Entscheidungsstichwort (Thema)
Besonderer Härtefall bei Sozialhilfeempfängern
Leitsatz (amtlich)
Die KK ist verpflichtet, vor der Entscheidung über die Arzneikostenbefreiung (RVO § 182a S 2) die wirtschaftliche Lage des Antragstellers und den Umfang der zu erwartenden Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln zu prüfen, und zwar unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer besonderen Personengruppe (zB Sozialhilfeempfänger, Rentner, Studenten).
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Befreiung vom Arzneikostenanteil ist nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe abhängig.
2. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe schließt nicht von vornherein die Befreiung vom Arzneikostenanteil aus.
Normenkette
RVO § 182a S. 2 Fassung: 1977-06-27; SGB 1 § 39 Fassung: 1975-12-11; SGG § 54 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 28.02.1978; Aktenzeichen S 7 Kr 108/77) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28. Februar 1978 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. August 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1977 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die ablehnende Entscheidung der beklagten Krankenkasse über einen Antrag der Klägerin auf Freistellung von der Zahlung des gesetzlichen Arzneikostenanteils rechtmäßig ist.
Die Klägerin, als Empfängerin einer Witwenrente Pflichtmitglied der Beklagten, beantragte am 11. August 1977 die Freistellung mit der Begründung, die Verpflichtung zur Zahlung des Arzneikostenanteils nach § 182a Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bedeute für sie in Anbetracht ihres geringen Einkommens (Witwenrente) aus der Angestelltenversicherung in Höhe von 178,60 DM, Wohngeld in Höhe von 98,- DM, Sozialhilfe in Höhe von 180,- DM und Krankenkostenzulage in Höhe von 50,- DM) eine besondere Hätte; sie sei daher nach § 182a Satz 2 RVO von dieser Verpflichtung zu befreien. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, ohne eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin oder des Umfangs ihres Arzneimittelbedarfs vorzunehmen, weil der Gesetzgeber bei einem Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auch die Mittelaufbringung für den Arznei- und Heilmittelkostenanteil den Sozialhilfeträgern zugeordnet habe, die Klägerin deshalb das zuständige Sozialamt in Anspruch nehmen könne. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Es teilt die Auffassung der Beklagten, daß der Sozialhilfeträger verpflichtet sei, die Arzneikostenanteile für Sozialhilfeempfänger zu übernehmen (§§ 12, 37 BSHG) und deshalb bei der Klägerin ein besonderer Härtefall nicht vorliege. Damit fehle es an der gesetzlichen Voraussetzung für die im übrigen in das Ermessen der Beklagten gestellte Befreiung. Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers ergebe sich aus den Äußerungen der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des § 182a RVO (BT-Drucks 8/173 S 20). Es verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. wenn die Beklagte entgegen den unverbindlichen Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 14. Juli 1977 und ihres Landesverbandes vom 3. November 1977 nicht alle Versicherten mit einem unter der dort angegebenen Einkommensgrenze liegenden Einkommen (ab 1. Juli 1977 DM 620,- und ab 1. Januar 1978 DM 650,-) von der Zahlung des Arzneikostenanteils freistelle, sondern die Sozialhilfeempfänger davon ausschließe. Der Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe (§ 2 Abs 2 Satz 2 BSHG) finde hier keine Anwendung.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Sprungrevision. Sie rügt, die vom SG vorgenommene Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "besondere Härtefälle" in § 182a Satz 2 RVO sei rechtsfehlerhaft. Aus der grundsätzlichen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, im Krankheitsfalle umfassende Krankenhilfe zu gewähren, könne nicht gefolgert werden, daß auch der Arzneikostenanteil eines hilfebedürftigen Versicherten zu übernehmen sei. Die Stellungnahme der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren, auf die sich Beklagte und SG beriefen, habe den Rechtscharakter der Sozialhilfe als nachrangige, subsidiäre Leistung verkannt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28. Februar 1978 und den Bescheid der Beklagten vom 11. August 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1977 aufzuheben und die Beklagte zur Befreiung gemäß § 182a Satz 2 RVO zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringende Rechtsauffassung des SG werde durch die Entstehungsgeschichte des § 182a RVO gestützt. Da somit ein "besonderer Härtefall" nicht vorliege, seien von der Kasse Ermessenserwägungen nicht mehr anzustellen gewesen.
Die beigeladene Sozialhilfeverwaltung schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Sie ist mit dieser der Auffassung, bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur Freistellung von der Arzneikostenbeteiligung handele es sich um die Leistung eines anderen Sozialleistungsträgers iS des § 2 Abs 2 Satz 2 BSHG, zumindest aber um eine Verpflichtung iS des § 2 Abs 2 Satz 1 BSHG. Diese Leistung bzw Verpflichtung sei gegenüber der Sozialhilfeleistung vorrangig. Eine Ausnahmeregelung fehle. Soweit der Sozialhilfeträger die Arzneikostenanteile übernehme, seien daran Rechtsfolgen geknüpft, die die nach § 182a Satz 2 RVO befreiten Versicherten nicht träfen (Vermögenseinsatz, Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen und Erben). Die Beklagte stelle somit bei Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens den sozialhilfebedürftigen Versicherten schlechter als die anderen Versicherten mit gleich hohem Einkommen. Das verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des SG und die zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten entsprechen nicht dem geltenden Recht und müssen daher aufgehoben werden. Sie beruhen, wie Klägerin und Beigeladene zutreffend rügen, auf einer unrichtigen Anwendung des § 182a Satz 2 RVO.
Maßgebend für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache ist § 182a RVO in der seit 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz - KVKG - s. Art 1 § 1 Nr 7 und Art 2 § 17) vom 27. Juli 1977 (BGBl I 1069). Nach Satz 1 dieser Bestimmung haben Versicherte bei der Abnahme von Arznei-, Verband- und Heilmitteln eine Deutsche Mark für jedes verordnete Mittel an die abgebende Stelle zu zahlen. Satz 2 ermächtigt die Krankenkasse, in besonderen Härtefällen, vor allem, wenn laufend Arznei-, Verband- und Heilmittel benötigt werden, von der Zahlung zu befreien.
Bei der Befreiung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Krankenkasse. Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung ("kann"), letztlich aber ihre Entstehungsgeschichte. Die frühere gesetzliche Regelung schloß bestimmte Personengruppen - zB Rentner - von der Zahlungspflicht allgemein aus (§ 182a Abs 2 RVO in der bis 30. Juni 1977 geltenden Fassung: "Von der Zahlung nach Abs 1 sind befreit: ....."). Das KVKG hat diese generelle Befreiung beseitigt und durch eine auf den Einzelfall abgestellte Regelung ersetzt, wobei der Selbstverwaltung absichtlich ein größerer Entscheidungsspielraum gelassen worden ist (s Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 2. Mai 1977 - BT-Drucks 8/338 S 51). Im gerichtlichen Verfahren kann daher nur geprüft werden, ob die Krankenkasse die gesetzlichen Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 39 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB 1 -).
