Leitsatz (redaktionell)
Kostenentscheidung nach Verfassungsbeschwerde an das BVerfG.
Normenkette
BVerfGG § 95 Abs. 2; SGG § 193 Fassung: 1953-09-03; BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1
Tenor
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des zweiten und dritten Rechtszugs der Sozialgerichtsbarkeit zu erstatten.
Gründe
Der Klägerin, die als Verlag die Tageszeitung "Südkurier" herausgibt, war von der beklagten Bundesanstalt 1959 die Zustimmung zur Veröffentlichung von mehreren Stellenangeboten für Arbeitnehmer in der Schweiz versagt worden (Verfügung vom 19. Juni 1959); ihr Widerspruch hiergegen war erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1959). Im Klagwege hatte das Sozialgericht - SG - (Urteil vom 14. Juni 1960) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Auf die Berufung der beklagten Bundesanstalt hin wurde vom Landessozialgericht - LSG - (Urteil vom 29. November 1961) die Klage unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Zugleich wurde ausgesprochen, daß außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge nicht zu erstatten seien.
Die Revision, mit der die Klägerin im wesentlichen geltend machte, die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), die eine Veröffentlichung von Stellenangeboten für eine Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland an die vorherige Zustimmung der Bundesanstalt bindet, verstoße gegen Grundrechtsnormen und sei daher nichtig, wurde durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Februar 1964 (7 RAr 15/62) zurückgewiesen. Die der beklagten Bundesanstalt durch § 37 Abs. 2 Satz 3 AVAVG eingeräumten Befugnisse wurden in dem zu prüfenden Umfang als vereinbar mit dem Grundgesetz angesehen. Ferner wurde entschieden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien.
Das danach von der Klägerin mit der Verfassungsbeschwerde angerufene Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Urteil vom 4. April 1967 (1 BvR 414/64) für Recht erkannt:
1. Die Verfügung des Arbeitsamts Konstanz vom 19. Juni 1959, der Widerspruchsbescheid des Arbeitsamts Konstanz vom 27. Juli 1959 - I a 5742-W 179 -, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. November 1961 - L 5 a Ar 1423/60 - und das Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Februar 1964 - 7 RAr 15/62 - verletzen das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.
2. § 37 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 321) ist nichtig.
3. Die Sache wird an das Bundessozialgericht zurückverwiesen.
In den Urteilsgründen des BVerfG wird abschließend festgestellt, daß "nur die Entscheidung über die Kosten des Ausgangsverfahrens offen ist" und daß dies die Zurückverweisung an das BSG rechtfertigt (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Für die Kostenentscheidung des Senats ist nunmehr, ohne daß es eines näheren Eingehens auf die Gründe im Urteil des BVerfG bedarf, die folgende Rechtslage maßgebend: Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 3 AVAVG ist von Anbeginn an (seit ihrem Erlaß) als nichtig anzusehen, weil sie mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar ist. Die Klägerin hätte also insoweit mit dem Anspruch auf Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung in sämtlichen Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit Erfolg haben müssen. Daß die Entscheidung des BVerfG erst nach Abschluß des Revisionsverfahrens ergangen ist, kann für die Kostenentscheidung nicht ausschlaggebend sein, denn das Urteil des BVerfG bewirkt keine Gesetzesänderung, es stellt nur verbindlich fest, was schon zuvor Rechtens war (vgl. BSG in SozR SGG § 193 Nr. 7). Es erscheint daher gerechtfertigt, der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits vor den Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit (Ausgangsverfahren) aufzuerlegen, da dieser allein durch die objektiv fehlerhaften Verwaltungsakte der Beklagten verursacht worden ist. Folglich ist die Beklagte nunmehr zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des zweiten und dritten Rechtszugs der Sozialgerichtsbarkeit zu erstatten.
Da die Beteiligten ihr Einverständnis ausdrücklich erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), konnte der Senat die Kostenentscheidung, die auf § 193 SGG beruht, ohne mündliche Verhandlung treffen.
Fundstellen