Leitsatz (amtlich)

Teilversicherungen bei privaten Versicherungsunternehmen, insbesondere sogenannte Krankenhauskosten- oder Krankenhaustagegeldversicherungen begründen keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4.

 

Leitsatz (redaktionell)

Voraussetzung für den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 ist das Bestehen einer Krankenkostenvollversicherung.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, S. 1 Fassung: 1956-06-12

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 1963 und das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 7. Juni 1963 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Juli 1960 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Da er nicht die in § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgesehene Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung (KrV) erfüllt, gehört er nicht zu den darin bezeichneten Rentnern, die kraft Gesetzes gegen Krankheit versichert sind. Er hat seit 1952 bei der Deutschen Krankenversicherungs-AG eine private Krankenhauskostenversicherung abgeschlossen. Sein Beitrag hierfür betrug zunächst 43,- DM monatlich und hat sich später noch erhöht.

Im März 1962 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil den bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versicherten Rentnern der geforderte Beitragszuschuß nur gewährt werden könne, wenn sie eine Krankenkostenvollversicherung und nicht nur eine Krankenhauskosten- oder eine sonstige Teil- oder Zusatzversicherung eingegangen seien.

Das Sozialgericht (SG) Detmold hat dagegen die Beklagte auf die vom Kläger erhobene Klage hin verurteilt, ihm einen Bescheid über die Gewährung des begehrten Ausgleichsbetrages in gesetzlicher Höhe zu erteilen. § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO verlange als Voraussetzung für den dort vorgesehenen Beitragszuschuß nur das Bestehen einer Versicherung gegen Krankheit. Hierfür genüge schon die Krankenhauskostenversicherung. Zwar seien die nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO pflichtversicherten Rentner voll gegen Krankheit versichert. Das schließe aber einen Beitragszuschuß zu privaten Teil- oder Zusatzversicherungen nicht aus. Wenngleich die Beiträge alsdann geringer seien als bei Vollversicherungen, müsse doch beachtet werden, daß die Versicherten als Ausgleich dafür auch im größeren Umfange Leistungen selbst zu übernehmen hätten. Ihr Schutz- und Hilfsbedürfnis sei deshalb nicht geringer als das der Vollversicherten und der nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 RVO Pflichtversicherten. Ein Umkehrschluß aus den letztgenannten Vorschriften sei deshalb nicht zulässig.

Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen ist in seinem Urteil vom 10. Dezember 1963 der Auffassung des SG gefolgt. § 381 Abs. 4 RVO sei erst bei der zweiten und dritten Lesung des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) eingefügt worden. Es fehlen also ein Regierungsentwurf und ein schriftlicher Ausschußbericht. Den mündlichen Ausführungen der Abgeordneten K. in der zweiten und dritten Lesung des Gesetzes am 19. April 1956 (Bericht über die 141. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages S. 7277/7278) sei nur zu entnehmen, daß mit der Gewährung des Beitragszuschusses an die in § 381 Abs. 4 Satz 1 und 2 RVO bezeichneten Personen dem Gleichheitsgrundsatz habe entsprochen werden sollen. Die Rentner, die nicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 RVO pflichtversichert seien, aber von sich aus eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen KrV begründet oder eine private KrV abgeschlossen hätten, hätten nicht schlechter gestellt werden sollen als die pflichtversicherten Rentner. Hieraus könne jedoch nicht im Wege des Umkehrschlusses hergeleitet werden, es müsse somit zur Auslösung der Rechtsfolgen des § 381 Abs. 4 RVO stets auch eine dem umfassenden Versicherungsschutz der pflichtversicherten Rentner entsprechende, vollen Krankenversicherungsschutz gewährende private KrV abgeschlossen sein. Bei einer solchen Auffassung werde die typische Gestaltung privater Versicherungsverträge verkannt und die erstrebte Gleichbehandlung aller Rentner letztlich verfehlt. Im Gegensatz zur gesetzlichen KrV sei im privaten Versicherungsgewerbe die Beteiligung der Versicherten an den entstehenden Krankheitskosten die Regel. Darüber hinaus seien dort nicht nur die Aussteuerungsvorschriften und die Vorschriften über die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Familienangehörige im allgemeinen ungünstiger als in der gesetzlichen KrV, sondern es würde häufig auch für bestimmte Erkrankungen, insbesondere Vorerkrankungen, der Versicherungsschutz von vornherein ausgeschlossen. Eine Vollversicherung der in der gesetzlichen KrV üblichen Art würde daher bei Privatversicherten nur in wenigen Ausnahmefällen bestehen und dann auch nur zu unverhältnismäßig höheren Beiträgen. Deshalb müsse das Bestehen einer Teilversicherung zumindest dann genügen, wenn durch sie offenkundig ein nicht unerheblicher Versicherungsschutz im Krankheitsfalle gewährleistet sei. Diesem Erfordernis genüge eine Krankenhauskostenversicherung, weil sie das größte Risiko, nämlich die mit stationärer Behandlungsbedürftigkeit verbundene Erkrankung, kostenmäßig abdecke.

Hiergegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrage,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 1963 und das Urteil des SG Detmold vom 7. Juni 1963 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 11. Mai 1962 bzw. 1. November 1962 abzuweisen.

Gerügt wird Verletzung des § 381 Abs. 4 RVO. Bei der Auslegung des Begriffs "gegen Krankheit versichert" im Sinne des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO müsse davon ausgegangen werden, was die gesetzliche KrV unter dem ihre Leistungspflicht auslösenden Versicherungsfall der Krankheit verstehe. Hier sei Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der in der Notwendigkeit einer Krankenpflege oder in Arbeitsunfähigkeit wahrnehmbar zutage trete. Der Umfang des Versicherungsschutzes, den damit die gesetzliche KrV im Falle der Krankheit biete, gelte als Maßstab für die vertraglichen Leistungen der privaten Versicherungsunternehmen. Allerdings erreiche hier der Versicherungsschutz in der Regel nicht die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Das gehe schon daraus hervor, daß die gesetzliche KrV eine Sachleistungsversicherung, die private KrV dagegen eine Krankheitskostenversicherung darstelle. Hier fielen dem Versicherungsnehmer in vielen Fällen im Rahmen der Tarife gewisse Kostenanteile selbst dann zur Last, wenn eine Krankheitskostenvollversicherung bestehe. Ein Rentenbewerber sei allein dann "gegen Krankheit versichert" (§ 381 Abs. 4 Satz 2 RVO), wenn er grundsätzlich Versicherungsschutz gegen die durch regelwidrige Körper- oder Geisteszustände auftretenden Vermögensschäden genieße, seien sie durch ambulante oder stationäre Behandlung entstanden. Diesem Erfordernis genüge allein die private Krankenkostenvollversicherung. Sie erfasse ambulante und stationäre Behandlung in einem Tarif. Dagegen erreichten weder die Krankenhauskosten- noch die Tagegeldversicherungen diesen Versicherungsschutz. Zudem werde in § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO von "gleichen Ansprüchen" gesprochen. Damit würden den Verhältnissen entsprechend gleiche Bedingungen wie für § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO vorausgesetzt. Der privat Versicherte müsse somit auch aus diesem Grunde einen dem gesetzlichen Krankenversicherungsschutz entsprechenden Versicherungsvertrag abgeschlossen haben; eine Teilversicherung genüge hierzu nicht. Wollte man den Teilversicherten den Beitragszuschuß ebenfalls gewähren, würde damit der Kerngedanke der Gleichbehandlung verkannt.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision. Er schließt sich der Auffassung der Vorinstanzen an und weist noch darauf hin, daß er inzwischen 65 Jahre alt geworden sei. Eine einigermaßen ausreichende Vollversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen würde ihn daher mindestens 60,- DM monatlich kosten. Einen solchen Beitrag könne ein Rentner ohne Inanspruchnahme seiner Rente aus dem Beitragszuschuß nicht decken.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Nach § 381 Abs. 4 Satz 1 und 2 RVO erhalten unter bestimmten Voraussetzungen Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente oder einer Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder eines Ruhegeldes oder einer Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Angestellten erfüllen, aber nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Personen gehören (vgl. BSG 14, 112, 115, 116) - und hierzu zählt der Kläger -, auf ihren Antrag von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag einen Beitragszuschuß. Wenn sie freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen KrV sind, erhalten sie einen Betrag, der dem Durchschnitt der von dem Rentenversicherungsträger für die Pflichtversicherten zur Verfügung gestellten Beiträgen entspricht. Den "gleichen Anspruch" haben diejenigen unter ihnen, "die bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind."

Mit Recht macht die Beklagte geltend, daß der Sinn der damit ausgesprochenen Gleichstellung der bei einem privaten Versicherungsunternehmen versicherten Rentner der genannten Art mit den in der gesetzlichen KrV freiwillig versicherten Rentnern es erfordert, daß bei jenen etwa der gleiche Versicherungsschutz gewährleistet ist wie bei diesen. Schon deshalb ist anzunehmen, daß § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO den Abschluß einer sogenannten Vollversicherung in der Form voraussetzt, daß sowohl für ambulante als auch für stationäre Behandlung Versicherungsschutz besteht, wobei es hingenommen werden muß, daß in der Regel in der privaten Krankenversicherung eine volle Kostendeckung nicht besteht. Andernfalls würde der Beitragszuschuß bei nicht vergleichbaren Tatbeständen zu zahlen sein.

Es ist auch zu berücksichtigen, daß der Senat in BSG 14, 116 ausgesprochen hat, daß den freiwillig gegen Krankheit versicherten Rentnern von den Trägern der Rentenversicherung der in § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO erwähnte Durchschnittsbetrag der Beiträge für die Pflichtversicherten ohne Rücksicht darauf zu zahlen ist, wie hoch ihr eigener Beitrag zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ist. Es wäre gerade bei dieser Rechtslage nicht sinnvoll und würde dem Streben des Gesetzgebers widersprechen, die nicht pflichtversicherten Rentner durch Zahlung des Beitragszuschusses zum Abschluß von freiwilligen Versicherungen zu veranlassen, die ihnen einen den Pflichtversicherten annähernd gleichen Versicherungsschutz gewähren, wenn der volle Beitragszuschuß schon bei Abschluß einer Teilversicherung zu zahlen wäre, die - wie insbesondere bei Krankenhaustagegeld- sowie Krankenhauskostenversicherungen - bereits zu sehr niedrigen Beitragssätzen abgeschlossen werden können. Auch aus diesem Grunde kann daher für den Anspruch auf den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO eine Teil- oder Zusatzversicherung nicht genügen.

Allerdings ist zuzugeben, daß der Kläger damit insoweit benachteiligt ist, als er trotz eines sehr hohen Beitrags für seine Krankenhauskostenversicherung überhaupt keinen Zuschuß erhält, und der Senat hat erwogen, ob etwa eine Teilversicherung der zuvor erwähnten Art unter gewissen Bedingungen als ausreichend für die Gewährung des Beitragszuschusses angesehen werden könnte, insbesondere etwa dann, wenn sie einen nicht nur geringfügigen Versicherungsschutz gewährt oder wenn sie zu einem nicht unerheblichen Beitragssatz abgeschlossen ist. Eine solche im Gesetz selbst nicht vorgesehene Regelung würde indes die Grenzen einer zulässigen Auslegung des Gesetzes weit überschreiten und überdies die Verwaltung und die Gerichte bei Abgrenzung der ausreichenden Teilversicherungen vor außerordentliche Schwierigkeiten stellen.

Im übrigen aber muß sich der Kläger entgegenhalten lassen, daß eine Krankenhauskostenversicherung in der Regel unschwer in eine Krankenkostenvollversicherung umgewandelt werden kann. Alsdann würde er den Beitragszuschuß erhalten. Außerdem bliebe ihm immer noch die Möglichkeit, nach § 176 Abs. Nr. 4 RVO freiwillig der gesetzlichen KrV beizutreten und so den Beitrag nach § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO zu erhalten.

Somit konnte der entgegenstehenden Auffassung des LSG nicht gefolgt werden und die Revision der Beklagten mußte den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 42

NJW 1965, 1735

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