Leitsatz (amtlich)
1. Die Zustimmung eines Gesellenausschusses zur Errichtung einer IKK (RVO § 250 Abs 1 S 1) kann jedenfalls dann nicht mehr widerrufen werden, wenn der Antrag auf Genehmigung der IKK gestellt worden ist.
2. Der Zustimmungsbeschluß ist bei der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit in vollem Umfang - auch soweit es um handwerkrechtliche Vorfragen geht - überprüfbar. Die Erklärung der Handwerkskammer als Aufsichtsbehörde der beteiligten Innungen über die Ordnungsmäßigkeit der Beschlußfassung bindet die Genehmigungsbehörde und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht.
3. Ein mangelhafter Zustimmungsbeschluß wird durch ordnungsmäßige Wiederholung geheilt.
4. Bei der Prüfung, ob der Bestand oder die Leistungsfähigkeit vorhandener allgemeiner Orts- und Landkrankenkassen durch die Errichtung einer IKK gefährdet wird (RVO § 251 Abs 1 Nr 1), ist nicht zu berücksichtigen, ob der Mitgliederbestand der beteiligten Orts- oder Landkrankenkassen durch den möglichen Anschluß weiterer Innungen an die neu errichtete IKK in der Zukunft beeinträchtigt wird. Im Errichtungsverfahren ist allein die bei Errichtung der IKK eintretende Abnahme des Mitgliederbestands maßgebend
Normenkette
RVO § 250 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1951-02-22, § 251 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1930-07-26, § 253 Abs. 1 Fassung: 1911-07-19
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 10. Juni 1969 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 5. Mai 1966 abgeändert sowie der Bescheid des Oberversicherungsamts B vom 30. Januar 1963 aufgehoben, soweit er die Errichtung der beigeladenen Innungskrankenkasse H auch für die vormalige Müller-Innung Kreis H genehmigt hat.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem das Oberversicherungsamt (OVA) B auf Antrag der Kreishandwerkerschaft H die Errichtung einer gemeinsamen Innungskrankenkasse (IKK) - der beigeladenen IKK H - für die Bäcker-Innung H, die Friseur-Innung Kreis H, die Uhrmacher-Innung Kreis H, die Schmiede-Innung H, die Tischler-Innung H, die Innung des Bauhandwerks H und die Müller-Innung Kreis H genehmigt hat.
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) für den Kreis H hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben: Der Bescheid sei schon deshalb fehlerhaft, weil die Müller-Innung bei seinem Erlaß - am 30. Januar 1963 - nicht mehr bestanden habe. Weiter hätten die Gesellenausschüsse der Innung des Bauhandwerks und der Tischler-Innung ihre - nach § 250 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erforderliche - Zustimmung zur Errichtung der IKK am 2. und 3. April 1959 widerrufen. Auch seien die Beschlüsse der Gesellenausschüsse nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Vorsitzenden der Gesellenausschüsse der Schmiede-Innung und der Innung des Bauhandwerks hätten nicht das passive Wahlrecht besessen. Die Gesellen hätten auch nicht gesondert unter Vorsitz eines Gesellen getagt. Sitzungen der Gesellenausschüsse der Innung des Bauhandwerks und der Tischler-Innung hätten überhaupt nicht stattgefunden; die Ausschußmitglieder seien von ihren Arbeitgebern angehalten worden, vorbereitete Beschlußausfertigungen zu unterschreiben. Soweit die Gesellenausschüsse von fünf beteiligten Innungen ihre Zustimmung nach Errichtung der beigeladenen IKK bestätigt hätten, sei dem keine heilende Wirkung beizumessen. Schließlich gehe der angegriffene Bescheid zu Unrecht davon aus, daß die Errichtung der beigeladenen IKK ihre - der Klägerin - Leistungsfähigkeit nicht gefährdet habe (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 RVO).
