den Übergangsbestimmungen zur ZulO (brit. Zone) vom 1. Oktober 1948 unter der Voraussetzung, daß bis zum 30. September 1948 von Kassenverbänden oder der Kassenärztlichen Vereinigung kein Widerspruch erhoben wurde, als ordentliche Zulassung zu gelten hätte. Dagegen spricht wiederum der Umstand, daß der Kläger die Kassenarztpraxis nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Kassenarztes Dr. E... ausgeübt hat.

Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, daß der Beklagte bei der Auswahl der Bewerber um die ausgeschriebene Kassenarztstelle nicht die Grenzen des ihm durch § 18 ZulO (brit. Zone) eingeräumten Ermessens überschritten hat, lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Der zugelassene Beigeladene ist fünf Jahre älter als der Kläger und hat die Approbation sechs Jahre vor ihm erhalten, vor allem ist er erst Ende März 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 1956 ausgesprochen hat (BSG. 4 S. 54), sind die bei der Auswahl zu berücksichtigenden Umstände in § 18 ZulO (brit. Zone) nicht erschöpfend aufgeführt, vielmehr sind auch andere Sachverhalte zu berücksichtigen, sofern es das billige Ermessen erfordert. Der Senat hat in der genannten Entscheidung ausdrücklich zu der Frage der Spätheimkehrer Stellung genommen und ausgeführt, daß die späte Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft im Rahmen der Gesamtwürdigung zugunsten eines Bewerbers auch in Fällen berücksichtigt werden kann, in denen § 7 b Abs. 3 des Heimkehrergesetzes in der Fassung vom 17. August 1953 noch nicht anzuwenden war. Wenn der Beklagte unter diesen Umständen dem Beigeladenen den Vorzug vor dem Kläger gegeben hat, obgleich dieser in der Kassenarztpraxis des Dr. E... über dreieinhalb Jahre tätig gewesen ist, so kann hierin mit dem Berufungsgericht ein Ermessensfehler nicht erblickt werden.

Die Revision ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2340614

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