Entscheidungsstichwort (Thema)
Röntgentätigkeit von Kassenärzten
Leitsatz (amtlich)
1. BMV-Ärzte § 15, der die Ausübung kassenärztlicher Röntgentätigkeit vom vorherigen Nachweis einer ausreichenden Röntgeneinrichtung und entsprechender Fachkenntnisse abhängig macht, ist rechtsgültig; er ist insbesondere mit RVO § 368g und GG Art 12 vereinbar.
2. Nach BMV-Ärzte § 15 Abs 2 S 2 kann die Berechtigung zur kassenärztlichen Röntgentätigkeit nur dann auf die Ausführung bestimmter Röntgenleistungen beschränkt werden, wenn und soweit der Arzt nicht die erforderlichen Fachkenntnisse nachweist.
Leitsatz (redaktionell)
Kassenärzte, die nicht Fachärzte für Röntgen- und Strahlenheilkunde sind, können zur kassenärztlichen Röntgentätigkeit nur zugelassen werden, wenn sie neben einer ausreichenden Röntgeneinrichtung eine entsprechende Fachausbildung nachweisen; Einschränkungen auf bestimmte Röntgenleistungen sind bei ihnen insoweit gerechtfertigt, als sie nicht die erforderliche Sachkunde besitzen.
Normenkette
RVO § 368a Fassung: 1955-08-17, § 368g Fassung: 1955-08-17; GG Art. 12 Fassung: 1956-03-19; BMV-Ä § 15 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1959-10-01
Tenor
Auf die Revision der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Februar 1966 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger, 1925 geboren, ist seit April 1962 als Facharzt für innere Krankheiten niedergelassen und als Kassenarzt tätig. Kurz vorher hatte er bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) beantragt, ihn auch zur kassenärztlichen Röntgentätigkeit "zuzulassen", und zwar für das gesamte Gebiet der internen Röntgendiagnostik einschließlich des Harnapparates (den zunächst noch gestellten Antrag auf Genehmigung von Röntgenuntersuchungen der Gefäße und des Skeletts ließ er später fallen). Die Röntgenkommission der Beklagten gestattete ihm die Röntgentätigkeit auf dem Fachgebiet der inneren Medizin (Brustorgane, Speiseröhre, Magen-Darmkanal und Gallenwege), schloß jedoch Aufnahmen des Harnapparates und des Skeletts ausdrücklich aus (Entscheidung vom 6. März 1962). Gegenvorstellungen des Klägers, mit denen er eine seinem Antrag entsprechende Erweiterung der Röntgenzulassung zu erreichen suchte, blieben erfolglos (Bescheid der Röntgenkommission vom 22. Juni 1962).
Den Widerspruch des Klägers wies der Vorstand der Beklagten als unbegründet zurück und berief sich dabei auf eine - von ihm eingeholte und dem Kläger im Widerspruchsbescheid wörtlich mitgeteilte - Stellungnahme der Röntgenkommission, die sich ua wie folgt geäußert hatte: Zwar überschneide sich das Gebiet der inneren Medizin mit zahlreichen anderen Fachgebieten. Nach dem Sinn der Facharztordnung und der Abgrenzung der Fachgebiete solle sich der Facharzt jedoch streng auf sein Fachgebiet beschränken und Röntgenuntersuchungen der Harnorgane dem Facharzt für Urologie oder dem Röntgenologen überlassen. In einer Zeit, in der die Übersicht über ein Fachgebiet nur mit großen Schwierigkeiten zu behalten sei, liege es nicht im Sinne einer qualifizierten Untersuchungstechnik, daß sich ein Arzt auf zahlreichen Gebieten bewege. Außerdem reiche eine Röntgentätigkeit von einem Jahr, die von den wenigsten Antragstellern überschritten werde, vielleicht gerade aus, um sich auf dem Gebiet der inneren Organe zu orientieren, nicht aber, um auch Kenntnisse auf anderen Gebieten zu sammeln. Daher habe die Röntgenkommission bisher in allen Fällen die Internisten auf die Röntgenologie der inneren Organe, mit Ausnahme der Nieren und des Skelettsystems, beschränkt (Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1963).
Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Antrag auf Genehmigung von Röntgenuntersuchungen des Harnapparates weiter, soweit sie zur differential-diagnostischen Klärung innerer Erkrankungen erforderlich seien. Er machte ua geltend, die Krankheiten der Harnorgane würden zum Teil von Internisten, zum Teil von Urologen und zum Teil von beiden Facharztgruppen behandelt. Er sehe nicht ein, warum ein Internist bei entsprechender Ausbildung Röntgenuntersuchungen der Harnorgane nicht selbst ausführen solle, und halte die Entscheidung der Beklagten für eine willkürliche, mit dem Recht auf freie Berufsausübung nicht vereinbare Einschränkung seiner diagnostischen Möglichkeiten.
Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat die Klage als unbegründet abgewiesen: Die Auffassung der Beklagten, daß ein Internist mit einer Röntgenuntersuchung des Harnapparates die Grenzen seines Fachgebietes überschreite, sei wissenschaftlich vertretbar und halte sich noch innerhalb des Beurteilungsspielraumes, den die Beklagte bei der Bestimmung der Grenzen der einzelnen Fachgebiete habe (Urteil vom 16. Oktober 1963).
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG sowie "die Bescheide der Beklagten vom 6. März und 22. Juni 1962 teilweise aufgehoben" und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch die Berechtigung zur Ausführung von Röntgenuntersuchungen der Harnorgane zu erteilen: Die angefochtenen Bescheide seien auf Grund von § 15 des Bundesmantelvertrages (BMV) und der dazu erlassenen Satzungsbestimmungen der Beklagten ergangen; danach habe über den Antrag des Klägers zunächst die Röntgenkommission und über seinen Widerspruch der Vorstand der Beklagten zu entscheiden gehabt. § 15 BMV verpflichte die Beklagte, einem Kassenarzt, der eine ausreichende Röntgeneinrichtung besitze und die fachlichen Voraussetzungen erfülle, die Ausführung von Röntgenleistungen auf seinem Fachgebiet - nach Maßgabe der ärztlichen Berufsordnung und seiner röntgenologischen Ausbildung - zu gestatten. Da weder die Landesärztekammer Baden-Württemberg in der von ihr erlassenen Berufsordnung noch die Beklagte für ihren kassenärztlichen Bereich die Grenzen der einzelnen Fachgebiete näher bestimmt habe, hätten im Streitfalle die Gerichte die Fachgebiete abzugrenzen; hier habe der Senat auf Grund der sachkundigen Erklärungen seiner beiden als Internisten tätigen ärztlichen Beisitzer und der einschlägigen Fachliteratur die Überzeugung gewonnen, daß die Behandlung von Krankheiten des Harnapparates in das Fachgebiet der inneren Medizin falle. Da zur Behandlung auch die Stellung der Diagnose gehöre und die Röntgenuntersuchung ein wichtiges Mittel der Diagnostik sei, müsse dem Kläger als Internisten auch die Röntgendiagnostik des Harnapparates zugänglich sein. Ein "Beschränkungsrecht" der Beklagten ergebe sich weder aus ihrer Satzung noch "aus ungenügender technischer Ausstattung oder Ausbildung des Klägers". Auch § 15 Abs. 2 Satz 2 BMV, der eine Beschränkung auf bestimmte Röntgenleistungen zulasse, räume der Beklagten kein echtes Handlungsermessen ein, berechtige sie insbesondere nicht, die Röntgentätigkeit des Klägers innerhalb seines Fachgebiets einzuschränken (Urteil vom 11. Februar 1966).
Die beklagte KÄV rügt mit der zugelassenen Revision: Das LSG habe ihr bei der Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete zwar einen Beurteilungsspielraum zugestanden, dabei jedoch zu Unrecht gefordert, daß die Abgrenzung durch Setzung objektiver Normen erfolge; den gleichen Beurteilungsspielraum müsse sie auch bei der Entscheidung von Einzelfällen haben. Das LSG habe ferner den Umfang des Fachgebiets der inneren Medizin verkannt. Für die Zuordnung bestimmter diagnostischer Maßnahmen zu einem Fachgebiet sei nicht die zu erkennende Krankheit, sondern allein die Art der diagnostischen Tätigkeit des Arztes entscheidend. Röntgenaufnahmen der Harnorgane würden aber nach der ärztlichen Standesübung, der insoweit große Bedeutung zukomme, in der Regel nicht von Internisten vorgenommen, wie auch einer der ärztlichen Beisitzer des LSG bestätigt habe. Im übrigen seien die Internisten nur für die Behandlung eines kleinen Teils der Nierenerkrankungen (der beiderseitig hämatogenen) zuständig, für alle anderen dagegen die Urologen. Schließlich habe die KÄV nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BMV allgemein, nicht nur bei Fehlen der fachlichen Voraussetzungen, das Recht, die Röntgentätigkeit eines Internisten auf bestimmte Leistungen zu beschränken. Erst recht müsse sie dann bei genereller Gestattung einer internistischen Röntgentätigkeit einzelne Leistungen ausnehmen dürfen, wie es im Falle des Klägers für die Röntgendiagnostik der Harnorgane geschehen sei. Für eine solche Ausnahme hätten hier sachliche Gründe vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11. Februar 1966 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Karlsruhe vom 16. Oktober 1963 zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten gewesen.
II
Die Revision der beklagten KÄV ist begründet. Die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits zu.
Das LSG hat allerdings mit Recht angenommen, daß die prozessualen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung gegeben sind. Ein Widerspruchsverfahren, das in kassenärztlichen Streitigkeiten der Klageerhebung grundsätzlich vorangehen muß (BSG 25, 120), hat stattgefunden, und zwar vor dem Vorstand der beklagten KÄV, der nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Widerspruchsstelle bestimmt werden konnte (BSG 26, 174, 177 oben). Da somit ein wirksamer, weil von der zuständigen Stelle erlassener Widerspruchsbescheid vorliegt, der nach Erhebung der Klage auf seine Rechtmäßigkeit nachzuprüfen ist, kann dahinstehen, ob das Verwaltungsverfahren etwa sonst Mängel aufweist (vgl. Urteile des 3. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - vom 11. August und 23. November 1966, 3 RK 37/64 und 75/64, in denen entschieden worden ist, daß etwaige Fehler des Verwaltungsverfahrens von den Gerichten nicht zu berücksichtigen sind, wenn ein wirksamer, d.h. nicht nichtiger, Widerspruchsbescheid vorliegt: vgl. auch BSG 24, 134 und 26, 177). Der Senat kann deshalb offenlassen, ob eine KÄV - außer in den vom Gesetz zugelassenen Fällen (vgl. zB § 368 n Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO) - Teile ihrer Verwaltungszuständigkeiten auf "unabhängige" Ausschüsse, wie hier die Röntgenkommission, zur selbständigen Erledigung übertragen darf.
Die beklagte KÄV hat sich mit Recht für befugt gehalten, die Abrechnung von Röntgenleistungen durch ihre Mitglieder von der Erfüllung bestimmter - formeller und materieller - Voraussetzungen abhängig zu machen. Grundsätzlich ist zwar jeder Kassenarzt kraft seiner Zulassung "zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtigt" (§ 368 a Abs. 4 RVO). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur nach Maßgabe der vertraglichen Bestimmungen über die kassenärztliche Versorgung (§ 368 g RVO), die für den Kassenarzt entweder unmittelbar (§ 368 a Abs. 4, 2. Halbs. RVO) oder, soweit es sich um Verträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) handelt, mittelbar über entsprechende Satzungsbestimmungen seiner KÄV verbindlich sind (§ 368 m Abs. 2 RVO).
Nach § 368 g Abs. 1 RVO ist die kassenärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Krankenkassen und ihren Verbänden so zu regeln, daß eine gleichmäßige, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken gewährleistet ist und daß die ärztlichen Leistungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Krankenkassen angemessen vergütet werden. Nach § 368 Abs. 2 Satz 2 RVO wird der allgemeine Inhalt der Gesamtverträge, die die KÄVen mit den einzelnen Krankenkassen schließen, von der KBV und den Bundesverbänden der Krankenkassen vereinbart. Diese haben von der ihnen gemeinsam erteilten Rechtsetzungsermächtigung in dem am 1. Oktober 1959 in Kraft getretenen Bundesmantelvertrag Gebrauch gemacht. Darin haben sie auch die Voraussetzungen für die Ausführung von Röntgenleistungen in der Kassenpraxis geregelt; § 15 BMV lautet:
(1) Röntgenleistungen dürfen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nur von solchen Kassenärzten und beteiligten Ärzten ausgeführt werden, die der für sie zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen, daß ihnen eine ausreichende Röntgeneinrichtung zur Verfügung steht. Richtlinien über die an die Röntgeneinrichtungen zu stellenden Anforderungen erläßt die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
(2) Im übrigen wird die Berechtigung zur Ausführung von Röntgenleistungen, abgesehen von den Fachärzten für Röntgen- und Strahlenheilkunde, nur an Ärzte erteilt, die nachweisen, daß sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Berechtigung kann auf die Ausführung bestimmter Röntgenleistungen beschränkt werden.
Unbedenklich ist von diesen Bestimmungen zunächst, daß Abs. 1 Satz 1 für die Ausführung von Röntgenleistungen "eine ausreichende Röntgeneinrichtung" fordert (vgl. dazu die Richtlinien der KBV über die Röntgeneinrichtungen in der Kassenpraxis vom 19. Mai 1967, Deutsches Ärzteblatt - DÄ - 1967, 1303). Als eine Bestimmung, die auf Grund gesetzlicher Ermächtigung (vgl. dazu BSG 23, 97, 100) die Ausübung des ärztlichen Berufes in der Kassenpraxis näher regelt (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), hält sie sich in den Grenzen, in denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des erkennenden Senats die berufliche Betätigung eingeschränkt werden darf: Danach sind Regelungen der Berufsausübung, die, wie hier, die Freiheit der Berufswahl nicht berühren, schon dann verfassungsmäßig, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls für sie sprechen und die betroffenen Personen nicht unzumutbar belastet werden (vgl. BSG 22, 218, 220; 23, 97, 100; 26, 164, 166, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Daß eine Röntgenapparatur bestimmten technischen Anforderungen genügen muß, ist offenbar sachgemäß und belastet den betreffenden Arzt nicht in unzumutbarer Weise.
Das gleiche gilt, vor allem im Hinblick auf die mit der Anwendung von Röntgenstrahlen verbundenen Gefahren, für die weitere Bestimmung, daß ein Arzt, der Röntgendiagnostik betreiben will, die dafür notwendigen "fachlichen Voraussetzungen erfüllen", d.h. entsprechend ausgebildet sein muß (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BMV). Die Festlegung der Ausbildungsvoraussetzungen ist dabei - anders als in § 15 Abs. 1 BMV für die Röntgeneinrichtung - den einzelnen KÄVen überlassen worden (vgl. die genannten Richtlinien der KBV vom 19. Mai 1967, Abschn. A Ziff. 4 letzter Satz). Diese haben bisher von der ihnen erteilten Ermächtigung in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht (vgl. Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 4. Auflage, § 15 BMV Anm. 2, IV 44; vgl. ferner ebenda IV 189 ff). Im Bereich der beklagten KÄV gelten seit dem 1. November 1960 die von ihrer Vertreterversammlung beschlossenen "Richtlinien für die Berechtigung eines Kassenarztes zur kassenärztlichen Röntgentätigkeit gem. § 15 des Bundesmantelvertrags vom 1. August 1959" und die ebenfalls am 1. November 1960 in Kraft getretene Neufassung der "Satzung der Röntgenkommission". Nach den Röntgenrichtlinien der Beklagten sind die fachlichen Voraussetzungen für eine Röntgentätigkeit erfüllt, wenn der Arzt, nach erfolgter Bestallung, in einem zentralen Röntgeninstitut eines Krankenhauses, bei einem freiberuflich tätigen Röntgenologen oder in der Röntgenabteilung einer Fachklinik oder in einer Fachabteilung eines Krankenhauses als planmäßiger Assistent eine bestimmte Zeit ausschließlich - seit 1965 z.T. auch neben einer sonstigen Assistententätigkeit - röntgenologisch ausgebildet worden ist. Als Ausbildungszeit ist dabei bis zum Jahre 1964 für Internisten eine ganztägige Röntgentätigkeit von 12 Monaten gefordert worden; seit 1965 genügt auch eine 12-monatige Röntgentätigkeit auf der eigenen Station und eine mindestens 6-monatige ganztägige Tätigkeit auf einer Röntgenabteilung (§ 2 der Röntgenrichtlinien).
Unbedenklich ist schließlich, daß § 15 BMV die Ausübung über Röntgendiagnostik nicht nur von dem Vorliegen bestimmter materieller Voraussetzungen hinsichtlich der Röntgeneinrichtung und der Person des Arztes abhängig macht, sondern darüber hinaus verlangt, daß der Arzt das Vorliegen dieser Voraussetzungen "nachweist", bevor ihm die Berechtigung zur Ausführung von Röntgenleistungen erteilt wird. Damit haben die Vertragspartner der Ausübung der Röntgentätigkeit - anders als bei sonstigen Sachleistungen (vgl. § 16 Abs. 2 BMV) - praktisch ein eigenes "Zulassungsverfahren" vorgeschaltet. Auch diese Regelung wird indessen durch § 368 g Abs. 1 und 2 RVO gedeckt, vor allem wegen der besonderen mit der Röntgentechnik verbundenen und im Vergleich zu anderen Sachleistungen unverhältnismäßig größeren gesundheitlichen Gefährdungen; sie lassen in der Tat eine präventive Prüfung in sachlicher und persönlicher Hinsicht angezeigt erscheinen. Eine solche Prüfung bedeutet auch für den betroffenen Arzt keine unzumutbare Belastung.
Welche Anforderungen dabei im einzelnen an das Gerät und die Person des Arztes gestellt werden dürfen, ohne daß der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck verletzt wird (vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Art. 12 Anm. 8 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG), braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Offenbar hat der Kläger der Beklagten den Nachweis erbracht, daß er eine geeignete Röntgeneinrichtung besitzt und die "fachlichen Voraussetzungen" für eine Röntgentätigkeit auf seinem Fachgebiet erfüllt. Ob allerdings seine Ausbildung auch für die hier in Frage stehende Röntgendiagnostik der Harnorgane ausreicht, läßt sich den Feststellungen des LSG nicht zweifelsfrei entnehmen. Gerade dieser Umstand ist aber für die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BMV, über dessen Auslegung die Beteiligten streiten, von wesentlicher Bedeutung. Sollten nämlich dem Kläger die für Röntgenuntersuchungen der Harnwege notwendigen fachlichen Kenntnisse fehlen, so hätte ihm die Beklagte die Berechtigung zur Vornahme solcher Röntgenuntersuchungen im Ergebnis mit Recht versagt, ohne daß es noch darauf ankäme, ob sie berufsrechtlich zum Fachgebiet der inneren Medizin gehören.
Mit dem allgemeinen ärztlichen Berufsrecht haben die Partner des BMV die Berechtigung zur Ausübung einer kassenärztlichen Röntgentätigkeit nur insofern fest verknüpft, als sie Ärzte, die nach der ärztlichen Berufsordnung als Fachärzte für Röntgenologie und Strahlenheilkunde anerkannt sind, von der Verpflichtung zum Nachweis ihrer röntgenologischen Fachkenntnisse befreit haben (§ 15 Abs. 2 BMV: "... abgesehen von den Fachärzten für Röntgen- und Strahlenheilkunde ..."). Bei allen anderen Ärzten haben sie dagegen - unbeschadet der mit der Bestallung erworbenen Befugnis zur "uneingeschränkten Ausübung der Heilkunde" (Daniels/Bulling, Bundesärzteordnung, Vorbemerkung 26 vor § 3 S. 47) - für die kassenärztliche Röntgentätigkeit den individuellen Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse verlangt und im Zusammenhang damit eine Beschränkung der Röntgenberechtigung "auf die Ausführung bestimmter Röntgenleistungen" zugelassen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BMV). Schon dieser Sachzusammenhang ergibt - entgegen der Ansicht der beklagten KÄV -, daß die zuletzt genannte Bestimmung des BMV keine Handhabe bietet, die Röntgenberechtigung nach freiem Ermessen oder aus irgendwelchen "sachlichen" Gründen einzuschränken. Solche Einschränkungen sind vielmehr nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung nur dann und insoweit gerechtfertigt, als der Arzt für bestimmte Röntgenleistungen nicht die vernünftigerweise zu fordernde Sachkunde besitzt. Ist dies der Fall, muß er sich allerdings auch innerhalb seines berufsrechtlich zulässigen Tätigkeitsbereichs, insbesondere innerhalb seines Fachgebiets, Einschränkungen gefallen lassen. Das gilt auch für Fachärzte, die - wie Internisten und Urologen - vor ihrer Facharztanerkennung eine bestimmte Ausbildungszeit in der Röntgendiagnostik zurücklegen müssen (z.Z. in der Regel 1/2 Jahr, vgl. § 25 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 8 der Berufs- und Facharztordnung für die deutschen Ärzte, Daniels/Bulling aaO S. 387, 397, und im wesentlichen inhaltsgleich § 29 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 8 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung vom 26. März 1960, Etmer/Bolck, Bundesärzteordnung, Anhang C 13). Auch bei ihnen können, namentlich auf Sonder- oder Grenzgebieten des Faches, Ausbildungslücken bestehen, so daß es nicht vertretbar wäre, die Röntgenberechtigung für das gesamte Fachgebiet einschließlich etwa beantragter Spezialgebiete zu erteilen.
Ob im Falle des Klägers die Berechtigung zur Ausführung von Röntgenuntersuchungen der Harnwege wegen nicht ausreichender Ausbildung oder Sachkunde versagt werden darf, läßt sich nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen. Die Begründung des Widerspruchsbescheides der Beklagten legt die Vermutung nahe, daß die Röntgenkommission der Beklagten gewisse Zweifel an der Qualifikation des Klägers für Röntgenuntersuchungen der Harnorgane gehabt hat, mag diese Frage später - während des Prozesses - auch hinter der anderen Frage zurückgetreten sein, ob die genannten Untersuchungen überhaupt noch zum internistischen Fachgebiet gehören. Hierauf käme es indessen nicht mehr an, wenn schon die erste Frage zuungunsten des Klägers zu beantworten wäre. Andererseits könnte die Frage seiner genügenden Ausbildung für die Entscheidung des Rechtsstreits dahingestellt bleiben, wenn die strittigen Röntgenleistungen außerhalb seines Fachgebiets lägen, sein Antrag also deswegen abgelehnt werden müßte (BSG 23, 97, 103). Da der Senat jedoch auch diesen Punkt, wie noch auszuführen sein wird, nicht abschließend entscheiden kann, muß das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Das LSG hat seine Ansicht über die Zugehörigkeit der fraglichen Röntgenleistungen zum Fachgebiet der inneren Medizin vor allem damit begründet, daß die Behandlung innerer Leiden auch die Berechtigung zur Vornahme aller erforderlichen Maßnahmen zur Krankheitserkennung einschließlich der Röntgendiagnostik umfasse. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Die - vielfach noch unsichere - Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete ist bisher nicht nur nach der Art der Krankheiten oder der erkrankten Organe, sondern auch nach anderen Merkmalen vorgenommen worden, insbesondere nach der Art der Behandlung (operativ oder konservativ), der Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden usw. Angesichts dieser Sachlage muß es, solange klare berufsrechtliche Abgrenzungsbestimmungen fehlen, entscheidend auf die in der Ärzteschaft herrschenden Anschauungen ankommen. Das LSG hat insofern auf Äußerungen seiner beiden ärztlichen Beisitzer verwiesen. Damit ist indessen die gestellte Frage nicht ausreichend beantwortet worden. Zwar hat auch der erkennende Senat schon in Fällen, in denen etwa um die Befugnis zur Ausführung von Elektrokardiogrammen durch Röntgenologen oder Laborärzte gestritten wurde, die Sachkunde der ärztlichen Beisitzer bei der Abgrenzung der Fachgebiete mitverwertet oder ihre Verwertung durch das Berufungsgericht gebilligt (BSG 23, 97, 102; Beschluß vom 4. Oktober 1966, 6 RKa 25/66, DÄ 1967, 663, 664). In erster Linie hat der Senat jedoch den Umfang der betreffenden Fachgebiete (Röntgenologie, Laboratoriumsdiagnostik) nach der Wortbedeutung bestimmt und sich im übrigen auf gutachtliche Äußerungen der Bundesärztekammer bezogen, die Sachkunde der ärztlichen Beisitzer also nur unterstützend herangezogen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Ärzte, die bei der Entscheidung des LSG mitgewirkt haben, insofern selbst "Partei" sind, als sie als Internisten möglicherweise eine von der Gesamtheit ihrer Standesgenossen nicht geteilte Auffassung über die Abgrenzung ihres Faches vertreten. Schließlich hat die Revision mit Recht geltend gemacht, daß einer der Beisitzer des LSG die strittigen Röntgenleistungen zwar zum Fachgebiet der inneren Medizin gerechnet, ihre Ausführung durch Internisten jedoch als "nicht üblich" bezeichnet hat. Unter diesen Umständen hätte das LSG, zumal die wörtliche Auslegung des Begriffs der inneren Krankheiten hier nicht zu einem klaren Ergebnis führt, vor der Entscheidung des Rechtsstreits weitere gutachtliche Äußerungen einholen müssen. In Betracht gekommen wäre vor allem eine Stellungnahme der Bundesärztekammer, in der alle ärztlichen Gruppen vertreten sind, oder ihres insoweit besonders sachverständigen Facharztausschusses. Das wird nunmehr nachzuholen sein, es sei denn, daß bei den Beratungen über die neue "Weiterbildungsordnung" (vgl. dazu DÄ 1967, 1236, 1258, 1261 und 1385 ff) die Fachgebiete der inneren Medizin und der Urologie so klar gegeneinander abgegrenzt werden, daß die neuen "Definitionen" (vgl. DÄ 1967, 1391 ff) eine Zuordnung der streitigen Leistungen zu einem der beiden Fachgebiete erlauben (vgl. im übrigen die Röntgenrichtlinien der KÄV Niedersachsen vom 3. Februar 1962, nach denen zur inneren Medizin auch Röntgenaufnahmen der Nieren- und Harnwege, zur Urologie die Röntgendiagnostik der Harnorgane einschließlich der intravenösen und retrograden Pyelographie und der Cystographie gehören, Heinemann/Liebold aaO S. IV 189 1 und DÄ 1967, 1373; 1968, 867, 869).
Sollte das Berufungsgericht hiernach bei seiner neuen Entscheidung wiederum zu dem Ergebnis kommen, daß die Beklagte dem Kläger die Berechtigung zur Röntgendiagnostik der Harnorgane zu erteilen hat, wird außer dem Bescheid der Röntgenkommission vom 22. Juni 1962 auch der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Februar 1963 aufzuheben sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, auch des Revisionsverfahrens, bleibt dem abschließenden Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2374888 |
BSGE, 73 |