Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Schadensausgleichsberechnung. Vergleichseinkommen
Orientierungssatz
Bei der Berechnung des Schadensausgleichs für die Witwe richtet sich der Einkommensverlust bei der Ermittlung des Vergleichseinkommens des Ehemannes nach dem Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe. Hiermit wird deutlich gemacht, daß - wie bei der Rente - auch beim Schadensausgleich der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalen Schadensausgleichs zurücktreten mußte. Die Vorschrift des § 40a Abs 2 Satz 2 BVG, daß als Einkommen des Verstorbenen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der er nach seinen Lebensverhältnissen, den beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hat oder angehört hätte, bedeutet nicht, daß im Einzelfall etwa vorliegende oder anzunehmende besondere günstige Umstände bereits zur Gewährung eines entsprechend höheren Schadensausgleiches führen könnten; vielmehr soll bei dem "fiktiv" zu errechnenden Einkommensverlust ein "durchschnittlicher Berufserfolg maßgebend" sein. Auch im übrigen sieht das BVG keinen vollen Ausgleich des Einkommensverlustes vor. Es ist also davon auszugehen, daß der durch den Tod des Ehemannes bedingte Einkommensverlust nur "in einem bestimmten Verhältnis" entschädigt wird (Festhaltung BSG 1967-08-17 8 RV 913/66 = BSG SozR DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG, § 4 Nr 1).
Normenkette
BVG § 40a Abs. 2 S. 2, § 30 Abs 3 u 4 DV § 4 Fassung: 1964-07-30, § 30 Abs 3 u 4 DV 1964 § 4 Fassung: 1964-07-30, § 30 Abs 3 u 4 DV § 6 Fassung: 1964-07-30, § 30 Abs 3 u 4 DV 1964 § 6 Fassung: 1964-07-30
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.05.1967) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Mai 1967 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Klägerin bezieht Witwenversorgung aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach ihrem im April 1901 geborenen, im Dezember 1942 gefallenen Ehemann, welcher nach Besuch der Realschule und des Seminars mit Abschlußprüfung des Staatlichen Pädagogischen Instituts B zunächst Hilfslehrer, sodann Gewerbelehrer und zuletzt Schulleiter gewesen war. Den Antrag vom Mai 1964 auf Gewährung von Schadensausgleich lehnte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 5. Mai 1965 ab, weil das derzeitige Einkommen der Klägerin nicht um mindestens 50,- DM geringer sei als die Hälfte des Einkommens, das ihr Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte. Vergleichsgrundlage sei nach § 4 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964 (BGBl I, 574) das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11. Der Widerspruch und die Klage blieben erfolglos.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 25. Mai 1967 den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts (SG) und der Verwaltungsbescheide verurteilt, der Klägerin Schadensausgleich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1964 unter Zugrundelegung der Endstufe der Besoldungsgruppe A 11 a/12 und für die Zeit vom 1. Januar 1965 bis 30. April 1966 der Besoldungsgruppe A 13 zu gewähren. Es hat die Revision zugelassen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Recht des Schadensausgleichs nach § 40 a BVG sei von dem Grundgedanken beherrscht. den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen und einen individuellen Schadensausgleich zu gewähren. Die in der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG bestimmten Pauschalsätze könnten nur in Zweifelsfällen angewendet werden, wenn das individuelle Einkommen sich nicht ermitteln lasse. Für den Ehemann der Klägerin komme nach Landesrecht die Besoldungsgruppe A 11 a/12 und A 13 in Betracht. Allerdings sei zu berücksichtigen, daß er im April 1966 das 65. Lebensjahr vollendet hätte, so daß sich von diesem Zeitpunkt ab sein Einkommen auf 75 % des vorherigen vermindere und von diesem Zeitpunkt ab die Klägerin keine Ansprüche auf Schadensausgleich habe.
Der Beklagte hat Revision eingelegt und dem Sinne nach beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 25. Mai 1967 insoweit aufzuheben, als der Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin den im einzelnen bestimmten Schadensausgleich zu gewähren und auch insoweit die Berufung zurückzuweisen.
Er rügt mit näherer Begründung eine Verletzung des § 4 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG und ist der Ansicht, daß bei der generalisierten und pauschalierten Regelung in § 40 a Abs. 2 und der DVO das nach neuem Landesrecht zustehende höhere mutmaßliche Gehalt des Ehemanns der Klägerin nicht berücksichtigt werden könne, es vielmehr bei der Besoldungsgruppe A 11 zu verbleiben habe. Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Beklagte hat die durch Zulassung statthafte Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel ist zulässig und muß Erfolg haben.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ist der Ehemann der Klägerin, bevor er im zweiten Weltkrieg gefallen ist, Gewerbelehrer bzw. Gewerbeoberlehrer gewesen und hat zu den Beamten des gehobenen Dienstes gehört. Streitig ist, ob bei der Festsetzung des Schadensausgleichs nach § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG im Hinblick auf §§ 4, 6 der DVO vom 30. Juli 1964 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG höhere Bezüge als nach der Besoldungsgruppe A 11 zugrundegelegt werden können. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht der Ansicht gewesen, für einen solchen Gewerbelehrer bzw. Gewerbeoberlehrer müsse das Gehalt zugrundegelegt werden, welches nach der neuen niedersächsischen Besoldungsregelung nunmehr zustehen würde. Das LSG verkennt insoweit die Bedeutung des § 40 Abs. 2 Satz 2 BVG.
Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung soll der Schadensausgleich nicht nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles, sondern nach Durchschnittsverhältnissen gewährt werden, welche aus den Erfahrungen im Berufsleben ermittelt wird. Dies ergibt sich aus der angegebenen Vorschrift eindeutig. Denn dort ist bestimmt, daß als Einkommen des Ehemannes das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung unter bestimmten Voraussetzungen wahrscheinlich angehört hätte. Hierzu hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 17. August 1967 (8 RV 913/66) folgendes ausgeführt:
Dabei handelt es sich um Vorschriften, durch die der Anspruch gemäß der vorgesehenen Einordnung der Beschädigten in eine bestimmte Berufsgruppe oder Besoldungsstufe sachlich-rechtlich begrenzt wird (so BSG SozR DVO zu § 30 Abs. 3 und 4, § 4 Nr. 1). Mit dem Hinweis, daß sich der Einkommensverlust nach dem Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe richtet, wird deutlich gemacht, daß - wie bei der Rente - auch beim Schadensausgleich der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisiertes oder pauschalen Schadensausgleichs zurücktreten mußte. Die Vorschrift des § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG, daß als Einkommen des Verstorbenen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der er nach seinen Lebensverhältnissen, den beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hat oder angehört hätte, bedeutet nicht, daß im Einzelfall etwa vorliegende oder anzunehmende besonders günstige Umstände bereits zur Gewährung eines entsprechend höheren Schadensausgleiches führen könnten; vielmehr soll, wie es auch im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (22. Ausschuß - vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlpf . BT-Drucksache Nr. 1825 S. 7 zu § 30 BVG -) heißt, bei dem "fiktiv" zu errechnenden Einkommensverlust ein "durchschnittlicher Berufserfolg maßgebend" sein. Auch im übrigen sieht das BVG keinen vollen Ausgleich des Einkommensverlustes vor. Es ist also davon auszugehen, daß der durch den Tod des Ehemannes bedingte Einkommensverlust nur "in einem bestimmten Verhältnis" entschädigt wird (vgl. Amtl. Begründung zum Entwurf des 1. NOG, Deutscher Bundestag, 3. Wahlp., BT-Drucks. 1239 zu § 30 S. 25).
Hieran ist festzuhalten. Diese Grundlagen des Entschädigungsrechtes hat das LSG verkannt. Für den Ehemann der Klägerin kann an sich, da er Beamter des gehobenen Dienstes gewesen ist, nur die Besoldungsgruppe A 11 zugrundegelegt werden. Die angefochtene Entscheidung verstößt also gegen das Gesetz und kann nicht aufrechterhalten werden. Bei der nach § 170 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bestehenden Möglichkeit in der Sache selbst zu entscheiden, hat der Senat den Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif erachtet.
Vorliegend mag sich eine Härte daraus ergeben, daß nach niedersächsischem Landesbesoldungsrecht die Einstufung der Gewerbelehrer und Gewerbeoberlehrer erheblich verbessert ist. (Nach den Feststellungen des LSG kann sie bis zur Besoldungsgruppe A 13 betragen). Es liegt jedoch in der Natur einer pauschalierten Regelung, daß solche Härten unvermeidlich sind. Ihnen stehen andererseits Vorteile in all den Fällen gegenüber, in denen der Berufserfolg, welcher sich in der Besoldungsgruppe A 11 zeigt, im Laufe des Berufslebens nicht erreicht wird. Eine Härte jedoch, welche der Gesetzgeber berücksichtigt hat, käme nur dann in Betracht, wenn der Ehemann der Klägerin vor der Schädigung bereits tatsächlich eine Besoldungsgruppe erreicht hätte, welche höher als die derzeitige Besoldungsgruppe A 11 liegt. Dann käme § 6 Abs. 1 der DVO zur Anwendung, denn dann hätte der Ehemann der Klägerin in seinem ausgeübten Beruf als Gewerbelehrer eine Stellung erreicht, welche durch die Vorschrift des § 4 nicht ausreichend berücksichtigt würde. Dahingehende Feststellungen sind bisher nicht getroffen. Im Hinblick auf die Stellung des Verstorbenen als Schulleiter in Stadtoldendorf ist nicht auszuschließen, daß er damals schon höher als nach der derzeitigen Besoldungsgruppe A 11 besoldet worden ist. Feststellungen kann der Senat nicht treffen. Deshalb war die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Erkenntnis vorbehalten.
Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Fundstellen