Die der Krankenkasse in § 182a Satz 2 RVO eingeräumte Ermächtigung bezieht sich auf "besondere Härtefälle". Bei diesem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal handelt es sich nach Ansicht des Senats zwar nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen Auslegung es nur eine richtige und damit gerichtlich voll nachprüfbare Entscheidung geben kann, so daß als Ermessensbereich nur noch das sogenannte Folgeermessen übrig bleibt. Aus der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gesetzgebers, der Selbstverwaltung einen größeren Entscheidungsspielraum zu lassen (s BT-Drucks 8/338 S 51) ergibt sich vielmehr, daß der Ermessensbereich nicht nur auf das Folgeermessen beschränkt sein soll. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1971 - GmS OGB 3/70 - (NJW 1972, 1411, 1413) die Auffassung vertreten, daß nicht für alle Vorschriften, in denen eine Verbindung zwischen einem unbestimmten Begriff und einem "Können" der Behörde hergestellt ist, von vornherein festgelegt werden kann, ob es sich um eine Koppelung zwischen unbestimmten Rechtsbegriff und sich daran anschließender Ermessensausübung oder ob es sich um die Ermächtigung zu einer Ermessensausübung handelt, die sich an dem unbestimmten Begriff zu orientieren hat. Diese Auffassung wird vom erkennenden Senat geteilt. Die Frage, ob der Verwaltung ein Ermessen im ersteren oder letzteren Sinne eingeräumt ist, läßt sich deshalb nur für jede einzelne Vorschrift - vor allem anhand der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift - beantworten (s Beschluß des Gemeinsamen Senats aaO). Hinsichtlich des § 182a Satz 2 RVO zeigt die Entstehungsgeschichte, wie erörtert, daß der unbestimmte Begriff "in besonderen Härtefällen" nicht nur Voraussetzung, sondern auch Maßstab der Ermessensausübung sein soll (so auch Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand August 1978, § 182a Anm 5 iVm § 182c Anm 3; aA wohl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Juli 1978, § 182a Anm 8c S 17/336-3). Er bestimmt die Grenzen und den Inhalt des pflichtgemäßen Ermessens und ragt somit auch in den Ermessensraum der Verwaltung hinein (vgl Beschluß des Gemeinsamen Senats aaO).
Die Überprüfung des erkennenden Senats ergibt, daß die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen rechtsfehlerhaft sind, denn die Beklagte hat, wie sie selbst einräumt, überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt. Diese Ermessenserwägungen setzen voraus, daß die Krankenkasse vor der Entscheidung über die Befreiung eines Versicherten von Arzneikostenanteil sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Antragstellers sowie auch die medizinischen Umstände im Einzelfall prüft. Insbesondere gehört dazu auch die Prüfung, in welchem Umfang der Erkrankte voraussichtlich Arzneimittel benötigen wird, vor allem ob das laufend der Fall sein wird, weil sich daraus Schlüsse auf den Umfang seiner wirtschaftlichen Belastung ergeben. Das Erfordernis einer solchen Einzelfallprüfung ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut, denn die Befreiung kann nur in "besonderen" Härtefällen erfolgen; sie setzt also voraus, daß Umstände vorliegen, die den jeweiligen Sachverhalt über einen bloßen Härtefall hinaus noch besonders qualifizieren.
Das Erfordernis einer Einzelfallprüfung wird zudem deutlich aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorschrift. Vor dem Inkrafttreten des KVKG waren einzelne Personengruppen unbeschadet der Höhe ihres Einkommens von der Arzneikostenbeteiligung befreit. Diese Regelung wurde als sozialpolitisch unbefriedigend empfunden, weil sich auch die Einkommensverhältnisse dieser Personengruppen in den letzten Jahren erheblich verbessert hatten. Deshalb wollte die Bundesregierung bei der Neuregelung die generelle Begünstigung dieser Personengruppen beseitigen. Sie hielt aber eine Kostenbeteiligung von Versicherten weiterhin nicht für gerechtfertigt, wenn wegen einer längeren Krankheit laufend Arzneimittel benötigt werden und damit eine unzumutbare finanzielle Belastung für den Versicherten eintreten kann (s Begründung der Bundesregierung, BT-Drucks 8/166 S 25). Demgemäß lautete § 182a Abs 2 Satz 1 des ursprünglichen Entwurfs der Bundesregierung:
"Von der Zahlung nach Absatz 1 sind Versicherte befreit, die wegen länger dauernder Krankheit laufend Arzneimittel benötigen (BT-Drucks 8/166 S 5)".
Danach wäre die Krankenkasse bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne Rücksicht auf die sonstigen persönlichen Verhältnisse des Versicherten, also auch unabhängig von einem evtl Sozialhilfebezug, zur Befreiung verpflichtet gewesen. Vom Bundesrat wurde dann vorgeschlagen, Sozialhilfeempfänger, denen Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird, generell freizustellen (BT-Drucks 8/173 S 3). Dem widersetzte sich die Bundesregierung mit der bereits zitierten Äußerung, die aber nur den Zweck verfolgte, die ursprüngliche Fassung des Regierungsentwurfs zu verteidigen. Die Bundesregierung wollte vor allem verhindern, wieder bestimmte Personengruppen generell zu begünstigen (vgl BT-Drucks 8/166, S 25 und 8/338 S 61). Die Beratungen im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung ergaben dann einen Kompromiß, der sowohl den Wünschen der Bundesregierung (keine generelle Befreiung bestimmter Personengruppen) als auch den Wünschen des Bundesrats (Befreiung nicht nur, wenn laufend Arzneimittel benötigt werden, sondern auch in bestimmten Härtefällen) Rechnung trägt. Der Kompromiß wurde vom Ausschuß einstimmig beschlossen (s BT-Drucks 8/338 zu Art 1 § 1 Nr 7) und vom Bundestag verabschiedet.
Diese Entstehung des Gesetzes macht deutlich, daß der Gesetzgeber die Befreiung vom Arzneikostenanteil gerade nicht mehr von der Zugehörigkeit zu einer festgelegten Personengruppe (wie zB Rentner, Studenten, Sozialhilfeempfänger) abhängig machen, sondern bei der Entscheidung über die Befreiung lediglich auf die Gegebenheiten beim jeweiligen Antragsteller abstellen wollte. Die Zugehörigkeit zu einer derartigen Gruppe kann mithin für sich allein weder eine Befreiung begründen noch sie ausschließen. Da der Gesetzgeber als Beispielfall für das Vorliegen einer besonderen Härte den laufenden Bezug von Arznei-, Verbands- oder Heilmitteln ausdrücklich angeführt hat, ist die Krankenkasse verpflichtet, bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung vorrangig zu ermitteln, ob diese Voraussetzung vorliegt; der laufende Bezug ist als eine teilweise Konkretisierung der besonderen Härte von Gesetzes wegen anzusehen (vgl BVerwG, Urteil vom 17. August 1978 - 5 C 33.77 - in ZfS 1979, 88, 89). Erst mit der Vornahme der Einzelfallprüfung ist den gesetzlichen Voraussetzungen Genüge getan, die bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes "besonderer Härtefall" zu beachten sind. Ihr Ermessen kann die Krankenkasse sodann nur im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen anwenden. So müßte die Krankenkasse schon besondere Umstände dartun, wenn sie beim laufenden Bezug von Arzneimitteln die Befreiung verneinen wollte.
Die Beklagte hat daher auch über den Antrag der Klägerin aufgrund einer Einzelfallprüfung zu entscheiden. Sie darf dabei allgemeine Richtlinien beachten, soweit diese einer gleichmäßigen Ermessensanwendung dienen und mit dem Gesetz in Einklang stehen. Sie muß aber die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigen (Höhe der Einkünfte, Umfang des Arzneimittelbedarfs, sonstige finanzielle Belastungen usw). Da die Beklagte unstreitig eine solche Einzelfallprüfung unterlassen hat, lag eine Ermessensentscheidung entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung (vgl § 39 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil -) überhaupt nicht vor. Von ihrem Ermessen hätte die Beklagte nur dann Gebrauch gemacht, wenn sie im Bewußtsein ihrer Gestaltungsfreiheit Überlegungen angestellt hätte, wie sie dem konkreten Fall gerecht werden konnte (BSG vom 16. Januar 1969 - 5 RKnU 5/77 unter Hinweis auf BSGE 27, 34, 38). Deshalb müssen ihr Bescheid, den sie bereits am Tage der Antragstellung erteilt hat, sowie der diesen bestätigende Widerspruchsbescheid aufgehoben werden. Das hat zur Folge, daß über den Antrag der Klägerin erneut zu entscheiden ist. Der Beklagten bleibt zwar für diese Entscheidung ein Ermessensspielraum, sie hat aber die gesetzlichen Bestimmungen im Sinne der vom Senat dargelegte Rechtsauffassung zu beachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen