Leitsatz (amtlich)
1. § 182c S 3 RVO ist eine echte Ermessensvorschrift, in der der unbestimmte Rechtsbegriff "in besonderen Härtefällen", der einen Beurteilungsspielraum gewährt, mit einer Kann-Bestimmung zusammentrifft, die zum Ausdruck bringt, daß die Behörde die gesetzliche Rechtsfolge aussprechen darf, aber nicht muß.
2. Ein "besonderer Härtefall" iS des § 182c S 3 RVO liegt nicht schon deshalb vor, weil der Versicherte hilfsbedürftig iS des BSHG ist.
3. Ist der Versicherte als hilfsbedürftig iS der §§ 11, 12 BSHG iVm der gemäß § 22 BSHG ergangenen Regelsatzverordnung anzusehen, dann übt der Versicherungsträger das ihm nach § 182c S 3 RVO eingeräumte Ermessen nur dann rechtsfehlerfrei aus, wenn er diese Hilfsbedürftigkeit als besonderen Umstand in Betracht zieht.
Normenkette
RVO § 182c S 3 Fassung: 1977-06-27; BSHG §§ 11-12, 22
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 23.10.1980; Aktenzeichen L 1 Kr 29/79) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 12.06.1979; Aktenzeichen S 7 Kr 68/78) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte (als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung) verpflichtet ist, dem Kläger - Sozialhilfeträger - die Kosten zu ersetzen, die dieser als Teilkosten einer zahnärztlichen Behandlung der Beigeladenen übernommen hat.
Die Beigeladene, die bei der Beklagten versichert ist, hat seit März 1977 vom Kläger Sozialhilfe bezogen; ihr Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit betrug im September 1977 1.024,-- DM; außerdem erhielt sie für ihre 1968 und 1971 geborenen Kinder Unterhalt von 200,-- DM und Kindergeld von 120,-- DM monatlich. Von den Kosten einer (im Oktober und November 1977 durchgeführten) Zahnersatzreparatur hat die Beklagte - entsprechend ihrer Satzung - gemäß § 182c Satz 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) 80 %, nämlich 552,11 DM, übernommen. Eine Übernahme des Restbetrages hat sie mit der Begründung abgelehnt, daß bei den Einkommensverhältnissen der Versicherten und ihrem relativ geringen Eigenanteil ein besonderer Härtefall iS des § 182c Satz 3 RVO ("Die Krankenkasse kann in besonderen Härtefällen den vom Versicherten zu zahlenden Restbetrag ganz oder teilweise übernehmen".) nicht vorliegt. Nachdem der Kläger den Restbetrag in Höhe von 138,03 DM im Wege der Sozialhilfe übernommen hat, verlangt er von der Beklagten den Ersatz seiner Aufwendungen. Die Beklagte hat eine Erstattung abgelehnt. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Die gegenüber der hilfsbedürftigen Versicherten getroffene Ermessensentscheidung der Beklagten sei nicht fehlerhaft gewesen. Ihrer Verpflichtung, die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, sei die Beklagte nachgekommen. Die Tatsache, daß die Versicherte im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hilfsbedürftig gewesen sei, führe nicht zwangsläufig dazu, daß sich der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert habe. Eine Verpflichtung der Krankenkasse, im Falle der Hilfsbedürftigkeit im Sinne des BSHG die vollen Zahnersatzkosten zu tragen, ergebe sich auch nicht aus dem in § 2 BSHG normierten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe. Eine solche Verpflichtung würde den der Krankenkasse gesetzten Ermessensspielraum entscheidend einengen und für eine Berücksichtigung der eigenen Haushaltslage keinen Raum mehr lassen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung des § 182c Satz 3 RVO und des § 2 BSHG mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) nicht beachtet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 23. Oktober 1980 - L 1 Kr
29/79 - und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom
12. Juni 1979 - S 7 Kr 68/78 - aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, an den Kläger 138,03 DM zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Ersatzanspruches des Klägers nach § 1531 RVO ist hier nur insoweit zweifelhaft, als in Frage steht, ob die Beigeladene für eine Zeit unterstützt wurde, für die sie einen Anspruch nach der RVO gegen die Beklagte hatte.
Nach § 182c Satz 1, 2 RVO in der seit dem 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S. 1069) bestimmt die Satzung die Höhe der Zuschüsse zu den Kosten für Zahnersatz und Zahnkronen; die Zuschüsse dürfen 80 Prozent der Kosten nicht übersteigen. Die Beigeladene hat hier den Höchstzuschuß von 80 Prozent erhalten. Zwar kann die Krankenkasse den vom Versicherten zu zahlenden Restbetrag in besonderen Härtefällen ganz oder teilweise übernehmen (§ 182c Satz 3 RVO). Obwohl der ablehnende Bescheid der Beklagten fehlerhaft war, ist der Beigeladenen aber kein Anspruch erwachsen, da nicht alle Möglichkeiten für eine rechtsfehlerfreie Ablehnung ausgeschlossen werden können.
In der Vorschrift des § 182c Satz 3 RVO trifft der unbestimmte Rechtsbegriff "in besonderen Härtefällen" mit dem in dem Wort "kann" zum Ausdruck kommenden Ermessen zusammen, den verbleibenden Restbetrag ganz oder teilweise zu übernehmen. Die rechtliche Möglichkeit der Kann-Entscheidung hat daher das Vorliegen eines besonderen Härtefalls zur Voraussetzung. Der Zusammenhang ist derart, daß nicht schon deshalb, weil ein besonderer Härtefall vorliegt, der Restbetrag übernommen werden müßte. Eine solche Verpflichtung iS eines rechtlichen Müssens ist vom Gesetzgeber hier offensichtlich nicht gewollt. Mit dem "können" wird vielmehr hervorgehoben, daß es sich bei den im gesetzlichen Tatbestand genannten Voraussetzungen zwar um notwendige Bedingungen der Anspruchsfolge handelt, der Versicherungsträger bei ihrem Vorliegen aber gleichwohl die Leistung nicht erbringen muß, sondern die Rechtsfolge auch verweigern darf, also einen Ermessensspielraum hat.
Indem die Leistungsträger, die ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben (§ 39 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - SGB I), sind freilich Fälle denkbar, in denen der Inhalt des (als Anspruchsvoraussetzung auftretenden) unbestimmten Rechtsbegriffs mit dem Inhalt pflichtgemäßer Ermessensausübung praktisch zusammenfällt. Über einen solchen Fall hat der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte (GmS) in seinem Beschluß GmS - OGB 3/70 - vom 19. Oktober 1971 entschieden. Er hat die Ansicht vertreten, daß es sich bei der Vorschrift des §131 Abs 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) aF (- vgl § 227 Abs 1 AO nF -), nach der dann, wenn eine Steuereinziehung nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre, eine Steuerschuld erlassen werden kann, um eine "einheitliche Ermessensvorschrift" handele, da jedes Verwaltungsermessen in der Regel an der Grenze der Unbilligkeit ende, so daß der Begriff "unbillig" hier (ganz) in den Ermessensbereich hineinrage und damit zugleich Inhalt und Grenzen der Ermessensausübung bestimme (NJW 1972, 1411 ff, mit kritischer Anmerkung von Kloepfer). Der GmS geht somit von einer Beurteilungseinheit zwischen dem Begriff "unbillig" und dem "Können" der Behörde aus, wobei er der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumt. Daß letzteres nicht, wie in dem Beschluß anklingt, eine Folge davon sein kann, daß der Begriff "unbillig" nicht als unbestimmter Rechtsbegriff angesehen werde, hat der GmS anscheinend selbst gesehen (vgl Ziffer II 1., letzter Absatz des Beschlusses). Der unbestimmte Begriff "unbillig" bleibt vielmehr auch dann ein unbestimmter Rechtsbegriff, wenn er ausnahmsweise in dem Ermessensspielraum derart aufgeht, daß beide Bereiche praktisch identisch sind. Auf diesen Ausnahmecharakter hat der GmS offenbar hinweisen wollen, wenn er ausführt, eine Besonderheit der Vorschrift (des § 131 Abs 1 Satz 1 AO aF) liege darin, daß sie mit dem Wort "unbillig" den Begriff der Billigkeit anspreche, dem gerade im Bereich der Ermessensentscheidung eine überragende Bedeutung zukomme. Damit wird aber auch deutlich, daß dieser gesamte Beurteilungsspielraum mit der Auslegung des Begriffs "unbillig" bereits ausgeschöpft ist und der Verwaltung darüber hinaus keine Entscheidungsfreiheit zusteht. (Aus diesem Grunde erscheint die Ansicht von H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigungen im Verwaltungsrecht, 1979, S. 186, daß der GmS im Ergebnis den § 131 AO aF als zwingende Vorschrift und den Begriff "unbillig" als unbestimmten Rechtsbegriff mit verwaltungsbehördlichem Beurteilungsspielraum behandelt habe, als durchaus zutreffend).
Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich bei der Vorschrift des § 182c Satz 3 RVO aber nicht. Danach kann die Krankenkasse in besonderen Härtefällen den vom Versicherten zu zahlenden Restbetrag ganz oder teilweise übernehmen. Der unbestimmte Rechtsbegriff "in besonderen Härtefällen" geht nicht derart in dem Ermessensspielraum auf, daß beide Bereiche praktisch identisch wären. Er stellt lediglich auf die wirtschaftliche Situation des Versicherten ab und ist dann gegeben, wenn dieser sich in einer extremen, wirtschaftlich bedrängten Lage befindet und eine Zahlung des Restbetrages eine erhebliche Belastung für ihn bringen würde (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, Anm 3 zu § 182c RVO). Damit bleibt dem Versicherungsträger im Einzelfall aber ein echter Ermessensspielraum. So wäre es denkbar, daß er eine Ermessensleistung trotz Vorliegens eines "besonderen Härtefalles" - in rechtlich vertretbarer Weise - unter Hinweis auf seine eigene angespannte Haushaltslage ablehnt.
Die in dem Wort "kann" zum Ausdruck kommende rechtliche Möglichkeit, die genannte Leistung zwar erbringen zu dürfen, aber nicht erbringen zu müssen, enthält - für sich gesehen - noch keinen die Anspruchsbedingungen aufzeigenden Inhalt. Dieser ergibt sich erst aus der Gesamtheit des (sonstigen) gesetzlichen und übergesetzlichen Tatbestandes. Jede Ermessensentscheidung, die auf der Verkennung auch nur einer dieser Bedingungen beruht, ist rechtlich fehlerhaft. Daher ist das der Beklagten eingeräumte Ermessen (auch) durch den Begriff des "besonderen Härtefalles" sowie durch den Zweck der sozialen Krankenversicherung in seinen Grenzen eingeschränkt. In diesem Sinne überschreitet der Versicherungsträger sein Ermessen (schon) dann, wenn er den unbestimmten Rechtsbegriff des "besonderen Härtefalles" verkennt, während eine Ermessensüberschreitung im engeren Sinne dann vorliegt, wenn er jenseits der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale Erwägungen anstellt, die selbst von dem ungeschriebenen Zweck der Vorschrift nicht mehr getragen werden und daher als sachfremd angesehen werden müssen. Wo dabei die Grenzen zwischen dem Inhalt des unbestimmten Rechtsbegriffs und dem noch nicht sachfremden, aber doch über dem eigentlichen Tatbestandsinhalt hinausgehenden Ermessensinhalt liegen, kann generell - unabhängig vom Einzelfall - nicht bestimmt werden. Eine solche Bestimmung im Einzelfall ist indessen dann nicht nötig, wenn, wie hier, die Verkennung des Ermessensinhalts deutlich auf dem Verkennen des unbestimmten Rechtsbegriffs beruht. Der dem unbestimmten Rechtsbegriff (zu dem der Gesetzgeber deshalb greift, weil er die denkbaren Einzelfälle nicht begrifflich generalisieren kann) innewohnende Beurteilungsspielraum bedeutet aber, daß die Gerichte nur zu prüfen brauchen, ob die vorgenommene Subsumtion des Einzelfalles unter dem unbestimmten Rechtsbegriff noch im Rahmen des rechtlich vertretbaren liegt oder nicht.
Die Beklagte hat die Ablehnung eines Zuschusses damit begründet, daß bei den Einkommensverhältnissen der Versicherten, wie sie vom LSG bindend festgestellt sind, und dem relativ geringen Eigenanteil von 138,03 DM ein "besonderer Härtefall" nicht vorliege. Damit ist die Beklagte zwar ihrer (sich unmittelbar aus diesem Begriff ergebenden und auch in § 33 SGB I geregelten) Verpflichtung, die persönlichen Einkommensverhältnisse der Versicherten zu prüfen, nachgekommen. Sie ist dabei weder von falschen Tatsachen ausgegangen noch hat sie die ihrer Entscheidung zugrundeliegenden Einkommenstatsachen in die Begründung aufzunehmen unterlassen (vgl § 39 Abs 1 S. 2 und 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - § 39 Abs 1 SGB X). Dies reichte jedoch nicht aus, ihre Entscheidung rechtsfehlerfrei zu begründen. Ihre Bewertung, daß hier kein "besonderer Härtefall" vorliege, allein auf die Gegenüberstellung zwischen dem Einkommen und dem zu zahlenden Restbetrag zu stützen, wäre allenfalls dann unbedenklich gewesen, wenn das Einkommen der Versicherten wesentlich über den Regelsätzen der Sozialhilfe gelegen hätte. Hier aber hat die Versicherte wegen der geringen Höhe ihres Einkommens Sozialhilfe - in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt - (von monatlich 86,-- DM) bezogen und war daher als hilfsbedürftig im Sinne des BSHG anzusehen. Dies konnte die Beklagte nicht außer Betracht lassen, ohne gegen den gesetzlichen Inhalt der Ermessensermächtigung zu verstoßen.
Ist ein Versicherter, wie hier, als hilfsbedürftig iS der §§ 11, 12 BSHG iVm der gemäß § 22 BSHG ergangenen Regelsatzverordnung anzusehen, übt der Versicherungsträger das ihm nach § 182c Satz 3 RVO eingeräumte Ermessen nur dann rechtsfehlerfrei aus, wenn er diese Hilfsbedürftigkeit als besonderen Umstand bei der Abwägung in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung ergibt sich schon daraus, daß der (bei der Ausübung des Ermessens) nach § 33 SGB I, aber auch bei der Prüfung des Härtefalles zu berücksichtigende "Bedarf" der Versicherten, nicht festgestellt werden kann, ohne die vom Gesetz- und Verordnungsgeber für die Sozialhilfe-Bedürftigkeit gesetzten allgemeinen Maßstäbe zu erwägen. Hierzu wäre die Beklagte aber auch aus einem anderen Grund verpflichtet gewesen. Nach § 2 Abs 2 BSHG werden die Verpflichtungen anderer Träger von Sozialleistungen durch die Vorschriften des BSHG nicht berührt, und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem BSHG entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Damit ist es der Beklagten verwehrt, eine Ermessensleistung mit der Begründung abzulehnen, daß ein Anspruch auf entsprechende Leistungen der Sozialhilfe bestehe. Ein solches Begründungsverbot wäre aber ohne die Verpflichtung, sich mit dem sozialhilferechtlichen Bedarf des Versicherten tatsächlich auseinanderzusetzen, nicht durchsetzbar. Die Beklagte war daher nicht nur nach § 33 SGB I, sondern auch nach dem sich aus § 2 Abs 2 BSHG ergebenden Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe verpflichtet, bei der Ausübung des ihr nach § 182c Satz 3 RVO zustehenden Ermessens die sozialhilferechtliche Hilfsbedürftigkeit des Versicherten mit in ihre Erwägungen einzubeziehen. Läßt der ablehnende Verwaltungsakt solche Betrachtungen nicht erkennen, ist er als rechtsfehlerhaft anzusehen. Anders wäre es zwar dann, wenn der von der Versicherten zu tragende Eigenbetrag ganz minimal gewesen wäre. Bei einem Betrag von rund 138,-- DM ist das aber nicht der Fall.
Auf der anderen Seite läßt sich jedoch nicht feststellen, daß die Beklagte bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung die Leistung (ganz oder teilweise) hätte gewähren müssen. Denn ein besonderer Härtefall iS des § 182c Satz 3 RVO liegt, wie das LSG mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, nicht unbedingt schon deshalb vor, weil der Versicherte hilfsbedürftig iS des BSHG ist. Da sich die Einkommensverhältnisse der Versicherten an der oberen Grenze des Bedarfsrahmens bewegten, so daß sie als Hilfe zum Lebensunterhalt lediglich 86,-- DM bezogen hat, war ihre wirtschaftliche Lage aber auch nicht derart extrem angespannt, daß - im Rahmen des hier gegebenen Beurteilungsspielraums - keine andere Feststellung als die, daß ein "besonderer Härtefall" vorliege, denkbar wäre. Und selbst beim Vorliegen eines besonderen Härtefalles ist die Krankenkasse, worauf oben bereits hingewiesen wurde, jedenfalls dann, wenn er nicht zu den gravierendsten Fällen gehört, nicht notwendig zur Leistungsgewährung gezwungen, da sie noch andere Erwägungen anstellen kann als bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs. Dem steht das Urteil des Senats vom 21. Oktober 1980 - 3 RK 21/80 - (BSGE 50, 250, 252 = SozR 2200 § 182a RVO Nr 2) nicht entgegen. Dort wurde lediglich gesagt, daß beim Vorliegen eines "besonderen Härtefalles" iS des § 182a Satz 2 RVO (- Befreiung von der Zahlung der Arzneikostengebühr "in besonderen Härtefällen, vor allem, wenn laufend Arznei-, Verbands- und Heilmittel benötigt werden" -) wie beim laufenden Bezug von Arzneimitteln, schon "besondere Umstände vorliegen (müßten), wenn die Krankenkasse die Befreiung verneinen will" und daß die Krankenkasse trotz Vorliegens eines "besonderen Härtefalls" unter normalen Umständen die Befreiung nicht ablehnen dürfe. Und auch in dem Urteil des Senats vom 28. März 1979, 3 RK 29/78 (SozR 2200 § 182a RVO Nr 1, S. 4) heißt es - dementsprechend - nur, daß die Krankenkasse besondere Umstände dartun müsse, wenn sie beim laufenden Bezug von Arzneimitteln die Befreiung verneinen wolle.
Ein Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 1531 RVO besteht zwar nicht nur wegen solcher Leistungen, auf die dem Versicherten ein Rechtsanspruch zusteht. Er kann auch dann vorliegen, wenn es sich um eine bloße Ermessensleistung - wie bei § 182c Satz 3 RVO - handelt. Soweit die Krankenkasse eine solche Leistung nicht ohne pflichtwidrige Ermessensausübung verweigern darf, ist sie gegenüber dem Versicherten zur Leistung verpflichtet, so daß diesem auch in solchen Fällen ein "Anspruch" auf die Leistung iS des § 1531 RVO zusteht (BSG 9, 112, 123; 13, 134, 139; 14, 261, 264; 40, 20, 21; BSG, s. auch Urteile des Senats vom 18. Februar 1981, SozR 2200 § 182c RVO Nr 3, 3 RK 2/80 und Urteil des 5. Senats vom 25. Februar 1981, 5a/5 RKn 16/79 SozR 2200 § 182c RVO Nr 4). Da aber, wie oben ausgeführt, bei dem Vorgehen der Beklagten nicht alle Möglichkeiten einer ermessensfehlerfreien Ablehnung auszuscheiden haben, es im vorliegenden Fall vielmehr durchaus möglich erscheint, daß die Beklagte ihre Ablehnung in fehlerfreier Weise begründet, stand der Versicherten kein Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils der Zahnersatzkosten zu. Damit fehlt es aber auch an den Voraussetzungen des Ersatzanspruches nach § 1531 RVO.
Ein besonderes Feststellungsverfahren nach § 1538 RVO, durch das die Beklagte zu einer neuen Entscheidung gezwungen sein könnte, hat der Kläger nicht angestrengt.
Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen