Leitsatz (amtlich)
An der Auffassung, daß unter dem Wort "anschließend" in AVG § 36 Abs 1 Nr 4 ein Zeitraum bis zu 2 Jahren zu verstehen ist (vergleiche BSG 1962-06-20 1 RA 123/60 = BSGE 17, 129), wird auch für die Zeit seit Inkrafttreten des RVÄndG vom 1965-06-09 festgehalten.
Normenkette
RVO § 1259 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09; AVG § 36 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09
Tenor
Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Mai 1969 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin zu 1) zustehenden Witwenrente und der der Klägerin zu 2) zustehenden Waisenrente, und zwar jetzt nur noch darüber, ob die von ihrem am 19. März 1967 gestorbenen Ehemann bzw. Vater zurückgelegte Schulzeit vom 21. Mai 1926 bis zum 14. September 1929 als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 bei der Berechnung ihrer Renten anzurechnen ist oder nicht.
Der am 21. Mai 1910 geborene Versicherte hatte über die Vollendung seines 16. Lebensjahres hinaus bis zum 14. September 1929, d.h. bis zum Abitur, die Schule besucht. Vom 2. Oktober 1929 bis zum 31. März 1930 war er als technischer Hochschulpraktikant bei der AEG und anschließend vom 7. April 1930 bis zum 9. Oktober 1930 als Praktikant bei dem Ingenieur K in B beschäftigt. Vom Herbst 1930 bis zum Sommer 1932 besuchte er die dortige Technische Hochschule, ohne jedoch das Studium zu beenden. Vom 1. Oktober 1933 bis zum 23. September 1936 machte er eine Schlosserlehre durch, die er ordnungsgemäß abschloß. Die erste versicherungspflichtige Beschäftigung übte er im Oktober 1936 aus. In diesem Monat wurde für ihn auch der erste Beitrag zur Rentenversicherung entrichtet.
In ihren Rentenbescheiden vom 29. August 1967 hatte die Beklagte die gesamte Zeit vom 21. Mai 1926 bis zum 23. September 1936 unberücksichtigt gelassen. Später hat sie ua. die versicherungsfreie Lehrzeit vom 1. Oktober 1933 bis zum 23. September 1936 als Ausfallzeit anerkannt.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat durch Urteil vom 30. Oktober 1968 die Beklagte in Abänderung ihrer Bescheide vom 29. August 1967 verurteilt, auch die Schulzeit vom 21. Mai 1926 bis zum 14. September 1929 als Ausfallzeit rentensteigernd anzurechnen. Dagegen hat es die weitergehende Klage auf Anrechnung der Praktikantenzeiten vom 2. Oktober 1929 bis zum 9. Oktober 1930 als Ausfallzeit abgewiesen. Diese seien - ebenso wie das nicht abgeschlossene Studium vom Herbst 1930 bis zum Sommer 1932 - keine Ausfallzeit, da Praktikantenzeiten nicht unter § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG fielen. Dagegen sei die nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegende Schulzeit Ausfallzeit. Dabei müsse die Lehrzeit rechtlich wie eine Ersatzzeit behandelt werden. Die Zeit vom 1. Oktober 1933 bis zum 23. September 1936 habe somit die in § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG vorgesehene Frist von fünf Jahren für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nach Beendigung der Schulzeit (14. September 1929) unterbrochen mit der Folge, daß die genannte Frist nach der Lehrzeit erneut begonnen habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg durch Urteil vom 2. Mai 1969 ausweislich der Urteilsformel das Urteil des SG Hamburg vom 30. Oktober 1968 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach den Ausführungen zum Beginn der Entscheidungsgründe ist dies jedoch dahin zu verstehen, daß das LSG das angefochtene Urteil bestehen lassen wollte, soweit es die Klage abgewiesen hat. Es heißt dort, das angefochtene Urteil hätte insoweit aufgehoben werden müssen, als es die Zeit vom 21. Mai 1926 bis zum 14. September 1929 als Ausfallzeit anerkannt habe, so daß die Klage in vollem Umfang hätte abgewiesen werden müssen, soweit die Beklagte nicht im Verlauf des Rechtsstreits Anerkenntnisse abgegeben und die Klägerinnen diese angenommen hätten. Zur Begründung führt das LSG aus:
1. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG könnten Zeiten einer nach der Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden weiteren Schulausbildung als Ausfallzeit nur angerechnet werden, wenn im Anschluß daran innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden sei. Eine Ausnahme sei lediglich für den Fall vorgesehen, daß nach der Beendigung einer an die Schulausbildung anschließenden Ersatzzeit innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden sei. Beim Versicherten seien jedoch dem Schulbesuch bis zum 14. September 1929 vom 2. Oktober 1929 und 7. April 1930 an zwei Praktikantenzeiten sowie ab Herbst 1930 ein nicht abgeschlossenes Studium und ab 1. Oktober 1933 eine Schlosserlehre gefolgt. Bei den zuerst genannten Ausbildungszeiten handele es sich weder um Ausfallzeiten noch um Ersatzzeiten, bei der Lehrzeit um eine Ausfallzeit, nicht aber um eine Ersatzzeit. Daß sich an die Schulzeit noch eine weitere Ausfallzeit mit der Folge anschließen könne, daß dadurch die Anschlußfrist unterbrochen werde, ergebe sich nicht aus § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG. Eine Ausfallzeit könne auch nicht einer Ersatzzeit gleichgestellt werden. Eine derartige Auslegung würde dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widersprechen. Die weitere Schulzeit vom 21. Mai 1926 bis zum 14. September 1929 hätte daher nur dann als Ausfallzeit angerechnet werden können, wenn innerhalb von fünf Jahren nach ihrer Beendigung eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden wäre. Hieran fehle es jedoch.
2. Die Zeit vom 21. Mai 1926 bis zum 23. September 1936 könne auch nicht als einheitlicher, notwendig zusammenhängender Ausbildungsgang mit der Folge angesehen werden, daß die Fünfjahresfrist erst am 23. September 1936 begonnen hätte. Damit hätte dahingestellt bleiben können, innerhalb welcher Frist die Ersatzzeit einer vorangegangenen Ausbildungszeit folgen müsse, um diese noch als Ausfallzeit anrechnen zu können. Lediglich hiermit habe sich das Urteil in BSG 17, 129 befaßt, nicht aber mit dem Fall, daß einer Ausbildungszeit eine weitere Ausbildungszeit folge.
Das LSG hat in seinem Urteil die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen. Die Klägerinnen haben dieses Rechtsmittel eingelegt mit dem Antrage,
das Urteil des LSG Hamburg vom 2. Mai 1969 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 29. August 1967 so abzuändern, daß auch die Zeit der Schulausbildung vom 21. Mai 1926 bis zum 14. September 1929 als Ausfallzeit rentensteigernd angerechnet wird.
Gerügt wird unrichtige Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG. Der Auffassung des LSG könne nicht gefolgt werden. Im wesentlichen komme es darauf an, innerhalb welcher Fristen die einzelnen Ausbildungsabschnitte aufeinander folgen müßten, so daß man sie noch als "anschließend" ansehen könne. Nachdem durch das RVÄndG die in der genannten Vorschrift vorgesehene Frist für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit von zwei auf fünf Jahre verlängert worden sei, müßten die in BSG 17, 129 ausgesprochenen Grundsätze nunmehr dahin verstanden werden, daß für den erforderlichen Anschluß jetzt ein Zeitraum von fünf Jahren genüge. Da die abgeschlossene Lehrzeit vor Ablauf von fünf Jahren der Schulzeit gefolgt sei, sei der streitige Zeitraum Ausfallzeit.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen, da das angefochtene Urteil richtig sei.
II.
Die Revisionen der Klägerinnen sind nicht begründet.
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) in der hier maßgebenden Fassung des RVÄndG sind ua. Ausfallzeiten Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden
a) abgeschlossenen nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit,
b) einer weiteren Schulausbildung oder einer abgeschlossenen Fachschul- oder Hochschulausbildung,
wenn im Anschluß daran oder nach Beendigung einer an die Lehrzeit, die Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung anschließenden Ersatzzeit im Sinne des § 28 AVG innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden ist, jedoch eine Schul- oder Fachschulausbildung nur bis zur Höchstdauer von vier Jahren, eine Hochschulausbildung nur bis zur Höchstdauer von fünf Jahren.
Diese Vorschrift ist entgegen der Auffassung des LSG dahin zu verstehen, daß es für die Anrechnung einer früheren Ausbildungszeit als Ausfallzeit genügen kann, wenn auf sie eine weitere Ausbildungszeit folgt, insbesondere zB. auf die Schulzeit eine abgeschlossene nicht versicherungspflichtige Lehrzeit oder eine abgeschlossene Fachschul- oder Hochschulausbildung, sofern alsdann nach deren Beendigung die versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit innerhalb der erwähnten Fünfjahresfrist aufgenommen wird. Denn meistens liegen die Dinge nicht so einfach, wie im Text des Gesetzes angenommen wird, daß nur eine Ausfallzeit und allenfalls noch eine Ersatzzeit zu berücksichtigen wären. Auf die Lehrzeit pflegt ein Fachschulbesuch, auf die längere Schulzeit ein Studium zu folgen. Dabei reicht es sogar aus, falls ein Ausbildungsabschnitt durch eine Ersatzzeit unterbrochen worden ist, wenn nach Abschluß der unterbrochenen Ausbildung innerhalb der vorgesehenen Frist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen wird (1 RA 127/68 vom 15. Juli 1969, SozR § 1259 RVO Nr. 24). Jede weitere abgeschlossene Ausbildungszeit muß alsdann trotz des Schweigens des Gesetzes den Anschluß ebenso wahren wie eine Ersatzzeit, wenn sie nur zeitlich gehörig anschließt, da anderenfalls der mit der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG verfolgte Zweck nicht erreicht würde. Eine nicht abgeschlossene Lehrzeit oder Fachschul- oder Hochschulausbildung kann allerdings den Anschluß dann nicht wahren, wenn sie ihrerseits nicht anrechnungsfähig ist (vgl. Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2. und 3.Aufl., § 36 AVG, Anm. V 4c; Hanow/Lehmann/Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, § 1259 RVO, Note 88), weil das mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr zu vereinbaren wäre.
In diesem Zusammenhang scheidet im vorliegenden Falle der Besuch der Technischen Hochschule in Berlin als anschlußwahrende Hochschulausbildung aus, da das Studium nicht abgeschlossen worden ist. Aber auch die Praktikantenzeiten des Versicherten können als anschlußwahrende Ausfallzeiten nicht in Betracht. Sie fallen weder unter den Begriff der Lehrzeit noch können sie, sofern sie vor Beginn des Studiums an der Technischen Hochschule abgeleistet sein mußten, zur Hochschulausbildung gerechnet werden (BSG 19, 239). Außerdem ist diese ja auch nicht abgeschlossen worden. Die Anrechenbarkeit der weiteren Schulzeit des Versicherten als Ausfallzeit hängt somit allein davon ab, ob die Schlosserlehre sich noch an die Schulzeit "angeschlossen" hat, obwohl zwischen beiden ein Zeitraum von etwas mehr als vier Jahren liegt. Diese Frage hat das LSG nur im Ergebnis zu Recht verneint.
Wie der Senat hierzu für den früheren Rechtszustand bereits entschieden hat (BSG 17, 129), ist zwar mit dem Wort "anschließend" kein lückenloser Zusammenhang zwischen der Schulausbildung und einer weiteren Ausfall- oder Ersatzzeit gemeint. Das ergibt sich schon daraus, daß zwischen den üblichen Terminen für das Ende der Schulausbildung und für die Aufnahme einer Beschäftigung, zB. eines Lehrverhältnisses, oder für den Beginn der wohl häufigsten Ersatzzeit des Militärdienstes stets ein gewisser zeitlicher Abstand besteht, der sicherlich die Anrechnung der Schulzeit als Ausfallzeit nicht hindern soll. Andererseits muß aber auch irgendeine zeitliche Begrenzung bestehen, bis zu der man noch von einem "anschließenden" Zeitraum sprechen kann. Der Senat hat deshalb damals geprüft, ob nicht das Gesetz selbst einen Anhalt dafür bietet, welcher zeitliche Abstand noch den Zusammenhang wahrt und die Anrechnung der vorangegangenen Zeit als Ausfallzeit rechtfertigt; er hat sich sodann aaO auf die Zweijahresfristen in § 28 Abs. 2 Buchst.a und in § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes berufen und deshalb ausgesprochen, daß ein Zeitraum bis zu zwei Jahren für den Anschluß genügt. Diese Fristen sind jedoch jetzt durch das RVÄndG auf drei und fünf Jahre verlängert worden. Daraus wird vielfach - so auch von den Klägerinnen - gefolgert, daß es für den Anschluß nunmehr genügen müsse, wenn die Unterbrechung nicht länger als drei oder gar fünf Jahre gedauert habe. Diesen Auffassungen kann indessen nicht gefolgt werden. Die Erwägungen des Senats in seiner erwähnten Entscheidung haben auch nach dem Inkrafttreten des RVÄndG ihre Gültigkeit behalten. Es würde schlechthin dem natürlichen Sprachgebrauch widersprechen, bei einem Zwischenraum von mehr als zwei Jahren noch von einem "anschließenden" Zeitabschnitt zu sprechen, der den Anschluß zu einer vorhergehenden Zeit sollte herstellen können. An der früheren Entscheidung ist daher grundsätzlich festzuhalten (ebenso VerbKomm. § 1259 RVO, Note 20; Zimmer, Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2.Aufl., § 1259 RVO, Note 16; für dreijährige Frist dagegen Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, aaO, Anm. V 4b am Ende sowie Hanow/Lehmann/Bogs, aaO, Note 90; für Fünfjahresfrist Brackmann, Handbuch der SozVers., Bd. III, S. 700o; Pappai, BArbBl 1965, 599, 601).
Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgesichte der Neufassung bestätigt. Nach der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen (BT-Drucks. IV/2572 S.26) beruht die Verlängerung der Frist zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit von zwei auf fünf Jahre auf anderen Erwägungen. Es heißt dort, in der Vergangenheit habe sich gezeigt, daß in einer ganzen Anzahl von Fällen die Frist von zwei Jahren, innerhalb derer eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen werden muß, damit die Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung als Ausfallzeit angerechnet werden kann, nicht ausreiche. Bei den meisten wissenschaftlichen Ausbildungen sei im Anschluß an das Hochschulstudium eine weitere Ausbildungszeit erforderlich, die aber keine Hochschulausbildung im Sinne des § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO mehr sei und die oftmals länger als zwei Jahre dauere. Um auch in diesen Fällen die Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung als Ausfallzeit anrechnen zu können und damit Härten zu vermeiden, sei die Verlängerung der Frist von zwei auf fünf Jahre erforderlich gewesen. Nach Auskunft der Westdeutschen Rektorenkonferenz sei innerhalb des Zeitraumes von fünf Jahren in aller Regel die weitere Ausbildungszeit beendet, so daß eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werden könne. Diese Erwägungen sind unverwertbar für die Entscheidung der Frage, was unter einer anschließenden Ersatzzeit oder Ausbildungszeit zu verstehen ist. Statt dessen muß vielmehr daraus, daß der Gesetzgeber nur die Frist zur Aufnahme der ersten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit von zwei auf fünf Jahre verlängert hat, ohne insoweit den übrigen hier in Betracht kommenden Gesetzestext zu ändern, geschlossen werden, daß es im übrigen bei der bisherigen Rechtslage bestehen bleiben sollte.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der getroffenen Regelungen. Die Vorschriften des § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO und des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG beruhen auf der Erwägung, daß bei der außerordentlichen Bedeutung der Versicherungsdauer für die Höhe der Rente der Versicherte entschädigt werden soll, der aus volkswirtschaftlich erwünschten Gründen sich zunächst eine gründliche Ausbildung verschafft hat und deshalb noch keine Beitragszeiten erwerben konnte. Diese Verkoppelung von volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Erwägungen verrät sich insbesondere darin, daß überwiegend nur erfolgreiche Ausbildungszeiten begünstigt werden, und zwar mit Hochzeiten, die in manchen Fachrichtungen knapp bemessen sind. Der Gesetzgeber hat mithin keineswegs das jeweils Erforderliche, sondern nur ausgleichsweise das Vertretbare begünstigt (vgl. Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, aaO, Anm. V 1). Die Anrechnung von Ausfallzeiten ist darüber hinaus eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft. Sie soll deshalb nur denen zugute kommen, die überwiegend zu diesem Personenkreis gehört haben. Aus diesem Grunde sind Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AVG nur dann anzurechnen, wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist. Aus allen diesen Erwägungen kann die Anrechnung von Ausbildungszeiten als Ausfallzeit nur denen zugute kommen, die für ihren Beruf wirklich eine längere Ausbildungszeit benötigt und ihre Ausbildung in angemessener Frist erfolgreich abgeschlossen und alsdann eine längere versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen haben. Anderenfalls würden die Schulzeit, die abgeschlossene Lehrzeit und die abgeschlossene Fachschul- oder Hochschulausbildung gegenüber den Beitragszeiten eine Bedeutung und eine finanzielle Auswirkung erhalten, die ihnen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht zukommen soll.
Der entgegenstehenden Auffassung der Revision kann somit nicht gefolgt werden. Die Ansicht des SG schließlich läßt sich ohnehin nicht halten, da für eine Gleichstellung von Ausfallzeiten mit Ersatzzeiten und die daraus abgeleiteten Folgerungen jede Rechtsgrundlage fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2284651 |
BSGE, 163 |