Orientierungssatz
Anwaltsassessoren unterliegen der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung.
Normenkette
AVG § 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.04.1962) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. April 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger beschäftigte vom 1. Mai 1956 bis zum 31. August 1957 den Beigeladenen Dr. M (M.) als Anwaltsassessor.
Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) forderte den Kläger durch Bescheid vom 16. April 1959 auf, für den Beigeladenen M. Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten (AV) für die Zeit vom 1. März bis zum 31. August 1957 in Höhe von rd. 380,- DM nachzuentrichten. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch mit der Begründung, der Beigeladene M. sei in der fraglichen Zeit nicht versicherungspflichtig gewesen, weil er als Anwaltsassessor sich nicht in der Ausbildung für den Beruf eines Angestellten befunden habe. Der Widerspruch wurde von der Widerspruchsstelle der beklagten AOK zurückgewiesen (Bescheid vom 18. Juni 1959).
Die Klage auf Aufhebung beider Bescheide wies das Sozialgericht ab (Urteil vom 29. November 1961).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 27. April 1962). Es ist davon ausgegangen, daß sich der Anwaltsassessor in der Ausbildung für den freien Beruf eines Rechtsanwalts - und nicht für den eines Angestellten - befinde. Wollte man daraus aber folgern, daß er nicht unter § 2 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) falle, so würde er "ausweglos" nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als Arbeiter versicherungspflichtig sein. Um die Anwaltsassessoren vor dem Zugriff der Rentenversicherung der Arbeiter zu bewahren, sei daher die Anwendung des § 2 Nr. 1 AVG erforderlich. Ein Anwalt werde durch seine Ausbildung befähigt, entsprechende Angestelltenberufe zu ergreifen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt mit dem Antrag,
die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der beklagten AOK vom 16. April und 18. Juni 1959 aufzuheben.
Er wendet sich gegen die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung, daß die Versicherungspflicht des Anwaltsassessors in der AV aus einem Vergleich mit der entsprechenden Regelung in der Rentenversicherung der Arbeiter abgeleitet werden könne. Der Anwaltsassessor befinde sich in der Ausbildung für einen Beruf, der nur freiberuflich ausgeübt werden könne. Er erhalte auch kein Entgelt, sondern nur eine Unterhaltsbeihilfe. Die Möglichkeit, die Versicherung in der AV nach Beendigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung freiwillig fortzusetzen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AVG), habe für den Anwaltsassessor und späteren Rechtsanwalt keine Bedeutung, da er regelmäßig keine entsprechenden Vorversicherungszeiten nachweisen könne.
Der Beigeladene M. ist dieser Auffassung beigetreten.
Die beklagte AOK und die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte haben beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG den Beigeladenen M. in der Zeit vom 1. März 1957 bis zum 31. August 1957 als versicherungspflichtig in der AV (§ 2 Nr. 1 AVG) und dementsprechend den Kläger als beitragspflichtig angesehen. Als Assessor im anwaltlichen Probedienst war der Beigeladene M. in der fraglichen Zeit entgeltlich beschäftigter Angestellter. Wie der Senat in der Entscheidung vom gleichen Tage - 3 RK 68/60 - näher dargelegt hat, wurde das Beschäftigungsverhältnis des Anwaltsassessors in persönlicher Abhängigkeit unter Vergütung der Dienstleistungen ausgeübt. Damit sind die wesentlichen Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis - und zwar als Angestellter "in höherer Stellung" (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AVG) - gegeben. Hiermit stimmt überein, daß die Bezüge des Anwaltsassessors regelmäßig als lohnsteuerpflichtig behandelt wurden, d. h. auch im Lohnsteuerrecht das Dienstverhältnis des Anwaltsassessors als abhängiges Beschäftigungsverhältnis angesehen wurde.
Demgemäß war die Revision des Klägers gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen