Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz während des Essens und Trinkens
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einnahme von Speisen und Getränken ist im allgemeinen dem persönlichen, nicht unfallversicherten Lebensbereich zuzurechnen.
2. Nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre ist der ursächliche Zusammenhang zwischen einem Unfall und der versicherten Tätigkeit auch gegeben, wenn diese unter mehreren Bedingungen als eine wesentliche Bedingung des Unfalls zu werten ist; die Zurechnung der Nahrungsaufnahme zum persönlichen, nicht unfallversicherten Lebensbereich schließt es danach nicht grundsätzlich aus, daß Unfälle während dieser Betätigung und der damit zusammenhängenden Wege sowohl auf der Betriebsstätte in der Arbeitszeit oder in Arbeitspausen als auch auf Wegen vom Ort der Tätigkeit zu einer Stelle, an der die Mahlzeit eingenommen werden soll, rechtlich wesentlich auch mit der versicherten Tätigkeit im Zusammenhang stehen.
3. Auch Unfälle, die sich nicht nur während, also in zeitlichem Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, sondern unmittelbar infolge der vom Versicherten zur Arbeitsstätte mitgebrachten Speisen und Getränke oder durch Verletzung an den hierfür verwendeten Behältern ereignen (hier: Zerplatzung einer Glasflasche), sind unter der Voraussetzung als Arbeitsunfälle zu werten, daß die versicherte Tätigkeit ebenfalls eine rechtlich wesentliche Bedingung für die Körperschädigung gewesen ist.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger war als Hilfsarbeiter in der Ton- und Klebsandgrube eines Mahlwerkes beschäftigt. Am 2. März 1970 begann seine Arbeitsschicht um 7 Uhr und sollte bis 16,30 Uhr dauern. In der Mittagspause, die um 11,30 Uhr beendet war, hatte er wie üblich eine von zu Hause mitgebrachte Halbliterflasche Milch zum Erwärmen auf den Ofen im Mannschaftsraum gelegt. Als er gegen 14,30 Uhr den Mannschaftsraum betrat, um die Milch zu trinken, explodierte die mit einem Kronenkorken verschlossene gläserne Flasche. Dabei erlitt der Kläger Splitterverletzungen im Gesicht sowie eine Prellung des linken Augapfels, die zur totalen Netzhautablösung führte; das linke Auge ist praktisch erblindet.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 27. November 1970 eine Entschädigung mit der Begründung ab, der Kläger sei bei einer eigenwirtschaftlichen, privaten Tätigkeit zu Schaden gekommen, für die er keinen Unfallversicherungsschutz genieße.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Koblenz durch Urteil vom 24. Mai 1971 antragsgemäß die Beklagte verurteilt, dem Kläger Entschädigung zu gewähren. Es hat angenommen, bei der Einnahme der Milch und den vorbereitenden Maßnahmen hierfür habe es sich zwar um eigenwirtschaftliche, an sich unversicherte Tätigkeiten des Klägers gehandelt. Im vorliegenden Fall sei jedoch der Unfall letztlich durch die Ofenhitze zustande gekommen; auch die Schwere des Unfalls infolge Explosion der Milchflasche sei mit auf den Ofen zurückzuführen, der eine Betriebseinrichtung darstelle. Deshalb habe der Kläger unter Versicherungsschutz gestanden. Eine selbstgeschaffene Gefahr liege nicht vor; der Kläger habe davon ausgehen können, daß die Milchflasche wie in den Jahren zuvor lediglich leicht angewärmt gewesen sei und nicht explodieren würde.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 28. Juni 1972 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Versicherungsschutz sei schon deshalb gegeben, weil die beabsichtigte Einnahme der warmen Milch nach den gesamten Umständen nicht als eine unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sei. Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit wesentlich dienten, werde ein ursächlicher Zusammenhang mit der versicherten Arbeit begründet. Das sei hier der Fall. Der Kläger habe offensichtlich deshalb angewärmte Milch trinken wollen, weil er in Anbetracht der mehrstündigen stauberzeugenden Arbeit bei kaltem Wetter im Freien eine solche Stärkung zur Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit für nötig gehalten habe. Da der Kläger nach der Mittagspause bis zu dem Unfall bereits wieder drei Stunden in der Grube gearbeitet und es bis zum Feierabend zwei Stunden gedauert habe, schlössen die zeitlichen Umstände ein betrieblich bedingtes Stärkungsbedürfnis nicht aus. Die Arbeit des Klägers sei nicht nur wegen der damit erfahrungsgemäß verbundenen Staubentwicklung in erheblichem Maß geeignet, Durst zu erregen. In Anbetracht der jahreszeitlich kalten Witterung habe sie auch durchaus das Bedürfnis nach einem angewärmten Getränk wecken können. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Kläger nicht nur am Unfalltag, sondern mindestens in der kalten Jahreszeit täglich bei der Arbeit in der Grube warme Milch zu trinken pflegte. Das zeige, daß betriebliche Einflüsse wesentlich zur Entstehung seines Stärkungsbedürfnisses beigetragen hätten. Ob und wie weit bei der Gewohnheit des Klägers, warme Milch zu trinken, auch der Wunsch eine Rolle gespielt haben möge, allgemein für sein körperliches Wohlbehagen zu sorgen, könne auf sich beruhen. Bei seiner festgestellten Beschäftigungsweise sei jedenfalls anzunehmen, daß die beabsichtigte Einnahme der angewärmten Milch wesentlich der Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit habe dienen sollen.
