Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 3. Juli 1975 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Es ist umstritten, zu welchem Zeitpunkt das flexible Altersruhegeld (ARG) des Klägers beginnt (§ 1248 Abs. 1 und 4 Satz 1 Buchst. a der Reichsversicherungsordnung RVO).
Der am 15. November 1910 geborene Kläger war von 1952 bis Ende Februar 1974 bei einer Werft beschäftigt. Im September 1973 beantragte er die Gewährung des ARG wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Er hatte sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 1973 gekündigt und mit seinem Arbeitgeber mündlich eine auf die Zeit vom 1. Dezember 1973 bis 28. Februar 1974 befristete Weiterbeschäftigung vereinbart; die Arbeitsbedingungen wurden nicht geändert. Der Bruttolohn betrug in der Zeit von Januar 1973 bis Ende Februar 1974 monatlich ca. 1.480,– DM bis 1.530,– DM. Der Kläger wurde Ende Februar 1974 bei der Betriebskrankenkasse abgemeldet. Der Arbeitgeber teilte auf Anfrage dem Landessozialgericht (LSG) mit, er sei mit der Vereinbarung dem Wunsch des Klägers gefolgt, der gern von der gesetzlich zulässigen Möglichkeit habe Gebrauch machen wollen, noch drei Monate zu arbeiten.
Die Beklagte bewilligte das flexible ARG für die Zeit vom 1. März 1974 an (Bescheid vom 1. Mai 1974). Der Kläger meint, er müsse das flexible ARG schon für die Zeit vom 1. Dezember 1973 bis 28. Februar 1974 erhalten. Seine Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat die Berufung, das LSG die Revision zugelassen.
Das LSG hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1248 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a RVO verneint: Ein rentenunschädliches Hinzuverdienen sei erst zulässig, wenn ein Dauerarbeitsverhältnis beendet und ein neues auf längstens drei Monate im voraus vertraglich bedungenes Arbeitsverhältnis begonnen habe (Hinweis auf die Urteile vom 12. Februar 1975 – 12 RJ 54/74 = SozR 2200 § 1248 Nr. 4 und 12 RJ 332/74 –). Zwar könne sich das neue Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber unmittelbar an das Dauerarbeitsverhältnis anschließen; jedoch genüge nicht jede zeitlich begrenzte Vereinbarung. Die Merkmale des § 1248 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a RVO – „nur gelegentlich, insbesondere zur Aushilfe” – kennzeichneten die Anforderungen, die an ein von dieser Vorschrift erfaßtes Beschäftigungsverhältnis zu stellen seien. Der im Gesetz genannte Hauptanwendungsfall der gelegentlichen Beschäftigung, die Aushilfstätigkeit, lasse erkennen, daß von einer gelegentlichen Tätigkeit nur gesprochen werden könne, wenn betriebliche Gründe zur zeitlichen Beschränkung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Solche fehlten hier. Lediglich das Bestreben des Klägers, für die umstrittene Zeit flexibles ARG zu erhalten, habe zu der mündlichen Vereinbarung eines befristeten, die bisherigen Arbeitsbedingungen in keinem Punkt ändernden Arbeitsverhältnisses geführt. Für den streitigen Zeitraum sei – nicht anders als in den letzten drei Monaten eines auslaufenden Dauerarbeitsverhältnisses – kein flexibles ARG zu zahlen.
Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 1. Mai 1974 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 1. Dezember 1973 bis 28. Februar 1974 das ARG zu zahlen.
Er rügt eine Verletzung des § 1248 Abs. 1 und 4 RVO.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 1248 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a RVO idF des 4. Rentenversicherungsänderungs-Gesetzes vom 30. März 1973 besteht Ansprach auf flexibles ARG neben einer Beschäftigung gegen Entgelt nur, wenn die Beschäftigung nur gelegentlich, insbesondere zur Aushilfe, für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines jeden Jahres seit dem erstmaligen Beginn des ARG auf nicht mehr als drei Monate im voraus durch Vertrag beschränkt ist. Neben der Altersgrenze, der Erfüllung der Wartezeit und dem Antrag (§ 1248 Abs. 1 RVO) steht die negative Voraussetzung, daß keine über die Einschränkungen des § 1248 Abs. 4 Satz 1 RVO hinausgehende entgeltliche Beschäftigung ausgeübt wird. Hier ist diese negative Voraussetzung nicht erfüllt. Die Beschäftigung des Klägers in der umstrittenen Zeit ist nicht „nur gelegentlich” ausgeübt worden.
Der Begriff „gelegentlich” bedeutet „bei Gelegenheit”. Sein zeitliches Element ist im Gesetz durch die Beschränkung der Dauer der Beschäftigung auf nicht mehr als drei Monate näher bestimmt. Im Gegensatz dazu stehen eine laufende Beschäftigung, eine Dauerbeschäftigung, die geplante Fortsetzung der Beschäftigung, eine regelmäßige Tätigkeit u. a. (vgl. AN 1939, 172; SozR Nr. 1 zu § 397 AVG aF; SozR Nr. 26 zu § 1248 RVO). Der Begriff „gelegentlich” enthält außer dem zeitlichen noch ein weiteres Element. Er weist auf eine besondere Lage, auf besondere Umstände hin, die mit der Aufnahme und Befristung der „nur gelegentlichen” Beschäftigung zusammenhängen. Dies wird durch das im Gesetz angeführte Beispiel der Aushilfe bekräftigt. Eine Aushilfsbeschäftigung erfolgt, wenn beim Arbeitgeber besondere vorübergehende Verhältnisse eingetreten sind, die eine befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern erfordern (vgl. BSG 14, 53, 57). Aber auch auf Seiten des ARG-Empfängers können besondere Umstände vorliegen, die ihn zur Aufnahme einer vorübergehenden Beschäftigung veranlassen.
§ 1248 Abs. 4 RVO begünstigt den Empfänger des flexiblen ARG, also eine Person, die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Wenn sich an den für das Ausscheiden gewählten Zeitpunkt eine Beschäftigung anschließt, deren Arbeitsbedingungen und Begleitumstände sich gegenüber der vorangegangenen Dauerbeschäftigung nicht ändern, liegt in der Regel nur eine Weiterbeschäftigung, nicht eine „gelegentliche” Beschäftigung, vor. In einem solchen Fall ist ein Wille des Versicherten, aus dem Erwerbsleben vorzeitig auszuscheiden, nicht, in die Tat umgesetzt worden. Nur wenn aus äußeren Umständen erkennbar ist, daß andere Gründe als lediglich der Wunsch nach dem Erhalt von vorzeitigem ARG neben den bisherigen Arbeitsentgelt zur Vereinbarung einer an die Dauerbeschäftigung anschließenden kurzfristigen Beschäftigung geführt haben, können ein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und die Begründung einer „nur gelegentlichen” Beschäftigung angenommen werden.
Wenn eine Person, die bereits Empfänger des flexiblen ARG ist, später eine befristete Beschäftigung aufnimmt, bedarf die Frage der „Gelegenheit” im allgemeinen keiner besonderen Prüfung; denn besondere Umstände für eine vorübergehende Beschäftigung werden dann stets vorliegen. Anders ist es aber, wenn die als „gelegentlich” bezeichnete Beschäftigung zwar befristet ist, aber in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Dauerbeschäftigung steht und unter denselben Bedingungen ausgeübt wird. Der unmittelbare Anschluß an eine Dauerbeschäftigung steht der Annahme einer „gelegentlichen” Beschäftigung zwar nicht schlechthin entgegen (vgl. Urteil vom 26. September 1972 – 12 RJ 352/71 = SozR Nr. 11 zu § 1228 RVO). Doch tritt in einem solchen Fall die Bedeutung der Umstände, die die Beschäftigung als „gelegentlich” erscheinen lassen sollen, besonders hervor.
In dem am 26. September 1972 (aaO) entschiedenen Fall hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts als wesentlich angesehen, daß die neu vereinbarte Arbeitszeit gegenüber der vorherigen Vollbeschäftigung wöchentlich nur zwölf Stunden betrug und durch den geschmälerten Verdienst die Lebensverhältnisse der Versicherten umgestellt wurden. Im vorliegenden Fall unterscheidet sich die Beschäftigung während der umstrittenen Zeit in keiner Weise von der vorhergehenden Dauerbeschäftigung. Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsentgelt und Sozialversicherung sind gleich geblieben. Allein der Wunsch, das bisherige Arbeitsentgelt und das flexible ARG nebeneinander zu beziehen, ist kein sachlicher, in besonderen Verhältnissen des Arbeitgebers oder des Klägers liegender Umstand. Der Kündigung zum 30. November 1973 folgte nicht die tatsächliche Beendigung der Beschäftigung zu diesem Zeitpunkt. Sie schaffte nur die Voraussetzung für eine befristete Vereinbarung und diese sollte allein den Bezug des flexiblen ARG vom 1. Dezember 1973 an ermöglichen.
In den am 12. Februar 1975 entschiedenen Fällen hat sich der 12. Senat auch damit befaßt, daß das Erfordernis der befristeten vertraglichen Vereinbarung rechtsmißbräuchlich leicht durch Kündigung des alten und Begründung eines neuen – kurzfristigen – Arbeitsverhältnisses hergestellt werden könne. Er hat es als Bache des Versicherungsträgers angesehen, einer derartigen Ausnutzung des Gesetzes entgegenzutreten und den Anspruch abzulehnen. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 1248 Abs. 4 RVO, wenn durch Formalien, die die tatsächliche Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht beeinflussen, die negative Voraussetzung für den Bezug des flexiblen ARG geschaffen werden könnte. Hier liegt ein solcher Fall eines Rechtsmißbrauches vor. Für seine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist nicht entscheidend, wie das Verhalten des Klägers und seine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zivil- und arbeitsrechtlich zu beurteilen sind. Wesentlich ist, daß nach der tatsächlichen Gestaltung, die bei sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung in der Regel im Vordergrund steht, der Kläger erst Ende Februar 1974 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist.
Nach alledem war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Unterschriften
Geyser, Dr. Burdenski, Müller
Fundstellen