Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsfreiheit nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL)

 

Orientierungssatz

Ein landwirtschaftlicher Unternehmer, der gleichzeitig ein Handwerk betreibt und in dieser Eigenschaft wegen Abschlusses einer Kapitallebensversicherung von der Versicherungspflicht nach dem Handwerkerversorgungsgesetz (§ 4 HwAVG) befreit ist, war bis zum 1961-12-31 nicht nach § 8 Abs 2 GAL beitragsfrei (vgl BSG 1962-06-26 7/3 RLw 22/61 = SozR Nr 6 zu § 8 GAL).

 

Normenkette

HwAVG § 4 Fassung: 1938-12-21; GAL § 8 Abs. 2 Fassung: 1957-07-27

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 12.04.1962)

SG Schleswig (Entscheidung vom 07.04.1961)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. April 1962 und des Sozialgerichts Schleswig vom 7. April 1961 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger ist Möbelhändler und Tischlermeister und als solcher in die Handwerksrolle eingetragen. Von der Pflichtversicherung nach dem Handwerkerversorgungsgesetz (HVG) ist er wegen Abschlusses einer Lebensversicherung befreit. Er bewirtschaftet seit 1952 gemeinsam mit seiner Ehefrau 6,27 ha Land, das teilweise im Eigentum der Ehefrau steht, teilweise verpachtet ist; der Einheitswert beträgt 6000 DM. Die Beklagte nahm den Kläger in das Unternehmerverzeichnis auf und sah ihn auch als beitragspflichtig nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - an, da sein Betrieb eine dauerhafte Existenzgrundlage darstelle. Gegen diesen Bescheid erhob er Klage mit der Begründung, das Unternehmen sei keine Existenzgrundlage, weil er aus dem Gewerbebetrieb ein Einkommen von über 8000 DM, aus der Landwirtschaft nur ein solches von 1665 DM jährlich erziele. Auch müsse er aufgrund seiner Lebensversicherungsverträge von über 15000 DM von der Beitragszahlung nach dem GAL befreit werden.

Das Sozialgericht (SG) gab der Klage in vollem Umfange statt; es nahm eine dauerhafte Existenzgrundlage an, sah aber den Kläger nach § 8 Abs. 2 GAL aF als beitragsfrei an. Das Landessozialgericht (LSG) erachtete die Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis für gerechtfertigt, da der Kläger hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer sei, kam aber ebenfalls zu einer Beitragsfreiheit nach § 8 Abs. 2 GAL aF, weil die Beitragsbefreiung nach dem HVG wegen Abschlusses von Lebensversicherungen der Versicherungspflicht nach dem HVG gleichzustellen sei. Es ließ die Revision zu.

Die Beklagte legte gegen das am 4. Juli 1962 zugestellte Urteil am 19. Juli 1962 Revision ein und begründete sie gleichzeitig. Sie trägt vor, nach § 8 Abs. 2 GAL aF seien nur diejenigen Handwerker von der Beitragsleistung nach dem GAL befreit, die nach dem HVG pflichtversichert seien, nicht aber solche, die von der Versicherungspflicht nach dem HVG wegen Abschlusses einer Lebensversicherung befreit seien.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 12. April 1962 und des SG Schleswig vom 7. April 1961 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig und begründet, weil das LSG zu Unrecht Beitragsfreiheit nach § 8 Abs. 2 GAL aF angenommen hat.

Das LSG hat festgestellt, daß das Unternehmen des Klägers eine dauerhafte Existenzgrundlage sei. Gegen diese Feststellung sind von seiten des Klägers keine Angriffe erhoben worden, auch nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, so daß das Bundessozialgericht nach § 163 SGG daran gebunden ist. Der Kläger ist daher nach § 8 Abs. 1 GAL aF beitragspflichtig, sofern nicht einer der Befreiungstatbestände der Absätze 2 ff und des § 26 GAL aF zum Zuge kommt. Unerheblich ist dabei, daß nach Darstellung des Klägers die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb wesentlich höher sind als diejenigen aus der Landwirtschaft. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 21. März 1962 (SozR GAL § 1 Nr. 3) ausgesprochen hat, ist eine dauerhafte Existenzgrundlage gegeben, wenn die Erträgnisse der Landwirtschaft für sich allein ausreichen, um eine bäuerliche Familie zu ernähren; es kommt nicht darauf an, ob die Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle darstellt. Es genügt also für die grundsätzliche Beitragspflicht des Klägers, daß das LSG das Vorliegen einer dauerhaften Existenzgrundlage festgestellt hat.

Beitragsfreiheit nach § 8 Abs. 2 GAL aF ist für den Kläger jedoch entgegen der Ansicht des LSG nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung sind landwirtschaftliche Unternehmer, die wegen einer regelmäßigen Beschäftigung oder Tätigkeit versicherungspflichtig in der ... Altersversorgung für das Deutsche Handwerk sind, für die Dauer der diese Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung oder Tätigkeit von der Beitragspflicht nach dem GAL frei. Der Senat hat aber in seinem Urteil vom 20. Juni 1962 (SozR GAL § 8 Nr. 6) bereits entschieden, daß ein landwirtschaftlicher Unternehmer, der gleichzeitig ein Handwerk betreibt und in dieser Eigenschaft wegen Abschlusses einer Kapitallebensversicherung von der Versicherungspflicht nach § 4 HVG befreit ist, bis zum 31. Dezember 1961 nicht nach § 8 Abs. 2 GAL aF beitragsfrei war. Denn das GAL läßt nur bei solchen Versicherungen Beitragsfreiheit eintreten, die nicht auf einen Kapitalbetrag, sondern auf eine Rente abgeschlossen sind. Nur auf diese Weise wird auch bei der anderen Versicherung der Zweck des GAL erreicht, dem abgebenden Landwirt eine laufende Barleistung zukommen zu lassen. Dies ist aber bei einer Lebensversicherung mit Kapitalzahlung nicht der Fall. Aus den gleichen Gründen verlangt auch § 26 GAL aF, der unter gewissen Voraussetzungen bei Abschluß einer Lebensversicherung eine Beitragsbefreiung zuläßt, den Abschluß einer solchen auf Rentenleistungen.

Auch durch das seit dem 1. Januar 1962 geltende Gesetz zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl I 845) - GAL nF - ist für den Kläger keine Beitragsfreiheit kraft Gesetzes eingetreten. Jedoch erlaubt § 9 Abs. 2 Buchst. c GAL nF unter gewissen Voraussetzungen, selbständige Handwerker auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist aus dem landessozialgerichtlichen Urteil nicht ersichtlich. Es muß daher dem Kläger überlassen bleiben, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Die Urteile der Vorinstanzen waren mithin aufzuheben und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375258

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