Leitsatz (amtlich)

Der in den jugoslawischen Cetnik-Verbänden geleistete Dienst kann für den Personenkreis des BVG § 7 Abs 1 Nr 3 (Ausländer) einen Versorgungsanspruch begründen, wenn und soweit die Cetnik-Verbände zur Abwehr des gemeinsamen Gegners mit der Deutschen Wehrmacht zusammengearbeitet haben oder wenn die Schädigung in dem von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch Kampfhandlungen eingetreten ist, die von deutschen Verbänden ausgingen oder gegen sie gerichtet waren.

 

Normenkette

BVG § 7 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. Juli 1963 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der in Jugoslawien geborene Kläger, der sich seit 1947 als heimatloser Ausländer in der Bundesrepublik aufhält, begehrte 1958 wegen verschiedener Körperschäden Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er gab an, er habe als Jugoslawe für Deutschland als "Chetnik-Soldat" gekämpft, und zwar von 1943 bis Mai 1945. Seine Einheit sei auf sich allein gestellt gewesen, jedoch von Deutschen geleitet worden. Im Mai 1945 sei er in Kriegsgefangenschaft geraten und im Juli 1947 entlassen worden. Das Versorgungsamt (VersorgA) lehnte den Antrag ab, weil der Kläger die Anmeldefrist des § 56 BVG versäumt habe; außerdem fehle es, soweit die geltend gemachten Schäden überhaupt vorlägen, am ursächlichen Zusammenhang mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG. Der Widerspruchsbescheid verzichtete ab 1. Juni 1960 auf den Einwand der Fristversäumnis, stellte aber fest, der Kläger gehöre nicht zu dem nach dem BVG berechtigten Personenkreis, da die Cetnik-Verbände nicht im Rahmen der deutschen Wehrmacht eingesetzt worden seien. Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 30. Juli 1963 die Berufung des Klägers zurück und ließ die Revision zu. Es ging davon aus, daß der Kläger seit 1943 Angehöriger der jugoslawischen Cetnik-Verbände war. Die Cetnik-Einheit des Klägers sei jedoch nicht im Rahmen der deutschen Wehrmacht eingesetzt gewesen. Ausländer, die in eigenen Verbänden und unter eigenen Offizieren am Kriege teilgenommen haben, seien nicht im Rahmen der deutschen Wehrmacht eingesetzt gewesen, selbst dann nicht, wenn die Formation zeitweise einem deutschen Oberkommando unterstellt gewesen sei. Aus den Angaben des Klägers sei zu entnehmen, daß es sich um ausländische Einheiten gehandelt habe, die nicht auf deutscher Seite und nicht unter deutschen Offizieren am Krieg teilgenommen hätten; dem allgemein gehaltenen Zusatz "von Deutschen geleitet" könne keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Das gleiche gelte für die Angabe, die Verbände hätten von Anfang 1943 bis zum Rückzug auf italienischem Boden 1945 mit deutschen Soldaten zusammen gegen die Partisanen gekämpft. Diese Auffassung werde durch die in der gleichliegenden Klagesache S 7 V 333/60 enthaltene Stellungnahme des Bundesarchivs (Militärarchiv) Koblenz vom 12. September 1961 gestützt. Hiernach hätten die Cetnik-Verbände nicht zu den deutsch-kroatischen Infanterie-Divisionen des Heeres gehört. Die jugoslawischen Cetnik-Verbände, die als königstreu gegolten hätten, hätten sich im Aufstand gegen die durch die Besetzung von 1941 geschaffene staatliche Neuordnung, und zwar sowohl im serbischen wie auch im kroatischen Gebiet befunden. Sie hätten sowohl gegen kroatische Truppen wie gegen kommunistische Partisanen gekämpft. Beim Vordringen der Russen sei es nur in örtlich bedingten Lagen zu Anlehnungen an deutsche Verbände oder auch zu Unterstützungen durch örtliche deutsche Verbände gekommen, ohne daß ein Einsatz im Rahmen der deutschen Wehrmacht erfolgt sei. Die innere Führung dieser Einheiten sei selbständig geblieben. Die Cetnik-Verbände hätten eigene politisch-militärische Ziele verfochten, ohne auf deutscher Seite am Kriege teilgenommen zu haben. Es sei somit nicht erwiesen, daß die Cetnik-Verbände, denen der Kläger angehörte, im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder deutscher Organisationen eingesetzt worden seien. Da der Kläger sonach nicht zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG gehöre und sich auch nicht auf eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne dieser Vorschrift berufen könne, zumal neben diesem Tatbestand der allgemeine Tatbestand der §§ 1 Abs. 2 a, 5 BVG nicht zum Zuge komme, sei der Anspruch des Klägers unbegründet.

Die Revision des Klägers rügt die Verletzung materiellen Rechts (§§ 1, 2, 7 BVG). Das LSG habe die Verhältnisse von 1943 bis 1945 auf dem südosteuropäischen Kriegsschauplatz in Jugoslawien - bezogen auf die Stellung der Cetnik- (Tschetnik) Verbände zur deutschen Wehrmacht - unzutreffend gewürdigt und im Rahmen der §§ 2 und 7, I, 3 BVG unrichtig subsumiert. Der Kläger stelle der Auskunft des Bundesarchivs entgegen, daß die damaligen militärisch bedingten Verhältnisse in Wirklichkeit ganz anders gelegen hätten, insofern nämlich, als die Cetnik-Verbände und darunter auch seine Einheit, sehr wohl zur Erreichung bestimmter strategischer Ziele im Rahmen der deutschen Wehrmacht eingesetzt worden seien. Insofern berufe sich der Kläger auf sein gesamtes bisheriges Vorbringen, dem seitens der Revision nichts weiter hinzugesetzt werden könne. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des LSG-Urteils nach dem Berufungsantrag zu erkennen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen; er enthielt sich besonderer Ausführungen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist auch sachlich begründet.

Die Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts, macht aber geltend, das LSG habe die Verhältnisse in Jugoslawien "unzutreffend gewürdigt". Nachdem die Revision im gleichen Satz von unzutreffender Anwendung des hier zu beachtenden materiellen Rechts spricht und es zwei Sätze zuvor ausdrücklich heißt, hinsichtlich der tatsächlichen Umstände, die diesem Rechtsstreit zugrundeliegen, werde auf den Tatbestand des Berufungsurteils Bezug genommen, nimmt der Senat an, daß die Revision eine unzutreffende materiell-rechtliche Würdigung durch das LSG rügen will. Sollte der Kläger die unzutreffende Würdigung tatsächlicher Umstände durch das LSG, etwa eine Verletzung des § 128 SGG haben rügen wollen, so würde es nicht nur an der entsprechenden Bezeichnung von Tatsachen und Beweismitteln (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG), sondern auch an der substantiierten Behauptung eines Verstoßes gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder der unzutreffenden Würdigung bestimmter Beweisunterlagen fehlen. Der Kläger hat nicht im einzelnen dargelegt, inwiefern die Cetnik-Verbände als Bestandteil der deutschen Wehrmacht anzusehen waren.

Da sonach in bezug auf die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht sind, ist das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 163 SGG an diese gebunden. Hiernach hat es sich bei den jugoslawischen Cetnik-Verbänden, denen der Kläger, der heute "staatenloser Ausländer" ist, seit 1943 angehörte, um ausländische Einheiten gehandelt, die nicht auf deutscher Seite und auch nicht unter deutschen Offizieren am Krieg teilgenommen haben, auch nicht zu den deutsch-kroatischen Infanterie-Divisionen des Heeres gehörten. Sie galten als königstreu und befanden sich im Aufstand gegen die durch die Besetzung von 1941 geschaffene staatliche Neuordnung, und zwar sowohl im serbischen wie auch im kroatischen Gebiet. Sie kämpften gegen kroatische Truppen wie auch gegen kommunistische Partisanen. Nur in örtlich bedingten Lagen kam es beim Vordringen der Russen zu Anlehnungen an deutsche Verbände oder auch zu Unterstützungen durch örtliche deutsche Verbände; ihre innere Führung blieb selbständig. Das LSG hat hieraus geschlossen, daß die Cetnik-Verbände eigene politisch-militärische Ziele verfochten, ohne auf deutscher Seite am Kriege teilgenommen zu haben.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG findet das Gesetz Anwendung auf Ausländer (und Staatenlose) mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes, wenn die Schädigung mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärähnlichem Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang steht (erste Alternative) oder in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten ist (zweite Alternative). Diese Vorschrift ist seit der Fassung des Gesetzes vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 661) sowohl durch das 1. Neuordnungsgesetz (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl. I, 453) als auch durch das 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl. I, 85) geändert worden, ohne daß sich allerdings für den vorliegenden Fall wesentliche Abweichungen ergeben hätten. Die Fassung des 1. NOG spricht nur noch von "Ausländern", die des 2. NOG von "anderen Kriegsopfern", d.h. anderen als Deutschen und deutschen Volkszugehörigen.

Das LSG hat sich bei Erörterung der Frage, was unter "Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht" zu verstehen ist, auf § 2 BVG gestützt. Diese Vorschrift kann aber zu einer Auslegung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG nicht mit Erfolg herangezogen werden, da sie nur den Begriff des "militärischen Dienstes" im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG, nicht aber den des Dienstes "im Rahmen der deutschen Wehrmacht" näher bestimmt. Ob die unter Bezugnahme auf Schönleiter, Bundesversorgungsgesetz 1953, Anm. 10 zu § 7 gemachten Ausführungen des LSG, Ausländer, die in eigenen Verbänden und unter eigenen Offizieren am Kriege teilgenommen haben, seien selbst dann nicht im Rahmen der deutschen Wehrmacht eingesetzt, wenn die Formation zeitweise einem deutschen Oberkommando unterstellt war, dem Sinn der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG voll gerecht werden, konnte der Senat dahingestellt sein lassen. Denn jedenfalls erfüllt der vom Kläger verrichtete Dienst nicht die Voraussetzung eines im Rahmen der deutschen Wehrmacht geleisteten Dienstes. Hieran fehlt es jedenfalls dann, wenn es sich um ausländische Einheiten mit selbständiger innerer Führung handelt, die eigene politisch-militärische Ziele verfolgen. Dies war aber nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG bei den Cetnik-Verbänden der Fall. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß zur Zeit der titoistischen Partisanentätigkeit die Wehrmacht- und Cetnikverbände einen gemeinsamen Gegner erhalten hatten. Dieser Umstand forderte eine Zusammenarbeit heraus und ließ notfalls die Unterstützung der Cetnik-Verbände durch Material und Verpflegung im deutschen Interesse angezeigt erscheinen. Auch konnte dies dazu führen, daß deutsche Verbindungsoffiziere eingesetzt wurden, denn anders würde sich das Miteinander öfters in ein - ungewolltes - Gegeneinander ausgewirkt haben. Diese tatsächlichen Gegebenheiten bedeuten aber noch keine Einfügung in die deutsche Wehrmacht mit den damit notwendig verbundenen organisatorischen Veränderungen oder Verschmelzungen. Im Gegenteil, gerade weil die Cetnik-Verbände fremde, unter einer selbständigen Befehlsgebung stehende Militärverbände waren, bedurfte es deutscher Verbindungsoffiziere, von denen der Zeuge M. K. berichtete, um die den fremden Truppen zugedachte begrenzte Unterstützung zu ermöglichen.

Insoweit kann man in den jugoslawischen Zeugenaussagen eine Bestätigung der Auskunft des Bundesarchivs erblicken. Ihren Schlußfolgerungen bzw. ihrer Beurteilung der damaligen militärisch-organisatorischen Verhältnisse mußte das LSG jedoch kein größeres Gewicht beimessen als der Auskunft des Bundesarchivs (Militärarchivs), zumal bei diesen ausländischen Zeugen weder eine ausreichende Übersicht über die damaligen organisatorischen Verhältnisse noch ein hinreichend sachverständiges Beurteilungsvermögen vorausgesetzt werden kann. Die Annahme des LSG, daß die Cetnik-Verbände keinen Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht geleistet haben, ist daher auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG mußte auch keinen "militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation" annehmen. Hier käme allenfalls § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG in Betracht. Es fehlte jedoch an einer "Einberufung durch eine militärische Dienststelle"; das gleiche gilt für einen "auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht geleisteten freiwilligen oder unfreiwilligen Dienst". Ein solcher Dienst muß unmittelbar für spezifische Zwecke der Wehrmacht geleistet sein, z.B. Schanzarbeiten, Brückenbau, Auswerfen von Panzer- oder Schützengräben (vgl. Wilke aaO Anm. 2 zu § 3 BVG). Diese Vorschrift läßt sich auf den vorliegenden Fall auch deshalb nicht anwenden, weil der Kläger keinen militärähnlichen, sondern militärischen Dienst geleistet hat und weil er - wenn überhaupt - den Zwecken der Wehrmacht nicht auf Veranlassung eines (deutschen) militärischen Befehlshabers, sondern im Rahmen seines ausländischen Militärverbandes gedient hat; es haben sich lediglich dessen Ziele (zeitweise und unter bestimmten örtlichen Verhältnissen) mit den Zielen der deutschen Wehrmacht gedeckt. Das konnte aber von heute auf morgen anders sein, und die Wehrmacht konnte sich u.U. plötzlich beiden Kampfverbänden als Gegnern gegenübersehen. Insbesondere diese Erwägung spricht dafür, daß der Kläger keinen Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder deutscher Organisationen geleistet hat. Sonach ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzung der ersten Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG beim Kläger nicht erfüllt ist.

Das LSG hat weiter geprüft, ob sich der Kläger auf eine unmittelbare Kriegseinwirkung, die in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet eingetreten ist, berufen kann (2. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG). Seine Begründung, der Kläger habe die gesundheitlichen Schädigungen im Rahmen seines Dienstes für die Cetnik-Verbände davongetragen und aus "praktisch begreiflichen Gründen" folge, daß bei ausländischen Kombattanten neben dem Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG der allgemeine Tatbestand der Schädigung aus unmittelbaren Kriegseinwirkungen im Sinne der §§ 1 Abs. 2 a, 5 BVG nicht zum Zuge kommen soll, genügt jedoch nicht zu einer Verneinung des Anspruchs. Denn in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG ist ausdrücklich bestimmt, daß auch bei Ausländern eine durch "unmittelbare Kriegseinwirkung" eingetretene Schädigung entschädigt werden kann; hierunter fallen nach der in § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG enthaltenen Begriffsbestimmung auch im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen stehende Kampfhandlungen und damit unmittelbar zusammenhängende militärische Maßnahmen. Wilke aaO Anm. A zu § 5 BVG vertritt daher zutreffend die Auffassung, daß Personen, die im Zeitpunkt der Schädigung militärischen oder militärähnlichen Dienst ausgeübt haben, für die aber die Voraussetzungen nach §§ 2 und 3 BVG (Leistung militärischen oder militärähnlichen Dienstes) nicht gegeben sind, nach § 5 BVG versorgt werden können, wenn der Tatbestand einer unmittelbaren Kriegseinwirkung erfüllt ist (vgl. auch BSG 4, 193, 196). Wie das BSG jedoch in dieser Entscheidung bereits ausgesprochen hat, ist der Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung in dem Sinne eng auszulegen, daß hierunter nur solche Einwirkungen bei kriegerischen Auseinandersetzungen zu verstehen sind, bei denen das Deutsche Reich kriegführende Macht war (BSG 4, 197, 198). Daran ändert der Umstand nichts, daß im Rahmen solcher kriegerischer Auseinandersetzungen auch Handlungen von "Banden" zu berücksichtigen sind, wenn sie darauf gerichtet sind, das Kriegspotential des Gegners zu treffen, insbesondere ihn militärisch zu schwächen (vgl. BSG in SozR BVG § 5 Ca 13 Nr. 27). Wollte man darüber hinaus auch andere kriegerische Auseinandersetzungen, bei denen das Deutsche Reich keine kriegführende Macht war, als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des BVG werten, so würde sich dies nicht mit dem Gedanken vertragen, daß nach den deutschen Versorgungsgesetzen nur diejenigen Personen entschädigt werden sollen, die aus Anlaß einer kriegerischen Auseinandersetzung des deutschen Volkes geschädigt worden sind (BSG 4, 193, 197). Das BSG hat in dieser Entscheidung einen Versorgungsanspruch abgelehnt, weil das Deutsche Reich bei den Kämpfen um Charkow im Dezember 1918 zwischen den bolschewistischen Streitkräften und den weißrussischen Truppen (der dortige Kläger hatte seit Sommer 1917 dem Stoßregiment General K. angehört) nicht mehr als kriegführende Macht oder als Verbündeter einer der kriegführenden Mächte beteiligt war (BSG 4, 194, 198). Für den vorliegenden Fall haben die gleichen Grundsätze zu gelten. Denn die Cetnik-Verbände waren nicht Verbündete oder militärische Gegner des kriegführenden Deutschen Reiches, sie befanden sich vielmehr nach den bindenden Feststellungen des LSG im Aufstand gegen die durch die Besetzung von 1941 geschaffene staatliche Neuordnung, sie führten - wenigstens grundsätzlich - als königstreue Verbände ihren eigenen Krieg, der sich hauptsächlich gegen kroatische Truppen und kommunistische Partisanen richtete.

Aus der Stellungnahme des Bundesarchivs ist in dieser Hinsicht auch von Bedeutung, daß die Cetnik-Verbände Peter II als rechtmäßigen König des gesamten Landes ansahen. Die Cetniks wurden von dem neuen kroatischen Staat als Feind Nr. 1 bezeichnet. Bei den von den Cetnik-Verbänden durchgeführten kriegerischen Unternehmungen war sonach das Deutsche Reich nicht als kriegführende Macht beteiligt. Vielmehr handelte es sich hier um innerstaatliche Auseinandersetzungen, die darauf abzielten, unabhängig von den deutschen Interessen dem Gebiet des früheren jugoslawischen Staates durch militärische Gewaltanwendung eine bestimmte innenpolitische Form und Ordnung (Zurückdrängung oder Beseitigung des kommunistischen Einflusses, Wiedererrichtung der Monarchie) zu geben. Ist sonach der Kläger im Zusammenhang mit Unternehmungen der Cetnik-Verbände verletzt oder geschädigt worden, die diesen innerstaatlichen Zielsetzungen gedient haben, so handelt es sich hierbei nicht um unmittelbare Kriegseinwirkungen im Sinne des § 5 BVG (vgl. hierzu auch Wilke aaO Anm. A zu § 5 BVG).

Etwas anderes muß allerdings für diejenigen kriegerischen Auseinandersetzungen gelten, bei denen die Cetnik-Verbände, wie das LSG festgestellt hat, sich mit Rücksicht auf das Vordringen der Russen in örtlich bedingten Lagen an deutsche Verbände angelehnt haben bzw. bei denen örtliche deutsche Verbände die Cetnik-Verbände unterstützt haben. Wenn auch dieses gemeinsame Vorgehen gegen die russischen Truppen oder titoistischen Partisanenverbände nicht dazu geführt hat, daß die Cetnik-Verbände damit "im Rahmen der deutschen Wehrmacht" Dienst geleistet haben, so waren es doch kriegerische Auseinandersetzungen, bei denen das Deutsche Reiche als kriegführende Macht beteiligt war. In der Stellungnahme des Bundesarchivs heißt es dazu, daß es in den letzten Kriegsmonaten zu einem gewissen Hand-in-Hand-Arbeiten mit den Deutschen gekommen sei und daß die Cetniks in solchen Fällen durch Abgabe von Sanitätsmaterial und Gewehrmunition unterstützt worden seien. Hieraus und aus den Feststellungen des LSG ist zu schließen, daß die Cetnik-Verbände in diesen letzten Kriegsmonaten in örtlich bedingten Lagen wie Verbündete mit der deutschen Wehrmacht zusammen gearbeitet haben. Damit steht auch die Zeugenbekundung, daß deutsche Verbindungsoffiziere bei den Cetnik-Verbänden eingesetzt waren, in Einklang. Unter diesen Umständen kann die kriegerische Tätigkeit der Cetnik-Verbände, soweit sie in einer Zusammenarbeit mit der deutschen Wehrmacht zur Abwehr des gemeinsamen Gegners bestand, nicht mehr als eine von der Kriegführung des Deutschen Reiches unabhängige militärische Tätigkeit angesehen werden. Insoweit wäre es also denkbar, daß der Kläger sich eine Schädigung zugezogen hat, die in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 2. Alternative). Ob der Kläger die von ihm behaupteten auf Kriegseinwirkung zurückzuführenden Gesundheitsstörungen während der Zeit einer solchen Zusammenarbeit zwischen den Cetnik-Verbänden und der deutschen Wehrmacht durch unmittelbare Kriegseinwirkungen erlitten hat, hat das LSG weder geprüft noch festgestellt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß sich der Fliegerangriff im November 1944, bei dem der Kläger verschüttet worden sein soll, im Zusammenhang mit kriegerischen Unternehmungen, die von den Cetnik-Verbänden und der deutschen Wehrmacht gemeinsam durchgeführt worden sind, ereignet hat und daß deshalb der Anspruch des Klägers nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG, 2. Alternative, u.U. gerechtfertigt ist. Eine unmittelbare Kriegseinwirkung könnte auch dann gegeben sein, wenn der Kläger eine Schädigung im von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch Kampfhandlungen erlitten hat, die von deutschen militärischen Verbänden ausgingen oder gegen sie gerichtet waren. Auch insoweit hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Aus diesen Gründen war das den Anspruch des Klägers verneinende Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur Durchführung der hiernach erforderlichen weiteren Sachaufklärung und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 266

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