Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob neurotische oder psychogene Reaktionen noch Folgen des Wehrdienstes sind, bedarf der besonderen Prüfung, wenn solche Reaktionen an wehrdienstbedingte organische Störungen, die noch nicht abgeklungen sind, anknüpfen und sich mit ihnen "vermischen"; dabei ist nicht auf die "normale Reaktion" eines Menschen mit "durchschnittlicher Empfindlichkeit", sondern auf die Reaktion des Betroffenen abzuheben; "wunschbedingte" Vorstellungen oder "Begehrensvorstellungen", die auf Willensschwäche beruhen, können aber auch dann nicht als Schädigungsfolgen in Betracht kommen (Fortführung BSG 1958-10-29 11/9 RV 280/57 = BSGE 8, 209).
Leitsatz (redaktionell)
Ist streitig, ob ein Bescheid nach SVA 1 Nr 26 bzw nach KOV-FG 41 rechtmäßig oder rechtswidrig ist, so hat das Gericht zu prüfen, inwiefern der Sachverhalt in dem Bescheid der berichtigt werden soll, unrichtig beurteilt worden ist und inwiefern dadurch eine unrichtige Bewertung der Schädigungsfolgen zustande gekommen ist.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20; KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02; SVAnO 11 Nr. 26
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 1957 wird aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger wurde als Soldat des ersten Weltkrieges 1914 durch eine explodierende Granate hochgeschleudert; er erlitt dabei einen Armbruch und eine Gehirnerschütterung. Im März 1916 kam der Kläger bei einem militärischen Einsatz zu Fall und schlug mit dem Kopf auf eine Eisenbahnschiene auf. Anschließend lag er vom 24. März 1916 bis 30. Mai 1916 im Lazarett, in dem er wegen "Hysterie" behandelt wurde.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1922 gewährte das Versorgungsamt H dem Kläger entsprechend dem militärärztlichen Zeugnis vom 8. Juli 1916 wegen "Hystero-Neurasthenie" als Schädigungsfolge im Sinne der versorgungsrechtlichen Vorschriften eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 30 v.H.
In den Jahren 1933 und 1934 stellte der Nervenfacharzt Dr. M von der versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle K fest, daß sich bei dem Kläger wahrscheinlich eine unklare organische Hirnerkrankung als Folge der beiden Gehirnerschütterungen entwickelt habe, eine wesentliche psychogene Überlagerung sei nach dem Gesamtbefund und dem Verhalten des Klägers allerdings anzunehmen; er schlug vor, "wegen der zweifelhaften Erkrankung und Sachlage" Wehrdienstbeschädigung anzunehmen und dem Kläger eine Rente nach einer MdE. von 100 v.H. zu gewähren. Das Versorgungsamt D erließ darauf am 24. September 1934 einen "Änderungsbescheid". In diesem Bescheid wurde dem Kläger nunmehr wegen "unklaren, wahrscheinlich organischen Folgezustandes nach zweimaliger Gehirnerschütterung im Kriege" eine Rente nach einer MdE. von 100 v.H. gewährt. Durch "Benachrichtigung über Festsetzung einer Kriegsbeschädigtenrente nach Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27)" vom 16. Oktober 1947 teilte die Landesversicherungsanstalt (LVA.) R dem Kläger mit, daß nach den bisherigen Feststellungen sein Leiden "unklarer, wahrscheinlich organischer Folgezustand nach zweimaliger Gehirnerschütterung" auf Kriegseinwirkung zurückzuführen sei und daß ihm wie bisher eine Rente nach einer MdE. von 100 v.H. gewährt werde.
Im Juli 1949 wurde der Kläger durch den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F von der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt S (Rhld.) untersucht. In seinem Gutachten vom 21. Juli 1949 führte Dr. F aus, die Krankheitserscheinungen seien ein Gemisch aus organisch begründeten Beschwerden in Gestalt von Resterscheinungen einer im ersten Weltkrieg erlittenen Gehirnprellung sowie Beschwerden bei Herzmuskelschaden und hysterischen Symptomen; die heute überwiegenden psychogen-neurotischen Störungen seien "zum Teil wohl auch Äußerungen einer konstitutionell zu derartigen abwegigen Reaktionen prädisponierten Persönlichkeit und nicht mehr biologische Folgen der im Kriege erlittenen Gehirnerschütterungen"; es lägen bei dem Kläger vor: 1. leichte körperliche und psychische Folgeerscheinungen einer Gehirnprellung, 2. Beschwerden eines Herzmuskelschadens mit vasomotorischen Anfallszuständen, 3. eine schwere hypochondrisch-neurotische Entwicklung mit hysterischen Mechanismen. Darauf erließ die LVA. R am 13. Oktober 1949 einen neuen Bescheid; darin hieß es zunächst: "Nach § 608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) kann die Feststellung einer Rente neu getroffen werden, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Entschädigung maßgebend sind, eine Änderung eingetreten ist"; in dem Bescheid wurden dann die Versorgungsbezüge des Klägers geändert; dem Kläger wurde ab 1. Dezember 1949 eine Rente nach einer MdE. von 50 v.H. gewährt; als Schädigungsfolgen wurden jetzt anerkannt: "Leichte körperliche und psychische Folgeerscheinungen einer Gehirnprellung"; hinzugefügt wurde noch: "Schwere hypochondrisch-neurotische Entwicklung mit hysterischen Mechanismen und Beschwerden bei Herzmuskelschaden mit vasomotorischen Anfallszuständen stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem geleisteten Wehrdienst"; Leistungen könnten für diese Gesundheitsschädigungen nicht gewährt werden; "Die bisherige Rente kommt mit Ende November 1949 in Wegfall". Den Einspruch gegen diesen Bescheid wies der Beschwerdeausschuß am 10. März 1950 zurück.
Mit der Berufung (nach altem Recht) an das Oberversicherungsamt (OVA.) D begehrte der Kläger, den Bescheid der LVA. Rheinprovinz vom 13. Oktober 1949 aufzuheben und ihm die Rente nach einer MdE. von 100 v.H. weiterzugewähren, die Berufung ging am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Düsseldorf über. Das SG. holte ein Gutachten der Ärzte Prof. Dr. P und Dr. ... vom Hirnverletzten-Institut in B sowie ein fachpsychologisches Zusatzgutachten des Dr. K ein; es entschied mit Urteil vom 28. April 1954: "Unter Zurückweisung der Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen "Zustand nach einer gedeckten Hirnschädigung" Rente für eine MdE. von 80 v.H. ab 1. Dezember 1949 zu gewähren. Die Berufung wird auch hinsichtlich der MdE. zugelassen. Der Beklagte hat DM 1,- außergerichtliche Kosten zu tragen. "Beide Beteiligten legten Berufung ein.
Das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen entschied mit Urteil vom 17. Januar 1957: "Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG. Düsseldorf vom 28. April 1954 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten, auch nicht hinsichtlich des ersten Rechtszuges. Die Revision an das Bundessozialgericht (BSG.) wird zugelassen" und führte dazu aus: Der Beklagte habe den Versorgungsbescheid vom 16. Oktober 1947 aufheben und die Rente ändern dürfen; der Änderungsbescheid vom 13. Oktober 1949 sei nach der Vorschrift der Ziff. 26 der SVA Nr. 11, auf die der Beklagte den Bescheid im Laufe des Rechtsstreit auch gestützt habe, rechtmäßig gewesen; die Voraussetzungen des früheren Bescheides hätten sich als unzutreffend erwiesen; die ärztlichen Gutachten hätten ergeben, daß nur leichte körperliche und psychische Schäden als Schädigungsfolgen zu werten seien, da das Krankheitsbild des Klägers durch schwere hypochondrisch-neurotische Reaktionen beherrscht werde. Bei dieser Sachlage sei es gerechtfertigt gewesen, die Rente des Klägers unter Änderung der früheren Bezeichnung der Schädigungsfolgen auf 50 v.H. festzusetzen.
Das Urteil des LSG. wurde dem Kläger am 26. März 1957 zugestellt. Er legte am 16. April 1957 Revision ein und beantragte,
1. das Urteil des LSG. Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 1957, die Bescheide des Beklagten vom 13. Oktober 1949 und vom 10. März 1950 aufzuheben, das Urteil des SG. Düsseldorf vom 28. April 1954 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger wegen "Zustand nach einer gedeckten Hirnschädigung" die Rente eines Erwerbsunfähigen über den 1. Dezember 1949 hin us zu gewähren,
hilfsweise,
2. das Urteil des LSG. aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen,
3. die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen dem Beklagten aufzuerlegen.
Er begründete die Revision - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis 26. Juni 1957 - am 22. Juni 1957: Auf die Ziff. 26 der SVA 11 habe das LSG. die Rücknahme des Bewilligungsbescheides nicht stützen können; der Beklagte habe sich in dem Bescheid vom 13. Oktober 1949 auf § 608 RVO berufen; diese Vorschrift sei hier nicht anwendbar gewesen. Das LSG. habe im übrigen auch zu Unrecht angenommen, daß sich die Voraussetzungen der Rentenbewilligung als unzutreffend erwiesen hätten; der frühere Bescheid habe nicht nur die organischen Folgen der Hirnschädigung, sondern auch die hypochondrisch-neurotischen Erscheinungen als Schädigungsfolgen erfaßt und bewertet; aus den späteren medizinischen Beurteilungen sei nicht zu entnehmen, daß dies unrichtig sei.
Der Beklagte beantragte,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist sonach zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 1949; in diesem Bescheid werden die "auf Kriegseinwirkung zurückzuführenden" Gesundheitsstörungen als "leichte körperliche und psychische Folgeerscheinungen einer Gehirnprellung" bezeichnet; dem Kläger wird wegen dieser Gesundheitsstörungen ab 1. Dezember 1949 eine Rente von 50 v.H. gewährt; gleichzeitig wird in diesem Bescheid festgestellt, daß die "schwere hypochondrisch-neurotische Entwicklung mit hysterischen Mechanismen und Beschwerden bei Herzmuskelschaden mit vasomotorischen Anfallszuständen" in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst des Klägers stehen; soweit bisher der Beklagte in dem Bescheid vom 16. Oktober 1947 ("KB.-Benachrichtigung") nach der SVD 27 eine höhere Rente gewährt hat, ist diese Rente vom 1. Dezember 1949 an entzogen worden. Der Beklagte hat den Bescheid vom 16. Oktober 1947 teilweise als rechtswidrig angesehen, weil der Sachverhalt darin nach seiner Ansicht unrichtig beurteilt worden ist; die bisherige Bewertung des Leidenszustandes des Klägers und die Bezeichnung "unklarer, wahrscheinlich organischer Folgezustand nach zweimaliger Gehirnerschütterung" als Schädigungsfolgen sei auf eine unrichtige ärztliche Beurteilung zurückgegangen; sie habe den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprochen; in Wirklichkeit sei der Wehrdienst nur für einen Teil des Leidenszustandes des Klägers verantwortlich; dieser Anteil sei mit "leichte körperliche und psychische Folgeerscheinungen einer Gehirnprellung" zu bezeichnen und mit einer MdE. von 50 v.H. zu bewerten.
Der Bescheid vom 16. Oktober 1947 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und ein Verwaltungsakt ausschließlich begünstigender Natur gewesen, er ist deshalb nach den §§ 77 SGG, 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) ebenso wie nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen in dem Zeitpunkt, in dem er dem Kläger zugegangen ist, für den Beklagten in der Sache bindend geworden; die angeführten Vorschriften erfassen auch Verwaltungsakte, die vor ihrem Inkrafttreten erlassen worden sind (BSG. 7 S. 8 ff. (11) mit weiteren Hinweisen). Auch in der Kriegsopferversorgung bedeutet jeder Bescheid, der wiederkehrende Leistungen entzieht, rechtlich zugleich, daß der Bescheid, durch den die Leistungen bewilligt worden sind, von der Wirksamkeit der Entziehung an als rechtswidrig angesehen und deshalb als nunmehr fehlerhaft zurückgenommen wird. Zu prüfen ist deshalb, ob die Rücknahme des Bescheides vom 16. Oktober 1947 durch den Bescheid vom 13. Oktober 1949 berechtigt gewesen ist. Für die Frage, ob der Beklagte den Bescheid vom 13. Oktober 1949, in dem ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung zu erblicken ist, zu Recht erlassen hat, kommt es auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung ergangen ist, nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BSG. 7 S. 8 ff. (13) mit weiteren Hinweisen). Die rechtliche Grundlage des Bescheids vom 13. Oktober 1949 ist nicht § 41 VerwVG (erst am 1. 4. 1955 in Kraft getreten, § 51 VerwVG), sondern Ziff. 26 der SVA 11 vom 5. Juli 1947 (Amtsblatt für die britische Zone, 1947 S. 234) gewesen; diese Vorschrift, die bis zum 31. Dezember 1952 in Kraft gewesen ist (BSG. 8 S. 11 ff. (13)), hat es ermöglicht, einen Bescheid, durch den eine Rente nach der SVD 27 bewilligt worden ist, zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen der Bescheiderteilung sich als unzutreffend erwiesen haben (vgl. dazu BSG. 3 S. 251 ff. (262), 7 S. 8 ff. (13); auch die Urteile des BSG. vom 17. Juli 1958 - 11/9 RV 968/55 - und vom 18. Februar 1959 - 11/9 RV 146/57 -).
In dem Bescheid vom 13. Oktober 1949 ist zwar die Ziff. 26 der SVA 11 nicht erwähnt; es wird vielmehr auf § 608 RVO als Rechtsgrundlage für den Rücknahmebescheid verwiesen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift haben allerdings nicht vorgelegen; unstreitig hat sich hier in den Verhältnissen nichts geändert; es hat sich nicht um eine Neufestsetzung der Rente gehandelt, sondern um die Feststellung, daß die Krankheit, an der der Kläger bisher gelitten hat und auch jetzt noch leidet, in dem Bescheid vom 16. Oktober 1947 nach Ansicht des Beklagten nicht richtig erkannt und deshalb zu Unrecht in vollem Umfange als Schädigungsfolge anerkannt und bei der Festsetzung der MdE. bewertet worden ist. § 608 RVO ermächtigt die Verwaltung (ebenso wie § 62 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) nur, Verwaltungsakte insoweit zurückzunehmen, als sie nach ihrem Erlaß, und sei es auch nur für einen Teil der Zeit, auf die sich ihre Dauerwirkung erstreckt, fehlerhaft geworden sind; Bescheide, die schon im Zeitpunkt, in dem die Verwaltung sie erlassen hat, ganz oder für einen Teil der Zeit, auf die sich ihre Wirkung erstreckt, rechtswidrig gewesen sind, haben nicht nach § 608 RVO zurückgenommen werden dürfen. Der Beklagte hat sich aber im Laufe des Rechtsstreits zur Begründung des strittigen Bescheids auf Ziff. 26 der SVA 11 berufen. Ein solches "Nachschieben" von Gründen durch die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, ist zulässig gewesen (BSG. 7 S. 8 ff. (12 und 13) mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Falle hat die "nachgeschobene" Begründung den Bescheid vom 13. Oktober 1949 nicht in seinem Wesen verändert; nach wie vor ist durch diesen Bescheid der frühere Bescheid zurückgenommen und der Versorgungsanspruch des Klägers neu geregelt worden; den "Verfügungssatz" des Bescheids hat der Beklagte nicht geändert; er hat den Bescheid auf die Ziff. 26 der SVA 11 stützen können, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorgelegen haben.
Das LSG. hat die Frage, ob sich die Voraussetzungen für die Erteilung des Bescheids vom 16. Oktober 1947 als unzutreffend erwiesen haben, bejaht; es hat angenommen, die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen dieser Bescheid erteilt worden ist, seien unrichtig beurteilt worden; der Bescheid habe damit nicht der wahren Sach- und Rechtslage entsprochen, er sei also rechtswidrig gewesen. Die tatsächlichen Feststellungen, die das LSG. getroffen hat, reichen aber für diese rechtliche Schlußfolgerung nicht aus. In dem Bescheid vom 24. September 1934, durch den dem Kläger eine Rente nach einer MdE. von 100 v.H. bewilligt worden ist - wie auch in dem Bescheid vom 16. Oktober 1947, der den Bescheid vom 24. September 1934 ersetzt hat - ist die Versorgungsbehörde auf Grund der ärztlichen Gutachten, deren Beurteilung sie sich zu eigen gemacht hat, in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß der Leidenszustand des Klägers in vollem Umfange, d.h. auch das gesamte psychisch-neurologische Krankheitsbild - also nicht nur die Folgen einer organisch begründeten Hirnerkrankung, sondern auch die damit "vermischten psychogenen Erscheinungen" - als Schädigungsfolgen anzusehen und zu bewerten seien. Das LSG. hat aber nicht festgestellt, inwiefern der Sachverhalt in dem früheren Bescheid unrichtig beurteilt worden ist und inwiefern dadurch eine unrichtige Bewertung der Schädigungsfolgen zustande gekommen ist. Soweit das LSG. ausgeführt hat, bei dem Kläger habe von jeher eine Hystero-Neurathenie mit starken Aggravationstendenzen vorgelegen, es habe sich eine schwere hypochondrisch-neurotische Entwicklung mit hysterischen Mechanismen gezeigt, handelt es sich lediglich um die Darstellung eines Teils der Krankheitserscheinungen; über die Ursachen dieser Erscheinungen ist damit nichts gesagt. Wenn das LSG. im Anschluß an das Gutachten von Prof. Dr. P festgestellt hat, beim Kläger liege ein Zustand nach einer gedeckten Hirnschädigung vor, dieser Zustand sei durch deutliche neurologische Ausfälle, vor allem eine rechtsseitige Halbseitenschwäche und eine durch accessorische Momente etwas atypische Hirnleistungsschwäche gekennzeichnet, so hat daraus noch nicht geschlossen werden können, die frühere Beurteilung sei unrichtig gewesen; für eine solche Schlußfolgerung hat es auch nicht genügt, daß Prof. Dr. P nur die "unmittelbaren Folgen der direkten Hirnschädigung" als Wehrdienstbeschädigung angesehen und mit einer MdE. von 50 v.H. geschätzt hat. Die medizinische Beurteilung, auf die sich das LSG. gestützt hat, läßt zwar erkennen, daß das Krankheitsbild des Klägers von mehreren Faktoren bestimmt wird, daß eine organisch-hirnpathologische Hirnleistungsschwäche, fixierte psychogene Reaktionen und natürliche Abbauerscheinungen bestehen; aus ihr ergibt sich aber noch nicht, daß die versorgungsrechtliche Beurteilung des Krankheitsbildes, wie sie in dem Bescheid vom 16. Oktober 1947 erfolgt ist, nicht der wahren Sachlage entsprochen hat. Schon Facharzt Dr. M, dessen medizinische Beurteilung dem früheren Bescheid zugrunde gelegen hat, ist davon ausgegangen, daß der Leidenszustand des Klägers auch durch schwere psychogene Reaktionen bestimmt werde. Dr. E hat dann 1949 zum Ausdruck gebracht, die Krankheitserscheinungen seien "ein Gemisch aus organisch begründeten Beschwerden und hysterischen Symptomen, die psycho-neurotischen Störungen seien "zum Teil wohl Äußerungen einer konstitutionell zu derartigen abwegigen Reaktionen prädisponierten Persönlichkeit und nicht mehr biologische Folgen der Gehirnerschütterungen". Prof. Dr. ... hat ebenfalls (organisch bedingte) deutliche neurologische Ausfälle und psychogene Reaktionen festgestellt; er hat zwar die MdE. für die "unmittelbaren Folgen der direkten Hirnschädigung" nur mit einer MdE. von 50 v.H. geschätzt, er hat aber eine Gesamt-MdE. von 100 v.H. für zutreffend gehalten, er hat auch die Weitergewährung der Rente nach einer MdE. von 100 v.H. "aus sozialen Gründen" befürwortet. Der Psychologe Dr. K hat ausgeführt, eine Abgrenzung der organisch und hirnpathologisch bedingten Hirnleistungsschwäche von den psycho-neurotischen Erscheinungen und den natürlichen Abbauerscheinungen sei nicht möglich. Weder die Ausführungen des LSG. noch die Gutachten der Sachverständigen enthalten Feststellungen, die den Schluß zulassen, daß nur die Folgen der organisch begründeten Hirnschädigung Schädigungsfolgen im versorgungsrechtlichen Sinne sind und daß diese Folgen sich als ein bestimmter Anteil an dem gesamten Leidenszustand des Klägers von anderen Erscheinungen des Krankheitsbildes trennen lassen und deshalb auch eine gesonderte Bewertung erfordern. Auch wenn man davon ausgeht, daß ein erheblicher Teil der Leiden des Klägers auf einem "psycho-neurotischen Versagenszustand" beruht und daß diesem Zustand eine in der Persönlichkeit des Klägers begründete abnorme seelische Reaktionsbereitschaft zugrunde liegt, bleibt noch zu untersuchen, ob nicht auch für diesen Teil die wehrdienstbedingte organische Hirnschädigung wesentliche Bedingung im Sinne der Kausalitätsnorm des Versorgungsrechts ist. Psychogene Reaktionen und neurotische Erscheinungen sind zwar in der Regel nicht Schädigungsfolgen; ob dies aber auch dann zutrifft, wenn sie an wehrdienstbedingte organische Störungen, die noch nicht abgeklungen sind, anknüpfen und sich mit ihnen "vermischen", bedarf im Einzelfall der besonderen Prüfung (vgl. hierzu auch Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Neuausgabe 1958, S. 135/136); dabei sind psychogene und neurotische Erscheinungen nicht einfach im Blick auf eine "normale Reaktionslage" zu bewerten, es ist vielmehr geboten, die Betrachtungsweise auf die Persönlichkeit des Betroffenen und auf seine Reaktion abzustellen (vgl. BSG. 8 S. 209 ff. (213 und 214) mit weiteren Hinweisen); "wunschbedingte" Vorstellungen oder "Begehrensvorstellungen", die auf Willensschwäche beruhen, können aber auch dann nicht als Schädigungsfolgen in Betracht kommen (vgl. dazu Kretschmer, Deutsche Medizinische Wochenschrift 1957 S. 433-435 und Gottschick, Der medizinische Sachverständige, 1959 S. 73 ff.).
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG. reichen hiernach nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Bescheid vom 16. Oktober 1947, durch den der Beklagte eine Rente nach einer MdE. von 100 v.H. gewährt hat, rechtswidrig gewesen ist und damit nach Ziff. 26 der SVA 11 hat zurückgenommen werden dürfen. Da die Möglichkeit besteht, daß das LSG., wenn es ergänzende tatsächliche Feststellungen trifft, zu einem anderen Ergebnis kommt, ist das Urteil des LSG. aufzuheben. Die Sache ist, da das BSG. nicht selbst entscheiden kann, an das LSG. zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen