Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsschutz der Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft bei Umweg
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen des Versicherungsschutzes bei Teilnehmern einer Fahrgemeinschaft (§ 550 Abs 2 Nr 2 RVO).
Orientierungssatz
1. Das Vorliegen einer Fahrgemeinschaft iS des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO ist nicht davon abhängig, ob dadurch eine Energieeinsparung oder eine Verminderung des Unfallrisikos bewirkt wird.
2. Der Versicherungsschutz der Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft hängt nicht von der Größe des Abweges (oder Umweges) ab.
Normenkette
RVO § 550 Abs 2 Nr 2 Fassung: 1974-04-01
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.07.1981; Aktenzeichen L 7 U 578/81) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 22.12.1980; Aktenzeichen S 5 U 1925/78) |
Tatbestand
Die Klägerin erlitt am 3. Februar 1978 mit einem von ihr geführten Kraftfahrzeug einen Unfall, bei dem sie sich ua eine Rippenserienfraktur, ein Schädel-Hirntrauma sowie Prellungen und Schürfungen zuzog. Sie wohnte mit ihrem Ehemann in dem nördlich von R. gelegenen Stadtbezirk O.. Ihre Arbeitsstelle Firma E. W. KG (Werk M. befand sich fünf Kilometer nordöstlich davon im Stadtbezirk M.; die Arbeitsstelle ihres Ehemannes (Kraftfahrzeughalle der Deutschen Bundespost) lag acht Kilometer südlich davon in R.. Der Weg von der gemeinsamen Wohnung zu den beiden Arbeitsstellen wurde seit Anfang Januar 1978 üblicherweise so zurückgelegt, daß die Eheleute mit dem Kraftwagen zunächst zu der Arbeitsstelle des einen fuhren, wo dieser ausstieg und dann der andere zu seiner Arbeitsstelle fuhr. Sofern der Dienst des Ehemannes früher als der der Klägerin begann, fuhren beide zunächst von O. in südliche Richtung nach R.. Dort übernahm die Klägerin das Kraftfahrzeug und fuhr von R. in nördlicher Richtung über O. nach M.. Am Unfalltag hatte die Klägerin ihren Ehemann nach R. gebracht und befand sich um 06.10 Uhr auf dem Weg zwischen R. und O., als sie verunglückte. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 28. August 1978 Entschädigungsansprüche der Klägerin ab, da angenommen werde, daß die Klägerin, deren Arbeitszeit erst um 07.05 Uhr begonnen habe, vor der Fahrt zu ihrer Arbeitsstelle ihre 0,5 Kilometer von der Unfallstelle entfernt gelegene Wohnung habe aufsuchen wollen, um dann später zu ihrer Arbeitsstelle nach M. zu fahren. Im übrigen sei durch den Weg zur Arbeitsstelle des Ehemannes und die erforderliche Rückfahrt der unmittelbare Weg von ca sechs Kilometern um 16 Kilometer auf 22 Kilometer, also nahezu um das Dreifache, verlängert worden. Der weitere Abweg nach R. stehe somit in keinem Verhältnis zum kürzesten verkehrsüblichen Weg zwischen Wohnung und ihrer Arbeitsstelle.
Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat die Beklagte verurteilt,der Klägerin die gesetzlichen Leistungen aus Anlaß des Unfalls vom 3. Februar 1978 zu gewähren (Urteil vom 22. Dezember 1980). Es hat die Voraussetzungen einer unfallversicherungsrechtlich geschützten Fahrgemeinschaft (§ 550 Abs 2 Nr 2 Reichsversicherungsordnung -RVO-) bejaht. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Juli 1981). Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Es sei mit dem SG davon auszugehen, daß zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine Gemeinschaft mit dem Zweck bestanden habe, das gemeinsame Kraftfahrzeug dazu zu verwenden, die jeweiligen Arbeitsstellen aufzusuchen. Eine Fahrgemeinschaft iS des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO habe jedoch nicht vorgelegen. Davon könne grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn eine Energieeinsparung oder eine Verminderung des Unfallrisikos bewirkt werde. Bei Verwendung von zwei Kraftfahrzeugen hätten die Eheleute zu ihren Arbeitsplätzen und zurück zusammen 26 Kilometer (2 x 8 Kilometer und 2 x 5 Kilometer) zurücklegen müssen. Bei Verwendung nur eines Kraftfahrzeuges ergebe sich aber eine Strecke von 42 Kilometern (zweimal nach R. und zurück sowie einmal nach M. und zurück). Sofern die Klägerin nach Geschäftsschluß nach Hause gefahren wäre, hätte die Strecke zwar ebenfalls 26 Kilometer betragen, aber ihr Ehemann wäre dann noch in R. gewesen. Er hätte den Heimweg mit einem öffentlichen oder privaten Verkehrsmittel zurücklegen müssen. Damit wäre - trotz gleicher Wegstrecke bezüglich des eigenen Kraftwagens - der insgesamt zurückzulegende Weg verlängert und damit das Unfallrisiko erhöht worden. Bei dieser Betrachtungsweise stelle sich die zwischen den Eheleuten gebildete Gemeinschaft nicht als Fahrgemeinschaft iS des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO dar, sondern als Absprache mit dem Zweck, zur Zurücklegung verschiedener, von ihrer Zielrichtung voneinander unabhängiger, Wege nur ein einziges Fahrzeug zu verwenden. Tatsächlich hätten die Eheleute bis zur Einberufung ihres Sohnes zum Wehrdienst Anfang Januar 1978 zwei Kraftfahrzeuge zur Verfügung gehabt. Es sei aber nicht Zweck des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO, die Einsparung eines Zweitwagens zu fördern.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat das Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Aus der Formulierung in § 550 Abs 2 RVO "Die Versicherung ist nicht ausgeschlossen..." sei nicht zu schließen, daß eine Fahrgemeinschaft nur vorliege, wenn eine Energieeinsparung erreicht oder das Unfallrisiko vermindert werde. Vielmehr solle durch die Formulierung lediglich ausgeschlossen werden, den Unfallversicherungsträgern eine unbegrenzte Haftung für jede nur denkbare Wegeabweichung zu übertragen. Dabei sei die Frage, ob es sich um eine versicherungsrechtlich geschützte oder eine außergewöhnlich große versicherungsrechtliche Abweichung handele, nur durch den Vergleich zwischen dem verkehrsüblichen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und dem tatsächlich zurückgelegten Weg zu beantworten. Ihr Weg habe sich aus der Fahrt zur Arbeitsstelle ihres Ehemannes von ca acht Kilometern, dem Weg zurück zu der Stelle, an der sich ihr Weg von dem des Ehemannes bei getrennter Fahrt getrennt hätte von ca sieben Kilometern und dem Weg von dieser Stelle bis zu ihrer Arbeitsstelle von ca fünf Kilometern zusammengesetzt. Dieser Weg von insgesamt 20 Kilometern habe zu dem Weg von zu Hause zu ihrer Arbeitsstelle von ca fünf Kilometern nicht in einem so krassen Mißverhältnis gestanden, daß von einer außergewöhnlich großen versicherungsrechtlich ungeschützten Abweichung gesprochen werden könne. Um mit dem Bus zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen, hätte sie von O. zunächst nach R. fahren müssen, um von dort mit einem anderen Bus nach M. zu gelangen. Diese Fahrstrecke wäre 18 Kilometer lang gewesen, und die Fahrzeit hätte 50 Minuten betragen. Ferner sei zu berücksichtigen, daß es sich hier um eine Fahrgemeinschaft von Eheleuten gehandelt habe. Zum Wesen der Eheleute gehöre es, einander und damit letztlich auch der Allgemeinheit Verhaltensweisen zuzumuten, die außenstehenden Personen nicht ohne weiteres zugemutet würden.
Die Klägerin beantragt dem Sinne nach, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 2. Juli 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 22. Dezember 1980 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt dem Sinne nach, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor, dem Gesetzgeber habe bei § 550 Abs 2 Nr 2 RVO vorgeschwebt, daß die Zielrichtung aller Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft ein und derselbe Ort sei. Denn nur dadurch habe erwartet werden können, daß der Treibstoffverbrauch herabgesetzt werde. Die Tatsache,daß im vorliegenden Fall die Klägerin und ihr Ehemann ein und dasselbe Kraftfahrzeug für ihre Wege zu und von der Arbeitsstätte benutzten, genüge für sich allein nicht, um eine Fahrgemeinschaft annehmen zu können. Denn das vom Gesetzgeber bezweckte Ziel, eine Einsparung von Treibstoff zu erreichen, werde dadurch nicht verwirklicht. Selbst wenn es auf eine Treibstoffersparnis nicht ankomme, sei das Klagebegehren nicht begründet, weil sich die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls noch nicht auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden habe. Sie habe ihren Ehemann zu dessen Arbeitsstätte begleitet, um dann selbst in den Besitz des Fahrzeuges zu gelangen. Dieser Weg sei allenfalls eine Vorbereitungshandlung für ihren eigenen Weg zur Arbeitsstätte gewesen, die unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt sei. Bei einer Fahrgemeinschaft iS des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO müßten sich alle Teilnehmer der Fahrgemeinschaft zumindest für einen erheblichen Teil des Weges gemeinschaftlich auf dem Wege zu ihrer Arbeitsstätte befinden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist insofern begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
Nach § 550 Abs 1 RVO in der ab 1. Januar 1974 geltenden Fassung des § 15 Nr 1 des Siebzehnten Rentenanpassungsgesetzes -17. RAG - vom 1. April 1974 (BGBl I 821) gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Voraussetzungen eines Versicherungsschutzes aufgrund dieser Vorschrift bei der Klägerin nicht vorgelegen haben. Sie befand sich zur Zeit des Unfalls auf einem Abweg in bezug auf den Weg zu dem Ort ihrer Tätigkeit.
Nach § 550 Abs 2 Nr 2 RVO ist die Versicherung jedoch nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweicht, weil er mit anderen berufstätigen oder versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit benutzt. Durch diese auf einstimmigen Beschluß des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung eingefügte Vorschrift sollte der Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Fahrgemeinschaften verbessert werden, indem sichergestellt wird, daß der Versicherungsschutz auf Umwegen erhalten bleibt, die gemacht werden, weil mitfahrende Personen unterwegs aufgenommen oder abgesetzt werden. Auch die Mitnahme der erwerbstätigen Ehefrau durch den Ehemann wird von der neuen Vorschrift erfaßt (BT-Drucksache 7/1642 S 4). Mag § 550 Abs 2 Nr 2 RVO auch, wie das LSG ausführt, unter dem Eindruck der Energiekrise 1973/74 entstanden sein, als die Preise für Erdöl und seine Derivate erstmals sprunghaft anstiegen und die Verknappung der Treibstoffe zu autofreien Sonntagen führte. Daß deshalb aber eine Fahrgemeinschaft iS des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO grundsätzlich nur vorliegen kann, wenn dadurch eine Energieeinsparung oder eine Verminderung des Unfallrisikos bewirkt wird, hält der Senat für unzutreffend.
Dem Gesetz - dem Wortlaut der Vorschrift und auch der Gesetzessystematik - können solche zusätzlichen Voraussetzungen für den Versicherungsschutz nicht entnommen werden. Würde der Versicherungsschutz von einer Energieeinsparung abhängen, müßte im Einzelfall geprüft werden, ob die Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft mit einem Kraftfahrzeug den Ort der Tätigkeit zumutbar auch ohne Benutzung eines Kraftfahrzeuges erreichen könnten. Dem steht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entgegen, wonach dem Versicherten die Wahl des Verkehrsmittels für die Zurücklegung des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit frei steht (BSGE 4, 219, 222; 10, 226, 227; 20, 219, 221; SozR Nr 21 und 42 zu § 543 RVO aF; Breithaupt 1969, 478; USK 7646; Urteile vom 30. Mai 1969 - 2 RU 199/67 - und vom 11. Dezember 1973 - 2 RU 148/72 -). Die Voraussetzung der Energieeinsparung für den Versicherungsschutz bei Teilnehmern einer Fahrgemeinschaft würde entgegen der Absicht des Gesetzgebers, den Versicherungsschutz bei Fahrgemeinschaften auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu verbessern, insoweit zu einer Verschlechterung des Versicherungsschutzes führen. Ebenfalls ist der Versicherungsschutz der Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft nicht davon abhängig, daß sich durch die Fahrgemeinschaft das Unfallrisiko vermindert. Die freie Wahl des Verkehrsmittels für die Zurücklegung des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit schließt ein, daß zB der Versicherte, anstatt den Weg zu Fuß fernab eines jeden Fahrzeugverkehrs zurückzulegen, eine Fahrgemeinschaft mit einem Motorradfahrer bildet, wodurch sich naturgemäß das Unfallrisiko erhöht. Der Senat hält es auch nicht für zutreffend, daß bei einer Fahrgemeinschaft sich alle Teilnehmer der Fahrgemeinschaft für einen erheblichen Teil des Weges gemeinschaftlich auf dem Weg zu ihren Arbeitsstätten befinden müssen. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt für den Versicherungsschutz, daß der Weg für einen Mitfahrenden der direkte Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit ist und nur für die anderen ein Umweg (vgl SozR Nr 33 und 42 zu § 543 RVO aF; Urteil vom 23. Oktober 1975 - 2 RU 71/75 -). Es wäre auch nicht verständlich, warum entgegen der Absicht des Gesetzgebers, den Versicherungsschutz bei Fahrgemeinschaften zu verbessern, der Versicherungsschutz daran scheitert, daß ein Versicherter nur ein letztes kurzes Stück zur Arbeitsstätte mitfährt oder erst aufgenommen wird, nachdem die übrigen Teilnehmer, die nicht in demselben Betrieb zu arbeiten brauchen (BT-Drucks aaO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl, S 486p), bereits abgesetzt worden waren.
Abgesehen davon, daß bei einer Fahrgemeinschaft auch die Voraussetzungen des § 550 Abs 1 RVO erfüllt sein müssen, schließt nach Meinung des Senats auch ein großer Abweg den Versicherungsschutz nicht aus (vgl Brackmann, aaO S 486q; aA Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl Kennzahl 095 S 11). Zutreffend weist Brackmann darauf hin, daß vom Wortlaut des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO her eine Einschränkung des Versicherungsschutzes bei einem größeren Abweg nicht gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber hatte für die Beamtenversorgung und für die Soldatenversorgung eine dem § 550 Abs 2 Nr 2 RVO gleichartige Regelung eingeführt (§ 135 Abs 2 des Bundesbeamtengesetzes -BBG- idF des Art IV § 1 Nr 13 des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern - 2. BesVNG - vom 23. Mai 1975 - BGBl I 1173; § 27 Abs 3 Satz 3 des Soldatenversorgungsgesetzes - SVG - idF der Bekanntmachung vom 5. März 1976 - BGBl I 457), diese Regelung aber mit Wirkung vom 1. Januar 1977 bzw 1. Januar 1981 dahin geändert, daß der Zusammenhang mit dem Dienst nicht als unterbrochen gilt, wenn der Beamte bzw Berufssoldat von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle "in vertretbarem Umfang" abweicht, weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen bzw mit anderen Soldaten oder mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen ein Fahrzeug für den Weg nach oder von der Dienststelle benutzt (§ 31 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 3 des Beamtenversorgungsgesetzes -BeamtVG- vom 24. August 1976 - BGBl I 2485; § 27 Abs 3 Satz 1 Nr 1, Halbsatz 3 SVG idF der Bekanntmachung vom 9. Oktober 1980 - BGBl I 1957). Da § 550 Abs 2 Satz 2 RVO mit unverändertem Wortlaut in Kraft geblieben ist, hängt der Versicherungsschutz der Teilnehmer einer Fahrgemeinschaft jedenfalls nicht von der Größe des Abweges (oder Umweges) ab.
Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid den Versicherungsschutz der Klägerin auch mit der Begründung verneint hat (ebenso Hess LSG, Urteil vom 22. Februar 1978 -L 3 U 519/77 - = Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften VB 97/80 vom 30. April 1980), der Abweg stehe in keinem Verhältnis zum verkehrsüblichen Weg der Klägerin von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte, rechtfertigt dies auch deshalb keine andere Entscheidung, weil es versicherungsrechtlich nicht begründet ist, den Versicherungsschutz auf dem Abweg von der Entfernung der Wohnung der Klägerin zum Ort ihrer Tätigkeit abhängig zu machen, den Versicherungsschutz auf demselben Abweg also zu bejahen, wenn die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und dem Ort ihrer Tätigkeit nicht 5, sondern - zB 40 km betragen würde und deshalb die Verhältnismäßigkeit des Abweges zu diesem Weg angenommen werden würde. Gleiches gilt für Die Auffassung (s LSG NRW, Urteil vom 29. August 1979 - L 17 U 163/77 - = Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften aao), der von der Fahrgemeinschaft insgesamt zurückgelegte Weg dürfe die Summe der für die einzelnen Teilnehmer erforderlichen Wegstrecken nicht übersteigen. Es ist nicht überzeugend, weshalb zB im vorliegenden Fall der Versicherungsschutz der Klägerin für den Abweg zur Arbeitsstelle ihres Ehemannes nicht gegeben sein soll, wenn sie ihren Ehemann allein hinfährt, wohl aber dann, wenn sie noch zwei Arbeitskollegen ihres Mannes oder aus ihrem Betrieb mitnimmt und dadurch der von der Fahrgemeinschaft insgesamt zurückgelegte Weg die Summe der für die einzelnen Teilnehmer erforderlichen Wegstrecken nicht übersteigt. Zudem müssen die Versicherten oder Berufstätigen sich nicht zu einer regelmäßigen Fahrgemeinschaft zusammengeschlossen haben (BT-Drucks aaO, Brackmann aaO, S 486p), so daß selbst bei Beginn der Fahrgemeinschaft die Summe der für einzelne Teilnehmer erforderlichen Wegstrecken noch gar nicht festzustehen braucht.
Entscheidend bleibt somit, ob die Klägerin mit der Zurücklegung des Weges die Absicht verfolgt hat, zunächst ihren berufstätigen oder versicherten Ehemann zu dessen Arbeitsstelle zu bringen, um danach unmittelbar zum Ort ihrer Tätigkeit zu fahren. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG legten die Klägerin und ihr Ehemann den Weg von der gemeinsamen Wohnung im Stadtbezirk O. zu den beiden Arbeitsstellen üblicherweise so zurück, daß die Eheleute mit dem Kraftfahrzeug zunächst zu der Arbeitsstelle des einen fuhren, wo dieser ausstieg und dann der andere zu seiner Arbeitsstelle fuhr. Zu welcher Arbeitsstelle zuerst gefahren wurde, richtete sich danach, wessen Dienst früher begann. Da der Dienst des Ehemannes der Klägerin am Unfalltage früher als ihr eigener Dienst begann, hatte die Klägerin zunächst ihren Ehemann zu dessen Arbeitsstelle nach R. gebracht. Feststellungen, daß die Klägerin mit der Fahrt am Unfalltag nicht nur die Absicht verfolgt hat, zunächst ihren Ehemann zu dessen Arbeitsstelle zu bringen, um danach unmittelbar zum Ort der eigenen Tätigkeit zu fahren, fehlen. Die Beklagte hatte in der Begründung des den Entschädigungsanspruch der Klägerin ablehnenden Bescheides "angenommen", daß die Klägerin, nachdem sie ihren Ehemann in R. abgesetzt hatte, zunächst ihre Wohnung in O. habe aufsuchen wollen, um erst später von dort zu ihrer eigenen Arbeitsstelle in M. zu fahren. Ein solcher Sachverhalt würde, da die Klägerin sich zur Unfallzeit dann nicht auf dem unmittelbaren Weg zu ihrer Arbeitsstelle befunden haben würde, ihren Versicherungsschutz auf der Fahrt nach und von R. ausschließen. Das SG hatte für die erforderliche Klärung eine Auskunft des Arbeitgebers der Klägerin vom 31. Januar 1980 eingeholt und den Ehemann der Klägerin am 24. März 1980 als Zeugen gehört. Da es nach der Rechtsauffassung des LSG auf die Klärung dieser Frage nicht ankam, sind entsprechende Feststellungen aber nicht getroffen worden. Sie werden jedoch im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen sein. Zu der Frage, wie die Klägerin, hätte sie den Unfall nicht erlitten, den Weg zu ihrer Arbeitsstelle im Stadtbezirk M. fortgesetzt haben würde, hat das LSG am Ende des angefochtenen Urteils bereits Ausführungen gemacht, ohne jedoch - von seinem Standpunkt zu Recht - entsprechende tatsächliche Feststellungen zu treffen.
Die Sache muß daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
BSGE, 46 |
Breith. 1983, 220 |