Beteiligte
Berufungsausschuß für Ärzte -Berlin- |
1. Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen |
7. Krankenkasse für den Gartenbau |
2. Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen Berlin |
3. Kassenärztliche Vereinigung Berlin |
4. Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin |
6. Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin |
8. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. |
Tenor
Auf die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen zu 1. werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 24. März 1999 und des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 1998 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Genehmigung der Verlegung eines Vertragsarztsitzes.
Der 1963 geborene Kläger ist seit 1994 approbiert. Nachdem ein Antrag seiner im Planungsbereich B. als Ärztin niedergelassenen Mutter, ihr seine Anstellung zu genehmigen, keinen Erfolg gehabt hatte, beantragte er im Juni 1995, ihn im benachbarten Planungsbereich B. als Allgemeinarzt zuzulassen. Der Zulassungsausschuß erteilte die Zulassung zum 1. September 1995 (Bescheid vom 24. August 1995). Im September 1995 reichte er Kläger als Praxisanschrift die Angabe K. – in B. nach. Am 16. Oktober 1995 nahm er die vertragsärztliche Tätigkeit auf. Er behandelte im Quartal IV/1995 24 Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen, in I/1996 30 und in II/1996 37 Versicherte.
Im April 1996 teilte der Kläger der zu 3. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) mit, daß sich die Anschrift seiner Praxis geändert habe und diese sich in der S. Planungsbereich B., im selben Haus, in dem seine Mutter praktiziert – befinde. Dort übte er fortan die vertragsärztliche Tätigkeit aus. Die Beigeladene zu 3. legte dem Zulassungsausschuß den Verlegungsantrag vor. Dieser und auch der beklagte Berufungsausschuß lehnten es ab, die Verlegung des Vertragsarztsitzes zu genehmigen (Bescheide vom 17./22. April 1996 und vom 14. August 1996). Im Planungsbereich B. bestünden für die Gruppe der Allgemein- und praktischen Ärzte Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung (Versorgungsgrad 178,1 %), im Planungsbereich B. dagegen nicht. Gemäß Nr 5 (letzter Satz) der Bedarfsplanungs-Richtlinien(RL)-Ärzte seien im Land Berlin dessen (Verwaltungs-)Bezirke die Planungsbereiche. Die Einteilung Berlins in 23 Planungsbereiche sei entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu beanstanden. Bei ihm liege auch nicht der vom LSG Berlin (MedR 1994, 335) anerkannte Ausnahmefall vor, daß wegen der Nähe des neuen Praxissitzes zum bisherigen zu erwarten sei, der Arzt werde überwiegend seine bisherigen Patienten weiter versorgen. Denn einen nennenswerten Patientenstamm habe er noch nicht aufgebaut. Die Zahl seiner vertragsärztlichen Behandlungsfälle habe weniger als 40 je Quartal betragen.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verpflichtet (Urteil vom 21. Januar 1998). Die Ablehnung des Antrags auf Genehmigung der Praxisverlegung sei rechtswidrig. Die zugrunde gelegte Einteilung der Planungsbereiche sei fehlerhaft. Der zu 1. beigeladene Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen (KKn) dürfe keine ortsbezogenen Regelungen treffen, wie sie in Nr 5 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte für Berlin normiert seien. Hierfür sei vielmehr die Beigeladene zu 3. zuständig. Die Planungsbereiche entsprächen auch nicht der Kommunalgliederung. Zudem seien die 23 Bezirke nach Größe, Fläche, Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte zu unterschiedlich.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24. März 1999). Zur Begründung hat es ausgeführt, das SG habe den Beklagten zu Recht zur Neubescheidung verpflichtet. Die Einteilung der Planungsbereiche in Nr 5 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte, die der Ablehnung des Antrags auf Verlegungsgenehmigung zugrunde liege, sei rechtswidrig. Der Beigeladene zu 1. habe die Planungsbereiche nicht abschließend festlegen dürfen. Die Bundesausschüsse der (Zahn-)Ärzte und KKn seien lediglich zum Erlaß von RL mit allgemeinen Vorgaben für die Bedarfsplanung und Überversorgung ermächtigt. Die abschließende regionale Aufteilung in Planungsbereiche sei der Beigeladenen zu 3. vorbehalten. Die zum planenden Verwaltungsvollzug gehörende Einteilung der regionalen Planungsbereiche passe nicht zu den Aufgaben des Bundesausschusses. Dem Erfordernis, Abweichungen von den im Regelfall zugrunde zu legenden Stadt- und Landkreisen im Einzelfall anhand der konkreten örtlichen Verhältnisse zu begründen, könne schwerlich in Richtlinien entsprochen werden. Konkrete Festlegungen des Bundesausschusses ließen auch die Beteiligung der KKn und Landesausschüsse an der Bedarfsplanung sowie die Schiedskompetenz des Landesausschusses leerlaufen. Diese Unzuständigkeit des Bundesausschusses sei auch nicht etwa deshalb im Ergebnis unschädlich, weil die Planungsbereiche ohnehin entsprechend den Bezirken festzulegen seien. Dies treffe nicht zu. Bei ihrer Einteilung bestünden vielmehr Gestaltungsspielräume. Berlin könne allerdings nicht als einheitlicher Planungsbereich ausgewiesen werden, da dann die ortsnahe Versorgung auch der Randbezirke nicht sichergestellt wäre. Zudem ergäben sich dann für ganz Berlin Zulassungssperren, was mit Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar wäre. Den bei der neuen Festlegung der Planungsbereiche bestehenden Gestaltungsspielraum habe die Beigeladene zu 3. nach Maßgabe der § 99 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 12 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) – unter Beteiligung der KKn bzw deren Landesverbände und der zuständigen Landesbehörden – auszufüllen. Räumlich zusammenhängende Zentren und Subzentren könnten einem Planungsbereich zugeordnet werden. Ob der Kläger nach einer neuen Einteilung die Zulassung werde beanspruchen können, sei nicht vorhersehbar. Deshalb habe das SG den Beklagten zu Recht zur Neubescheidung verurteilt.
Mit ihren Revisionen machen der Beklagte und der Beigeladene zu 1. geltend, das Berufungsurteil sei mit den bundesrechtlichen Bestimmungen über die Bedarfsplanung und die Bildung der Planungsbereiche nicht vereinbar. Die Vorschriften über die Bedarfsplanung einerseits und andererseits die Regelungen über die Festlegung der Planungsbereiche, die Feststellung der Überversorgung und die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen seien verschiedenen Rechtsbereichen zuzuordnen. Den von den KÄVen aufzustellenden Bedarfsplänen komme in Bereichen einer Überversorgung – wie in Berlin – keine relevante Funktion zu. Sie seien lediglich für den Fall von Versorgungsmängeln ein Mittel zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Die Festlegung der Planungsbereiche sei dem Bereich der Normsetzung und nicht dem (planenden) Verwaltungsvollzug zuzuordnen. Zur Normsetzung könne auch die im Rahmen der Soll-Vorschrift des § 101 Abs 1 letzter Satz SGB V notwendige Entscheidung über das Vorliegen von Ausnahmen in atypischen Fällen gehören, wie dies Nr 5 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte regele. Aber auch wenn der Bundesausschuß nicht befugt wäre, die Planungsbereiche abschließend festzulegen, sei von derselben Einteilung auszugehen. Dann nämlich hätte jedenfalls der Landesausschuß in sinngemäßer Anwendung des § 101 Abs 1 letzter Satz SGB V die Bezirke als Planungsbereiche zugrunde legen und die Genehmigung für die Praxisverlegung wegen Überversorgung versagen müssen. Selbst wenn keinerlei wirksame Festlegung der Planungsbereiche vorläge, wäre die Ablehnung rechtmäßig, weil im Rahmen des § 24 Abs 4 Ärzte-ZV ganz generell die Versorgungssituation zu berücksichtigen und deshalb zu beachten sei, daß B. im Gegensatz zu B. überversorgt sei.
Der Beigeladene zu 1. weist ergänzend darauf hin, daß die von den KÄVen aufzustellenden Bedarfspläne im Jahr 1977 als Orientierungshilfe für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, für die Niederlassungsberatung und als Anhaltspunkt zur Feststellung unterversorgter Bereiche konzipiert worden seien. Im Rahmen der mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) ab 1993 eingeführten Steuerung der Überversorgung hätten sie aber nur eine Hilfsfunktion. Die Festlegung der Vorgaben für die Feststellung von Überversorgung sei nach § 101 SGB V dem Bundesausschuß zugewiesen. Für die Zulassungsplanung habe der Bundesausschuß die Regionen verschiedenen Dichtekategorien zugeordnet. Dieses differenzierte und zugleich typisierende Modell nach bundesweit einheitlichen Kriterien vertrage keine Abweichung, indem etwa einzelne KÄVen konkrete Einzelfallentscheidungen vornähmen. Hätte der Gesetzgeber den KÄVen die Befugnis vorbehalten wollen, Planungsbereiche abweichend festzulegen, so hätte er das ebenfalls in § 101 SGB V geregelt und auch regeln müssen. Schließlich ermöglichten die aufgrund des § 101 Abs 1 Nr 3 SGB V erlassenen Bestimmungen für Sonderbedarfszulassungen in Nr 24 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte die Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten. Im übrigen sei die Festlegung der Berliner Planungsbereiche entsprechend den Verwaltungsbezirken günstig für die gleichmäßige Niederlassung im Berliner Raum; sie liege auch im Interesse der Berufsfreiheit niederlassungswilliger Ärzte. Wäre Berlin ein einziger Planungsbereich, so wäre er vollständig gesperrt, während jetzt in einigen Bezirken noch Zulassungen möglich seien. Die Bezirke hätten in Berlin auch mehr Autonomie als etwa in Hamburg und Bremen.
Der Beklagte, der Beigeladene zu 1. und die zu 8. beigeladenen Ersatzkassenverbände, die sich den Ausführungen der Revisionsführer anschließen, beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 24. März 1999 und des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der zu 2. beigeladene Landesausschuß, die zu 6. beigeladene InnungsKK und die zu 7. beigeladene KK für den Gartenbau halten ebenfalls die Ausführungen der Revisionsführer für zutreffend, stellen aber keine Anträge. Auch die zu 3. beigeladene KÄV sieht von einer Antragstellung ab. Sie weist darauf hin, daß es im Interesse der bereits zugelassenen Vertragsärzte läge, wenn Berlin ein einheitlicher Planungsbereich und demzufolge wegen Überversorgung insgesamt gesperrt wäre.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er hält sie für unbegründet. Die mitunter aufgestellte Behauptung, er habe die vertragsärztliche Tätigkeit in B. (K.) niemals aufgenommen, sei weder richtig noch von Belang. Die Zulassungsgremien seien in ihren Bescheiden zu Recht von einem dortigen Vertragsarztsitz ausgegangen. Die Verlegung dieses Vertragsarztsitzes könne ihm nicht verwehrt werden. Das ergebe sich schon daraus, daß die neue Praxis räumlich nahe gelegen sei und kein Neuaufbau einer Praxis vorliege. Außerdem könne der Beigeladene zu 1. die Planungsbereiche nicht selbst abschließend festlegen. Deshalb sei Berlin derzeit als einheitlicher Planungsbereich zu behandeln und sein Zulassungsstatus als auf ganz Berlin bezogen anzusehen; daher könne ihm die Weiterführung seiner Praxis in B. nicht verwehrt werden. Eine Befugnis des Bundesausschusses zur abschließenden Festlegung der Planungsbereiche sei mit der Planungskompetenz der KÄVen gemäß § 99 SGB V unvereinbar und gehe über § 101 Abs 1 SGB V hinaus. Eine derartige Zuständigkeit widerspräche zudem dem Subsidiaritätsprinzip, das eine ortsnahe Zuständigkeit der KÄVen nahelege. Die Kompetenzen des Bundesausschusses müßten auch aus verfassungsrechtlichen Gründen eng verstanden werden. Seine Legitimation zur Rechtssetzung sei zweifelhaft. Das sog Wesentlichkeitsprinzip und das mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgut der Volksgesundheit sowie Art 12 Abs 1 GG seien betroffen. Im übrigen widerspreche die Regelung der Nr 5 letzter Satz der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte dem räumlichen Analyseraster des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, das Berlin als Einheit ansehe. Es sei ferner sachwidrig, die Untergliederung nur in Berlin, nicht dagegen auch zB in Hamburg und München vorzunehmen. Berlin werde auch sonst als Einheit behandelt, insbesondere von der Landesverfassung her. Für ganz Berlin werde ein Arztregister geführt, und Berlin werde zB bei der AOK als ein Bezirk eingestuft. Jedenfalls seien die Bezirke Steglitz und Schöneberg im hier betroffenen Bereich so miteinander verwachsen, daß sie nicht getrennt gesehen werden könnten. Die Bezirksgliederung sei überdies längst reformbedürftig. Schließlich werde die für Schöneberg behauptete Arztdichte bestritten, die Zahlen seien veraltet und unzutreffend.
Die zu 4. beigeladene AOK und der zu 5. beigeladene Betriebskassen-Landesverband haben sich nicht geäußert.
II
Die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen zu 1. haben Erfolg.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revisionen bestehen auch im Falle des zu 1. beigeladenen Bundesausschusses der Ärzte und KKn nicht. Die für Rechtsmittel von Beigeladenen erforderliche materielle Beschwer ist gegeben. Er ist durch die von den Vorinstanzen angenommene Unwirksamkeit von Regelungen der Bedarfsplanungs-RL- Ärzte in seiner Mitverantwortung betroffen, die er als Gremium der sog gemeinsamen Selbstverwaltung – stellvertretend für die Partner der Bundesmantelverträge – für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung trägt. Deshalb ist er, ebenso wie dies bei den KÄVen und KKn in solcher Lage der Fall ist, zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt (vgl – betr Kassenzahnärztliche Vereinigung – zuletzt BSGE 85, 145, 146 = SozR 3-5525 § 20 Nr 1 sowie – betr VdAK – inzident BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 2). Es handelt sich mithin nicht nur um eine Beschwer des Beigeladenen zu 1. in seiner Eigenschaft als Normsetzer, was für eine Rechtsmittelbefugnis nicht ausreichen würde (vgl hierzu – betr Gemeinde – BVerwGE 92, 66, 69 f; – vgl auch BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 34 f).
Die Revisionen sind auch begründet. Die vorinstanzlichen Urteile sind aufzuheben, und die Klage ist abzuweisen. Der Beklagte hat dem Kläger die Genehmigung für die Verlegung des Vertragsarztsitzes in den Planungsbereich B. wegen der dort bestehenden Zulassungsbeschränkungen zu Recht versagt.
Nach § 24 Abs 4 Ärzte-ZV hat der Zulassungsausschuß den Antrag des Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Solche entgegenstehenden Gründe liegen hier jedoch vor, denn der Planungsbereich B., in den der Kläger seinen Vertragsarztsitz verlegen will, ist aufgrund der Anordnung des Landesausschusses gemäß § 103 Abs 1 und 2 SGB V iVm § 16b Ärzte-ZV für die Arztgruppe der Allgemein- und praktischen Ärzte wegen Überversorgung gesperrt. Zweifel daran, daß rechnerisch eine Überversorgung vorliegt, bestehen nicht. Auch der Kläger hat dies nicht substantiiert – mit revisionsrechtlich beachtlichen Rügen – angegriffen. Die Zulassungssperre kann nicht im Wege der Verlegung des Vertragsarztsitzes umgangen werden.
Auch wenn die Rechtsprechung des Berufungsgerichts (LSG Berlin, Beschluß vom 9. März 1994, MedR 1994, 335) zugrunde gelegt würde, nach der wegen der Besonderheit in Berlin, daß Planungsbereiche die Bezirke der Stadt sind, unter bestimmten Voraussetzungen Hinderungsgründe iS des § 24 Abs 4 Ärzte-ZV nicht entgegenstehen, wäre – die Richtigkeit der vom Kläger behaupteten geographischen Verhältnisse unterstellt – die Verlegung nicht zu genehmigen gewesen. Nach der genannten Entscheidung ist nämlich eine Verlegung in einen anderen – gesperrten – Planungsbereich nur zu genehmigen, wenn die Entfernung vom bisherigen zum neuen Vertragsarztsitz so gering ist, daß der Praxis der bisherige Patientenstamm im wesentlichen erhalten bleibt. Abgesehen von den im Verfahren aufgetretenen Zweifeln, ob der Kläger überhaupt an der zunächst von ihm angegebenen Anschrift (K.) tatsächlich eine Praxis geführt hatte (zur Bestimmung des Vertragsarztsitzes nach der Praxisanschrift vgl Urteil des Senats vom 10. Mai 2000 – B 6 KA 67/98 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), war jedenfalls die Zahl der von ihm abgerechneten Behandlungsfälle zu gering, als daß ein als schutzwürdig anzuerkennender und daher zu erhaltender Patientenstamm vorgelegen hätte. Denn der Kläger hatte – wie im Bescheid des Beklagten festgestellt, worauf die Vorinstanzen verwiesen haben – in den Quartalen IV/1995 und I/1996 lediglich 24 und 30 vertragsärztliche Behandlungsfälle abgerechnet.
Die Einwendungen, die der Kläger und die Vorinstanzen gegen die den Zulassungsbeschränkungen zugrundeliegende Einteilung der Planungsbereiche in Berlin erheben, greifen nicht durch.
Der Bundesausschuß der Ärzte und KKn hat in den Bedarfsplanungs-RL-Ärzte vom 9. März 1993 (BAnz. Nr 110a vom 18. Juni 1993, S 3) unter Nr 5 bestimmt: „Räumliche Grundlage für die Ermittlungen zum allgemeinen Stand der vertragsärztlichen Versorgung und zum jeweiligen örtlichen Stand der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Feststellungen zur Überversorgung oder Unterversorgung ist die kreisfreie Stadt oder der Landkreis (Planungsbereich). Planungsbereiche für das Land Berlin sind die Bezirke.” Durch Änderung vom 18. Februar 1998 (BAnz Nr 115 vom 26. Juni 1998) ist die Definition des Planungsbereichs in Satz 1 folgendermaßen modifiziert worden: „… ist die kreisfreie Stadt, der Landkreis oder die Kreisregion in der Zuordnung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (Planungsbereiche)”. Außerdem ist zusätzlich ein Satz 2 eingefügt worden: „Die Planungsbereiche sind aus der Anlage 3.1 ersichtlich.” In dieser Anlage (BAnz aaO S 11 ff) sind für Berlin auf der Grundlage der bisher geltenden Einteilung die 23 Bezirke als Planungsbereiche aufgeführt.
Die damit erfolgte abschließende Festlegung der Planungsbereiche hätte nach Auffassung der Vorinstanzen indessen nicht der Bundesausschuß der Ärzte und KKn vornehmen dürfen. Es sei vielmehr Aufgabe der KÄV, im Bedarfsplan die örtlichen Planungsbereiche festzulegen. Diese Ansicht trifft nicht zu. Der Bundesausschuß ist vielmehr schon seit Einführung der Regelungen über das Verfahren bei kassenärztlicher Überversorgung unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) – und auch nach dem Recht des SGB V – nicht nur berechtigt, in den Bedarfsplanungs-RL die Kriterien für die Einteilung der Planungsbereiche vorzugeben, sondern auch befugt, die Planungsbereiche selbst abschließend festzulegen. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung des § 101 SGB V aus dem entstehungsgeschichtlichen Vergleich dieser Vorschrift mit der Vorgängerregelung und aus weiteren Gesichtspunkten.
Durch das Gesetz zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 2593) war in die RVO die Vorschrift des § 368t über das Verfahren bei kassenärztlicher Überversorgung eingefügt worden. Aus ihr ergibt sich, daß der Bundesausschuß unter der Geltung dieser Regelung zur Festlegung der regionalen Planungsbereiche befugt war.
Gemäß § 368t Abs 2 RVO hatte der Bundesausschuß in Richtlinien ua einheitliche Verhältniszahlen für den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad in der kassenärztlichen Versorgung (Abs 2 Satz 1 Nr 1 aaO) und Maßstäbe für eine kassenärztliche Überversorgung (Abs 2 Satz 1 Nr 2 aaO) zu beschließen. § 368t Abs 4 RVO stellte weitere Voraussetzungen für die in den Richtlinien des Bundesausschusses zu beschließenden Kriterien auf. Die Vorschrift enthielt in den Sätzen 1 bis 6 Verpflichtungen ausschließlich des Bundesausschusses, im Rahmen der Kompetenzzuweisung des § 368t Abs 2 RVO die Vorgaben des Abs 2 Satz 1 Nr 2 zu konkretisieren. Dieser hatte die Maßstäbe für eine kassenärztliche Überversorgung (Abs 2 Satz 1 Nr 2 aaO) arztgruppenbezogen festzulegen (Abs 4 Satz 1 aaO). Gemäß Abs 4 Satz 4 aaO hatte er die Maßstäbe für die Überversorgung ferner so festzulegen, daß für mindestens 50 vH der regionalen Planungsbereiche eine Überversorgung nicht eintrat; diese Planungsbereiche mußten in ihrer Gesamtheit annähernd 50 vH der Bevölkerung umfassen. Nach Abs 4 Satz 5 aaO sollten die regionalen Planungsbereiche den Stadt- und Landkreisen entsprechen. Schließlich hatte er nach Abs 4 Satz 6 aaO die Maßstäbe für die kassenärztliche Überversorgung alle drei Jahre zu überprüfen und der tatsächlichen Entwicklung anzupassen; dabei galt Abs 4 Satz 4 auch für die Anpassung. Das bedeutet, daß der Bundesausschuß auch bei der Anpassung der Maßstäbe für die kassenärztliche Überversorgung (Abs 2 Nr 2 aaO) dafür Sorge zu tragen hatte, daß die Vorgaben des Satzes 4 aaO eingehalten wurden.
Diese sich aus § 368t Abs 2 iVm Abs 4 RVO ergebenden Verpflichtungen setzten als selbstverständlich voraus, daß der Bundesausschuß auch die Kompetenz hatte, im Zusammenhang mit den zur Regelung bei Überversorgung zu treffenden Bestimmungen die Planungsbereiche festzulegen oder jedenfalls stringente Regelungen über ihre Festlegung zu normieren. Denn er konnte diesen Verpflichtungen nur nachkommen, wenn er – und nicht auf der regionalen Ebene die jeweilige KÄV – die Planungsbereiche festzusetzen hatte. Eine entsprechende Kompetenz der KÄV war damit von vornherein ausgeschlossen.
An der Befugnis des Bundesausschusses zur Festsetzung der Planungsbereiche hat sich in der Folgezeit nichts geändert. § 368t Abs 4 Sätze 1 bis 6 RVO sind fast wortgleich in § 102 Abs 2 Sätze 2 bis 8 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) übernommen worden. Durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) sind die Anforderungen an die Bedarfsplanung verschärft und die Aufgaben des Bundesausschusses insoweit durch eine Neufassung des § 101 SGB V noch erweitert worden. Nach wie vor enthält § 101 Abs 1 SGB V die Vorgabe, daß die regionalen Planungsbereiche den Stadt- und Landkreisen entsprechen sollen. Dies zu beachten ist unverändert dem Bundesausschuß aufgegeben. Er ist somit zur abschließenden Festlegung der Planungsbereiche befugt (ebenso: Hess in: KassKomm, § 101 SGB V, RdNr 10; Klückmann in: Hauck, SGB V, K § 101 RdNr 22; aA: Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, 1994, RdNr 383 eE).
Dieses Ergebnis bedeutet indessen nicht, daß der Bundesausschuß von seiner Befugnis Gebrauch machen müßte und also zu solchen verbindlichen Festlegungen verpflichtet wäre. Seine Entscheidung, die Planungsbereiche in Nr 5 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte für die vertragsärztliche Versorgung abschließend zu bestimmen, liegt in seinem Gestaltungsermessen. Er könnte auch eine andere Konzeption verfolgen und, wie es der Bundesausschuß der Zahnärzte und KKn für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung getan hat, sich darauf beschränken, die Soll-Vorschrift des § 101 Abs 1 letzter Satz SGB V zu konkretisieren und detaillierte Vorgaben zu ihrer Handhabung zu normieren (vgl Bedarfsplanungs-RL-Zahnärzte vom 12. März 1993, BAnz Nr 91 vom 10. Mai 1993, mit späteren Änderungen; – s dortigen Abschnitt B Nr 1 S 2 und 3, Nr 2 Sätze 2 bis 4 sowie Nr 4; s dazu BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10).
Systematische Gesichtspunkte bestätigen das aufgezeigte Ergebnis. Nach der Konzeption des Gesetzes sind auf regionaler Ebene die KÄVen für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig (§ 75 Abs 1 Satz 1 SGB V). Dem entspricht es, daß es im Rahmen der Bedarfsplanung den KÄVen obliegt, Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung zu treffen. So haben sie gemäß § 99 Abs 1 Satz 1 SGB V auf Landesebene einen Bedarfsplan zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufzustellen und jeweils der Entwicklung anzupassen. Für Maßnahmen, die nach dem Gesetz im Zusammenhang mit den Regelungen zum Abbau von und zum Schutz vor Überversorgung zu ergreifen sind, ergibt sich demgegenüber keine Zuständigkeit der KÄVen. Diese Befugnisse sind vielmehr den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und KKn übertragen. Soweit es sich um Regelungen handelt, die bundeseinheitlich getroffen werden müssen, ist eine Zuständigkeit des Bundesausschusses der Ärzte und KKn gemäß § 101 SGB V begründet. Die Festlegung der Planungsbereiche und die Berechnung der Überversorgung, die Grundlage für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen sind, bezwecken bundesweit einheitlich, den durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Zugang von Ärzten in die vertragsärztliche Versorgung zu gewährleisten (in diesem Sinne auch BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 3 S 15 ff betr bundeseinheitliche Definition von Arztgruppen).
Demgegenüber kann nicht mit Erfolg auf § 12 Ärzte-ZV verwiesen werden. Die Auffassung, für die abschließende Einteilung der Planungsbereiche seien die KÄVen zuständig, läßt sich auch aus dieser Bestimmung nicht begründen. Zwar steht die Regelung des Abs 3 letzter Halbsatz, daß von der Soll-Vorschrift der Ausrichtung der Planungsbereiche an der Kommunalgliederung für einzelne Arztgruppen abgewichen werden kann, in textlichem Zusammenhang mit den ebenfalls in § 12 Ärzte-ZV enthaltenen Bestimmungen über die von den KÄVen aufzustellenden Bedarfspläne. Daraus kann ihre Zuständigkeit zur abschließenden Festlegung der Planungsbereiche aber nicht abgeleitet werden. Denn der Standort des Abs 3 letzter Halbsatz im Rahmen des § 12 Ärzte-ZV hat lediglich historische Gründe, beruht nämlich auf der Fortgeltung im Juli 1987 geschaffener Verordnungsregelungen (s § 12 Abs 3 Satz 2 Zulassungsordnung für Kassenärzte, eingefügt durch Änderungsverordnung vom 20. Juli 1987, BGBl I 1679).
Ebensowenig greift der Einwand, die Kompetenz, Planungsbereiche abschließend festzulegen, passe nicht zum Aufgabenfeld des Bundesausschusses. Auch wenn der Kernbestand seiner Aufgaben damit charakterisiert werden kann, daß er Normen iS abstrakt-genereller Regelungen erläßt (vgl zum Normcharakter der Richtlinien BSGE 82, 41, 46 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 15 ff), so folgt daraus nicht, daß der Gesetzgeber gehindert wäre, ihm in Einzelbereichen andersartige, ins Einzelne gehende Befugnisse zuzuweisen. Bundesrechtliche Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätze, die es verböten, dem Bundesausschuß die Zuständigkeit zu planerischen Festlegungen in konkreten Einzelfällen zu überantworten, bestehen nicht.
Bei der abschließenden Festlegung der Planungsbereiche hatte der Bundesausschuß der Ärzte und KKn die Befugnis, gemäß der Soll-Vorschrift des § 101 Abs 1 letzter Satz SGB V für atypische Fälle Sonderregelungen zu treffen. Hiervon hat er zum einen insofern Gebrauch gemacht, als er die zunächst vorgegebene Ausrichtung der Planungsbereiche an den kreisfreien Städten und Landkreisen im Jahr 1998 dahingehend modifiziert hat, daß Planungsbereiche die kreisfreien Städte, die Landkreise „oder die Kreisregion(en) in der Zuordnung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung” sind (s Änderung des Satz 1 der Nr 5 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte vom 16. Februar 1998, BAnz Nr 115 vom 26. Juni 1998). Zum anderen hat der Bundesausschuß – dies schon in der ursprünglichen Fassung von 1993 – die im vorliegenden Verfahren streitige Sonderbestimmung für Berlin getroffen (s den letzten Satz der Nr 5 der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte). Die darin festgelegte Abweichung von der Grundregel des § 101 Abs 1 letzter Satz SGB V, wonach die Planungsbereiche den Stadt- und Landkreisen entsprechen sollen, ist durch atypische Umstände gerechtfertigt. Berlin ist sowohl von der Einwohnerzahl als auch von seiner Fläche her die größte Stadt Deutschlands und stellt zugleich ein Bundesland dar. Berlin weicht insoweit in einem signifikanten Ausmaß von den sonstigen Städten, Stadt- und Landkreisen sowie Kreisregionen ab. Aufgrund dieser atypischen Situation durfte der Bundesausschuß für Berlin die Sonderregelung treffen und die dortigen Bezirke zu Planungsbereichen bestimmen.
Keiner Erörterung bedarf die Frage, ob es – wie es das LSG erwogen hat – sachgerechter wäre, die Ausrichtung an den Berliner Bezirken zu modifizieren und zB räumlich zusammenhängende Zentren und Subzentren jeweils einheitlich einem Planungsbereich zuzuordnen. Hierzu wäre der Bundesausschuß befugt gewesen. Verpflichtet war er dazu aber nicht. Normative Regelungen sind von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie sachgerecht bzw wie im vorliegenden Fall durch atypische Umstände gerechtfertigt sind, nicht aber, ob der Normsetzer die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat (vgl BVerfGE 83, 111, 117; stRspr).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen