Leitsatz (amtlich)

1. Unter "Erwerbstätigkeit" iS des RVO § 1247 Abs 2 ist eine auf Gewinn abzielende Tätigkeit zu verstehen. Dabei kann der Versicherte grundsätzlich nur auf körperliche Tätigkeiten in abhängiger Stellung verwiesen werden, für die es Arbeitsplätze zumindest in nennenswerter Zahl, seien sie frei oder besetzt, überhaupt gibt.

2. Bei der Prüfung der Frage, ob es für eine Tätigkeit Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl überhaupt gibt, ist von normalen Verhältnissen auszugehen, nicht aber zB von einem vorübergehenden Zustand extremen Mangels der Arbeitskräfte.

3. Anders als in RVO § 1246 Abs 2 spielt es in RVO § 1247 Abs 2 bei der Verweisung auf andere Tätigkeiten keine Rolle, ob der Versicherte einen wesentlichen sozialen Abstieg erleidet. Dennoch kann nach dem auch hier anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall die Verweisung auf sozial besonders gering bewertete Tätigkeiten ausgeschlossen sein.

4. Ein Versicherter, der nach seinem Gesundheitszustand nur bis zu drei Stunden täglich zu arbeiten - und einen entsprechend geringen Verdienst zu erzielen - in der Lage ist, kann nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, für die es an seinem Wohnort oder in dessen näherer, täglich zu erreichender Umgebung entsprechende Arbeitsplätze - seien sie frei oder besetzt - zumindest in nennenswerter Zahl gibt. Dagegen würde es Treu und Glauben widersprechen, von ihm einen Umzug an einen anderen Ort oder auch nur das Aufsuchen solcher Arbeitsplätze als sogenannter Wochenendpendler zu verlangen.

5. Geringfügig iS des RVO § 1247 Abs 2 sind Einkünfte, wenn sie niedriger sind als 1/5 des durchschnittlichen Bruttotariflohns eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertiger Kenntnissen und Fähigkeiten.

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach RVO § 1247 Abs 2 ist, nicht anders als nach RVO § 1246 Abs 2 - und früher nach RVO § 1254 aF - eine Verweisung nur auf solche Tätigkeiten möglich, für die es Arbeitsplätze zumindest in nennenswerter Zahl, gleichgültig, ob sie frei oder besetzt sind, gibt. Kann der Kläger aus Gesundheitsrücksichten nur noch höchstens 3 Stunden Täglich arbeiten, kommt es in diesem Zusammenhang aber weiter darauf an, ob entsprechende Arbeitsplätze am Wohnort des Klägers oder in dessen näherer, täglich zu erreichender Umgebung (seien sie frei oder besetzt) vorhanden sind. Nicht verwiesen werden darf ein solcher Versicherter auf Tätigkeiten, für die es Arbeitsplätze entsprechender Art lediglich an Orten gibt, die er nur als Wochenendfahrer oder durch Umzug erreichen könnte, da ein derartiges Verlangen bei solch geringfügigen Tätigkeiten unbillig wäre. Andererseits kann selbst der gelernte Arbeiter im Rahmen des RVO § 1247 Abs 2 jedenfalls grundsätzlich auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

Erwerbseinkünfte iS der RVO § 1247 Abs 2 Alternative 2 sind dann "geringfügig", wenn sie 20 % des Verdienstes (durchschnittlicher Bruttotariflohn) eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht erreichen.

 

Normenkette

RVO § 1247 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1254 Fassung: 1949-06-17

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Februar 1961 mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der im Jahre 1910 geborene Kläger war von 1925 bis 1928 als Webereihilfsarbeiter sowie von 1928 bis 1941 im Baugewerbe, und zwar zunächst als Bauhilfsarbeiter, später als Maurerlehrling und, nachdem er im Jahre 1937 die Gesellenprüfung bestanden hatte, als Maurergeselle versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1941 bis 1943 leistete er Wehrdienst; anschließend war er von 1943 bis 1944 als Rüstungsarbeiter und schließlich von 1944 bis 1957 als Spinnereiarbeiter tätig.

Während des Wehrdienstes, am 27. Januar 1942, zog sich der Kläger eine Erfrierung zu, die zur Absetzung des linken Unterschenkels unterhalb des Knies und zur Absetzung der Zehen des rechten Fußes sowie einer Beschädigung der rechten Ferse führte. Er erhält hierfür eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. Die Beklagte gewährte ihm vom 1. August 1942 an Invalidenrente wegen vorübergehender Invalidität, die allerdings mit Ablauf des November 1946 wieder entzogen wurde.

Am 20. August 1957 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter mit der Begründung, er sei infolge eines zusätzlich aufgetretenen Lendenwirbelleidens seit März 1957 nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Obermedizinalrats Dr. W in F vom 23. September 1957 wurden Erfrierungsfolgen und ein Wirbelgelenkleiden (Spondylarthrosis) festgestellt, wurde der Kläger aber als für alle leichten bis mittelschweren Arbeiten einsatzfähig befunden sowie das Vorliegen von Berufsunfähigkeit verneint. Die Beklagte lehnte daraufhin durch Bescheid vom 8. Oktober 1957 die Rentengewährung ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage. Das Sozialgericht (SG) hat noch ein Gutachten von den Chirurgen Dr. ... und Dr. ... vom Bezirkskrankenhaus W eingeholt. In ihrem Gutachten vom 15. Oktober 1958 stellten diese Sachverständigen fest, daß es sich um die Folgen einer Erfrierung beider Füße handele; der Kläger trage seit 1942 eine gut sitzende Prothese links sowie orthopädisches Schuhwerk rechts, gehe jedoch bis heute noch immer stark hinkend und unsicher. Als sekundäre Folgen der Unterschenkelabsetzung beständen krankhafte Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule; diese sei in ihrer Beweglichkeit behindert. Die vom Kläger geäußerten Beschwerden-bei längerem Verweilen in einer Körperstellung sei er gezwungen, in kurzen Zeitabständen einen Wechsel vorzunehmen - seien durch die objektiven klinischen und röntgenologischen Veränderungen an der Wirbelsäule zu erklären und erschienen durchaus glaubhaft. Die weiterhin bestehenden Erkrankungen an Herz und Kreislauf sowie im Magen- und Darmtrakt fielen nicht ins Gewicht. Es erscheine unmöglich, daß der Kläger einer regelmäßigen Arbeit nachgehe. Diese Ansicht werde zudem dadurch bestärkt, daß beide Handinnenflächen des Klägers völlig unbeschwielt und zart seien, also keine Arbeitsspuren erkennen ließen. Er sei nicht mehr imstande, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Arbeiten zu verrichten, so daß er als erwerbsunfähig zu bezeichnen sei. Er könne insbesondere Arbeiten im Gehen oder Stehen oder Sitzen nicht mehr verrichten, weil er infolge des Wirbelgleitens und der damit verbundenen Schmerzen gehindert sei, eine Körperlage für längere Zeit einzuhalten. Daher erscheine selbst eine Beschäftigung mit einer leichteren Heimarbeit im Sitzen nicht möglich. Eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit oder mit mehr als geringfügigen Einkünften könne er also nicht mehr ausüben. Die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit bestehe seit der Einstellung der gewohnten Beschäftigung, also seit März 1957. Da es sich bei den pathologischen Veränderungen um nicht rückgängig zu machende Vorgänge handele, müsse ein Dauerzustand angenommen werden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Beklagte das Vorliegen von Berufsunfähigkeit anerkannt. Der Kläger hat Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt.

Das SG hat durch Urteil vom 14. Mai 1959 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. August 1957 an zu erteilen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Gutachter Dr. Sch und Dr. M sei es der Überzeugung, daß der Kläger noch in gewisser Regelmäßigkeit erwerbstätig sein könne. Er sei noch nicht 50 Jahre alt und geistig gewandt. In seinem Zustand bedürfe er zwar abwechselnder Bewegung. Er sei aber noch in der Lage, stundenweise z.B. als Parkwächter oder Verkehrsregler bei Bauvorhaben oder als Heimarbeiter, wenn er teils sitzen, teils stehen könne, erwerbstätig zu sein. Er sei daher noch nicht erwerbsunfähig nach § 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Das Berufungsgericht hat noch ein Gutachten von dem Oberarzt Dozent bei der Orthopädischen Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik F eingeholt. In seinem Gutachten vom 3. Juni 1960 ist der Sachverständige auf Grund einer ambulanten Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, daß sich durch die festgestellten krankhaften Veränderungen (Verlust des linken Unterschenkels, Verlust sämtlicher Zehen des rechten Fußes, Narbe an der rechten Ferse, Wirbelgleiten des 5. Lendenwirbels über den 1. Kreuzbeinwirbel mit Bandscheibenentartung der praesacralen Bandscheibe, spondylotischen Veränderungen an der unteren Brust- und an der Lendenwirbelsäule) eine starke Gehbehinderung, eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und eine Herabsetzung der Belastbarkeit der Wirbelsäule ergebe. Arbeiten, bei denen der Kläger länger gehen, stehen oder sitzen müsse und solche, welche die Wirbelsäule belasteten, könne er nicht mehr ausführen. Leichte Arbeiten, abwechselnd im Stehen und Sitzen seien dem Kläger zwei bis drei Stunden täglich zuzumuten. Seit dem 1. August 1957 sei wahrscheinlich keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten, doch habe im Vergleich zum Gutachten vom 23. September 1957 die Verspannung der Rückenmuskulatur und die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule zugenommen. Dieser Zustand sei aber seit der Begutachtung vom 15. Oktober 1958 gleich geblieben. In gewisser Regelmäßigkeit könne der Kläger noch leichte Arbeiten, abwechselnd im Stehen und Sitzen, jedoch höchstens drei Stunden täglich ausüben. Es seien ihm aber keinerlei Arbeiten mehr zuzumuten, welche die Wirbelsäule irgendwie belasteten oder bei denen er dauernd stehen oder sitzen müsse.

Das Berufungsgericht hat durch Urteil vom 17. Februar 1961 die Berufung zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit bedürfe es im Gegensatz zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit weder der Heranziehung einer Vergleichsperson mit ähnlichen Kenntnissen und Fähigkeiten, noch sei der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten eingeschränkt. Nur dann sei eine Verweisung auf eine Tätigkeit außerhalb der Berufsgruppe unzumutbar, wenn dies im Hinblick auf die bisherige Lebensstellung des Versicherten eine offensichtliche Härte bedeute. Sonst aber müsse der Versicherte sich im Rahmen der ihm verbliebenen Erwerbsfähigkeit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes ohne Rücksicht darauf verweisen lassen, ob die Beschäftigung der sozialen Versicherung unterliege und ob er auf dem allgemeinen Arbeitsfeld noch vermittelt werden könne.

Das Berufungsgericht ist hinsichtlich der Frage, ob der Kläger noch in gewisser Regelmäßigkeit eine Erwerbstätigkeit ausüben kann, dem Gutachten des Orthopäden Dozent Dr. B vom 3. Juni 1960 gefolgt. Dem Kläger seien auf nicht absehbare Zeit noch leichte Arbeiten in gewisser Regelmäßigkeit abwechselnd im Stehen und Sitzen bis zu drei Stunden täglich zuzumuten. Bei dem erhobenen medizinischen Befund könne er also noch eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit in diesem Umfang ausüben. Er müsse sich dabei auf alle leichten Tätigkeiten verweisen lassen, die er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten noch ausüben könne, z.B. auf die eines Wächters oder Heimarbeiters. Die erste Alternative des § 1247 Abs. 2 RVO sei damit nicht erfüllt.

Aber auch die zweite Alternative dieser Vorschrift sei nicht gegeben. Von geringfügigen Einkünften könne nur gesprochen werden, wenn sie wirtschaftlich für den Versicherten bei Bestreiten seines Lebensunterhalts nicht ins Gewicht fielen. Eine feste Grenze sei dafür nicht gegeben. Die Geringfügigkeit der Einkünfte lasse sich nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilen, und zwar nach der Höhe des früher bezogenen Entgelts und nach der Differenz zwischen der Höhe der Rente wegen Berufsunfähigkeit und derjenigen wegen Erwerbsunfähigkeit. Wenn von der Höhe des früheren Entgelts ausgegangen werde, könne nur der vom Kläger im Rentenantrag mit rund 280,- DM angegebene Monatslohn als Vergleichsgrundlage dienen, nicht aber das Einkommen, das er derzeit als vollbeschäftigter Spinnereiarbeiter erzielen könnte. Da der Kläger den ihm möglichen Verdienst als Hilfsarbeiter bei einer Beschäftigung von täglich zwei bis drei Stunden mit 25,- DM wöchentlich beziffert habe, könne dabei von einem geringfügigen Einkommen im Verhältnis zum früheren Verdienst nicht gesprochen werden. Zum gleichen Ergebnis führe auch der Vergleich zwischen der dem Kläger gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit und der ihm wegen Erwerbsunfähigkeit etwa zustehenden Rente. Hier betrage der Unterschied - abgerundet - für die Jahre 1957 bis 1958 monatlich 59,- DM und für 1959 monatlich 62,- DM. Auch dieser Betrag liege unter dem möglichen Verdienst des Klägers. Denn bei einer leichten Erwerbstätigkeit könne er nach seinem eigenen Vortrag monatlich noch mehr als 100,- DM verdienen. Einen weiteren Anhaltspunkt biete auch § 168 Abs. 2 RVO in der Fassung der Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945, wonach als geringfügiges Entgelt 15,- DM wöchentlich (65,- DM monatlich) anzusehen seien. Auf §§ 66, 76 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) könne nicht verwiesen werden, weil es nicht auf die Geringfügigkeit der Beschäftigung, sondern des Einkommens ankomme.

Ebenso könne nicht ohne weiteres auf die Bemessungsgrenze des Einkommens bei versicherungsfreier Beschäftigung nach § 1228 Abs. 2 Buchstabe b RVO abgestellt werden. Aber selbst wenn die Bemessungsgrenze des § 1228 Abs. 2 Buchst. b RVO in Verbindung mit § 1385 Abs. 2 RVO und Art. 2 § 45 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) zum Vergleich herangezogen werden sollte, ergäbe das Achtel der Beitragsbemessungsgrenze monatlich für die Jahre 1957 bis 1960 einen Betrag von rund 100,- DM, überstiege also das vom Kläger angegebene mögliche Monatseinkommen nicht. Nach alledem lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht vor.

Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten 2. Instanz am 15. April 1961 zugestellte Urteil hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten 3. Instanz mit Schriftsatz vom 17. April 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 18. April 1961, Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 5. Mai 1961, eingegangen beim BSG am 6. Mai 1961, begründet.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts könne er nur noch Arbeiten verrichten, für die es in Wirklichkeit Arbeitsplätze nicht gebe. Unter realen Voraussetzungen sei das, was er noch auszuüben vermöge, überhaupt keine "Erwerbstätigkeit" im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO. Das Vordergericht habe das Begriffsmerkmal "Erwerbstätigkeit" verkannt. Eine Erwerbstätigkeit umfasse zwar alle Tätigkeiten, die der Versicherte noch nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten ausüben könne, diese Tätigkeiten müßten aber unter allen Umständen einen "Erwerb" abwerfen. Eine Tätigkeit, für die kein Arbeitgeber Entgelt zu zahlen bereit ist, stelle keine "Erwerbs"-Tätigkeit dar.

Erst wenn eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden könne, komme es auf die beiden Alternativen des § 1247 Abs. 2 RVO an, ob der Versicherte eine Erwerbstätigkeit auf nicht absehbare Zeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen könne. Andererseits sei dem Berufungsgericht allerdings darin zuzustimmen, daß die ärztlichen Gutachter eine Unregelmäßigkeit der Erwerbstätigkeit nicht bestätigt hätten.

Es erhebe sich daher die Frage nach dem Maßstab für die "geringfügigen Einkünfte". Hier böten sich die verschiedensten Möglichkeiten an. Keinesfalls aber seien die Einkünfte dann als geringfügig anzusehen, wenn sie um 100,- DM lägen. Er könne mit 12,5 Wochenstunden (5 Tage mit 2,5 Stunden) und einem Stundenlohn von höchstens 2,- DM (als Hilfsarbeiter oder in Heimarbeit) im Monat aber gerade einen Betrag von knapp 100,- DM erzielen. Er würde also nur "geringfügige" Einkünfte erzielen.

Er beantragt,

die Urteile des SG Freiburg vom 14. Mai 1959 und des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 17. Februar 1961 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1957 aufzuheben, soweit in ihnen der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente abgewiesen worden ist, und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. August 1957 an zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

Die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Da der Kläger bis zu drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, sei es nicht möglich, von einer Geringfügigkeit des erzielbaren Arbeitsverdienstes zu sprechen. Nach § 1246 Abs. 2 RVO liege Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte nur noch "weniger als die Hälfte" eines vergleichbaren, gesunden Versicherten verdienen könne, und nach § 1247 Abs. 2 RVO bestehe Erwerbsfähigkeit, wenn ein Versicherter "nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen könne". Aus der unterschiedlichen Terminologie der Einkommensgrenze in diesen beiden Vorschriften sei zu schließen, daß der Gesetzgeber bei der Erwerbsunfähigkeit von einem unter der Berufsunfähigkeit liegenden Maß ausgegangen sei. Ausgehend von einem normalen Arbeitstag von 8 - 9 Stunden sei die Möglichkeit zur Erzielung von mindestens der Hälfte der Einkünfte eines gesunden Versicherten noch anzunehmen, wenn die Fähigkeit für eine 4 bis 4 1/2-stündige Tätigkeit gegeben sei. Bestehe jedoch auf Grund von Krankheiten oder sonstigen Gebrechen nur die Möglichkeit zu einer Erwerbstätigkeit bis zu 2 Stunden (etwa 1/4 eines Arbeitstages), würde man von geringfügigen Einkünften zu sprechen haben. Man könne dagegen nicht von geringfügigen Einkünften sprechen, wenn die Fähigkeit für eine Erwerbstätigkeit von 2 - 4 Stunden (etwa 1/4 bis zu 1/2 eines Arbeitstages) in gewisser Regelmäßigkeit bestehe. Das Argument des Klägers, daß es Arbeitsplätze dieser Art nicht gebe, greife bei § 1247 Abs. 2 RVO nicht durch.

Der zulässigen Revision des Klägers konnte der Erfolg insofern nicht versagt bleiben, als das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden mußte.

Da die Beklagte durch das SG zur Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit verurteilt worden ist und dieses Urteil - die Beklagte hat keine Berufung eingelegt - insoweit rechtskräftig geworden ist, ist nur noch darüber zu befinden, ob der Kläger darüber hinaus Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 RVO hat.

Dieser Anspruch hängt, da die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten (§ 1247 Abs. 3 RVO) zweifelsohne erfüllt ist, nur davon ab, ob der Kläger erwerbsunfähig nach § 1247 Abs. 2 RVO ist.

Es war zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 1247 Abs. 2 RVO vorliegen, d.h. ob der Kläger infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben kann.

Da der Kläger nach den vom Berufungsgericht getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen infolge von Krankheit und anderen Gebrechen für dauernd, d.h. also ohne zeitliche Beschränkung, erwerbsbeschränkt ist, durfte dieses davon ausgehen, daß der Kläger im Sinne dieser Vorschrift auf "nicht absehbare Zeit" erwerbsbeschränkt ist. Es mag zweifelhaft sein, welche Zeitspanne als "nicht absehbare Zeit" in diesem Sinne anzusehen ist, hier bedurfte es einer Entscheidung dieser Zweifelsfrage jedoch nicht, da ein Dauerzustand, wie er festgestellt ist, jedenfalls als für "nicht absehbare Zeit" bestehend angesehen werden muß.

Unter "Erwerbstätigkeit" ist eine auf Gewinn abzielende, also nicht unentgeltlich zu verrichtende Arbeit zu verstehen. Der Versicherte kann jedoch im Rahmen des § 1247 Abs. 2 RVO ebenso wie nach § 1246 Abs. 2 RVO - und früher nach § 1254 RVO aF - grundsätzlich nur auf körperliche Tätigkeiten in abhängiger Stellung verwiesen werden. Eine Verweisung auf andere als körperliche Tätigkeiten könnte in Betracht kommen, wenn der Versicherte die Kenntnisse und Fähigkeiten für eine geistige Tätigkeit besitzt. Da hier kein Anhalt dafür vorliegt, daß dies der Fall sein könnte, bedarf es keiner Entscheidung, wie ein solcher Fall zu beurteilen wäre. Daß der Versicherte grundsätzlich nur auf Tätigkeiten in abhängiger Stellung verwiesen werden kann, ergibt sich aus der Erwägung, daß selbst wenn er die Kenntnisse und Fähigkeiten und das erforderliche Kapital für eine unternehmerische Tätigkeit besitzt, ihm nicht zugemutet werden kann, dieses Kapital für eine unternehmerische, also mit einem Risiko verbundene Tätigkeit einzusetzen. Wenn er also nicht eine unternehmerische Tätigkeit tatsächlich ausübt - ein Fall, über den hier aber nicht zu entscheiden ist - kann er nur auf Tätigkeiten in abhängiger Stellung verwiesen werden.

Nicht anders als in § 1246 Abs. 2 RVO - und früher in § 1254 RVO aF - scheiden aus der Betrachtung solche Tätigkeiten aus, für die es Arbeitsplätze in zumindest nennenswerter Zahl - seien sie frei oder besetzt - unter annähernd normalen Verhältnissen überhaupt nicht gibt, es sei denn, daß der Versicherte zufällig einen solchen Arbeitsplatz inne hat. Auf solche Tätigkeiten - abgesehen von dem letzteren Fall - kann der Versicherte nicht verwiesen werden, weil sie ihm praktisch keine Möglichkeit des Erwerbs eröffnen. Dabei ist von normalen Verhältnissen, nicht aber z.B. von einem vorübergehenden Zustand extremen Mangels an Arbeitskräften, der zur Einrichtung von Arbeitsplätzen mit Teilarbeit unter der Grenze der Halbtagsarbeit führt, auszugehen.

Anders als nach § 1246 Abs. 2 RVO kommt es nach § 1247 Abs. 2 RVO allerdings nicht darauf an, ob der Versicherte durch Verrichtung einer solchen Tätigkeit einen wesentlichen sozialen Abstieg erleidet. Denn im Unterschiede zu § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO enthält § 1247 Abs. 2 RVO eine Vorschrift über die Beschränkung der Verweisbarkeit auf zumutbare Tätigkeiten nicht. Aus dem systematischen Zusammenhang der beiden in den §§ 1246 und 1247 RVO geregelten Rentenarten und der Tatsache, daß diese Vorschriften ihren Platz im Gesetz unmittelbar hintereinander haben, kann nur geschlossen werden, daß der Gesetzgeber diese unterschiedliche Regelung bewußt getroffen hat. Der Versicherte muß sich also nach § 1247 Abs. 2 RVO grundsätzlich auf jede körperliche Tätigkeit in abhängiger Stellung verweisen lassen. Allerdings ist auch bei Anwendung dieser Vorschrift zu berücksichtigen, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Versicherten und Versicherungsträgern von dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht werden. Aus diesem Grundsatz ergibt sich auch hier eine gewisse äußerste Grenze der Verweisbarkeit. Allerdings wird diese Begrenzung der Verweisbarkeit jedenfalls in der Arbeiterrentenversicherung nur eine recht geringe Rolle spielen, da bei der Anwendung des § 1247 Abs. 2 RVO selbst der gelernte Arbeiter grundsätzlich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verwiesen werden kann, wenn auch daran zu denken ist, einzelne sozial besonders niedrig bewertete Tätigkeiten auszuschließen.

Zur Entscheidung der Frage, was unter dem Begriff "in gewisser Regelmäßigkeit" zu verstehen ist, gibt der vorliegende Fall keinen Anlaß, da der Kläger täglich, wenn auch jeweils nur für drei Stunden, arbeiten kann und bisher jedenfalls von dem Berufungsgericht keine Tätigkeiten genannt sind, die ihrer Art nach nicht täglich auszuüben sind.

Wenn hiernach als Verweisungstätigkeiten nur solche angesehen werden können, für die es zumindest in nennenswerter Zahl Arbeitsplätze gibt, fragt es sich im vorliegenden Falle, in welchem der Kläger weder ganztägig noch halbtägig, sondern nur bis zu drei Stunden täglich arbeiten kann, vor allem, ob es für ihn Arbeitsplätze in zumindest nennenswerter Zahl überhaupt gibt. Hierbei wird folgendes zu erwägen sein: In normalen Betrieben sind in aller Regel nur Arbeitsplätze, die ganztägig, oder allenfalls solche, die halbtägig zu besetzen sind, vorhanden. Es ist nicht üblich und läßt sich auch organisatorisch im allgemeinen nicht durchführen, daß Arbeiter beschäftigt werden, die weniger als eine halbe Schicht arbeiten. Die Beschäftigung solcher Arbeiter würde den Betriebsablauf meist zu empfindlich stören. Immerhin wird es wegen ihrer Eigenart in Ausnahmefällen solche Tätigkeiten geben, etwa die des Zeitungsausträgers. Bei Heimarbeit besteht zwar diese Schwierigkeit nicht, da der Heimarbeiter seine Arbeit zeitlich so einteilen kann, wie es gesundheitlich für ihn tragbar ist. Andererseits darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß Heimarbeit nur in gewissen Wirtschaftszweigen und -gebieten üblich ist, und daß der Arbeitgeber jedenfalls in Zeiten normaler Beschäftigungslage im allgemeinen Wert darauf legen wird, mit möglichst wenigen Heimarbeitern auszukommen, weil mit größerer Zahl der Heimarbeiter eine Vergrößerung der Verwaltungsarbeit und gegebenenfalls auch der Zahl der zur Verfügung zu stellenden Maschinen oder Werkzeuge verbunden ist. Er wird also möglichst vermeiden, einen Heimarbeiter einzustellen, der nur eine geringe tägliche Arbeitsleistung erbringen kann. In kleineren Handwerksbetrieben, Einzelhandelsbetrieben und Landwirtschaftsbetrieben mag es vorkommen, daß Arbeiten einer bestimmten Art nur in so geringem Umfang anfallen, daß es genügt, einen Arbeiter für zwei bis drei Stunden täglich zu beschäftigen. Wenn auch Arbeitsplätze dieser Art durch das Arbeitsamt nicht vermittelt werden, so bedeutet dies doch nicht, daß sie im Rahmen des § 1247 Abs. 2 RVO nicht berücksichtigt werden könnten, immer vorausgesetzt, daß es sie in zumindest nennenswerter Zahl überhaupt gibt. Für Angestellte und Arbeiterinnen werden in diesen Beziehungen die Verhältnisse günstiger liegen als für Arbeiter. Um einen solchen handelt es sich aber bei dem Kläger.

Dieser kann im übrigen nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, für die es Arbeitsplätze an seinem Wohnort oder in dessen näherer, täglich zu erreichender Umgebung gibt. Es würde dagegen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar sein, zu verlangen, daß ein Versicherter zur Verrichtung einer Arbeit von lediglich täglich drei Stunden und zur Erzielung eines dementsprechend geringen Verdienstes an einen anderen Ort verzieht oder auch als sog. Wochenendpendler einen solchen Arbeitsplatz aufsucht. Auch in dieser Beziehung ist die Rechtslage bei der Anwendung des § 1247 RVO anders als bei der Anwendung des § 1246 RVO (zu vgl. BSG in SozR RVO § 1246 Aa 12 Nr. 21).

Wenn auch erhebliche Zweifel bestehen, ob es für den Kläger, der überdies bei der Arbeit eines Wechsels zwischen Stehen und Sitzen bedarf, in für ihn in diesem Sinne erreichbarer Nähe überhaupt Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gibt, an denen er eine entgeltliche Tätigkeit in abhängiger Stellung verrichten kann, so mußte die Sache doch, da der Senat die nach alledem erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, für welche zudem die örtlichen Verhältnisse von besonderer Bedeutung sind, nicht selbst treffen kann, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, daß der Kläger als Wächter oder als Heimarbeiter beschäftigt werden könnte. Diese Feststellungen reichen aber nicht aus, da sie die für die Entscheidung des vorliegenden Falles bedeutsamen Einzelheiten, insbesondere die, ob es für den Kläger, der nur bis zu drei Stunden täglich im Wechsel von Sitzen und Stehen arbeiten kann, an seinem Wohnort oder in dessen näherer, täglich zu erreichender Umgebung Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gibt, offen lassen. Ohne diese Einzelfeststellungen ist es dem Senat aber nicht möglich zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung zutreffend ist. Wenn das Berufungsgericht nunmehr unter Anwendung der dargelegten Grundsätze zu dem Ergebnis kommt, daß der Kläger die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 1247 Abs. 2 RVO erfüllt, so bedarf es einer Prüfung, ob die Voraussetzungen der 2. Alternative dieser Vorschrift vorliegen, nicht. Andernfalls dagegen ist weiter zu prüfen, ob die Voraussetzungen der 2. Alternative dieser Vorschrift erfüllt sind. Danach liegt Erwerbsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Auch hier, ebenso wie bei der 1. Alternative, kann der Versicherte grundsätzlich auf alle abhängigen körperlichen Tätigkeiten des ganzen allgemeinen Arbeitsfeldes, soweit es Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl an seinem Wohnort oder in dessen näherer, täglich zu erreichender Umgebung gibt, verwiesen werden. Entscheidend kommt es aber weiter darauf an, was unter "geringfügigen Einkünften" zu verstehen ist. Der Begriff des als geringfügig bezeichneten oder vom Gesetzgeber als geringfügig betrachteten Entgelts findet sich in der RVO bei den Versicherungspflichtgrenzen in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung. Nach § 168 Abs. 2 RVO gilt ein Entgelt als geringfügig, wenn er durchschnittlich 15,- DM in der Woche (65,- DM im Monat) nicht übersteigt, ein höherer Entgelt dann, wenn er durchschnittlich ein Fünftel des Gesamteinkommens nicht übersteigt. Nach Abs. 2 Buchst. b des für die Rentenversicherung der Arbeiter die versicherungsfreien Beschäftigungen festlegenden § 1228 RVO begründet ein Entgelt oder Arbeitseinkommen, das durchschnittlich im Monat ein Achtel der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze oder bei höherem Entgelt oder Arbeitseinkommen ein Fünftel des Gesamteinkommens nicht überschreitet, Versicherungsfreiheit. Nach dem Muster des § 168 Abs. 2 RVO einen festen Betrag als geringfügig zu betrachten, widerspräche dem Zuge der Gesetzgebung nach beweglichen Maßstäben, wie er gerade in der Rentenversicherung zum Ausdruck gelangt ist. Auf die in § 1228 Abs. 2 Buchst. b genannte Beitragsbemessungsgrenze des § 1385 Abs. 2 RVO kann ebenfalls nicht abgestellt werden, da diese sich nach der allgemeinen Bemessungsgrundlage des § 1255 Abs. 2 RVO richtet und diese der durchschnittliche Bruttojahresarbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten ohne Lehrlinge und Anlernlinge ist, der aber für die hier zu entscheidende Frage zu wenig die individuelle Bedeutung des Einzelfalles berücksichtigen würde. Als "geringfügige Einkünfte" im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO können also weder der in § 168 Abs. 2 RVO genannte feste Betrag noch ein Achtel der Beitragsbemessungsgrenze (§ 1228 Abs. 2 Buchst. b RVO) angesehen werden. Es geht aber auch nicht an, einen bestimmten Teil des früheren Arbeitseinkommens des Versicherten als "geringfügige Einkünfte" im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO zu betrachten, wie im Schrifttum verschiedentlich empfohlen ist. Dagegen sprechen vor allem praktische Erwägungen. Es kommt vielmehr als "geringfügige Einkünfte" im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO nur ein Teilbetrag dessen in Betracht, was ein körperlich und geistig gesunder Versicherter mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten zu erwerben vermag, und zwar wird es den Vorstellungen des Gesetzgebers am ehesten entsprechen, wenn ein Fünftel dieses Betrages nicht erreichende Einkünfte als "geringfügig" angesehen werden. Einen Anknüpfungspunkt in dieser Beziehung geben die erwähnten Vorschriften der §§ 168 Abs. 2 und 1228 Abs. 2 Buchst. b RVO insofern, als in ihnen u.a. ein Fünftel des Gesamteinkommens als die maßgebliche Grenze verwendet worden ist, welche das sozialversicherungsrechtlich bedeutsame Einkommen von dem sozialversicherungsrechtlich nicht mehr bedeutsam scheidet. Diese Grenze erscheint auch unter dem Gesichtspunkt eines sinnvollen Verhältnisses zwischen der Berufsunfähigkeit, bei der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um die Hälfte als Grenze von maßgeblicher Bedeutung ist, und der Erwerbsunfähigkeit angemessen. Praktisch wird ähnlich wie bei der Anwendung des § 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO auch hier vom durchschnittlichen Bruttotariflohn eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auszugehen sein. Die Einkünfte sind dann als geringfügig anzusehen, wenn sie ein Fünftel des Einkommens eines solchen gesunden Versicherten gleicher Art nicht erreichen. Ob in Fällen außergewöhnlich niedrigen Lohnes, etwa bei Lehrlingen, oder auch in Fällen außergewöhnlich hohen Lohnes es zur Bestimmung des Begriffes der "geringfügigen Einkünfte" der Feststellung ziffernmäßig bestimmter Beträge als unterer bzw. oberer Grenze bedarf, kann im vorliegenden Falle dahinstehen.

Die hiernach erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch noch zu treffen und nach diesen Grundsätzen erneut zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2000628

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?