Leitsatz (redaktionell)
1. Ist nach der eindeutigen Fassung der Rentenbescheid nach der SVD 27 und dem Umanerkennungsbescheid nur eine Nervenentzündung der unteren Extremitäten anerkannt worden, verstößt das LSG gegen SGG § 128 und BVG § 85, wenn es allein aus der Bewilligung einer Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % geschlossen hat, daß dadurch auch eine Endangiitis obliterans als Schädigungsfolge anerkannt gewesen sein müsse
2. Verfahrensmängel sind nur zu beachten, wenn sie gerügt sind, sofern es sich nicht um das Fehlen unverzichtbarer Prozeßvoraussetzungen oder um Verfahrensmängel handelt, die Voraussetzungen des auf eine sachliche Entscheidung gerichteten Revisionsverfahrens betreffen.
Normenkette
BVG § 85 Fassung: 1950-12-20; SGG § 128 Fassung: 1953-09-03, § 162 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; SVD 27 § 27
Tenor
Auf Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 31. Januar 1958 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der im Jahre 1897 geborene Kläger beantragte im Juni 1948, ihm Kriegsbeschädigtenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 zu bewilligen. Er sei am 15. März 1945 zur Wehrmacht und am 27. März 1945 in russische Kriegsgefangenschaft gekommen. Vom Juni bis August 1945 habe er in Sibirien in einem Bergwerk im Wasser arbeiten müssen. Darauf sei er schwer erkrankt und zwölf Monate im russischen Hospital in M... (K...) ärztlich behandelt worden. Im September 1946 sei er aus dem Lager F... entlassen worden. Durch die Einwirkung der Kriegsgefangenschaft habe er eine Nervenlähmung am linken Bein zurückbehalten und sei gehbehindert. Dr. med. F... vom ärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein untersuchte den Kläger am 4. August 1948 und bezeichnete den im ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst entstandenen Körperschaden des Klägers als "Obliteration der linken Unterschenkelarterie, intermittierendes Hinken, Neuritis des linken Ober- und Unterschenkels". Er schätzte die durch Wehrdienstbeschädigung entstandene Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 30 v.H. Der prüfende Arzt hielt eine weitere Untersuchung für erforderlich. Darauf wurde der Kläger am 28. November 1948 nochmals durch Dr. med. R... und Dr. med. habil. S... untersucht. Diese stellten als überwiegend durch Wehrdienstbeschädigung verursachten Körperschaden eine "schwere Polyneuritis fest, die sich zwar wesentlich gebessert habe, jedoch nicht restlos ausgeheilt sei. Gefäßstörungen im Sinne der Endarteriitis obliterans lägen nicht vor." Den Grad der MdE schätzten sie auf 50 v.H. Eine weitere nervenärztliche Untersuchung am 28. März 1949 durch den Facharzt für Neurologie Dr. med. F... ergab eine "Nervenentzündung im Bereiche der unteren Extremitäten, deren ursächlicher Zusammenhang den Umständen nach offen zu Tage liege". Die sehr erheblichen psychogenen und neurotischen Zutaten des Antragstellers blieben bei der Einschätzung der MdE um 50 v.H. unberücksichtigt. Die LVA Schleswig-Holstein erkannte darauf durch Bescheid vom 30. Mai 1949 nach der SVD Nr. 27 als Gesundheitsschädigung an: "Nervenentzündung im Bereich der unteren Extremitäten" und bewilligte die Rente nach einer MdE um 50 v.H. Der Nervenarzt Dr. Sch... untersuchte den Kläger am 11. Juli 1950 und schlug folgende Änderung der Krankheitsbezeichnung vor: Lähmungserscheinungen in beiden Beinen, links mehr als rechts und Blasenfunktionsstörungen nach Entzündung von Nervenwurzeln im Bereich der unteren Wirbelsäule. Die MdE sei angemessen geschätzt. Am 28. Februar 1952 erließ das Versorgungsamt (VersorgA) H... den Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und übernahm - ohne neue ärztliche Untersuchung - als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG: Nervenentzündung im Bereich der unteren Extremitäten und den Grad der MdE um 50 v.H. Vom 18. bis 20. Januar 1954 wurde der Kläger in der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität K... von Dr. med. und K... und Prof. Dr. med. D... untersucht und beobachtet. Die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, daß neben geringen Restsymptomen der Polyneuritis (Entzündung verschiedener Beinnervenstämme) eine Endangiitis obliterans beider Beine bestehe, für die, da die ersten Erscheinungen in der Kriegsgefangenschaft aufgetreten seien, Wehrdienstbeschädigung angenommen werden müsse, die dadurch bedingte Erwerbsminderung betrage weiterhin 50 v.H. Das VersorgA entzog mit Bescheid vom 12. April 1954 dem Kläger die Beschädigtenbezüge, weil in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen seien, eine wesentliche Änderung - eine Besserung - eingetreten sei. Nur noch geringe Reste einer Nervenentzündung seien an beiden Beinen feststellbar, sie könnten keine MdE in rentenberechtigendem Grade begründen. Die Endangiitis obliterans sei keine Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG, sondern ein vorwiegend anlagebedingtes Leiden. Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) N... wies den Widerspruch des Klägers am 11. Juni 1954 zurück. Es sei wenig wahrscheinlich, daß die bei der Untersuchung der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität K... zum ersten Male festgestellte Endangiitis obliterans mit der schon vor 7 1/2 Jahren beendeten Kriegsgefangenschaft in irgendeinem Zusammenhang stehe.
Der Kläger hat darauf die Bescheide vom 12. April 1954 und 11. Juni 1954 mit der Klage angefochten und Anerkennung der Endangiitis obliterans als Schädigungsfolge und eine Rente nach einer MdE um 50 v.H. verlangt. Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 20. Dezember 1954 die Klage abgewiesen. Wenn auch der Kläger in der russischen Gefangenschaft außerordentlichen Belastungen in einem Bergwerk ausgesetzt gewesen sei und sich damals die ersten Anzeichen der Endangiitis obliterans gezeigt hätten, so könnten diese Einwirkungen jedoch nicht eine Endangiitis obliterans in so kurzer Zeit auslösen. Außerdem entstünden durch Kälteschäden auch schwererer Art immer nur Gefäßschäden an den betroffenen Stellen, jedoch nicht an den großen Gefäßen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat in der Besetzung durch einen Landessozialgerichtsrat als Vorsitzenden, einen Landgerichtsrat und einen Sozialgerichtsrat als weiteren Berufsrichtern und zwei Landessozialrichtern auf die Berufung des Klägers durch Urteil vom 31. Januar 1958 das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen, wonach ihm eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. über den 31. Mai 1954 hinaus zu gewähren ist. Im übrigen hat es die Berufung, die auf Gewährung einer Rente nach einer MdE um 50 v.H. und Anerkennung der Endangiitis obliterans gerichtet war, zurückgewiesen. Darüber, ob die Endangiitis obliterans Schädigungsfolge ist, hat es ein Gutachten der Chirurgischen Universitätsklinik (Prof. Dr. W... und Dozent Dr. A...) vom 20. Juni 1957 eingeholt. Das LSG hat die Ansicht von Prof. Dr. med. D... und Dr. K... abgelehnt und sich der Meinung von Prof. R..., Prof. W... und Dozent Dr. A... angeschlossen, wonach sich die Endangiitis obliterans beim Kläger mit größter Wahrscheinlichkeit unbeeinflußt durch äußere Belastungen entwickelt habe. Für diese Auffassung spreche der von Dr. A... und Prof. Dr. W... geführte Nachweis, daß die Gefäßerkrankung sich bei dem Kläger nicht nur in den Beinen, sondern auch im Bereich des Augenhintergrundes und der Arme entwickelt habe. Selbst wenn man - entgegen der herrschenden ärztlichen Meinung - einem Kälteschaden eine Bedeutung für die Entstehung der Endangiitis obliterans zumessen und weiter annehmen wolle, daß die sich dadurch ergebenden Gefäßveränderungen der Peripherie zentralwärts fortsetzten, so müßten die Gefäßveränderungen von der Peripherie kontinuierlich herzwärts nachweisbar sein. Wenn - wie im vorliegenden Falle - ein generalisierter Gefäßprozeß nachweisbar sei, so müsse darin der Gegenbeweis als geführt angesehen werden, daß das Gefäßleiden nicht durch äußere Einflüsse entstanden sei. Neben dieser Gefäßerkrankung sei eine Polyneuritis abgelaufen, deren Restzustand heute noch nachweisbar sei und der zu pathologischen Veränderungen an den unteren Extremitäten geführt habe. Seit dem Zeitpunkt der Rentenentziehung, d.h. seit dem 1. Mai 1954, erreichten sie indessen nicht mehr einen rentenberechtigenden Grad der MdE. Die Erkrankung der Blutgefäße im Sinne einer Endangiitis obliterans stehe jetzt im Vordergrund und bestimme maßgeblich den Grad der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Die Bindung an eine vor dem Inkrafttreten des BVG ergangene Entscheidung über den Versorgungsanspruch erstrecke sich ausschließlich auf den medizinischen Ursachenzusammenhang, über die Höhe des Rentenanspruchs könne neu entschieden werden. Insoweit sei nicht zu beanstanden, daß der Beklagte wegen der Besserung der Nervenentzündung keine MdE im rentenberechtigenden Grade mehr angenommen habe. Der rechtskräftig gewordene Bescheid vom 30. Mai 1949 binde den Beklagten, soweit über den Ursachenzusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis im Sinne des § 1 BVG und einer Gesundheitsstörung entschieden sei; der Bescheid habe sich jedoch nicht nur auf den unter der Bezeichnung Polyneuritis zusammengefaßten Symptomenkomplex bezogen. Dr. R... habe zwar in seiner Beurteilung ausgeführt, der Kläger leide an einer schweren Polyneuritis ohne Gefäßleiden im Sinne einer Endarteriitis obliterans, jedoch habe Dr. R... schon damals auch Gangstörungen beschrieben, die er als psychische Überlagerungserscheinungen angesehen habe. Ferner habe Dr. med. F... darauf hingewiesen, daß die grobe Kraft einzelner Muskelgruppen nicht sicher zu beurteilen sei. Beide Gutachter seien einig gewesen, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch den nach dem objektiven Untersuchungsbefund festgestellten Krankheitszustand um 50 v.H. gemindert sei. Darin müsse mehr als der Restzustand nach Polyneuritis enthalten sein, bei dem Dr. F... zudem eine Tendenz zur Besserung festgestellt habe. Der Grad der MdE habe für die Polyneuritis bei 25 v.H. gelegen. Mit der Anerkennung von 50 v.H. seien weitere Schädigungsfolgen, nämlich die damals noch nicht sicher erkannte Endangiitis obliterans, gemeint gewesen. Damals sei der gesamte Störungskomplex beurteilt worden, und insgesamt seien die organisch feststellbaren Veränderungen als Kriegsfolge anerkannt worden. Dazu hätten mit Sicherheit auch bereits die Symptome der Endangiitis obliterans gehört; denn Prof. Dr. P... habe schon im November 1947 darauf hingewiesen, daß neben einer Polyneuritis eine beginnende Endangiitis obliterans im linken Bein bestehe, er habe das intermittierende Hinken und das Fehlen der Fußpulse hervorgehoben, Symptome, die zum Komplex der Endangiitis obliterans gehörten. Damit seien auch diese Symptome durch den Bescheid vom 30. Mai 1949 miterfaßt. Deshalb sei der Beklagte für den mit dem Wehrdienst und der Kriegsgefangenschaft in ursächlichem Zusammenhang stehenden Anteil der Gesundheitsstörung, die in der Endangiitis obliterans bestehe, nach § 85 BVG an die frühere Entscheidung gebunden, so daß die im Zeitpunkt der früheren Entscheidung auch für die Endangiitis obliterans gewährte Rente nicht herabgesetzt werden dürfe. Dagegen sei die Festsetzung der MdE um 40 v.H. mit Rücksicht auf die gebesserte Polyneuritis (25 + 15 v.H.) geboten.
Das LSG hat die Revision zugelassen, weil die Auslegung des § 85 BVG auch im Hinblick auf frühere Entscheidungen über solche Körperschäden, die in der früheren Entscheidung zwar erfaßt, jedoch nicht oder falsch bezeichnet worden sind, eine grundsätzliche Rechtsfrage enthält (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Das Urteil des LSG ist dem Beklagten am 22. Mai 1958 zugestellt worden. Mit der am 6. Juni 1958 eingelegten und am 15. Juli 1958 begründeten Revision beantragt er,
das Urteil des LSG vom 31. Januar 1958 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte rügt, das angefochtene Urteil verstoße gegen § 85 BVG. Mit dem Bescheid vom 30. Mai 1949 sei nur Nervenentzündung im Bereich der unteren Extremitäten als durch "militärischen Dienst entstanden" anerkannt. Die Auffassung des LSG, mit dem Bescheid sei auch die "Endangiitis obliterans als durch Kriegsgefangenschaft verursacht" anerkannt, sei rechtsirrig. Dieses Leiden sei im Bescheid nicht erwähnt. Der Umfang der Rechtsbindung sei aus dem eindeutigen Wortlaut des Bescheides zu entnehmen, hilfsweise durch Auslegung. Dazu müßten die Gutachten herangezogen werden, nämlich die Untersuchungen vom 4. August 1948, vom 28. November 1948 und 28. März 1949, die nur zur Anerkennung der Polyneuritis als gesundheitlicher Schädigung geführt hätten. Da nur Nervenentzündung anerkannt gewesen sei, so erstrecke sich nach § 85 BVG die Bindung nur auf den ursächlichen Zusammenhang dieser anerkannten Gesundheitsstörung - der Nervenentzündung in den unteren Extremitäten - mit dem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG. Das LSG hätte bei dieser Sachlage aus der Höhe der von den verschiedenen Gutachtern geschätzten MdE nicht schließen dürfen, welche Krankheitserscheinungen als anerkannt zu gelten haben. Wenn zwei verschiedene Leiden nebeneinander bestünden und wenn nur das eine Leiden anerkannt sei, so verbiete es sich, nur deshalb, weil einzelne Symptome beiden Krankheiten eigen seien, die beiden Krankheiten sich also in ihren Erscheinungsformen nicht scharf abgrenzen lassen, aus der Bemessung der MdE zu schließen, daß auch das nicht anerkannte Leiden anerkannt sein müsse. Das LSG habe somit die Grenzen einer zulässigen Auslegung überschritten und damit gegen § 128 SGG verstoßen. Im übrigen könne eine Polyneuritis sehr wohl eine MdE um 50 v.H. verursachen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, ihm die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Er habe wegen seiner schweren körperlichen Behinderung Versorgung verlangt. Die Krankheitsbezeichnung sei nicht seine Sache gewesen, da er sie nur teilweise verstanden habe. Ihm könne nicht nachteilig sein, wenn die Versorgungsärzte die Endangiitis obliterans nicht erkannt hätten. Auf alle Fälle sei das Ergebnis unbillig. Die Verursachung der Endangiitis obliterans könne jedenfalls nach dem heutigen Stand der ärztlichen Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden. Die Begründung des LSG, wonach Endangiitis bei Rußlandheimkehrern nicht häufiger als bei der sonstigen Bevölkerung sei, sei nicht stichhaltig, weil die Vergleichsmöglichkeiten zu beschränkt seien. Das Krankheitsbild sei ein Ganzes und der Bescheid vom 30. Mai 1949 erstrecke sich darauf.
Der Beklagte hat die Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie findet statt, weil das LSG sie zugelassen hat (SGG § 162 Abs. 1 Nr. 1). Sie führt zum Erfolg; denn der Beklagte hat zutreffend einen wesentlichen tatsächlich vorliegenden Mangel des Verfahrens gerügt (§ 128 Abs. 1, BSG 1, 150). Das LSG hat auch §§ 85 und 1 BVG unrichtig angewandt.
In der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 1958 hat es in der Besetzung eines Landessozialgerichtsrats als Vorsitzenden und eines Landgerichtsrats und eines Sozialgerichtsrats als berufsrichterlichen Beisitzern und zwei Landessozialrichtern entschieden. Die Frage, ob das Gericht im Hinblick auf die Entscheidung des BSG 9, 137 ff und 11, 22 ff vorschriftsmäßig besetzt gewesen ist, ist von der Revision nicht aufgeworfen worden. Das Bundessozialgericht (BSG) kann sie nicht von Amts wegen prüfen. Im SGG und in den sonstigen Verfahrensordnungen ist zwar die Frage, ob und inwieweit Verfahrensmängel bei zugelassenen Revisionen zu berücksichtigen sind, nicht geregelt; Rechtsprechung und Rechtslehre nehmen aber übereinstimmend an, daß Verfahrensmängel nur zu beachten sind, wenn sie gerügt sind, es sei denn, es handele sich um das Fehlen unverzichtbarer Prozeßvoraussetzungen oder um Verfahrensmängel, die - wie dies etwa in RGZ 64, 361 (363), 107; 350 (351); 110, 169 (172), 151, 65/66; 159, 83 (84), BGHZ 5, 240 (246), 11, 181 (184) und 192 (194), BSG 2, 245 (253, 254), BSG 7, 3 (6, 7), 230/234) und dem Urteil des BSG vom 21. November 1959 (SozR SGG § 163 Bl. Da 2 Nr. 6 der Fall gewesen ist - Voraussetzungen des auf eine sachliche Entscheidung gerichteten Revisionsverfahrens betreffen, die also insofern bis in die Revisionsinstanz fortwirken. Die Besetzung des LSG betrifft aber weder eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung (vgl. Heussner, NJW 1961, 1189 ff), noch kann von einem Fortwirken der fehlerhaften Besetzung in der Revisionsinstanz die Rede sein. Das Fortwirken ist nur gegeben, wenn die Berufungsinstanz ein Urteil erlassen hat, das seiner Art nach bei prozeßrechtlich einwandfreiem Verfahren nicht hätte ergehen dürfen (vgl. BSG 2, 245 ff, 254; 7, 230 ff (234); nur dann fehlt dem Berufungsurteil die Fähigkeit, Grundlage eines auf die Sache eingehenden Revisionsurteils zu sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben. Die Besetzung des LSG mit zwei Hilfsrichtern ist deshalb auch bei einer zugelassenen Revision nur zu berücksichtigen, wenn sie gerügt ist. Der 9. Senat hält die in dem Urteil BSG 11, 22 vertretene gegenteilige Auffassung nicht mehr aufrecht. Demgemäß kam es auf die Frage einer unrichtigen Besetzung des LSG nicht an. Das LSG ist in dem angefochtenen Urteil zwar der Auffassung, die Endangiitis obliterans des Klägers habe sich unbeeinflußt durch äußere Einwirkungen entwickelt; es hat diese Ansicht auch näher begründet. Das Berufungsgericht hat das Urteil aber nicht auf diese Erwägungen gestützt, sondern aus Rechtsgründen infolge der Bindungswirkung des § 85 BVG zugunsten des Klägers entschieden. Die angefochtene Entscheidung könnte daher nur aufrechterhalten bleiben, wenn das LSG § 85 BVG richtig angewandt hätte. Nachzuprüfen ist somit allein, ob die Versorgungsbehörde durch die Entscheidung vom 30. Mai 1949 nicht nur "Nervenentzündung in den unteren Extremitäten", sondern auch eine "Endangiitis obliterans als durch Kriegsgefangenschaft verursacht" anerkannt hat.
Das LSG ist bei der Prüfung der Frage, welche Leiden die Verwaltungsbehörde anerkannt hat, zu dem Ergebnis gekommen, daß die "Nervenentzündung in den unteren Extremitäten" im Bescheid vom 30. Mai 1949 auch die Endangiitis obliterans umfaßt. Es kommt daher für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, welchen Inhalt und welche Tragweite diese Anerkennung der Verwaltungsbehörde gehabt hat. Es handelt sich insoweit nicht um die Feststellung von Tatsachen, sondern um die rechtliche Würdigung des Inhalts und der Tragweite einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde. Ist aber streitig oder zweifelhaft, welchen Inhalt und welche Tragweite eine solche Entscheidung hat, so ist das Revisionsgericht befugt, zu prüfen, ob diese Entscheidung vom Berufungsgericht richtig gewürdigt worden ist (BSG 7, 53, 56). Im vorliegenden Fall hat das LSG den Bescheid vom 30. Mai 1949 nicht richtig ausgelegt.
Sein Wortlaut, von dem zunächst ausgegangen werden muß, ist eindeutig. Die "Nervenentzündung der unteren Extremitäten" umfaßt ein eindeutig umgrenztes Grundleiden, nicht etwa nur Symptome eines nicht ausdrücklich anerkannten Grundleidens; die Schädigungsfolgen sind klar bezeichnete. Der Bescheid ist nicht etwa auf eine Summe von unklaren körperlichen Beschwerden und Gesundheitsstörungen, auf einen Komplex von Krankheitssymptomen gerichtet, der zu mehreren Deutungen dieser Krankheitserscheinungen oder über den Umfang seiner Feststellungen Raum geben könnte. Nur in einem solchen Fall müßte die Versorgungsverwaltung gegen sich gelten lassen, daß die Feststellung so ausgelegt wird, wie sie bei Würdigung aller Umstände verstanden werden muß, selbst wenn die Verwaltung eine Anerkennung in diesem Umfange nicht gewollt hätte (BSG 11, 57). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Soweit man vom Wortlaut des Bescheides ausgeht, so schließt die klare und eindeutige Bezeichnung des anerkannten Leidens aus, daß ein weiteres Grundleiden anerkannt worden wäre, das nach Entstehungsursache, Verlauf und Summe der Krankheitsmerkmale und weiteren Folgen verschieden ist. Wäre eine Endangiitis von der ausdrücklich anerkannten Nervenentzündung nicht abgrenzbar, so könnte zwar zweifelhaft sein, ob sie durch die Anerkennung einer "Nervenentzündung der unteren Extremitäten" mitumfaßt worden wäre. Der angefochtene Bescheid vom 30. Mai 1949 enthält jedoch keine Feststellungen über einen nicht abgrenzbaren Zusammenhang. Der Senat ist hiernach der Auffassung, daß bereits nach dem Wortlaut des Verwaltungsakts die Endangiitis obliterans unzweifelhaft nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden ist. Er hat jedoch mit Rücksicht auf seine Rechtsprechung (BSG 3, 45, 48 - s. hierzu auch die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts - RVG 4, 125 -), wonach die Tragweite einer Anerkennung von den Umständen, vor allem von dem Inhalt einer Entscheidung und des Bescheids abhänge, nachgeprüft, ob etwa die bei Erlaß des Bescheids vorliegenden ärztlichen Diagnosen und Gutachten eine andere Auslegung des Umfangs der Anerkennung rechtfertigen. Er hat diese Frage verneint. Für die Schlußfolgerung des LSG genügt es nicht, daß Prof. P... bereits eine beginnende Endangiitis obliterans in seinem Gutachten erwähnt oder auf Erscheinungsformen hingewiesen hat, die zu den Merkmalen der Endangiitis obliterans gehören; denn dieses Gutachten aus dem Jahre 1947 war dem Versorgungsamt bei seiner Entscheidung nicht bekannt; es ist erst 1954 beigezogen worden, als die Psychiatrische und Nervenklinik der Universität K... ein Gutachten erstattete und dabei eine Endangiitis obliterans feststellte. - Das Gutachten des Prof. P... kann daher für die Auslegung des Umfanges der im Jahre 1949 ausgesprochenen Anerkennung nicht herangezogen werden. Es genügt auch nicht, daß in der Untersuchung vom 4. August 1948 die Gesundheitsschädigung neben der Neuritis als Obliteration der linken Unterschenkelarterie bezeichnet worden ist; denn der prüfende Arzt ist dieser Beurteilung nicht beigetreten und hat eine erneute Untersuchung des Klägers veranlaßt. Auf Grund dieser erneuten Untersuchung haben die Gutachter Dr. R... und Dr. S... Gefäßstörungen im Sinne der Endarteriitis obliterans verneint. Auch die nervenfachärztliche Untersuchung des Dr. F... vom 28. März 1949, der trotz einer Tendenz zur Besserung den organischen Kern des Krankheitszustandes noch für so erheblich angesehen hat, daß dadurch eine MdE von 50 v.H. ohne Berücksichtigung der sehr erheblichen psychogenen und neurotischen "Zutaten" bedingt sei, gibt für die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts keinen Anhaltspunkt. Gerade diese "Zutaten" können, wie die Revision zugibt, vielleicht als Anzeichen der Endangiitis aufgefaßt werden. Sie sind aber bei der Einschätzung der MdE nicht berücksichtigt worden. Der Auffassung des LSG, die Polyneuritis (Nervenentzündung der unteren Extremitäten) habe nicht eine so hohe MdE um 50 v.H. verursachen können, so daß aus der Bemessung der Höhe der MdE der Schluß gezogen werden müsse, auch die Endangiitis obliterans sei berücksichtigt und daher anerkannt worden, kann daher nicht gefolgt werden. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich schließlich auch nicht, daß die anerkannten Krankheitserscheinungen der Nervenentzündung der unteren Extremitäten in Wirklichkeit - wenn auch mit falscher Bezeichnung - die ersten Erscheinungsbilder der Endangiitis obliterans gewesen wären. Das LSG hat im Gegenteil ausgeführt, daß sich die Nervenentzündung gebessert habe und daß die durch die Gefäßerkrankung verursachte MdE unverändert geblieben sei. Das LSG hat somit die beiden richtig bezeichneten Grundleiden - Nervenentzündung der unteren Extremitäten (Polyneuritis) und Endangiitis obliterans - und deren Erscheinungsbilder auseinander gehalten und seine Ansicht nicht auf die Identität der Krankheitserscheinungen gestützt. Es ist hiernach nicht ersichtlich, daß die Versorgungsbehörde "erfaßte Körperschäden" nicht oder falsch bezeichnet hätte. Damit kann aber das BSG auch nicht zu der Frage Stellung nehmen, zu deren Beantwortung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Es handelt sich vielmehr nur um die Auslegung, welchen Umfang die Anerkennung der Versorgungsbehörde gehabt hat. Wie vorstehend dargelegt, rechtfertigen weder der Wortlaut des Bescheides noch die bei seinem Erlaß vorliegenden ärztlichen Beurteilungen die Annahme, daß auch die Endangiitis obliterans als Schädigungsfolge anerkannt worden ist. Eine Bindung nach § 85 BVG besteht danach nicht, da die Verwaltungsbehörde nur ein Grundleiden (Polyneuritis), nicht aber ein zweites abgrenzbares unabhängiges Grundleiden (Endangiitis) anerkannt hat. Insoweit weicht der Fall in tatsächlicher Hinsicht von dem Urteil des BSG vom 14. Dezember 1960 - 10 RV 402/57 - ab. Das LSG hat hiernach § 128 SGG verletzt, wenn es ohne zureichende Begründung unter Überschreitung der richterlichen Beurteilungsgrenzen zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Endangiitis obliterans in dem Bescheid vom 30. Mai 1949 als anerkannte Schadensfolge anerkannt worden ist. Die Revision ist somit wegen des gerügten wesentlichen Verfahrensmangels begründet; denn das angefochtene Urteil beruht auf diesem Verfahrensmangel und aus der sich daraus ergebenden Verletzung des § 85 BVG. Da das BSG selbst keine Feststellungen treffen kann, ob die Endangiitis durch die Gefangenschaft verursacht oder verschlimmert worden ist - die Ausführungen des LSG zu dieser Frage tragen nicht seine Entscheidung -, eine einheitliche allgemein anerkannte medizinische Meinung über die Ursache einer Endangiitis obliterans auch nicht besteht, so war das angefochtene Urteil nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird die Frage des Ursachenzusammenhangs erneut prüfen müssen. Bei dieser Prüfung wird es auch zu erwägen haben, ob die Einflüsse der Kriegsgefangenschaft das - unter Umständen - anlage- bedingte Grundleiden der Endangiitis obliterans verschlimmert haben.
Bei dieser Entscheidung wird das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz entscheiden müssen.
Fundstellen