Der Versicherungsschutz sei auch nicht ausgeschlossen, weil der Kläger dadurch, daß er die Flasche zum Erwärmen ungeöffnet auf den Ofen legte, zu dem Unfall beigetragen habe. Wirkten bei der Entstehung eines Unfalls Ursachen mit, die teils dem betrieblichen, teils dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen seien, entfalle der Versicherungsschutz nur, wenn letztere derart überwögen, daß die betrieblichen Ursachen bis zur rechtlichen Bedeutungslosigkeit zurückgedrängt würden; nur dann könnten die aus dem unversicherten Bereich herrührenden Unfallbedingungen als rechtlich allein wesentliche Ursache angesehen werden. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Mangels begründeter Anhaltspunkte könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Flasche einen Schaden gehabt habe, der sie leichter explodieren ließ. Die Unvorsichtigkeit des Klägers, die Flasche ungeöffnet auf dem Ofen zu wärmen, vermöge für sich allein den Versicherungsschutz nicht auszuschließen. Der Kläger habe schon jahrelang Milch auf die Weise erwärmt, daß er eine mitgebrachte Flasche verschlossen auf den im allgemeinen nach der Mittagspause verlöschenden Ofen im Mannschaftsraum legte. Eine Möglichkeit, die Milch etwa in einem Topf oder im Wasserbad zu erwärmen, wie er dies zu Hause wahrscheinlich getan hätte, sei ihm vom Betrieb in dem Mannschaftsraum nicht zur Verfügung gestellt worden. Der Kläger sei daher durch besondere betriebliche Umstände gezwungen gewesen, die Flasche jeweils unmittelbar auf dem Ofen zu erwärmen. Das von ihm geübte Verfahren, die Flasche nicht geöffnet, sondern ungeöffnet auf den Ofen zu stellen, habe bisher immer den gewünschten Erfolg erzielt; zu einer Explosion der Flasche infolge Überhitzung sei es zuvor niemals gekommen. Unter diesen Umständen sei es wahrscheinlich, daß am Unfalltag die Ofenhitze ausnahmsweise stärker als üblich gewesen sei und dieser Umstand entscheidend dazu beigetragen habe, die Flasche in dem Augenblick explosionsartig zerspringen zu lassen, als der Kläger sie habe holen wollen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Es sei lediglich eine Vermutung des LSG, daß die Einnahme der angewärmten Milch wesentlich der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Klägers habe dienen sollen; schon die zeitlichen Umstände sprächen dagegen; das LSG habe insoweit gegen § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen. Jedenfalls aber fehle es an objektiven Voraussetzungen dafür, daß das Milchtrinken betriebsbedingt gewesen sei. Die Übung des Klägers, in der kalten Jahreszeit täglich bei der Arbeit warme Milch zu trinken, deute entgegen der Ansicht des LSG gerade auf eine private Neigung des Klägers. Keiner der Arbeitskollegen des Klägers habe dasselbe Verlangen verspürt. Da der Ofen keinerlei Unregelmäßigkeit aufgewiesen habe, scheide auch der Versicherungsschutz aus dem Gesichtspunkt der Verursachung des Unfalls durch eine Betriebseinrichtung aus. Jedenfalls aber würde der Versicherungsschutz ausgeschlossen sein, weil der Kläger den Unfall durch eine von ihm selbstgeschaffene Gefahr herbeigeführt habe. Die Ausführungen des LSG über die Entstehung und die Ursache der Explosion beruhten auf nicht bewiesenen Vermutungen. Das LSG habe gegen § 128 und § 103 SGG verstoßen, da es nicht einmal einen Sachverständigen über die Explosionsursache gehört habe. Bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen hätte sich mit aller Wahrscheinlichkeit die Gefährlichkeit, ja Unsinnigkeit des Verhaltens des Klägers ergeben.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die - zulässige - Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger erlitt den Unfall nicht bei seiner eigentlichen Betriebstätigkeit, sondern im Mannschaftsraum des Betriebes durch die Explosion einer von ihm mitgebrachten und zum Erwärmen auf den Ofen gelegten Glasflasche mit Trinkmilch, als er während der Arbeitszeit die Flasche holen wollte, um daraus zu trinken.
Nach § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter "bei", d. h. im ursächlichen Zusammenhang mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Dies erfordert außer dem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang, der hier durch den Eintritt des Unfalls auf der Betriebsstätte während der Arbeitszeit gegeben ist, auch einen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Unfall und der - hier aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO - versicherten Tätigkeit. Von den versicherten Tätigkeiten sind die dem privaten Bereich des Versicherten zuzurechnenden - sog. eigenwirtschaftlichen - Tätigkeiten abzugrenzen, bei deren Verrichtung kein Versicherungsschutz besteht. Zu diesen dem privaten Lebensbereich zuzurechnenden Betätigungen zählen vor allem die notwendigen und selbstverständlichen Dinge, denen jeder Mensch unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen pflegt, auch wenn sie zugleich für die Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vielfach sogar unentbehrlich sind (vgl. z. B. BSG 7, 255, 256; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-7. Aufl. S. 480 s I). Die Nahrungsaufnahme - das Essen und Trinken - ist in diesem Sinne eine zum privaten Lebensbereich rechnende Betätigung (BSG 11, 267, 268; 12, 247, 249; SozR Nr. 26 zu § 543 RVO aF; SozR Nrn. 40, 41 und 52 zu § 542 RVO aF; BSG in BG 1965, 273; BSG in VersR 1969, 462 = BB 1969, 408; BSG in Breithaupt 1969, 755; BSG, Urteile vom 26. April 1973 - 2 RU 213/71 - und vom 11. Oktober 1973 - 2 RU 16/73 -; vgl. auch Brackmann aaO S. 482 m. Nachw. aus dem Schrifttum). Das allgemeine Interesse des Unternehmers daran, daß der Beschäftigte Freizeit und Arbeitspausen zur Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit ausnutzt, reicht jedenfalls für sich allein nicht aus, um einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen der Nahrungsaufnahme und der versicherten Tätigkeit zu begründen; das Unternehmen ist auch an zahlreichen anderen Verrichtungen der Beschäftigten interessiert, ohne die eine ordnungsgemäße Erfüllung der betrieblichen Aufgaben nicht möglich ist, die aber trotzdem zum privaten Lebensbereich gehören (vgl. hierzu BSG 11, 267, 268).
Allerdings ist nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre der ursächliche Zusammenhang zwischen einem Unfall und der versicherten Tätigkeit auch gegeben, wenn diese unter mehreren Bedingungen (im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn) als eine wesentliche Bedingung des Unfalls zu werten ist. Die Zurechnung der Nahrungsaufnahme zum privaten, eigenwirtschaftlichen Lebensbereich schließt es danach nicht grundsätzlich aus, daß Unfälle während dieser Betätigung und der damit zusammenhängenden Wege sowohl auf der Betriebsstätte in der Arbeitszeit oder in Arbeitspausen als auch auf Wegen vom Ort der Tätigkeit zu einer Stelle, an der die Mahlzeit eingenommen werden soll, rechtlich wesentlich auch mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Die Beurteilung, ob - auch - die versicherte Tätigkeit eine wesentliche Bedingung und deshalb eine Mitursache des Unfalls war, ist eine nach den Umständen des Einzelfalles sich richtende Wertentscheidung (vgl. Brackmann aaO S. 480 ff. m. Nachw.).
Auch Unfälle, die sich nicht nur während, also in zeitlichem Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, sondern unmittelbar infolge der vom Versicherten zur Arbeitsstätte mitgebrachten Speisen und Getränke (z. B. Fleischvergiftung) oder durch Verletzung an den hierfür verwendeten Behältern - wie hier - ereignen, sind hiernach unter der Voraussetzung als Arbeitsunfälle zu werten, daß die versicherte Tätigkeit ebenfalls eine rechtlich wesentliche Bedingung für die Körperschädigung gewesen ist (vgl. BSG SozR Nr. 40 und Nr. 41 zu § 542 RVO aF; BSG in Breithaupt 1969, 755).
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, sind im vorliegenden Fall Umstände, die es rechtfertigen, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit anzunehmen, insofern gegeben, als das Bedürfnis des Klägers nach angewärmter Milch und daher auch die hiermit zusammenhängenden Vorbereitungshandlungen wesentlich in den Besonderheiten der vom Kläger verrichteten Arbeit begründet waren.
In tatsächlicher Hinsicht hat das LSG - insoweit unangefochten und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, daß der Kläger zur Unfallzeit bereits 3 Stunden nach Beendigung der Mittagspause gearbeitet hatte und bis zum Ende der Arbeitsschicht noch 2 Stunden hätte arbeiten müssen, daß die Arbeiten in der Ton- und Klebsandgrube mit Staubentwicklung verbunden waren und kalte Witterung herrschte. Nach den weiteren Feststellungen des LSG hielt der Kläger in Anbetracht der mehrstündigen stauberzeugenden Arbeit im Freien bei kaltem Wetter eine Stärkung durch Trinken angewärmter Milch für notwendig, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Hiergegen wendet sich zwar die Revision mit dem Hinweis darauf, daß der Kläger nur noch 2 Stunden zu arbeiten gehabt hätte, an seine Arbeit gewöhnt gewesen sei und außergewöhnliche Umstände, die das Milchtrinken nach der vorausgegangenen Mittagspause dringend gefordert hätten, nicht gegeben gewesen seien. An die tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Senat jedoch gebunden, da die Revision keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat. Soweit sich die Ausführungen der Revision überhaupt gegen die tatsächlichen Feststellungen des LSG richten, laufen sie darauf hinaus, ein anderes Beweisergebnis für richtig zu halten; dies begründet aber noch keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG (vgl. BSG 1, 150, 153; 2, 236, 237; SozR Nr. 34 und Nr. 56 zu § 128 SGG). Die Revision hat nicht dargelegt, daß das LSG insoweit die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 SGG) überschritten hat. Im übrigen richtet sich das Vorbringen der Revision gegen den sachlich-rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts. Dessen Auffassung, die an den inneren ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall zu stellenden Anforderungen wären überspannt, wenn er nur bei einem auf vorwiegend zwingenden betrieblichen Gegebenheiten beruhenden Stärkungsbedürfnis als gegeben angesehen würde, hat aber der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Juni 1961 (SozR Nr. 41 zu § 542 RVO aF) ebenfalls vertreten. Es besteht kein Anlaß, davon abzuweichen. Von diesem Rechtsstandpunkt aus hat es das LSG ohne Rechtsirrtum für ausreichend erachtet, daß die betrieblichen Einflüsse im vorliegenden Fall wesentlich zur Entstehung des vom Kläger empfundenen Stärkungsbedürfnisses beigetragen haben. Entgegen der Meinung der Revision reichen zur Erfüllung dieses Erfordernisses für den Versicherungsschutz die Feststellungen des LSG aus, nach denen objektiv die mit der Arbeit verbundene Staubentwicklung in erheblichem Maße geeignet war, Durst zu erregen und in Anbetracht der kalten Witterung auch das Bedürfnis nach einem angewärmten Getränk wecken konnte und die zeitlichen Umstände ein betrieblich bedingtes Stärkungsbedürfnis nicht ausschließen. Einem hier am Unfalltag durch die Beschäftigungsweise wesentlich mitbedingten Bedürfnis des Klägers nach einem stärkenden, angewärmten Getränk steht nicht entgegen, daß der Kläger mindestens in der kalten Jahreszeit auch sonst täglich bei der Arbeit in der Grube warme Milch zu trinken pflegte. Die wesentliche Mitwirkung der betrieblichen Einflüsse an der Entstehung des Stärkungsbedürfnisses ist schließlich nicht zu verneinen, weil möglicherweise andere, mit dem Kläger zusammen arbeitende Versicherte - wie die Revision behauptet - zu derselben Zeit nicht dasselbe Bedürfnis verspürten; dies dürfte vielmehr, falls es zutrifft, und selbst wenn die anderen Arbeitnehmer denselben Einwirkungen wie der Kläger ausgesetzt waren, auf individuell unterschiedlicher Empfindlichkeit beruhen.
Der Schlußfolgerung des LSG, daß die beabsichtigte Einnahme der angewärmten Milch wesentlich der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Klägers dienen sollte und daher die damit zusammenhängenden Verrichtungen in ursächlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit standen, ist somit beizupflichten.
Der Versicherungsschutz ist entgegen dem Revisionsvorbringen nicht ausgeschlossen, weil der Kläger dadurch, daß er die Milchflasche ungeöffnet auf den Ofen legte, selbst zum Entstehen des Unfalls beigetragen hat. Ein schuldhaftes, nicht auf Absicht beruhendes Verhalten des Versicherten bei der Herbeiführung des Unfalls steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen (§ 553 RVO). Dafür, daß die Flasche einen Schaden hatte, der sie leichter explodieren ließ, die Unfallursache also insoweit aus der unversicherten Privatsphäre entsprungen ist, bestehen nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte. Unter dem Gesichtspunkt der "selbstgeschaffenen Gefahr" würde der Versicherungsschutz nur entfallen, wenn das Verhalten des Klägers in so hohem Grad vernunftswidrig gewesen wäre und zu einer solchen besonderen Gefährdung geführt hätte, daß die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall angesehen werden könnte (vgl. Brackmann aaO, S. 484 i ff m. Nachw. aus Rechtspr. und Schrifttum). Solche Umstände liegen nicht vor. Nach den Feststellungen des LSG pflegte der Kläger schon jahrelang seine Milch auf dieselbe Weise zu erwärmen, indem er die mitgebrachte Flasche verschlossen auf den - im allgemeinen nach der Mittagspause verlöschenden - Ofen im Mannschaftsraum legte, da ihm vom Betrieb eine andere Möglichkeit zum Anwärmen der Milch nicht zur Verfügung gestellt worden war. Zu einer Explosion der Flasche infolge Überhitzung war es zuvor niemals gekommen. Entscheidend zum explosionsartigen Zerspringen der Flasche hat nach der Feststellung des LSG wahrscheinlich beigetragen, daß der Ofen am Unfalltag ausnahmsweise stärker als üblich erhitzt gewesen ist. Unter diesen Umständen ist das Verhalten des Klägers nicht als so hochgradig vernunftswidrig zu erachten, daß die versicherte Tätigkeit als wesentliche Mitursache des Unfalls auszuscheiden hätte.
Die Revision greift zwar die Feststellungen des LSG an und rügt insoweit, das Berufungsgericht hätte einen Sachverständigen über die Ursache der Milchflaschenexplosion hören müssen; die Vernehmung eines Sachverständigen hätte nach Meinung der Revision erst recht die Gefährlichkeit und Unsinnigkeit der Verhaltensweise des Klägers ergeben. Die Rügen entsprechen aber nicht dem Formerfordernis des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind die Tatsachen und Beweismittel zu bezeichnen, d. h. vollständig zu bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben (vgl. BSG SozR Nr. 28 zu § 128 SGG). Hierzu hätte es im vorliegenden Fall jedenfalls der Darlegung bedurft, wodurch und auf welche Weise nach Meinung der Revision - abweichend von den Feststellungen des LSG - die Explosion der Milchflasche zustande gekommen ist.
Die Revision der Beklagten war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen