Leitsatz (amtlich)
1. Die Ansprüche auf Rückerstattung von Beiträgen, die die Krankenkasse zu Unrecht als Beiträge des RVTr zur Krankenversicherung der Rentner (RVO § 381 Abs 2) einbehalten hat, unterliegen der Verjährung nach RVO § 29 Abs 2.
2. Hat eine Krankenkasse Beiträge des Rentenversicherungsträgers zur Krankenversicherung der Rentner einbehalten, von denen sie wußte oder wissen mußte, daß ein Rechtsanspruch darauf nicht besteht, so ist die Berufung auf die Verjährungseinrede nach RVO § 29 Abs 2 gegenüber dem Anspruch des Rentenversicherungsträgers auf Rückerstattung dieser Beiträge rechtsmißbräuchlich.
Normenkette
RVO § 29 Abs. 2 Fassung: 1938-09-01, § 381 Abs. 2 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 1961 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hat für die Zeit vom 1. August 1956 bis 31. Dezember 1958 von den an die klagende Landesversicherungsanstalt (LVA) abzuführenden Rentenversicherungsbeiträgen 37604,48 DM als Beiträge für die Krankenversicherung solcher Empfänger von Waisenrenten einbehalten, die in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen und deshalb nicht mehr als Rentenbezieher versichert waren. Sie hatte die für diese Fälle vorgeschriebene Mitteilung nach § 317 Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) von den für die versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zuständigen Krankenkassen nicht erhalten. Nach einer Überprüfung der Beitragsabrechnungen stellte die klagende LVA diesen Sachverhalt fest und verlangte von der beklagten AOK die Rückerstattung dieser Beiträge. Die AOK zahlte 23821,51 DM an die LVA zurück. Die Zahlung der Restsumme von 13782,96 DM verweigerte sie mit der Begründung, daß es sich insoweit um Beiträge für die Jahre 1956/1957 handele und daß diese Forderung, da sie im August 1958 erstmals geltend gemacht worden sei, nach § 29 Abs. 2 RVO verjährt sei. Ferner habe sie 2951,26 DM von dieser Summe für kassenärztliche Pauschalvergütungen verwendet, so daß sie insoweit nicht mehr bereichert sei.
Die LVA hat vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit dem Antrage,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 13782,96 DM zu zahlen.
Sie ist der Meinung, die Verjährungsvorschrift des § 29 RVO könne nicht angewendet werden, da sie nur die Rechtsbeziehungen zwischen einer Privatperson und einem Versicherungsträger, nicht aber zwischen zwei Versicherungsträgern regele.
Das SG Lübeck hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen (Urteil vom 5. Mai 1960).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 15. Mai 1961). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt:
Nach § 1433 RVO sei die Beklagte als Einzugsstelle verpflichtet, die eingezogenen Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter unverzüglich an den zuständigen Träger der Rentenversicherung, d. h. an die Klägerin, abzuführen. Auf diese gesetzliche Verpflichtung gründe sich das allein noch streitige Klagebegehren. Die Beklagte habe eingezogene Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung in Höhe von 13782,96 DM nicht an die Klägerin abgeführt. Sie habe diesen Betrag einbehalten und nehme ihn für Beiträge zur Krankenversicherung von Waisenrentnern für die Zeit vom 1. August 1956 bis 31. Dezember 1957 in Anspruch, obwohl feststehe, daß diese auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RVO versichert seien.
Die Beklagte könne diese Einbehaltung nicht auf § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner vom 26. Juli 1956 - KVdR - Beitragsvorschriften - (BABl 1956, 491) stützen. Danach könnten zwar die Krankenkassen den von ihnen nach § 1 errechneten Betrag von den Beiträgen einbehalten, die sie für die Träger der Rentenversicherung eingezogen haben. Der Berechnung dürfe aber nur die Zahl der der Rentnerkrankenversicherung zugehörigen Rentner zugrunde gelegt werden. Die Beklagte sei demnach gemäß § 1433 RVO nach wie vor verpflichtet, diese Summe an die Klägerin abzuführen.
Die Verjährungseinrede der Beklagten greife demgegenüber nicht durch. Es gehe hier nicht um eine Rückerstattung von Beiträgen zur Rentnerkrankenversicherung, sondern vielmehr um die ursprüngliche Forderung der Klägerin, eingezogene Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter in Höhe von 13782,96 DM an sie abzuführen. Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch unterliege, da in den §§ 1433 ff RVO keine Sondervorschriften darüber enthalten seien, der allgemeinen 30jährigen Verjährungsfrist oder zumindest in entsprechender Anwendung des § 29 Abs. 3 RVO (Leistungen der Versicherungsträger) einer 4jährigen Verjährungsfrist.
Gegen dieses Urteil hat die beklagte AOK Revision eingelegt mit dem Antrage,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es sich hier nicht um eine Forderung auf Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung handele. Die Klägerin könne ihren Anspruch nur auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen. Demnach hätte berücksichtigt werden müssen, daß sie insoweit, als sie an die Kassenärztliche Vereinigung Pauschalvergütungen in Höhe von 2951,26 DM abgeführt habe, nicht mehr bereichert sei. Ferner hätte beachtet werden müssen, daß sie, die Beklagte, die Einrede der Verjährung erhoben habe. Der Klageanspruch sei ein solcher auf "Rückerstattung von Beiträgen" im Sinne des § 29 Abs. 2 RVO.
Das Berufungsgericht habe schließlich übersehen, daß auch die Klägerin die Meldepflicht schuldhaft verletzt habe. Die Rentenversicherungsträger treffe ganz allgemein die Pflicht zur sachgemäßen und sorgfältigen Bearbeitung der übertragenen Aufgaben. Die Klägerin hätte schon vor der Klageerhebung darauf achten und in bestimmten Zeitabständen die Frage prüfen müssen, ob der eine oder andere der Waisenrentner durch Eingliederung in den Arbeitsprozeß krankenversicherungspflichtig geworden sei. Diese Pflicht sei für die Klägerin umso unabwendbarer, als sie im Rahmen des § 381 RVO in die Stellung eines Arbeitgebers gerückt sei. Da die Klägerin daher ihre Meldepflicht schuldhaft verletzt habe, sei sie der Beklagten gegenüber schadensersatzpflichtig. Der Schaden bestehe zumindest in der Höhe, in der die Beklagte die Pauschalvergütungen an die Kassenärztliche Vereinigung geleistet habe und nicht mehr zurückerstattet verlangen könne. In der Höhe von 2951,26 DM habe die Beklagte daher eine Schadensersatzforderung, mit der sie gegen die Klageforderung aufrechne.
Die Klägerin hat die Zurückweisung der Revision beantragt. Sie hält das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend.
Die Revision ist begründet.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die beklagte AOK die hier strittigen Beiträge zur Krankenversicherung der Waisenrentner zu Unrecht einbehalten hat. Die Beklagte hätte diese Beiträge nur einbehalten dürfen, wenn diese Waisen als Rentner bei ihr versichert gewesen wären. Das war aber nicht der Fall. Das Pflichtversicherungsverhältnis auf Grund der von den Waisen inzwischen eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse (§ 165 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 RVO) hatte das auf den Bezug von Waisenrente gegründete Versicherungsverhältnis verdrängt (§ 165 Abs. 6 RVO). Ohne Einfluß auf diese Rechtslage ist der Umstand, daß die für die versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zuständigen Kassen es unterlassen hatten, der bisher zuständigen Kasse - hier also der beklagten AOK - die Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung durch die Waisen gemäß § 317 Abs. 6 Satz 1 RVO mitzuteilen. Ein Verstoß gegen diese Ordnungsvorschrift (vgl. BSG 11, 79, 85 f.) berührt nicht die Mitgliedschaft der nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RVO versicherungspflichtigen Personen, deren Beginn nach § 306 Abs. 1 RVO allein vom Eintritt in die versicherungspflichtige Beschäftigung abhängt.
Grundsätzlich ist der Träger der Rentenversicherung berechtigt, die Erstattung der zu Unrecht von einer Krankenkasse einbehaltenen Krankenversicherungsbeiträge zu fordern. Doch macht der Träger der Rentenversicherung in einem solchen Falle einen Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung - und nicht etwa, wie das LSG angenommen hat, auf Abführung von Beiträgen zur Rentenversicherung - geltend. Nur diese Auffassung wird, wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 13. Februar 1962 (BSG 16, 172, 174) dargelegt hat, der Rechtslage gerecht, die für den Abrechnungsverkehr zwischen den Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern durch die KVdR-Beitragsvorschriften gegeben ist. Danach hat die Krankenkasse in jedem Monat die Zahl der versicherungspflichtigen Rentner sowie den für diese Rentner zu zahlenden Beitragssatz festzustellen und dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen (§ 1 Abs. 1 KVdR-Beitragsvorschriften). Den auf diese Weise ermittelten Betrag behält sie von den für den Rentenversicherungsträger eingezogenen Beiträgen ein und führt nur noch den Restbetrag an den Rentenversicherungsträger ab. Damit sind die Beiträge zur Rentnerkrankenversicherung entrichtet. Hat die AOK auf diese Weise zu Unrecht Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner erhalten, so kann die LVA diese im Wege öffentlich-rechtlicher Erstattung zurückverlangen.
Für diesen Erstattungsanspruch gilt § 29 Abs. 2 RVO. Zwar sind in § 1235 Nr. 5 RVO diese Beiträge unter den Regelleistungen der Rentenversicherung aufgeführt. Darin kommt jedoch nur zum Ausdruck, daß es sich gegenüber dem Versicherten um eine Pflichtleistung der Rentenversicherung handelt. Im Verhältnis zu den Krankenkassen handelt es sich jedoch um einen Beitrag zu den Aufwendungen der Krankenversicherung der Rentner (§ 381 Abs. 2 RVO). Die LVA trägt diese Beiträge nicht anders als die Versicherten und die Arbeitgeber im Falle der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RVO (vgl. § 381 Abs. 1 RVO).
Der Anwendung des § 29 Abs. 2 RVO auf die gemäß § 381 Abs. 2 RVO entrichteten Beiträge steht entgegen der Auffassung der klagenden LVA auch nicht die besondere - öffentlich-rechtliche - Stellung des Beitragsschuldners entgegen. Richtig ist zwar, daß es bei Einführung der genannten Vorschrift nur Beiträge gab, die von Arbeitgebern oder Versicherten entrichtet waren. Die Beitragspflicht der Träger der Rentenversicherung wurde erst mit der Einführung der Krankenversicherung der Rentner durch das Gesetz über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 24. Juli 1941 (AN 1941, 301) und die Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941 (AN 1941, 440) begründet. Dessenungeachtet wäre die Anwendung des § 29 Abs. 2 RVO auf die Beiträge der Träger der Rentenversicherung nur dann ausgeschlossen, wenn der Sinn und Zweck der Verjährungsvorschrift eine Anwendung auf die Erstattungsforderungen der Rentenversicherungsträger verbieten würde, weil das Verhältnis der Krankenkassen zu den Rentenversicherungsträgern in diesem Punkte wesentlich anders als zu den übrigen Beitragsschuldnern wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
Der rechtspolitische Zweck einer jeden Verjährungsvorschrift liegt darin, einem Schuldner nach Ablauf einer bestimmten Zeit wegen der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten vor der Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu schützen. Dieser Zweck kommt auch in der amtlichen Begründung zur RVO von 1910 (S. 44 zu § 26 RVO) zum Ausdruck, in welcher ausgeführt ist:
"Für eine geordnete Rechnungsführung des Versicherungsträgers ist es erwünscht, daß auch für den Anspruch auf Rückerstattung solcher Beiträge eine Frist gesetzt wird, welche zu Unrecht oder in zu hohem Betrage gezahlt sind. Die dabei nötigen nachträglichen Ermittlungen verursachen einen unverhältnismäßigen Aufwand an Mühe und Zeit, der umso größer ist, je weiter zurück die Zeit liegt, auf die sich die Erhebungen erstrecken. Der einschlägigen Vorschrift, wie sie jetzt für die Unfallversicherung gilt, hat deshalb § 26 Abs. 2 mit einem für die Invalidenversicherung nötigen Vorbehalt allgemeine Geltung gegeben."
Der Zweck dieser Verjährungsvorschrift ist es also, möglichst rasch für die Krankenkassen klare Verhältnisse zu schaffen und sie vor länger zurückgreifenden Ermittlungen zu schützen. Dabei wird im Interesse dieses Schutzes der Krankenkassen den Arbeitgebern und Versicherten zugemutet, innerhalb der verhältnismäßig kurzen Zeit von sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres ihre Beitragszahlungen zu prüfen und gegebenenfalls zurückzuverlangen. Diese Interessenlage besteht auch im Verhältnis der Krankenkassen zu den Rentenversicherungsträgern.
Freilich ist nicht zu übersehen, daß es für den Rentenversicherungsträger bei der großen Zahl der krankenversicherungspflichtigen Rentner unter Umständen schwieriger als für einen Arbeitgeber oder Versicherten sein könnte, innerhalb der kurzen Frist des § 29 Abs. 2 RVO den Beitragserstattungsanspruch festzustellen. Raddatz (WzS 1964, 201, 204) meint jedoch mit Recht, daß dieses Argument mehrere Jahre nach dem Inkrafttreten des KVdR an Zugkraft verloren haben dürfte. So haben sich die Rentenversicherungsträger nach Überwindung der Umstellungsschwierigkeiten nach dem Inkrafttreten des KVdR auch darauf eingestellt, durch regelmäßige Befragungen der Waisenrentner den Eintritt in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis festzustellen. Diese Feststellungen werden ihnen dadurch erleichtert, daß die für das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis zuständige Kasse dieses nicht nur der bisher zuständigen Kasse, sondern auch dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen hat (§ 317 Abs. 6 RVO).
Für eine lückenlose Meldepflicht (durch den Arbeitgeber an die für das Beschäftigungsverhältnis zuständige Kasse, durch diese an die bisherige Krankenkasse und an den Rentenversicherungsträger) ist daher gesorgt. Selbst wenn der Träger der Rentenversicherung aber Schwierigkeiten hat, Überzahlungen an Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist nach § 29 Abs. 2 RVO festzustellen, so kann das gegenüber dem mit der Verjährungsvorschrift verfolgten Zweck des Schutzes der Krankenkassen nicht durchschlagen und die Anwendung dieser Vorschrift gegenüber einem Träger der Rentenversicherung ausschließen. Das entspricht auch der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (Grunds.Entsch. Nr. 4786, AN 1934, 320). In dieser Entscheidung ist das RVA bei der Beurteilung der Frage der Verjährung von Beiträgen zur Krankenversicherung, die für einen Arbeitslosen von der Reichsanstalt entrichtet waren, davon ausgegangen, daß in diesem Falle die Verjährungsfrist des § 29 Abs. 2 RVO gilt.
Demnach darf eine Krankenkasse auch gegenüber dem Anspruch eines Trägers der Rentenversicherung auf Rückerstattung von Beiträgen die Einrede der Verjährung nach § 29 Abs. 2 RVO erheben. Danach wäre der Klageanspruch unbegründet.
Bei einem Teil der von der beklagten AOK einbehaltenen Beiträge kann die Berufung auf die Verjährung jedoch mißbräuchlich sein.
Das LSG ist in seinem Urteil - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht auf den von der LVA vorgebrachten Einwand eingegangen, daß 30 Waisenrentner bei der beklagten AOK selbst versichert gewesen seien, ohne daß diese die entsprechende Meldung nach § 317 Abs. 6 RVO an die LVA erstattet und ihre eigenen Beitragsunterlagen berichtigt habe. Wenn dies richtig ist, so könnte sich die beklagte AOK insoweit nicht auf Verjährung berufen. Das RVA (vgl. GE 4786, AN 1934, 320) hat angenommen, daß die kurzfristige Verjährung des § 29 Abs. 2 RVO dann nicht gilt, wenn ein Versicherungsträger Beiträge entgegengenommen hat, von denen er wußte oder wissen mußte, daß ein Rechtsanspruch darauf nicht besteht, und wenn diese Beiträge in Unkenntnis der Sachlage gezahlt worden sind. Von dieser Rechtsprechung ist das Bayerische LSG (Urteil vom 12. März 1958, Breithaupt 1958, 73) abgewichen. Es hat im Zusammenhang mit der Rückerstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (hier gilt § 29 Abs. 2 RVO entsprechend, vgl. § 169 Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - n. F.) ausgeführt, daß nur ein arglistiges Handeln die Verjährung ausschließen könne, nicht aber ein schuldhaftes fahrlässiges Handeln. Es hat hier vor allem auf die Vorschrift des § 29 Abs. 1 RVO Bezug genommen, in welcher nur die "absichtliche Hinterziehung" beachtlich ist. Dagegen hat der 7. Senat des Bundessozialgerichts in der dieses Urteil betreffenden Revisionsentscheidung (Soziale Sicherheit 1960, 154) angedeutet, daß nicht nur das arglistige, sondern auch das schuldhafte Verhalten die Erhebung der Verjährungseinrede ausschließe (vgl. dazu Fangmeyer-Üeberall, AVAVG, 5. Aufl., Stand 1. Mai 1965, § 169 Anm. 2 c S. 1205).
In der Tat genügt schon das bloße Wissenmüssen der Krankenkasse, daß sie keinen Rechtsanspruch auf die von ihr einbehaltenen Beiträge zur Krankenversicherung hat, um ihre Berufung auf § 29 Abs. 2 RVO als mißbräuchlich erscheinen zu lassen. Wenn § 29 Abs. 1 RVO die Verjährung des "Anspruchs auf Rückstände" nur ausschließt, soweit sie absichtlich hinterzogen worden sind, so soll die Wohltat der Verjährung zum Schutze der Beitragsschuldner nicht schon durch jede Form des Verschuldens ausgeschlossen werden. Insoweit will das Gesetz einen gelinderen Maßstab angewendet wissen. Bei Ansprüchen gegen den Versicherungsträger nach § 29 Abs. 2 RVO ist jedoch ein schärferer Maßstab angebracht. Demnach muß aus der unterschiedlichen Regelung des Abs. 1 gegenüber dem Abs. 2 des § 29 RVO der Umkehrschluß gezogen werden, daß in diesem Fall auch fahrlässiges Verhalten des verpflichteten Versicherungsträgers die Verjährungseinrede ausschließen kann. Das muß umso mehr gelten, wenn die Verjährungsfrist - wie im Falle des § 29 Abs. 2 RVO - außergewöhnlich kurz und das Versehen der Krankenkasse offensichtlich ist, die mit leichter Mühe den Wegfall der Rentnerkrankenversicherung der bei ihr selbst auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses versicherten Waisen hätte feststellen können, um dementsprechend ihre Beitragsunterlagen zu berichtigen und die in § 317 Abs. 6 Satz 1 RVO vorgeschriebene Meldung an den Rentenversicherungsträger zu erstatten.
Demnach könnte die Verjährungseinrede der beklagten AOK insoweit nicht durchgreifen, als die Waisenrentner, für die sie zu Unrecht Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner einbehalten hat, bei ihr selbst auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses versichert waren. Mangels der hierfür erforderlichen Feststellungen mußte der Rechtsstreit nach Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen