Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag ist auch dann "wegen Versäumung der Ausschlußfrist abgelehnt" worden (SGG § 145 Nr 1), wenn zwar der Versicherungsträger die Ablehnung sowohl auf die Nichterweislichkeit eines Arbeitsunfalls als auch auf die Versäumung der Ausschlußfrist gestützt, das SG aber die Klage ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Fristversäumnis abgewiesen hat.
2. Unter der Ausschlußfrist im Sinne des SGG § 145 Nr 1 ist nicht nur die für Verletzte, sondern auch die für Hinterbliebene gesetzte Frist zur Anmeldung der Entschädigungsansprüche zu verstehen (RVO §§ 1546, 1548).
3. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß die nach SGG § 145 Nr 1 zur Zulässigkeit der Berufung führende Geltendmachung von Ausnahmefällen des RVO § 1547 eine schlüssige Behauptung voraussetzt (SozR Nr 6 zu § 145 SGG).
4. Zur Auslegung des Begriffs der außerhalb des Willens liegenden Verhältnisse im Sinne des RVO § 1547 abs 1 Nr 2.
Normenkette
SGG § 145 Nr. 1; RVO § 1546 Fassung: 1942-08-20, § 1547 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1924-12-15, § 1548 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14 . Juni 1960 wird zurückgewiesen .
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen .
Gründe
I
Der im Jahre 1873 geborene Ehemann der Klägerin war bei den R ... Hüttenwerken in L... als Obermeister beschäftigt . Daut Beschäftigungsvertrag vom 4 . Mai 1906 hatte er ein Monatsgehalt von 200 , - Mark , eine monatliche Tantieme von 50 , - Mark und eine Versandprämie für gewisse Stabeisen in Höhe von 2 Pfg . pro Stab . Am 5 . April 1916 stieß ihm im Betrieb ein Unfall zu; ein Eisenstab drang ihm durch den rechten Oberschenkel . Fünf Tage später starb er an den Folgen des Unfalls , nachdem eine Sepsis eingetreten war . Die Kosten der Krankenhausbehandlung trug die Betriebskrankenkasse der R... Hüttenwerke . Der Unfall wurde der zuständigen Südwestdeutschen Eisen-Berufsgenossenschaft von keiner Stelle gemeldet . Die Hinterbliebenen des Verstorbenen - seine Witwe und vier minderjährige Kinder - erhielten auch keine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung , wohl aber aus einer privaten Unfallversicherung , die der Betrieb für den Verstorbenen abgeschlossen hatte .
Im Jahre 1956 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Hinterbliebenenrente . Sie führte aus , sie habe aus Unkenntnis über ihre Anspruchsberechtigung bisher keine Ansprüche gestellt , sie sei erst jetzt von befreundeter Seite darauf aufmerksam gemacht worden , daß sie Hinterbliebenenrente verlangen könne .
Durch Bescheid vom 28 . Februar 1957 lehnte die Beklagte den Entschädigungsanspruch mit folgender Begründung ab: Es sei nicht mehr feststellbar , ob der Ehemann der Klägerin im Jahre 1916 zum Kreis der versicherten Personen gehört habe . Die Hüttenwerke seien zwar ein versicherter Betrieb gewesen . Betriebsbeamte und - ihnen gleichgestellt - die Werkmeister und Techniker seien aber nur versichert gewesen , wenn ihr Jahresarbeitsverdienst (JAV) 5 . 000 , - Mark nicht überstiegen habe (§§ 544 , 545 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF) . Von der Möglichkeit , die Versicherungspflicht auf Betriebsbeamte mit einem höheren JAV zu erstrecken , sei in der Satzung der Südwestdeutschen Eisen-Berufsgenossenschaft kein Gebrauch gemacht worden . Nach Lohnbescheinigungen aus der Zeit von November 1915 bis April 1916 habe H . in dieser Zeit 400 , - Mark monatlich verdient . Es sei jedoch anzunehmen , daß sein JAV nicht nur 12 x 400 = 4800 , - Mark betragen habe , sondern höher als 5000 , - Mark gewesen sei. Nur so sei zu erklären , daß weder der Betrieb noch die Betriebskrankenkasse den Unfall gemeldet hätten . Dafür spreche auch , daß der Unternehmer eine Privatunfallversicherung für H . abgeschlossen habe , ferner daß die Klägerin sich nicht um eine Entschädigung bemüht habe , obwohl ihr Bruder damals im Unfallbetrieb als Lohnbuchhalter tätig und deshalb mit den unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften vertraut gewesen sei . Somit habe ein entschädigungspflichtiger Betriebsunfall aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vorgelegen . Da die Klägerin erst nach 40 Jahren Entschädigungsansprüche angemeldet habe und eine Klärung der Angelegenheit nicht mehr möglich sei , sehe sich die Beklagte nicht in der Lage , Entschädigungsansprüche anzuerkennen . Der Anspruch werde daher auch auf Grund des § 1548 RVO abgelehnt . § 1547 Abs . 1 Nr . 2 RVO könne die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen , weil sie über die Entwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung nach Ende des ersten Weltkrieges unterrichtet gewesen sei. - Der Bescheid schließt mit dem Satz:
"Die Entschädigungsansprüche der Witwe auf Hinterbliebenenrente und Sterbegeld gelangen daher zur Ablehnung ,
1 . weil ihr Ehemann offenbar nicht zu den versicherten Personen gehörte und somit ein Betriebsunfall im Sinne des Gesetzes nicht vorlag ,
2 . der Anspruch wegen Fristversäumnis ausgeschlossen ist . "
Die hiergegen gerichtete Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 4 . November 1958 nach Beweiserhebung mit folgender Begründung abgewiesen worden: Der Anspruch der Klägerin sei ausgeschlossen , weil die Anmeldefrist des § 1548 RVO nicht gewahrt sei . Die Klägerin sei auch nicht durch außerhalb ihres Willens liegende Verhältnisse gehindert worden , den Anspruch rechtzeitig anzumelden . In der Berufung auf den Fristablauf sei kein Ermessensmißbrauch zu sehen , weil die Zugehörigkeit des Ehemannes der Klägerin zum versicherten Personenkreis nicht zweifelsfrei sei; es spreche manches für , weit mehr aber gegen seine Zugehörigkeit zu diesem Kreis .
Die Berufung der Klägerin ist vom Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 14 . Juni 1960 als unzulässig verworfen worden . Das LSG hat ausgeführt: § 145 Nr . 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verweise zwar ausdrücklich nur auf § 1546 RVO , jedoch könne daraus nicht geschlossen werden , daß für die Versäumung der Ausschlußfrist nach § 1548 RVO eine andere Regelung gelte. Dem Wortlaut des Gesetzes sowie seinem Sinn und Zweck sei zu entnehmen , daß die Berufung nicht zulässig sein solle , wenn ein Antrag wegen Versäumung der Ausschlußfrist abgelehnt worden ist .§§ 1546 und 1548 RVO rechtfertigten nicht eine verfahrensrechtlich verschiedene Regelung; die Ansprüche eines Verletzten seien in ihrer Bedeutung ebenso erheblich wie die Ansprüche von Hinterbliebenen. Auch der Einwand der Klägerin , § 145 Nr . 1 SGG sei nicht anwendbar , weil die Beklagte in ihrem Bescheid den Entschädigungsantrag in erster Linie aus sachlichen Gründen abgelehnt habe , treffe nicht zu. Dieses Vorbringen sei schon deshalb unschlüssig , weil die Prüfung der Fristwahrung logisch an die erste Stelle gehöre . Da die Statthaftigkeit der Berufung in Frage stehe , sei nur entscheidend , ob der Antrag der Klägerin wegen Versäumung der Ausschlußfrist durch das SG abgelehnt worden sei; denn selbst wenn der Bescheid den Entschädigungsanspruch aus anderen Gründen versage und die Beklagte erst im Verfahren vor dem SG die Versäumung der Ausschlußfrist geltend gemacht hätte , betreffe die Berufung einen Antrag , der wegen Versäumung der Ausschlußfrist abgelehnt werde , wenn das Urteil des SG auf die Versäumung der Ausschlußfrist gestützt sei . Die Zulässigkeit der Berufung lasse sich auch nicht aus § 145 Nr . 1 , letzter Halbsatz , SGG herleiten . Die Geltendmachung der Ausnahmefälle des § 1547 RVO setze voraus , daß der Ausnahmetatbestand schlüssig behauptet sei. Die Klägerin habe das Vorliegen eines Ausnahmefalles nicht schlüssig vorgetragen; denn die Unkenntnis der Rechtsvorschriften und der sich aus ihnen ergebenden Ansprüche erfülle nicht die Voraussetzung , daß die Klägerin an der Anmeldung ihrer Ansprüche durch außerhalb ihres Willens liegende Verhältnisse gehindert worden sei . Grundsätzlich sei daran festzuhalten , daß eine Vermutung dafür spreche , daß ordnungsgemäß veröffentlichte Rechtsvorschriften jeden Staatsbürger bekannt seien und daß diese Vermutung nur in besonderen Fällen nicht durchgreife . Da von der Klägerin keine Gründe vorgetragen worden seien , welche die Annahme eines besonderen Falles für die Nichtanmeldung ihrer Ansprüche zu rechtfertigen geeignet seien , könne sie sich auf ihre Rechtsunkenntnis nicht berufen . Wegen der Frage , ob § 145 Nr . 1 SGG sich auch auf die Versäumung der Ausschlußfrist des § 1548 RVO erstreckt , hat das LSG die Revision zugelassen .
Das Urteil ist der Klägerin am 2 . September 1960 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 24 . September 1960 Revision eingelegt und diese mit einem am 29 . Oktober 1960 eingegangenen Schriftsatz begründet . Sie führt aus: Das LSG habe § 145 Nr . 1 SGG verletzt . Ein Fall des Berufungsausschlusses nach dieser Vorschrift liege nicht vor . Im Berufungsverfahren sei der Streit nicht um die Frage gegangen , ob die Anmeldefrist versäumt ist oder nicht , sondern darum , ob ein entschädigungspflichtiger Betriebsunfall vorliegt , ob die Beklagte auf den Einwand des Fristablaufs verzichtet hat und ob die Berufung auf den Fristablauf einen Ermessensfehler darstellt . § 145 Nr . 1 SGG sei zudem auf Fälle des § 1548 RVO nicht anwendbar , anderenfalls wäre der Klammerzusatz "(§ 1546 RVO)" unverständlich . Die Beschränkung des Berufungsausschlusses auf § 1546 RVO sei auch sinnvoll; Fälle des § 1548 RVO seien so bedeutsam , daß es nicht gerechtfertigt wäre , sie einer Nachprüfung im Berufungsverfahren zu entziehen . Die Auffassung des LSG , daß Ausnahmetatbestände des § 1547 RVO schlüssig behauptet werden müßten , stehe im Widerspruch zum Wortlaut des § 145 Nr . 1 SGG und verstoße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz . Demgemäß habe das Bundessozialgericht (BSG) auch zu § 67 Abs . 2 Satz 2 SGG entschieden , daß keine Pflicht zum schlüssigen Vortrag der Wiedereinsetzungsgründe bestehe (BSG 6 , 1 , 4) . Ferner habe das LSG zu Unrecht verneint , daß die Klägerin durch "außerhalb ihres Willens liegende Verhältnisse" an der Anmeldung verhindert worden sei . Unkenntnis der Rechtsvorschriften liege "außerhalb des Willens" . Der gegenteiligen Meinung des Reichsversicherungsamts - RVA - (EuM 24 , 12) könne nicht gefolgt werden . Das Gesetz spreche nicht von "höherer Gewalt" , "Naturereignissen" oder "unabwendbaren Zufällen" , wie zB in § 131 RVO . Der andere Wortlaut des § 1547 Abs . 1 Nr . 2 RVO müsse auch einen anderen Sinn haben . Es komme nicht auf objektive Gesichtspunkte an , sondern auf den Willen des Berechtigten . Wer von Ansprüchen nichts wisse , betätige seinen Willen nicht . Dementsprechend habe auch das Reichsgericht (RG) zu § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgeführt , ein Rechtssatz des Inhalts , daß Gesetzesunkenntnis stets schade , könne in dieser Allgemeinheit nicht anerkannt werden (RGZ 142 , 348) . Aufschlußreich sei auch die Rechtsprechung zum Irrtum über Normen des Strafrechts . Erst Mitte des 19 . Jahrhunderts sei die Auffassung aufgekommen , daß der Irrtum auf strafrechtlichem Gebiet unbeachtlich sei . Sie werde aber vom Bundesgerichtshof (BGH) nicht mehr anerkannt (BGHSt 2 , 194) . Das LSG habe auch zu Unrecht angenommen , die Klägerin habe keine besonderen Gründe vorgetragen , welche die Nichtanmeldung ihrer Ansprüche rechtfertigen könnten . Als besonderer Grund müsse vor allem das Vorbringen der Klägerin gelten , ihr Ehemann habe bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges ein höheres Gehalt als 5000 , - Mark bezogen und sei deswegen nicht versicherungspflichtig gewesen . Deshalb habe sie von Ansprüchen gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nichts gewußt . Wegen der Lage der R. Hütte im Festungsgebiet habe sie sich auch über die Rechtslage nicht unterrichten können . Schließlich sei fraglich , ob die Anspruchsberechtigten zur Anmeldung auch dann verpflichtet seien , wenn der Unfall der Anzeigepflicht durch den Unternehmer unterliege (§§ 1552 ff . RVO aF) . Jedenfalls aber liege in einem solchen Falle in der Berufung auf die Fristversäumnis ein Ermessensfehler.
Die Klägerin beantragt ,
die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 28 . Februar 1957 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen , der Klägerin aus Anlaß des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes die gesetzliche Hinterbliebenenrente vom 1 . September 1952 an zu gewähren ,
hilfsweise ,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen .
Die Beklagte beantragt ,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen des angefochtenen Urteils bei.
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs . 1 Nr . 1 SGG) , auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden , sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Die Zulässigkeit der im Februar 1959 eingelegten Berufung ist nach § 145 Nr . 1 SGG in der Fassung des am 1. Juli 1958 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 25 . Juni 1958 (BGBl I , 409) zu beurteilen. Danach ist in Angelegenheiten der Unfallversicherung die Berufung nicht zulässig , soweit sie Anträge betrifft , die wegen Versäumung der Ausschlußfrist (§ 1546 RVO) abgelehnt wurden , es sei denn , daß die Ausnahmefälle des § 1547 RVO geltend gemacht werden . Die Berufung der Klägerin betraf , wie das LSG zutreffend angenommen hat , einen Antrag , der wegen Versäumung der Ausschlußfrist abgelehnt worden ist. Dem steht nicht entgegen , daß die Beklagte ihren ablehnenden Bescheid sowohl mit der Nichtzugehörigkeit des Ehemannes der Klägerin zum versicherten Personenkreis als auch mit der Fristversäumnis begründet hat . Mit der Berufung wurde das Urteil des SG angegriffen; dieses aber hatte der Klage wegen Versäumung der Ausschlußfrist den Erfolg versagt . Infolgedessen war in der Berufungsinstanz nachzuprüfen , ob diese Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts zutraf . Das LSG hat mit Recht darauf hingewiesen , daß , sofern die gegenteilige Auffassung der Klägerin zuträfe , die Berufung statthaft wäre , wenn der Versicherungsträger nicht bereits im Bescheid die rechtlichen Folgerungen aus dem Fristablauf zieht; sondern sich erst im Verfahren vor dem SG hierauf beruft und das Gericht die Frist als abgelaufen ansieht . Ein solches Ergebnis entspräche nicht dem Grundgedanken des Gesetzes , den Instanzenzug im Interesse der Entlastung der Gerichte in denjenigen Sachen zu beschränken , in denen über verhältnismäßig einfach zu beantwortende Rechtsfragen - wie bei der Versäumung der Anmeldefrist - zu entscheiden ist . Da das SG das Rentenbegehren der Klägerin schon wegen Fristversäumnis abgelehnt hat , betraf auch die Berufung einen wegen Versäumung der Ausschlußfrist abgelehnten Antrag .
Das LSG hat auch zutreffend angenommen , daß nicht nur die dem Verletzten selbst gesetzte Anmeldefrist , sondern auch die für die Anmeldung von Hinterbliebenenansprüchen bestehende Frist von § 145 Nr . 1 SGG erfaßt wird . Dem steht die Anführung des Klammerzusatzes "(§ 1546 RVO)" nicht entgegen .§ 1546 RVO enthält die für die Anmeldung aller Unfallentschädigungen - sowohl der Verletzten als auch der Hinterbliebenen - geltende Grundnorm . Dies ergibt sich daraus , daß in Abs . 1 nicht speziell von Entschädigungsansprüchen des Verletzten die Rede ist und daß Abs . 2 sogar nur Hinterbliebene betrifft . Gegenüber § 1546 hat § 1548 RVO keine selbständige Bedeutung; er modifiziert lediglich die Fristvorschrift des § 1546 RVO dadurch , daß er die Frist nicht bereits mit dem Unfall , sondern erst mit dem Tode des Verletzten beginnen läßt . Auch der Grundgedanke , auf dem die Berufungsausschlußgründe des SGG beruhen , spricht für die Einbeziehung der Fälle des § 1548 RVO in die Vorschrift des § 145 Nr . 1 SGG; es ist nicht gerechtfertigt , der Ablehnung von Hinterbliebenenansprüchen wegen Fristversäumnis schlechthin eine größere Bedeutung beizumessen als der Ablehnung von Ansprüchen eines Verletzten (so auch LSG Niedersachsen , Breithaupt 1959 , 174; Brackmann , Handbuch der Sozialversicherung Bd . I , 250 h; Peters/Sautter/Wolff , Komm . zur Sozialgerichtsbarkeit ,§ 145 SGG S . III/19; Rohwer-Kahlmann , Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit , § 145 Anm . II a) .
Schließlich ist dem LSG darin beizupflichten , daß sich die Statthaftigkeit der Berufung auch nicht aus dem letzten Halbsatz des § 145 Nr . 1 SGG herleiten läßt . Daß ein Ausnahmefall des § 1547 RVO schlüssig behauptet werden muß , d . h . daß Tatsachen vorgetragen werden müssen , deren Richtigkeit unterstellt , einen Ausnahmefall des § 1547 RVO begründen , hat der erkennende Senat bereits in einem Urteil vom 30 . Juli 1958 (SozR SGG § 145 Bl . Da 5 Nr . 6) entschieden . Die Ausführungen der Revision geben keine Veranlassung , von dieser Entscheidung abzuweichen . Wenn zur Begründung der Statthaftigkeit der Berufung nur vorgetragen werden müßte , es liege der Ausnahmefall der Nr . 1 oder derjenige der Nr . 2 des § 1547 Abs . 1 RVO vor , so könnte § 145 Nr . 1 SGG in jedem Falle umgangen werden . In der Auslegung , welche der Senat dem Gesetz gibt , liegt entgegen der Meinung der Revision auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung; denn die Entscheidung des SG , die Anmeldefrist sei versäumt , setzt notwendigerweise die - von Amts wegen anzustellende - Prüfung voraus , ob einer der Tatbestände des § 1547 Abs . 1 RVO vorliegt . Das LSG hat auch den Begriff der "außerhalb des Willens" des Berechtigten liegenden Verhältnisse nicht verkannt . Wenn dieser Begriff auch nicht gleichbedeutend ist beispielsweise mit "höherer Gewalt" oder mit "Naturereignissen" oder anderen "unabwendbaren Zufällen" (vgl .§ 131 RVO) , so widerlegt dies nicht die bereits in SozR SGG § 145 Bl . Da 5 Nr . 6 dargelegte Auffassung des Senats , daß die Unkenntnis der Rechtsvorschriften - darauf beruft sich die Klägerin - den außerhalb des Willens liegenden Verhältnissen in der Regel nicht gleichzuerachten ist . Ein Staatsbürger , der es unterläßt , sich über den Inhalt ordnungsmäßig veröffentlichter Rechtsvorschriften zu unterrichten , und infolgedessen keine Ansprüche anmeldet , unterliegt keinen Verhältnissen außerhalb seines Willens . Er betätigt seinen Willen dadurch , daß er von der Unterrichtung und demgemäß auch von einer Anspruchsanmeldung absieht . Dieser Tatbestand ist dem von der Revision angeführten Beispiel vergleichbar , daß ein Entschädigungsbewerber zwar glaubt , Ansprüche zu haben , sie aber nicht anmeldet , weil er meint , letzten Endes doch ohne Erfolg zu bleiben . Der Hinweis der Revision auf die Rechtsprechung des RG über die Bedeutung der Unkenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen nach § 852 BGB (RGZ 142 , 348) und des BGH zum Irrtum über das Strafgesetz (BGHSt 2 , 194) widerlegt die schon vom RVA (EuM 24 , 12) vertretene Auffassung des Senats nicht; auch eine nicht auf Verschulden beruhende Unkenntnis der Rechtsvorschriften liegt grundsätzlich nicht außerhalb des Willens der Berechtigten , weil diesem in der Regel zugemutet werden kann , sich über den Inhalt etwa bestehender Rechtsvorschriften zu unterrichten . Ein Ausnahmefall , wie ihn der Senat in der oben angeführten Entscheidung vom 30 . Juli 1958 für einen D . P . anerkannt hat , ist hier nicht gegeben. Die Auffassung des LSG , daß das Vorbringen der Klägerin - sie hat sich auf die Lage der R. Hütte im Festungsgebiet von Metz und ihre eigene Unkenntnis von der genauen Einkommenshöhe ihres Ehemannes in den Jahren 1915/16 berufen - keinen Grund darstellten , der die nicht rechtzeitige Anspruchsanmeldung hätte rechtfertigen können , ist rechtlich nicht zu beanstanden .
Die Auffassung der Revision , die Vorschriften der §§ 1546 , 1548 RVO seien im Falle der Klägerin nicht anwendbar , weil sie sich nur auf nicht anzeigepflichtige Unfälle bezögen , und demgemäß sei der Entschädigungsantrag zu Unrecht wegen Fristversäumnis abgelehnt worden , bedurfte keiner Prüfung; denn der Berufungsausschlußgrund des § 145 Nr . 1 SGG gilt ohne Rücksicht darauf , ob Fristversäumnis zu Recht oder zu Unrecht angenommen worden ist. Aus demselben Grunde ist das Vorbringen der Revision unerheblich , in der Ablehnung des Anspruchs wegen Fristversäumnis liege ein Ermessensmißbrauch der Beklagten. Es könnte daher auch dahinstehen , ob der Ablauf der Anmeldefrist nach §§ 1546 , 1548 RVO , wie der erkennende Senat wiederholt entschieden hat (vgl . BSG 10 , 88 und Urteil vom 13 . Dezember 1960 - 2 RU 178/57 -) , nur zu berücksichtigen ist , wenn der Versicherungsträger sich hierauf beruft , oder ob dies von Amts wegen zu geschehen hat (vgl . Beschluß des Großen Senats vom 9 . Juni 1961 zu § 58 Abs . 1 BVG aF - BSG 14 , 246 -) .
Nach alledem hat das LSG die Berufung der Klägerin mit Recht als unzulässig verworfen . Die Revision ist deshalb unbegründet und mußte zurückgewiesen werden (§ 170 Abs . 1 SGG) .
Die Entscheidung über die Kosten ergeht in Anwendung des § 193 SGG .
Fundstellen