Leitsatz (amtlich)

In einem Rechtsstreit gegen eine Ersatzkasse als Einzugsstelle, der die Angestellten-Versicherungspflicht eines Angestellten betrifft, ist dessen Arbeitgeber beizuladen (SGG § 75 Abs 2).

 

Normenkette

SGG § 75 Abs. 2; AVG § 118 Abs. 1, §§ 120-121

 

Tenor

Auf die Revision der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 1968 aufgehoben, soweit das angefochtene Urteil die Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung betrifft.

Der Rechtsstreit wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin jeweils nur an einem Tag der Woche ausgeübte Tätigkeit als Lottoauswerterin der Versicherungspflicht zur Kranken- und Angestelltenversicherung unterliegt.

Die Klägerin arbeitet seit dem 1. Juli 1956 bei der Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft der Landesbank und Girozentrale Schleswig-Holstein in K jeden Montag als Lottoauswerterin. In der Zeit vom 1. August 1957 bis 30. Juni 1966 wurden für sie Pflichtbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung entrichtet. Nach Rückfrage bei der Ortskrankenkasse K, die in Übereinstimmung mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Klägerin als "Eintagsbeschäftigte" nicht für versicherungspflichtig hielt, teilte die Arbeitgeberin der beklagten Ersatzkasse (EK) mit, daß die Klägerin ab 1. Juli 1966 nicht mehr der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die EK erließ demgemäß den Bescheid vom 16. September 1966. In diesem verneinte sie die Versicherungspflicht der Klägerin. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 30. Dezember 1966). Nach Beiladung der BfA hob das Sozialgericht (SG) die Bescheide vom 16. September 1966 und 30. Dezember 1966 auf und stellte fest, daß die Klägerin ab 1. Juli 1966 weiterhin der Versicherungspflicht zur Kranken- und Angestelltenversicherung unterliege (Urteil vom 21. Juni 1967). Die Berufungen der EK und der BfA wies das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 26. Januar 1968 zurück. Es vertrat die Auffassung, daß dann, wenn die für Nebenbeschäftigungen bestimmte Einkommensgrenze - wie im vorliegenden Fall - überschritten werde, die Klägerin versicherungspflichtig sei, da sie ihre Tätigkeit in regelmäßiger Wiederkehr ausübe (§ 168 Abs. 2 Buchst. b der Reichsversicherungsordnung - RVO - und § 4 Abs. 2 Buchst. b des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -).

Die Revision wurde zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat die BfA Revision eingelegt und gerügt, das Verfahren leide an einem wesentlichen Mangel. Das LSG habe versäumt, die Arbeitgeberin der Klägerin beizuladen. Im übrigen legte sie im einzelnen dar, warum nach ihrer Auffassung die Klägerin nicht versicherungspflichtig ist.

Die BfA hat beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Kiel vom 21. Juni 1967 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit über die Angestelltenversicherungspflicht entschieden worden ist.

Die Klägerin hat beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Auch sie ist der Auffassung, daß in der mangelnden Beiladung der Arbeitgeberin der Klägerin ein wesentlicher Verfahrensmangel liege.

Die beklagte EK hat keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

II

Die Revision ist begründet.

Da nur die beigeladene BfA Revision eingelegt hat, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur der Streit über die Beiträge zur Angestelltenversicherung (BSG 17, 1, 2 f). Zutreffend hat die BfA gerügt, das Verfahren des LSG leide an einem wesentlichen Mangel, da es unterlassen habe, den Arbeitgeber der Klägerin beizuladen. Nach § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der Fall einer notwendigen Beiladung im genannten Sinne ist dann gegeben, wenn die in dem Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (BSG vom 29. Januar 1960 in SozR Nr. 17 zu § 75). Das ist hier der Fall. Die Beiträge zur Angestelltenversicherung sind nach § 118 Abs. 1 AVG von dem Arbeitgeber zu entrichten, soweit nicht in § 118 Abs. 2 AVG die dort vorgesehenen Ausnahmen Anwendung finden. Die Vorschrift des § 520 RVO, wonach Ersatzkassenmitglieder den Beitrag an die EKn zu zahlen haben und der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Beitragsanteil, den er ohne die Mitgliedschaft bei der EK als Arbeitgeberanteil an die gesetzliche Krankenkasse entrichten müßte, an das EK-Mitglied abzuführen hat, betrifft nur die Beiträge zur Krankenversicherung, nicht aber zur Rentenversicherung (Urteil des Senats vom 23. November 1966 in SozR Nr. 2 zu § 520 RVO). Zwar ist nach § 120 AVG der Versicherte berechtigt, anstelle des Arbeitgebers die vollen Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten, und auf Grund dieser Vorschrift kann ein EK-Mitglied die vollen Beiträge zur Rentenversicherung an seine EK abführen, um dann von dem Arbeitgeber die Erstattung des Arbeitnehmeranteils zu beanspruchen. Dabei handelt es sich jedoch um eine Berechtigung des Versicherten, durch welche die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber der Einzugsstelle (gesetzliche Krankenkasse oder EK), die Beiträge zur Rentenversicherung nach §§ 118, 121 AVG zu entrichten - soweit sie nicht schon von dem Versicherten selbst abgeführt sind -, nicht berührt wird. Daraus folgt, daß der Arbeitgeber für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung haftet und durch Entscheidungen über die Beitrags- und Versicherungspflicht der Klägerin in die Rechtssphäre ihres Arbeitgebers unmittelbar eingegriffen wird; dies auch deswegen, weil im Falle der Versicherungsfreiheit der Klägerin der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung zu tragen, er also insoweit entlastet wird. Ihm muß es daher ermöglicht werden, bei einem Streit, der die Versicherungspflicht eines seiner Arbeitnehmer betrifft, sich zu beteiligen und seinen Standpunkt darzulegen. Da gemäß § 168 SGG im Revisionsverfahren eine Beiladung unzulässig ist, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324298

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