Der Antrag der Klägerin festzustellen, daß der Genehmigungsbescheid vom 30. Januar 1963 nichtig sei, hilfsweise den Bescheid aufzuheben, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Die Tatsache, daß der angegriffene Bescheid auch eine Innung - die Müller-Innung - betreffe, die bei seinem Erlaß nicht mehr bestanden habe, sei ein für das Errichtungsverfahren unerheblicher Mangel, der durch eine nachträgliche Berichtigung des Bescheides behoben werden könne. Die Überprüfung der Frage, ob eine wirksame Zustimmung der Gesellenausschüsse gemäß § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO vorliege, habe sich im sozialgerichtlichen Verfahren darauf zu beschränken, ob die Mitglieder der Gesellenausschüsse zu einer unbeeinflußten, von den einzelnen Innungsmitgliedern unkontrollierten und damit selbständigen Beschlußfassung gelangt seien und ob die Beschlüsse inhaltlich klar erkennen ließen, auf welches Risiko der Wille der Ausschüsse gerichtet sei. Einwendungen zu "handwerksrechtlichen" Fragen (passives Wahlrecht, ordnungsmäßige Besetzung der Ausschüsse usw.) seien dagegen in diesem Verfahren nicht nachprüfbar. Aus Gründen der Tatbestandswirkung sei insoweit die Feststellung der Handwerkskammer Braunschweig - als Aufsichtsbehörde der beteiligten Innungen - vom 27. Dezember 1962 maßgebend, wonach an der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Gesellenausschüsse kein Zweifel bestehe. Im übrigen ergebe sich aus den inzwischen neu gefaßten Beschlüssen der Gesellenausschüsse von fünf Innungen, daß die Errichtung der beigeladenen IKK dem freien und unkontrollierten Willensentscheid dieser Ausschüsse entsprochen habe. Daß die Gesellenausschüsse der Innung des Bauhandwerks und der Tischler-Innung ihre Zustimmung widerrufen hätten, sei schon deshalb unerheblich, weil die einmal erteilte Zustimmung nicht wieder zurückgenommen werden könne. Die Errichtung der beigeladenen IKK habe auch nicht den Bestand oder die Leistungsfähigkeit der Klägerin gefährdet. Die Abgabe von Mitgliedern an die Beigeladene am 1. April 1963 habe sie weder zu einer Beitragserhöhung noch zu einer Leistungsbeschränkung gezwungen. Für die weitere ungünstige Entwicklung ihrer Finanzen, insbesondere für die Erhöhung der Beiträge ab 1965, sei diese Mitgliederabgabe nicht ursächlich gewesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Nach ihrer Auffassung ist die Frage, ob eine rechtswirksame Zustimmung der Gesellenausschüsse gemäß § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO vorliegt, als eine "rein versicherungsrechtliche" uneingeschränkt der Nachprüfung im sozialgerichtlichen Verfahren unterworfen. Zur Frage der Gefährdung ihrer Leistungsfähigkeit im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 1 RVO macht die Klägerin geltend: Die Prüfung dieser Frage müsse auch die Auswirkungen des Mitgliederabgangs - einschließlich des künftigen, durch Anschluß weiterer Innungen an die IKK bedingten Abgangs - auf ihre finanzwirtschaftlichen Grundlagen (Zusammensetzung des Mitgliederbestandes, Grundlohnsumme, Leistungsinanspruchnahme) umfassen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 5. Mai 1966, das Urteil des LSG Niedersachsen vom 10. Juni 1969 und den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 30. Januar 1963 aufzuheben.
Das beklagte Land und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist nur zum Teil begründet.
Die Klage ist im Revisionsverfahren nur noch auf Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 1963 gerichtet. Insoweit ist sie zulässig. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, weil es sich nicht um eine Ermessensentscheidung handelt (§ 79 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -; vgl. BSG 3, 209, 215; 7, 169, 175 f) und zudem die Klage von einem Versicherungsträger erhoben ist (§ 81 Nr. 3 SGG; vgl. BSG 14, 71, 75). Die Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin Adressat des angefochtenen Bescheides ist.
Die Aufhebungsklage ist insoweit begründet , als der Bescheid die Errichtung einer gemeinsamen IKK u. a. für eine Innung - die Müller-Innung - genehmigt hat, die bei seinem Erlaß nicht mehr bestand. Entgegen der Auffassung des LSG stellt dieser Mangel keine bloße "Unrichtigkeit" dar, die - ähnlich wie ein Schreib- oder Rechenfehler - nach einem allgemeinen Verfahrensgrundsatz ohne Eingriff in die Substanz des Bescheides berichtigt werden könnte. Eine solche Unrichtigkeit läge nur dann vor, wenn ein offenbarer Widerspruch zwischen Intention und äußerer Fassung des Bescheides bestünde, wenn also das ersichtlich Gewollte mit dem Ausgedrückten nicht übereinstimmte (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts 1. Band, 7. Auflage Seite 205; von der Groeben/Knack, Allgem. Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz), Stand November 1968, § 111 Anm. 11). Das ist jedoch nicht der Fall. Das OVA wollte die Errichtung einer gemeinsamen IKK u. a. auch für die Müller-Innung genehmigen, es hat diesen Willen auch klar zum Ausdruck gebracht. Fehlerhaft ist vielmehr seine Annahme gewesen, die genannte Innung sei nach wie vor existent. Insoweit ist der angefochtene Bescheid jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil er auf einen unmöglichen Erfolg - die Errichtung einer IKK für eine nicht mehr bestehende Innung - abzielt (vgl. Forsthoff aaO, S. 235); insoweit ist der Bescheid aufzuheben.
Die Rechtswidrigkeit dieses Teils des angefochtenen Bescheides erfaßt jedoch nicht den ganzen Bescheid. Denn das OVA wäre durch den Wegfall der Müller-Innung nicht gehindert gewesen und hätte es auch nicht ablehnen dürfen, die Errichtung einer gemeinsamen IKK für die übrigen Innungen zu genehmigen. Das LSG hat unangefochten festgestellt, es bestehe nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, daß diese Innungen ohne die Müller-Innung eine gemeinsame IKK nicht errichten wollten. In den Errichtungsbeschlüssen der Innungsversammlungen und den Zustimmungsbeschlüssen der Gesellenausschüsse wird der Wille zur Errichtung einer gemeinsamen IKK sogar ausdrücklich auch für den Fall bekräftigt, daß "die eine oder die andere der vorgenannten Innungen ausfallen sollte".
Ebensowenig konnte der Wegfall der Müller-Innung die für die Errichtung einer IKK nach § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO erforderliche Mindestzahl von 450 Versicherungspflichtigen in Frage stellen. Wie das LSG dazu angeführt hat, waren in den Innungsbetrieben im Jahre 1961 2370 Arbeitnehmer - eine mit jahreszeitlich bedingten geringen Schwankungen konstante Zahl - beschäftigt, davon nur 12 in den zur Müller-Innung gehörenden Betrieben.
Mit Recht hat es das LSG auch als unerheblich angesehen, daß die Gesellenausschüsse der Innung des Bauhandwerks und der Tischler-Innung ihre Zustimmung zur Errichtung einer gemeinsamen IKK vor Erlaß des angefochtenen Bescheides wieder zurückgezogen haben . Die einmal nach § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO erteilte Zustimmung kann jedenfalls dann nicht mehr angefochten oder widerrufen werden, wenn der Antrag auf Genehmigung der IKK wie hier schon vorher beim Versicherungsamt gestellt und damit das Verfahren in Gang gesetzt worden ist.
Zu Unrecht hat sich das LSG jedoch nur in beschränktem Umfang für befugt erachtet, die beanstandeten Zustimmungsbeschlüsse der Gesellenausschüsse auf ihr ordnungsgemäßes Zustandekommen zu überprüfen. Die Einwendungen gegen die genannten Beschlüsse aus dem Handwerksrecht unterliegen der Nachprüfung im sozialgerichtlichen Verfahren. Nach einem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz hat das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, den gesamten Prozeßstoff in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu würdigen und dabei auch über Vorfragen zu entscheiden, die zwar einem der Sozialgerichtsbarkeit nicht unterliegenden Rechtsgebiet angehören, von deren Beantwortung aber die Entscheidung in der Hauptsache abhängt (vgl. § 114 SGG; BSG 3, 121, 123; 18, 18, 21; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur SGb, Stand April 1970, Bd. I, § 114 Anm. 1; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Stand März 1970, Bd. I, § 114 Anm. 2). Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt u. a. davon ab, ob dem OVA bei Erlaß des angefochtenen Bescheides wirksame Zustimmungsbeschlüsse der Gesellenausschüsse vorgelegen haben. Denn mehrere Innungen können eine gemeinsame IKK nach § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO nur errichten und das OVA kann die Errichtung mithin nach § 253 Abs. 1 RVO nur dann rechtmäßig genehmigen, wenn die Gesellenausschüsse in wirksamer Weise ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. Urteil des Senats vom 25. April 1962, SozR Nr. 4 zu § 250 RVO). Soweit bei der Beschlußfassung der Gesellenausschüsse Vorschriften des Handwerksrechts (vgl. insbesondere §§ 62 ff des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks - Handwerksordnung - HwO - in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 17. September 1953 - BGBl I 1411 -) verletzt worden sind, auf deren Beachtung es für die Wirksamkeit der Beschlüsse ankommt, handelt es sich um eine auch in diesem Verfahren nachprüfbare erhebliche Vorfrage.
Daran ändert im Ergebnis auch der Umstand nichts, daß die Handwerkskammer Braunschweig - als Aufsichtsbehörde der beteiligten Innungen - mit Schreiben an das OVA vom 27. Dezember 1962 die Beschlüsse der Innungen und ihrer Gesellenausschüsse für rechtlich bedenkenfrei erklärt hat. Entgegen seiner Meinung ist das LSG nicht an eine "Tatbestandswirkung" dieser aufsichtsbehördlichen Stellungnahme gebunden gewesen. Es ist keine Norm ersichtlich, die eine solche Stellungnahme zur Tatbestandsvoraussetzung einer für den vorliegenden Streitfall bedeutsamen Rechtsfolge macht, ähnlich wie etwa die Eintragung des Betriebsinhabers in die Handwerksrolle Voraussetzung für seine Mitgliedschaft in der Trägerinnung einer IKK und damit auch für die Zugehörigkeit der Beschäftigten des Betriebes zu dieser IKK ist (vgl. § 250 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 RVO i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 53 HwO aF = §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 58 idF vom 28. Dezember 1965 - BGBl I 1966, 2 -; Urteil des Senats vom 18. Juni 1968, BSG 28, 111 mit weiteren Nachweisen). Eine inhaltliche Bindungswirkung kann dem genannten Schreiben schon deshalb nicht zukommen, weil es als zwischenbehördliche Äußerung zur Rechtslage kein (feststellender) Verwaltungsakt ist (vgl. auch Wolff, aaO S. 87).
Es kann für die Entscheidung dahinstehen, ob die maßgebenden Beschlüsse der Gesellenausschüsse überhaupt unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind, ob also die Vorsitzenden der Gesellenausschüsse einzelner Innungen nicht das passive Wahlrecht nach § 65 Abs. 1 HwO aF hatten und ob die Mitglieder der Gesellenausschüsse möglicherweise nicht jeweils gesondert unter Vorsitz eines Gesellen getagt haben. Auf alle Fälle haben die Gesellenausschüsse später noch einmal ihre Beschlüsse in ordnungsgemäßer, verfahrensrechtlich einwandfreier Form bestätigt, wie das LSG festgestellt hat. Damit sind die etwaigen Mängel geheilt, die jeweiligen Beschlüsse beruhen nicht mehr darauf.
In Rechtsprechung und Lehre zum Verwaltungsakt ist überwiegend anerkannt, daß Form- und Verfahrensfehler, die ohne möglichen Einfluß auf den Inhalt des Verwaltungsaktes sind (wie z. B. das Fehlen einer gesetzlich vorgeschriebenen Unterschrift in einem Prüfungsprotokoll), dessen Anfechtbarkeit nicht begründen (vgl. BVerwG 6, 33, 35; VGH Bebenhausen, VerwRspr. 9, 663, 665; OVG Münster, DVBl 1969, 72, 74; Forsthoff aaO S. 218; Wolff aaO S. 343). Noch weitergehend kann nach § 115 LVwG Schleswig-Holstein (= § 36 EVwVerfG 1963) ein Verwaltungsakt "nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil er unter Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften ... zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können oder wenn anzunehmen ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat".
Die zweite Alternative dieser Bestimmung (" ... oder wenn anzunehmen ist, daß ...") - sie bezieht sich auf Ermessensentscheidungen (vgl. von der Groeben/Knack aaO, § 115 Anm. 3.2) - bringt einen auch für die nicht rechtsgebundene Beschlußfassung des Gesellenausschusses nach § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO interessengerechten Gedanken zum Ausdruck. An die Stelle ihrer rechtspolitischen Zielsetzung, unnötige Rechtsmittelverfahren zu vermeiden (vgl. von der Groeben/Knack aaO, § 115 Anm. 1; Einzelbegründung zu § 36 EVwVerfG 1963), tritt hier lediglich der Schutzzweck des in § 250 Abs. 1 Satz 1 RVO festgelegten Beteiligungsgebotes. Diesem Schutzzweck würde es zuwiderlaufen, den Beschluß des Gesellenausschusses wegen eines formellen Mangels als unwirksam zu behandeln, wenn es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen kann, daß er auch bei Vermeidung dieses Mangels gefaßt worden wäre und wenn er nachher ordnungsgemäß bestätigt worden ist. Da es allein darum geht, den Willen der - vom Gesellenausschuß repräsentierten - Gesellenschaft zur Geltung zu bringen, entfällt insoweit auch jedes öffentliche Interesse an einer Sanktion für den Verfahrensfehler, wie sie sonst im Verwaltungsverfahren aus rechtsstaatlichen Gründen angezeigt sein kann (vgl. dazu Ossenbühl, DÖV 1964, 511, 515 f und Heinze, DÖV 1967, 33, 43).
Unrichtig ist schließlich die Auffassung der Klägerin bei der Frage, ob die Errichtung der beigeladenen IKK ihre Leistungsfähigkeit gefährdet habe (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 RVO), sei auch der künftigen Entwicklung ihres Mitgliederbestandes, wie sie erfahrungsgemäß insbesondere durch den Anschluß weiterer Innungen an die neuerrichtete IKK bestimmt werde, Rechnung zu tragen. Nach der genannten Vorschrift kommt es allein darauf an, ob durch die Errichtung der IKK als solche eine bereits in der Gegenwart feststellbare Gefährdung der Leistungsfähigkeit vorhandener allgemeiner Ortskrankenkassen eintritt (Urteil des Senats vom 25. April 1962, insoweit veröffentlicht in SozR Nr. 4 zu § 251 RVO). Wie der Senat in BSG 14, 71, 76 ff näher dargelegt hat, kann eine solche Gefährdung nicht allein mit der ungünstigen Vermögenslage einer Krankenkasse oder der Notwendigkeit begründet werden, im Falle einer Abgabe von Mitgliedern die Beiträge zu erhöhen oder die Leistungen herabzusetzen. Sie ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn die Krankenkasse im Vergleich zu gleichartigen Kassen des betreffenden Wirtschaftsraumes infolge des Mitgliederverlustes die bei den Vergleichskassen erhobenen Beiträge erheblich überschreiten müßte oder wenn ihre Leistungen nicht unwesentlich unter denen vergleichbarer Kassen liegen würden. Dabei scheiden alle die wirtschaftliche Entwicklung einer Kasse beeinflussenden Faktoren aus, die - wie z. B. ein hoher Rentneranteil - nicht kausal gerade auf der in Frage stehenden Abgabe von Mitgliedern beruhen. Nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen des LSG hat die am 1. April 1963 - in unmittelbarem Anschluß an die Errichtung - vollzogene Abgabe von Mitgliedern an die beigeladene IKK die Klägerin weder zu einer Erhöhung ihrer Beiträge noch zu einer Herabsetzung ihrer Leistungen genötigt. Die Frage, ob die Errichtung der Beigeladenen die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 1 RVO gefährdet hat, ist deshalb zu verneinen, ohne daß es auf einen Vergleich mit den Beitragssätzen und Leistungen gleichartiger Kassen ankommt. Zwar kann - auch wenn die Errichtung einer IKK als solche noch keine Gefahr für die Leistungsfähigkeit der Allgemeinen Ortskrankenkasse darstellt - u. a. der spätere Anschluß weiterer Innungen an die IKK das in § 251 Abs. 1 Nr. 1 RVO gesetzte Maß überschreiten. Dies zu berücksichtigen, ist aber dem jeweiligen Anschlußverfahren und einem etwa sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren vorbehalten.
Nach alledem kann die Revision nur in dem aufgezeigten Umfang Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen