Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienst im Auftrag einer Firma bei der Luftwaffe in Griechenland

 

Leitsatz (redaktionell)

War ein Beschädigter im Auftrage seiner Firma - der Junkers-Flugzeug- und Motorenwerke AG Dessau - damit betraut, beim Generalluftzeugmeister, Verbindungsstab Griechenland, in Junkersflugzeuge Neuerungen einzubauen, und die vom Fronteinsatz beschädigten Junkersflugzeuge zu reparieren, so hat er keinen Zivildienst "bei der Wehrmacht" geleistet.

 

Normenkette

BVG § 3 Abs. 2 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 8. Februar 1957 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Lungentuberkulose (Tbc), eines Lungenemphysems, Pleuraverwachsungen und einer Herzinsuffizienz als Schädigungsfolgen im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung und die Gewährung von Rente wegen völliger Erwerbsunfähigkeit. Er war zuletzt Ingenieur und Flugkapitän bei den J-Flugzeug- und Motorenwerken AG. D. Im Januar 1943 wurde er als Leiter des Technischen Außendienstes der J-werke beim Generalluftzeugmeister Verbindungsstab Griechenland eingesetzt. Diese Außendienststelle hatte die Aufgabe, in J-flugzeuge Neuerungen einzubauen und die vom Fronteinsatz beschädigten J-flugzeuge zu reparieren. Der Kläger war weder dienstverpflichtet noch notdienstverpflichtet; sein Gehalt erhielt er von den J-werken in der Heimat, in Griechenland erhielt er lediglich freie Unterkunft und Verpflegung. Er stand in keinem Vertragsverhältnis zur Wehrmacht, ein solches bestand nur zwischen den J-werken und dem Reichsluftfahrtministerium. Der Kläger trägt vor, er sei trotz einer alten, bereits zum Stillstand gekommenen Tbc nach ärztlicher Untersuchung als einsatzfähig für Griechenland befunden worden. Die Verpflegung sei in Griechenland völlig unzureichend gewesen. Dadurch und durch das heiße Klima sei sein Lungenleiden wieder aktiv geworden, so daß er auf militärische Anordnung Ende Juli 1943 nach Deutschland habe zurückversetzt werden müssen.

Das Versorgungsamt (VersorgA.) hat den Antrag auf Versorgung abgelehnt. Das Landessozialgericht (LSG.) hat die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG.) zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Leiden des Klägers ständen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer militärischen oder militärähnlichen Dienstverrichtung, mit einem Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder mit einer gesundheitlichen Schädigung, die der Kläger durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse erlitten hat. Zivildienst, den der Kläger auf Grund eines zwischen ihm und den J-werken bestehenden Arbeitsvertrages geleistet habe, berechtige nicht zur Versorgung. Es handele sich bei dem Kläger auch nicht um einen Zivildienst auf Grund eines Arbeitsvertrages "bei der Wehrmacht", der nach § 3 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) dann als militärähnlicher Dienst gelten könnte, wenn der Einsatz mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Der Kläger habe in keinem Vertragsverhältnis zur Wehrmacht gestanden. Unter dem Dienst auf Grund eines Arbeitsvertrages "bei der Wehrmacht" könne schon rein sprachlich nur ein Zivildienst von Personen verstanden werden, die in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur Wehrmacht standen.

Das LSG. hat die Revision zugelassen. Der Kläger beantragt,

1.) unter Aufhebung des Urteils des LSG. Baden-Württemberg vom 8. Februar 1957 und des Urteils des SG. Ulm vom 28. Juli 1954, den Beklagten zu verurteilen, "Lungentuberkulose, Lungenemphysem, Pleuraverwachsungen und Herzinsuffizienz" im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung anzuerkennen und vom 1. April 1954 an Rente für völlige Erwerbsunfähigkeit zu gewähren;

2.) hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. Baden-Württemberg zurückzuverweisen;

3.) den Revisionsbeklagten zu verurteilen, dem Revisionskläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Kläger stützt die Statthaftigkeit der Revision auf § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und rügt eine Verletzung des § 3 Abs. 2 BVG. Er ist der Ansicht, § 3 Abs. 2 BVG setze nicht voraus, daß ein unmittelbares Arbeitsverhältnis bei der Wehrmacht bestanden hat. Es gebe keinen überzeugenden Grund, der es rechtfertigen könnte, zwischen unmittelbaren und mittelbaren Vertragsverhältnissen zu unterscheiden. Der mittelbar der Wehrmacht Verpflichtete sei in gleicher Weise wie der unmittelbare Vertragspartner den kriegseigentümlichen Gefahren ausgesetzt gewesen. Auch lasse die vom Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 BVG gewählte Wortfassung "bei der Wehrmacht" eine andere Auslegung nicht zu. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung könne nur dann als zutreffend angesehen werden, wenn vom Gesetzgeber an Stelle der gebrauchten Formulierung "bei" das Wort "mit" der Wehrmacht Verwendung gefunden hätte. Schließlich sei auch das weitere für eine Anerkennung eines Versorgungsanspruchs nach § 3 Abs. 2 BVG aufgestellte Erfordernis, nämlich der Einsatz mit besonderen, dem Kriege eigentümlichen Gefahren für die Gesundheit erfüllt, denn das Berufungsgericht habe diese Gefahren als vorliegend angesehen.

Der Beklagte beantragt,

1.) die Revision als unbegründet zurückzuweisen;

2.) die Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht anzuordnen.

Er ist der Auffassung, daß die vom Kläger gerügte Verletzung des § 3 Abs. 2 BVG nicht vorliegt. Das LSG. habe ohne Rechtsirrtum und mit schlüssiger Begründung entschieden, daß sich § 3 Abs. 2 BVG nur auf Personen bezieht, die in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis mit der Wehrmacht gestanden haben.

Die vom LSG. gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassene Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie konnte keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung. Er gehört nicht zu dem nach dem BVG berechtigten Personenkreis. Es handelte sich bei der Tätigkeit des Klägers, die er als Leiter des Technischen Außendienstes der J-Flugzeug- und Motorenwerke AG. D im Auftrage dieses Werkes beim Generalluftzeugmeister Verbindungsstab Griechenland mit einem weiteren Ingenieur und zehn Monteuren ausgeführt hat und die darin bestand, daß er in Junkersflugzeuge Neuerungen einbauen und die vom Fronteinsatz beschädigten Junkersflugzeuge reparieren ließ, um keinen militärischen oder militärähnlichen Dienst im Sinne des BVG. Es liegen zunächst die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BVG nicht vor, wie das angefochtene Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der Ansicht der Beteiligten angenommen hat. Der Kläger hat seinen Dienst auch nicht auf Grund einer Dienstverpflichtung ausgeführt. Der zivile Dienst, den der Kläger geleistet hat, könnte daher nach § 3 Abs. 2 BVG nur dann als militärähnlich gelten, wenn er auf Grund eines Arbeitsvertrages bei der Wehrmacht geleistet worden ist und mit besonderen - kriegseigentümlichen - Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26. April 1960 - 10 RV 420/57 - bereits entschieden und eingehend begründet hat, ist davon auszugehen, daß § 3 Abs. 2 BVG sich nur auf Personen bezieht, die in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur Wehrmacht gestanden haben. Aus den Worten "bei der Wehrmacht" in dieser Vorschrift kann nicht geschlossen werden, daß damit etwas anderes zum Ausdruck kommt als mit den Worten "mit der Wehrmacht", wie die Revision meint, und daß somit der Wortlaut des Gesetzes das Bestehen eines unmittelbaren Vertragsverhältnisses mit der Wehrmacht nicht erfordere. Wie der erkennende Senat in seinem zitierten Urteil ausgeführt hat, erklärt sich der Gebrauch des Wortes "bei" daraus, daß das Gesetz nicht von einer Dienstverpflichtung "mit" der Wehrmacht oder eines Arbeitsvertrages "zur" Wehrmacht sprechen konnte und daher - weil es die Dienstverrichtung neben den Arbeitsvertrag erwähnt - das für beide Begriffe sprachlich passende Wort "bei" gewählt hat. Daß § 3 Abs. 2 BVG ein unmittelbares Vertragsverhältnis zur Wehrmacht voraussetzt, ergibt sich insbesondere aus der Erwähnung der Dienstverpflichtung, die das Gesetz einem Arbeitsvertrag gleichgesetzt hat. Bei der Dienstverpflichtung einer Person zur Wehrmacht auf Grund der Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl. I S. 206) und der Dienstpflicht-Durchführungsverordnung vom 2. März 1939 (RGBl. I S. 403) galt der Arbeitsvertrag gemäß § 2 Abs. 2 der Dienstpflicht-Durchführungsverordnung zwischen der Wehrmacht und dem Verpflichteten mit Zustellung des Verpflichtungsbescheides durch das Arbeitsamt als abgeschlossen. "Bei" der Wehrmacht in § 3 Abs. 2 BVG kann deshalb insbesondere im Hinblick auf § 2 Abs. 2 der Dienstpflicht-Durchführungsverordnung nur so ausgelegt werden, daß es sich um zivilen Dienst handeln muß, der ein unmittelbares Arbeitsverhältnis bei der Wehrmacht begründet hat. Die geschichtliche Entwicklung rechtfertigt die hier gegebene Auslegung des § 3 Abs. 2 BVG. Die Vorschrift geht auf § 96 Nr. 6 des früheren Reichsversorgungsgesetzes (RVG) zurück, der Personen in den versorgungsberechtigten Kreis einbezog, "die der Wehrmacht durch privatrechtlichen Dienst vertraglich zur Dienstleistung verpflichtet sind". Diese Worte sowie die zu dieser Vorschrift ergangenen Ausführungsbestimmungen haben niemals Zweifel darüber aufkommen lassen, daß § 96 Nr. 6 RVG nur Personen erfaßte, die in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur Wehrmacht gestanden hatten (Komm. "Vom Reichsvers. Beamten zum RVG", 2. Aufl., 1929, Anm. 29 zu § 96 Nr. 6 und Anm. 18 zu § 1). Wenn der Gesetzgeber durch § 3 Abs. 2 BVG entgegen dem § 96 Nr. 6 RVG den versorgungsberechtigten Personenkreis auf Personen hätte ausdehnen wollen, die nicht in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur Wehrmacht gestanden haben, so wäre dies entweder im Wortlaut der Vorschrift eindeutig zum Ausdruck gekommen oder würde wenigstens in den Materialien zum BVG erwähnt sein. Schließlich geht auch die am 31. August 1953 eingeführte Verwaltungsvorschrift Nr. 11 Abs. 1 zu § 3 BVG, die zwar keine "authentische Auslegung" der gesetzlichen Vorschrift enthält, sondern der nur zu entnehmen ist, wie nach der Meinung der Verwaltung das Gesetz auszulegen ist (BSG. 6 S. 252), ebenfalls von der hier dem § 3 Abs. 2 BVG gegebenen Interpretation aus.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen Arbeitsvertrag mit der Wehrmacht gehabt; ein Vertrag bestand nur zwischen den J-werken und dem Reichsluftfahrtministerium. Seine Arbeitsaufnahme hatte allein bei den J-werken zu erfolgen. Von diesem Werk hat der Kläger sein Gehalt erhalten. Er ist lediglich auf Grund des Vertrages zwischen den J-werken und dem Reichsluftfahrtministerium in Griechenland eingesetzt gewesen. Damit entfällt die nach § 3 Abs. 2 BVG erforderliche Unmittelbarkeit eines Vertragsverhältnisses zur Wehrmacht.

Die auf § 3 Abs. 2 BVG gestützte Revision konnte keinen Erfolg haben, ohne daß noch darauf einzugehen war, ob die weitere Voraussetzung des § 3 Abs. 2 BVG erfüllt ist, nämlich daß der Einsatz mit besonderen, dem Kriege eigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Das LSG. hat die Vorschrift des § 3 Abs. 2 BVG richtig ausgelegt und daraus folgend § 1 Abs. 1 BVG richtig angewendet. Die Revision war daher gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2325813

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