Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendbarkeit des KOV-VfG § 47 Abs 1 bei zu Unrecht bewilligten Leistungen:
Versorgungsleistungen, die von Anfang an unter Verletzung der Ruhensvorschriften des BVG § 65 Abs 1 Nr 2 bewilligt wurden, können, sofern lediglich ein Ruhensbescheid ergangen ist, nicht nach KOV-VfG § 47 Abs 1, sondern nur in entsprechender Anwendung des KOV-VfG § 47 Abs 3 zurückgefordert werden.
Normenkette
BVG § 65 Abs. 1 Nr. 2; KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 3 S. 2 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, § 41 Fassung: 1960-06-27; BVG § 65 Abs. 2 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Mai 1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Kläger wurde im Februar 1945 bei seinem Einsatz als Reservelokführer auf einem holländischen Bahnhof durch Bombensplitter am Kopf verwundet. Mit Bescheid vom 1. September 1948 gewährte die Reichsbahn-Versicherungsanstalt Kriegsbeschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. Die Bundesbahn-Versicherungsanstalt übersandte die Rentenakte 1951 an das Versorgungsamt (VersorgA). Nachdem der Kläger am 5. Juli 1951 angegeben hatte, er beziehe von der Bundesbahn eine Pension von monatlich 195,- DM, gewährte das VersorgA mit Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 30. August 1951 Grundrente nach einer MdE um 50 v. H., ab 1. Juni 1951 um 70 v. H. 1954 und 1955 wurde der Fall des Klägers überprüft; 1955, 1956 sowie 1957 wurden die Bezüge nach den jeweiligen Novellen zum BVG umgestellt. Nachdem die Bundesbahndirektion im Mai 1958 mitgeteilt hatte, dem Kläger werde wegen seines Dienstunfalles der Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG rückwirkend ab 1. Januar 1955 gewährt, teilte das VersorgA dem Kläger im Mai 1958 mit, es sei jetzt erstmalig bekannt geworden, daß er wegen der 1945 erlittenen Verwundung einen Unfallausgleich nach § 139 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erhalte. Da nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG in einem solchen Fall das Recht auf Versorgung ruhe, werde die Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ende Mai 1958 vorsorglich eingestellt. Nach Rückfrage bei der Bundesbahn und Geltendmachung eines Ersatzanspruchs auf eine Nachzahlung nach § 71 a BVG erteilte das VersorgA am 11. Juli 1958 einen auf § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG und § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) gestützten Änderungs- und Rückforderungsbescheid. Für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1958 habe der Unterschiedsbetrag zwischen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge und den Bezügen nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen die Höhe der Grundrente überstiegen, weshalb kein Anspruch auf Rente bestanden habe. Der überzahlte Betrag von 4.566,- DM wurde nach § 47 Abs. 1 VerwVG zurückgefordert. Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen, weil die Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers vertretbar sei. Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab, da die Rückzahlung in Monatsraten von 50,- DM zumutbar sei. Im Berufungsverfahren vertrat der Beklagte die Auffassung, die Anwendung der §§ 41 oder 42 VerwVG scheide aus, da keiner der Bescheide rechtswidrig sei, sondern nur die Auszahlung nicht hätte erfolgen dürfen. Der Rückforderungsanspruch ergebe sich nicht aus § 47 Abs. 2 u. 3, sondern aus § 47 Abs. 1 VerwVG. Das Landessozialgericht (LSG) hob mit Urteil vom 12. Mai 1964 das SG-Urteil auf und änderte den Bescheid vom 11. Juli 1958 dahin ab, daß kein Anspruch auf Rückforderung von Versorgungsbezügen bestehe. Daß in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1958 wegen Ruhens der Versorgungsbezüge kein Anspruch auf Auszahlung bestehe, sei unstreitig. Für die strittige Rückforderung sei § 47 VerwVG maßgebend, und zwar auch für die Zeit vor dem 1. April 1955, weil diese Bestimmungen alle am 1. April 1955 anhängigen Rückforderungsfälle erfasse (§ 52 VerwVG). Auf Abs. 2 dieser Vorschrift könne die Rückforderung nicht gestützt werden, weil es an einer wesentlichen Änderung fehle. Bereits der Umanerkennungsbescheid vom 30. August 1951 sei hinsichtlich der Zahlbarkeit der Rente objektiv rechtswidrig gewesen. Bei dieser Sachlage könne der Rückforderungsanspruch nicht auf § 47 Abs. 1 VerwVG gestützt werden. Abs. 3 beziehe sich auf Bescheide, die von Anfang an fehlerhaft waren. Auf die §§ 41 oder 42 VerwVG berufe sich der Beklagte aber nicht. Auch fehle es an der nach § 41 VerwVG erforderlichen Zustimmung des Landesversorgungsamts. § 47 Abs. 3 VerwVG sei jedoch auf den vorliegenden, ähnlich gelagerten Fall entsprechend anzuwenden. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Satz 2 a VerwVG seien aber nicht erfüllt, da der Kläger die Tatsache seines Ruhegehalts nicht verheimlicht habe. Zwar sei im Schreiben der Bundesbahndirektion an den Kläger vom 30. Januar 1950 angegeben, das Ruhegehalt betrage nach den Unfallbestimmungen 66 2/3 v. H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge; der Kläger habe aber hieraus nicht ersehen können, welche Folgen die Gewährung des Ruhegehalts aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge für die Zahlbarkeit seiner Versorgungsrente hatte. Da die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 VerwVG nicht gegeben seien, könne auch Abs. 1 aaO nicht angewandt werden, denn dieser komme nur zum Zuge, "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist". Aber auch wenn man § 47 Abs. 1 VerwVG unmittelbar anwenden wollte, sei die Rückforderung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Zu Unrecht trage der Beklagte vor, er habe aus den Angaben des Klägers 1951 nicht entnehmen können, daß es sich bei dem Betrag von 195,- DM um Leistungen nach beamtenunfallfürsorgerechtlichen Bestimmungen gehandelt habe. Bei Berücksichtigung der Rentenakten habe die Annahme nahegelegen, daß solche Bezüge gewährt worden seien. Das VersorgA hätte dies im Hinblick auf § 65 BVG klären müssen. Die Folgen dieses Versäumnisses könnten nicht zu Lasten des Klägers gehen, der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe. Die Revision wurde zugelassen.
Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 65 Abs. 1 Ziff. 2 BVG; das LSG habe die in § 71 a BVG aF und § 71 b BVG nF enthaltenen Gedanken nicht gewürdigt und deshalb § 47 VerwVG nicht richtig angewandt. Der Grundsatz von Treu und Glauben könne nicht zur Anwendung kommen, ebenso nicht die Absätze 2 u. 3 des § 47 VerwVG. Nach § 71 a BVG aF, § 71 b BVG nF erfolge in den Fällen des § 65 Abs. 1 Ziff. 2 BVG ein Übergang kraft Gesetzes, dies bedeute für den Rentenempfänger eine Rückerstattung überzahlter Versorgungsbezüge. § 65 BVG bewirke das Ruhen von Versorgungsleistungen kraft Gesetzes, unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses des Ruhensbescheides. Die früheren Bescheide seien nicht rechtswidrig, da das Ruhen den Leistungsanspruch nicht berühre, sondern nur das Recht auf Auszahlung aufhebe. Auch ein bindender Bescheid über das Bestehen des Anspruchs könne den Tatbestand des Ruhens nicht ausschließen. Der Bescheid vom 11. Juli 1958 habe hinsichtlich des Ruhens nur deklaratorische Bedeutung. Auf der anderen Seite lebten bei Wegfall des Ruhensgrundes die Leistungen wieder auf. Da die Absätze 2 u. 3 des § 47 VerwVG nicht zum Zuge kämen, greife der auch auf allen anderen Gebieten vorherrschende Rechtsgrundsatz, daß doppelte Leistungen zurückzuzahlen seien, hier durch, weshalb nur § 47 Abs. 1 VerwVG zur Anwendung komme. Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zwar komme nur § 47 Abs. 1 VerwVG zur Anwendung, doch seien hierbei die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts anzuwenden. Der Kläger habe die Leistungen acht Jahre lang in gutem Glauben bezogen und darauf vertrauen dürfen, daß die Rente rechtmäßig gewährt werde. Im übrigen sei die Frage der Verjährung vom LSG nicht geprüft worden. Diese Einrede werde vorsorglich erhoben.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sachlich ist sie nicht begründet.
Streitig ist nur, ob der Beklagte die in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1958 nach dem BVG gewährten Leistungen (abzüglich der nach § 86 Abs. 1 BVG aF für die Zeit bis zum 30. September 1951 dem Kläger verbleibenden Beträge), die unstreitig wegen Ruhens des Rechts auf Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 Ziff. 2 BVG nicht hätten ausgezahlt werden dürfen, in Höhe von 4.566,- DM zurückfordern kann. Dies war zu verneinen.
Zunächst geht der Hinweis der Revision auf die §§ 71 a BVG aF bzw. 71 b BVG nF fehl. Denn § 71 a BVG aF betrifft nur die Fälle, in denen Ausgleichsrente (oder Elternrente) gewährt worden ist; Ausgleichsrente hat der Kläger jedoch nie erhalten; der Unfallausgleichsbescheid der Bundesbahn vom 17. Februar 1958 sieht auch keinerlei Nachzahlung von Bezügen vor, auf die die Versorgungsbehörde Ansprüche hätte erheben können. § 71 b BVG nF gilt erst vom Inkrafttreten des 1. Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) an, d. h. ab 1. Juni 1960, und ist schon deshalb nicht anwendbar.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, kann die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG rückwirkend auch für die Zeit angewandt werden, für welche die Rente bereits bewilligt war (BSG 4, 284). Im Falle des Ruhens der Rente endet die Pflicht zur Renten zahlung kraft Gesetzes in dem Zeitpunkt, in welchem der Tatbestand, der das Ruhen zur Folge hat, eintritt. Der Ruhensbescheid stellt dies lediglich fest und kann sich daher auch auf die rückliegende Zeit beziehen, für welche die Rente vorher bewilligt war (BSG 4, 285; vgl. auch BSG 7, 206 und BSG 20, 161). Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungen, die auf Grund früher ergangener Bescheide gewährt worden sind, im Falle des Ruhens nachträglich vom Versorgungsberechtigten zurückgefordert werden können. Nur dies ist im vorliegenden Fall streitig. Das BSG hat sich in seinem Urteil BSG 4, 285 auf die Entscheidung des Reichsversicherungsamts - RVA - Nr. 5294 (AN 1939, 246) bezogen, in der ausgesprochen ist, daß der Versicherungsträger, wenn er bei Festsetzung einer Invalidenpension den Bezug einer Unfallrente übersehen hat und infolgedessen die ruhenden Rententeile ausgezahlt worden sind, diese Beträge nach Treu und Glauben nicht zurückfordern kann , wenn der Versicherte den Bezug der Unfallrente ordnungsgemäß mitgeteilt hatte und die Überzahlung deshalb lediglich auf einem Verschulden des Versicherungsträgers beruht. Es wurde somit schon damals zutreffend zwischen der sachlich-rechtlichen Wirkung der Ruhensvorschriften und der Verpflichtung zur Rückerstattung unterschieden und angenommen, daß das rückwirkend kraft Gesetzes eingetretene Ruhen nicht ohne weiteres und uneingeschränkt die Verpflichtung zur Rückzahlung der zuviel erhaltenen Beträge zur Folge hat. Auch nach geltendem Recht bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob der Anspruch der Versorgungsbehörde auf Rückforderung begründet ist.
Mit Recht hat das LSG eine Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG abgelehnt, da hinsichtlich der Voraussetzungen des Ruhens in der Zwischenzeit keine wesentliche Änderung eingetreten ist, vielmehr der gleiche Zustand von Anfang an, d. h. seit dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des 1. Oktober 1950, unverändert bestanden hat. Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 4 nicht entgegen, denn dort hatte das Recht auf Versorgungsbezüge nur "für einen bestimmten Zeitraum" geruht; das BSG hatte hier eine durch die Gewährung der höheren beamtenrechtlichen Unfallfürsorge die Lebenshaltung des Empfängers berührende "wesentliche Änderung der Verhältnisse" angenommen. Zur Entscheidung der strittigen Frage kann aber auch nicht § 47 Abs. 3 VerwVG - jedenfalls nicht unmittelbar - herangezogen werden, weil ein auf die §§ 41 oder 42 VerwVG gestützter Bescheid nicht vorliegt. Außerdem fehlt es nach der unangegriffenen Feststellung des LSG auch an der nach § 41 Abs. 2 VerwVG erforderlichen vorherigen - nicht nachholbaren - Zustimmung des Landesversorgungsamts zur Erteilung eines Bescheides nach § 41 VerwVG. Für einen Bescheid nach § 42 VerwVG wäre überdies die Fünfjahresfrist des § 43 Abs. 2 VerwVG (am 30. August 1956) abgelaufen (vgl. BSG in SozR VerwVG § 43 Nr. 1).
Wenn der Beklagte die Versorgungsbezüge sonach nicht nach § 47 Abs. 2 oder 3 VerwVG zurückverlangen kann, so war zu prüfen, ob als Anspruchsgrundlage für die Erstattung § 47 Abs. 1 VerwVG in Betracht kommt. Hiernach sind zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. Als Ausnahmen von § 47 Abs. 1 VerwVG sind in Abs. 2 und 3 die Fälle geregelt, in denen eine Berichtigung nach den §§ 41, 42 VerwVG, 62 BVG erfolgt ist. Die Tragweite des § 47 Abs. 1 VerwVG kann nur dann zutreffend erkannt werden, wenn man die Funktion berücksichtigt, die dieser Vorschrift im Verfahrensrecht der Kriegsopferversorgung und auch materiell-rechtlich zukommt. Aus ihrem Wortlaut könnte zwar entnommen werden, die Versorgungsverwaltung sei berechtigt, vorbehaltlich der anderweitigen Regelung in den folgenden Absätzen Leistungen schon deshalb zurückzufordern, weil sie in Widerspruch zum materiellen Versorgungsrecht bewilligt wurden. Diese Bedeutung hat § 47 Abs. 1 VerwVG nicht. Die Vorschrift stellt keineswegs den Grundsatz auf, daß bei Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen über die Bindungswirkung unanfechtbar gewordener Bescheide hinweggegangen werden könne. Eine solche Auslegung stünde in unvereinbarem Gegensatz zu der in den §§ 24 VerwVG, 77 SGG angeordneten Bindungswirkung unanfechtbar gewordener Bescheide, die einen Grundsatz des Kriegsopferrechts darstellt. Daß § 47 Abs. 1 VerwVG die sich aus anderen Vorschriften ergebende Bindungswirkung keineswegs antasten will, ergibt sich auch daraus, daß in Abs. 2 und 3 an Stelle der vollen Rückgewähr der zu Unrecht empfangenen Leistungen eine Rückforderung nur in beschränktem Rahmen zugelassen bzw. grundsätzlich sogar ausgeschlossen wird. Da die Rückforderung nach Abs. 2 und 3 aaO auch nur gestattet wird, wenn ein die Bindungswirkung durchbrechender Verwaltungsakt nach den §§ 41, 42 VerwVG oder § 62 BVG ergangen ist, kann § 47 Abs. 1 nicht als eine Vorschrift angesehen werden, die die Bindungswirkung unanfechtbarer Bescheide beseitigt oder einschränkt. Sie trifft vielmehr nur Bestimmungen über Sachverhalte, bei denen eine Bindungswirkung gar nicht in Betracht kommt, so z. B. bei irrtümlich höher gezahlter als bewilligter Rente oder bei Zahlung ohne Bewilligungsbescheid.
§ 47 VerwVG hat keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, was zu gelten hat, wenn Versorgungsbezüge zu Unrecht zuerkannt wurden, die nach § 65 BVG wegen Ruhens nicht hätten zahlbar gemacht werden dürfen. Aus § 65 BVG ergibt sich nur, daß, soweit der Ruhenstatbestand erfüllt ist, die Leistungen nicht gewährt werden dürfen. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, welche Rechtsfolgen die unter Verstoß gegen diese Bestimmung erfolgte Gewährung von Leistungen haben soll. Das Ruhen ist ein der Bewilligung von Versorgungsleistungen entgegenstehendes - negatives - Tatbestandsmerkmal und hindert ebenso wenig wie in anderen Fällen, in denen Leistungen ohne eine gesetzliche Grundlage zuerkannt werden, daß aus dem rechtswidrigen Bescheid tatsächliche und auch rechtliche Wirkungen entstehen. Der 11. Senat des BSG, der in SozR BVG § 65 Nr. 6 ausgesprochen hat, daß das kraft Gesetzes eintretende Ruhen der Versorgungsbezüge die Bindung an den Bescheid nicht beseitige, es sei denn, die Versorgungsverwaltung könne sich auf eine gesetzliche Ermächtigung für die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 41 VerwVG oder § 62 BVG) stützen, zieht die Folgerungen, die sich aus der Annahme einer vollen Bindungswirkung ergeben. Der 8. Senat vertritt dagegen in BSG 20, 164 die Auffassung, das Ruhen von Versorgungsleistungen trete unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses eines dahingehenden Bescheides ein, die Ruhensvorschriften seien ohne Rücksicht auf den früher erteilten, bindend gewordenen, sogar bindend gebliebenen Bescheid rückwirkend von dem Zeitpunkt an anzuwenden, in dem ihre Voraussetzungen gegeben sind (ähnlich 8. Senat in BSG 4, 281 und SozR VerwVG § 47 Nr. 4). Der erkennende Senat ist durch keines dieser Urteile an einer abweichenden Entscheidung gehindert: Durch das Urteil des 11. Senats schon deshalb nicht, weil die Zuständigkeit dieses Senats auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung nicht mehr besteht. Außerdem betraf seine Entscheidung nicht Rückerstattungsansprüche nach dem BVG, sondern nach Art. 30 Abs. 4 des KBLG. In den vom 8. Senat in BSG 20, 164 und SozR VerwVG § 47 Nr. 4 entschiedenen Fällen waren die zurückgeforderten Leistungen nicht von Anfang an rechtswidrig unter Verstoß gegen § 65 BVG bewilligt worden, in BSG 4, 281 und 7, 206 war ein Rückforderungsanspruch überhaupt nicht streitig.
Der Senat hatte jedoch in Betracht zu ziehen, daß der 8. Senat in BSG 20, 164 ausgesprochen hat, nach § 65 BVG trete das Ruhen von Versorgungsleistungen "ohne Rücksicht auf den früher erteilten und bindend gewordenen, sogar bindend gebliebenen" Bescheid rückwirkend ein. Das bedeutet, daß die Versorgungsbehörde neben dem Bescheid, der das Ruhen feststellt, nicht auch noch einen gesonderten Rücknahmebescheid erlassen muß. Wenn auch Bewilligungsbescheide, in denen § 65 BVG verletzt wurde, nach Erlaß eines Ruhensbescheides - wie dargelegt - nicht rechtlich völlig bedeutungslos geworden sind, so bedarf es hiernach doch keiner förmlichen Rücknahme nach Maßgabe der §§ 62 BVG, 41 oder 42 VerwVG mehr. Es ist vielmehr nur noch zu prüfen, ob der Versorgungsbehörde ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der zu Unrecht gewähren Leistungen zusteht (vgl. hierzu BSG 20, 165, 166; BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 4 Ca 3).
Die Voraussetzungen, unter denen zu Unrecht erhaltene Versorgungsleistungen zurückerstattet werden müssen, sind in § 47 VerwVG, jedenfalls für die Zeit ab 1. April 1955 abschließend, geregelt. Dabei hat der Gesetzgeber jedoch nicht beachtet, daß es bei Erlaß eines Ruhensbescheides nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BVG Fälle geben kann, in denen, wie hier, weder die Voraussetzungen der Abs. 1, 2 noch des Abs. 3 des § 47 VerwVG gegeben sind. Der Senat hat daher geprüft, ob diese Lücke im Gesetz durch eine analoge Anwendung der in § 47 VerwVG enthaltenen gesetzlichen Regelung der Rückerstattung geschlossen werden muß. Er hat diese Frage dahin bejaht, daß die Gesetzeslücke im vorliegenden Fall nach den in § 47 Abs. 3 VerwVG enthaltenen Grundgedanken auszufüllen ist. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift ist gerechtfertigt, weil hier ebenso wie im Falle des § 41 VerwVG Bezüge von Anfang an zu Unrecht gewährt wurden und sich hiernach der Vertrauensschutz bemißt, den § 47 Abs. 3 VerwVG dem gutgläubigen Versorgungsempfänger zubilligt, und der darum auch bei diesem rechtsähnlichen Sachverhalt nicht versagt werden darf. Die Konkretisierung des im Gesetz nur abstrakt und generell festgelegten Anspruchs auf eine öffentlich-rechtliche Leistung, die durch einen Bescheid erfolgt ist, ist bei Prüfung der Frage, ob ein Rückerstattungsanspruch besteht, rechtlich zu honorieren; der "Rechtswert" des Bescheides, der sich in seiner Wirksamkeit und in der Bindung der Beteiligten äußert, ist - jedenfalls insoweit - anzuerkennen (vgl. Haueisen DÖV 1962, S. 799). Die Rückforderung zu Unrecht empfangener Leistungen ist hier ebenso zu beurteilen, wie dies ausdrücklich in § 47 Abs. 3 VerwVG für den Fall geregelt ist, daß ein Bescheid nach § 41 VerwVG zurückgenommen wurde. Denn es ist kein stichhaltiger Grund ersichtlich, weshalb der Kläger im vorliegenden Falle schlechter gestellt werden sollte, als dies für die Rücknahme eines von Anfang zweifelsfrei unrichtigen Bescheides gemäß § 41 VerwVG in § 47 Abs. 3 VerwVG gesetzlich bestimmt ist.
Das LSG hat festgestellt, die Unrichtigkeit der früheren Bescheide beruhe nicht darauf, daß der Kläger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen habe, daß er bei dem Empfang der Bezüge auch nicht gewußt habe, daß sie ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden (§ 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG). Die diesen rechtlichen Schlußfolgerungen zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind von der Revision nicht angegriffen und daher der Entscheidung zugrunde zu legen (§ 163 SGG). Die rechtliche Beurteilung des LSG läßt somit für die Zeit ab 1. April 1955, dem Inkrafttreten des VerwVG, keinen Rechtsirrtum erkennen.
Wie das BSG entschieden hat, wirkt die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach dem VerwVG zwar auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Bescheid erlassen ist, jedoch nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 9). Die Voraussetzungen des § 52 VerwVG sind hier nicht gegeben, da der angefochtene Bescheid erst im Jahre 1958 ergangen ist (vgl. BSG aaO Nr. 21). Die Frage, ob die in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. März 1955 gewährten Leistungen zurückzuerstatten sind, ist, da die Bestimmungen des VerwVG insoweit nicht anwendbar sind, nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu beurteilen. Daß diese Grundsätze auch für Verwaltungsakte der Behörden der Kriegsopferversorgung gelten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt (vgl. BSG 8, 11, 14; 15, 81; Urt. des erkennenden Senats vom 27. Februar 1963 - 9 RV 558/59 -).
Hiernach ist das nach dem Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) bestehende öffentliche Interesse an der Beseitigung rechtswidriger Verwaltungsakte gegenüber dem Interesse des Begünstigten am Schutz des Vertrauens in den Bestand behördlicher Verfügungen, das nach dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit gleichfalls schutzwürdig ist, abzuwägen (BSG 8, 11, 14; 10, 72, 74; 15, 81; Urteil vom 22. März 1962 - 8 RV 989/58 = BVBl 62, 128 Nr. 36; BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1960, DVBl 61, 380; Haueisen, BABl 62, 1015). Ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist danach in der Regel für die Vergangenheit mit der Folge einer Rückerstattung der erhaltenen Bezüge nur dann zurücknehmbar, wenn die Ursache für das Zustandekommen des Verwaltungsakts in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fällt (BSG 8, 14; 10, 72, 77). Wendet man diese Grundsätze auf den von der Revision nicht angegriffenen Sachverhalt an, so besteht bezüglich der in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. März 1955 gewährten Leistungen kein Rückforderungsanspruch des Beklagten, weil die Ursache für das fehlerhafte Zustandekommen der früheren Bescheide nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers, sondern in den des Beklagten fällt. Das Ruhen war von der Versorgungsverwaltung nicht beachtet worden, obwohl sie im Zeitpunkt des Erlasses des Umanerkennungsbescheides vom 30. August 1951 dies hätte berücksichtigen können. Im Gutachten vom 23. Februar 1951 hieß es, daß der Kläger seit 1939 bei der Reichsbahn Dienst tat, zuletzt als Reservelokführer, daß er am 14. Februar 1945 während eines Fliegerangriffs auf einem Bahnhof in Holland an der rechten Kopfseite von einem Bombensplitter getroffen wurde sowie daß er im September 1945 wieder bei der Bahn in der Lok-Leitung eingesetzt und am 30. Juni 1950 pensioniert wurde. Die Versorgungsbehörde hat nach Abgabe der bei der Bundesbahn-Versicherungsanstalt geführten Versorgungsunterlagen im Juni 1951 den Erhebungsbogen für Ausgleichsrente abgesandt. In diesem hat der Kläger angegeben, daß er seit 1. Juli 1950 wegen körperlicher Schwäche und Hirnverletzung, also wegen der anerkannten Versorgungsschäden (ungedeckte rechtsseitige Stirn-Scheitelhirnschädigung mit körperlichen und seelischen Funktionsstörungen), nicht mehr erwerbstätig sei und von der Bundesbahn eine monatliche Pension von 195,- DM beziehe. Die Versorgungsbehörde hat sich darauf beschränkt, diese Pension als sonstiges Einkommen anzusetzen. Sie hätte aber bei Anwendung der von ihr zu fordernden Sorgfalt bereits aus diesen Aktenunterlagen entnehmen müssen, daß offenbar ein Dienstunfall vorlag. Dies hätte sie veranlassen müssen, von der Bahn die erforderlichen Zahlen zu erfragen. Etwaige Zweifel mußten wenigstens dann beseitigt sein, als ein weiterer Fragebogen am 8. Juni 1953 einging, in dem die Bombensplitterverletzung vom Kläger noch eingehender dahin geschildert wurde, daß er einen Militärzug als Lokführer gefahren hatte und nach dem Abhängen seiner Lok, noch ehe er richtig vom Zuge weggefahren war, verletzt wurde. Als "Einheit" war das "Bahnbetriebswerk in Z." angegeben. Die Versorgungsbehörde hat daraufhin Ermittlungen angestellt und 1955 die Grundrente erhöht sowie dem Kläger außerdem für die Zeit ab 1. Oktober 1950 durch Zugunstenbescheid 40,- DM nachgezahlt. Sie hat damit trotz wahrheitsgemäßer Angaben des Klägers diesen in den Glauben versetzt und ihn durch wiederholte Bescheiderteilungen darin bestärkt, daß ihm die gezahlte Rente auch zustehe. Andererseits war ihm - im Gegensatz zur Versorgungsbehörde - nicht zuzumuten, die komplizierten Zusammenhänge zwischen Bezügen nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen, Versorgung aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge und Auszahlung der Versorgungsgrundrente zu überschauen. Nach alledem war dem Interesse des Klägers am Schutz des Vertrauens in den Bestand der ergangenen Verwaltungsakte das größere Gewicht beizumessen, weshalb eine Beseitigung der Rechtswirkung der früheren Verwaltungsakte für die Vergangenheit nicht gerechtfertigt war.
Damit entfiel auch für die Zeit vor dem 1. April 1955 eine Verpflichtung des Klägers zur Rückerstattung der bereits erhaltenen Bezüge (vgl. BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 13). Auf den Gesichtspunkt der Verjährung kam es nicht mehr an (vgl. BSG aaO Nr. 15).
Da das angefochtene Urteil sonach im Ergebnis nicht zu beanstanden war, mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen