Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen der Krankenhilfe in der knappschaftlichen KVdR
Leitsatz (amtlich)
KVdRV vom 1941-11-04 § 11 Abs 1 gilt nach KnKVdRV vom 1942-06-08 § 2 Abs 1 für die knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner weiter.
KVdRV vom 1941-11-04 § 11 Abs 1 ist - abweichend von seinem Wortlauf - dahin auszulegen, daß die Leistungspflicht der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner auch bei Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt nur dann ausgeschlossen ist, wenn sie nicht nur vorübergehend, sondern auf die Dauer erfolgt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die durch Zubilligung einer Hinterbliebenenrente begründete knappschaftliche KVdR schloß bereits vor Inkrafttreten des RKG § 19 Abs 2 S 2 die auf RVO § 165 Abs 1 Nr 3 beruhende Versicherung gemäß RVO § 165 Abs 6 aus.
2. Die Vorschriften der RVO §§ 1531 ff über die Ersatzansprüche der Sozialhilfeträger an die Träger der Krankenversicherung gelten uneingeschränkt auch in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner.
3. Eine Vorschrift kann auch bei gleichbleibendem Wortlaut durch Veränderung der Verhältnisse (zB infolge der Fortschritte in der Medizin einen Bedeutungswandel erfahren).
4. Bei Anwendung des für die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner geltenden KVdRV § 11 Abs 1 vom 1941-11-04 sind sowohl die Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Krankheiten als auch die in der allgemeinen KVdR maßgebende - für den Versicherten günstigere - Vorschrift des RVO § 216 Abs 1 Nr 4 zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Zur Auslegung einer Vorschrift (hier: KVdRV vom 1941-11-04 § 11 Abs 1) entgegen ihrem Wortlaut.
2. Zur verfassungskonformen Auslegung einer Vorschrift.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; KVdRV § 11 Abs. 1 Fassung: 1941-11-04; KnKVdRV § 2 Abs. 1 Fassung: 1942-06-08; RKG § 19 Abs. 2 S. 2; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1956-06-12, Abs. 6 Fassung: 1956-06-12, § 216 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1956-06-12, § 1531 Fassung: 1945-03-29
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. Dezember 1966 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten zu ersetzen, die diesem durch die Unterbringung der Witwe H R im Psychiatrischen Krankenhaus M in der Zeit vom 14. August 1961 bis 31. August 1962 entstanden sind.
Frau R bezieht von der Beklagten die Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Außerdem erhält sie vom Versorgungsamt F eine Hinterbliebenenrente und von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen aus eigener Versicherung die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Wegen einer seelischen Erkrankung wurde Frau R bereits 1952 drei Monate lang im Niedersächsischen Landeskrankenhaus G und im Jahre 1954 sechs Wochen lang in der Psychiatrischen Klinik N bei K stationär behandelt. In der Zeit vom 5. Februar 1959 bis 29. November 1959 und vom 14. August 1961 bis 31. August 1962 wurde Frau R wegen derselben seelischen Erkrankung im Psychiatrischen Krankenhaus M untergebracht. Grundlage dieser Unterbringung war ein Beschluß des Amtsgerichts Eschwege vom 14. März 1959. Die Gesamtkosten der Unterbringung vom 14. August 1961 bis 31. August 1962 in Höhe von 4.228,75 DM trug der Kläger, der sich aus den Renten der Frau R 2.921,- DM erstatten ließ. Die Hessische Knappschaft lehnte es am 7. September 1961 dem Psychiatrischen Krankenhaus M gegenüber und am 14. März 1963 dem Kläger gegenüber ab, die Kosten der Unterbringung zu übernehmen bzw. zu erstatten, weil es sich nicht um einen Behandlungs-, sondern um einen Pflegefall handele.
Der Landeswohlfahrtsverband Hessen hat am 20. Juni 1963 Klage bei dem Sozialgericht (SG) in Kassel erhoben und einen Bericht des Dr. W vom 27. August 1962 eingereicht. Die Klage wurde an das zuständige SG in Gießen abgegeben. Das SG hat mit Beschluß vom 26. November 1963 das Land Hessen, vertreten durch das Landesversorgungsamt Hessen, beigeladen. Der Kläger hat in der ersten Instanz beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die bisher noch ungedeckten Aufwendungen für die Unterbringung der Witwe Hedwig R im Psychiatrischen Krankenhaus M in der Zeit vom 14. August 1961 bis 31. August 1962 in Höhe von 1.197,25 DM zu zahlen;
2. hilfsweise, das beigeladene Land Hessen entsprechend dem Antrag zu 1) zu verurteilen;
3. hilfsweise, falls das Gericht sich zur Entscheidung über den Antrag zu 2) für sachlich unzuständig hält, sich insoweit für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht Kassel zur Entscheidung durch die hierfür zuständige Kammer für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung zu verweisen.
Das SG hat mit Urteil vom 14. April 1965 die Klage gegen die Hessische Knappschaft abgewiesen. Auf den Klageantrag zu 3) hat es sich für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 2) an das SG Kassel verwiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, das Psychiatrische Krankenhaus M sei eine Heil- und Pflegeanstalt. Nach § 11 Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941 - VO über KVdR - (RGBl I S. 689), der für die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner (knKVdR) noch anzuwenden sei, habe die Witwe R für die Zeit der Unterbringung gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen aus der knKVdR gehabt, so daß die Beklagte auch mit Recht die von dem Kläger begehrte Kostenübernahme abgelehnt habe. Eine Sachentscheidung über den Hilfsantrag zu 2) könne nicht getroffen werden, da die Kammer für Angelegenheiten der Knappschaftsversicherung in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung sachlich nicht zuständig sei. Die Sache müsse daher an das örtlich zuständige SG Kassel verwiesen werden.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 13. Dezember 1966 zurückgewiesen. Es hat die Ansicht des SG bestätigt, der für die knKVdR noch anwendbare § 11 Abs. 1 VO über KVdR schließe einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus, denn bei dem Psychiatrischen Krankenhaus M handele es sich um eine Anstalt, die nach früherem Sprachgebrauch eine Heil- und Pflegeanstalt sei. Durch diese besondere Regelung in der knKVdR sei der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, denn die knappschaftliche Versicherung unterscheide sich von der übrigen Kranken- und Rentenversicherung in mancherlei Hinsicht. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der am 23. Januar 1967 eingelegten Revision rügt der Kläger, das LSG habe nicht ohne weitere Aufklärung und Beweiserhebung feststellen dürfen, das Psychiatrische Krankenhaus M sei nach früherem Sprachgebrauch eine Heil- und Pflegeanstalt. Im übrigen verletze der Leistungsausschluß bei Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt den Gleichheitsgrundsatz, denn er führe dazu, daß Versicherte mit gleichem Leiden und bei gleicher ärztlicher Behandlung versicherungsrechtlich nur deshalb verschieden behandelt würden, weil die stationäre Krankenhausbehandlung bei dem einen in einem Krankenhaus und bei dem anderen in einer Heil- und Pflegeanstalt durchgeführt werde.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 14. April 1965 der Klage stattzugeben;
hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht Niedersachsen zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für richtig. Da die Witwe R von der LVA Hessen eine Rente aus eigener Versicherung beziehe, sei sie möglicherweise nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gegen Krankheit versichert. Für diesen Fall sei die Beklagte nicht verpflichtet, Leistungen aus der Krankenversicherung der Rentner zu erbringen. Das folge aus dem Grundsatz, daß die KVdR nur subsidiärer Natur sei. Im übrigen bestehe ein Anspruch gegen die Beklagte auch deshalb nicht, weil das Psychiatrische Krankenhaus M eine Heil- und Pflegeanstalt sei. Besonderer Ermittlungen und Feststellungen des LSG darüber habe es nicht bedurft. Der Leistungsausschluß für Mitglieder der knKVdR bei Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Das beigeladene Land Hessen hat sich im Revisionsverfahren einer Stellungnahme enthalten.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist insofern begründet, als der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist, weil die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits nicht ausreichen.
Das LSG ist im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, daß die Witwe R auf Grund des Bezuges der Witwenrente der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner angehört. Zwar bezieht sie von der LVA Hessen auch noch eine Rente aus eigener Versicherung. Dieser Rentenbezug schließt jedoch die Mitgliedschaft in der knKVdR nicht aus. Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung vom 19. Mai 1941 (RGBl I S. 287) gehörte der zum Bezuge einer knappschaftlichen Rente Berechtigte auch dann der knKVdR an, wenn er außerdem aus einem anderen Versicherungszweig eine Rente erhielt. Das Gesetz vom 12. Juni 1956 (BGBl I S. 500) änderte daran nichts. In Art. 2 § 12 wurde § 5 Abs. 1 der VO vom 19. Mai 1941 vielmehr ausdrücklich aufrechterhalten. Die in der Neufassung des § 165 Abs. 6 RVO geregelte Subsidiarität der KVdR auf Grund des Bezuges einer Hinterbliebenenrente gegenüber der KVdR auf Grund des Bezuges einer Rente aus eigener Versicherung wurde also nicht auf die knKVdR ausgedehnt. Bei der Subsidiarität der allgemeinen KVdR gegenüber jeder anderen gesetzlichen Krankenversicherung bedeutete das praktisch, daß die knKVdR auch dann der allgemeinen KVdR vorging, wenn sie auf dem Bezuge einer Hinterbliebenenrente beruhte. Diese Rechtslage ist durch § 19 Abs. 2 Satz 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) idF des Finanzänderungsgesetzes (FinÄndG) vom 21. Dezember 1967 (BGBl I S. 1259) lediglich bestätigt und klargestellt worden.
Der Senat hat bereits entschieden, daß die §§ 1531 ff RVO jedenfalls seit dem 1. August 1956 auch für die knKVdR anzuwenden sind (vgl. SozR Nr. 20 zu § 1531 RVO). Aus § 18 VO über KVdR kann daher nicht geschlossen werden, daß es im Bereich der knKVdR keine Ersatzansprüche der Sozialhilfeträger geben solle.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 11 Abs. 1 VO über KVdR nach § 2 Abs. 1 der VO über knKVdR vom 8. Juni 1942 (RGBl I S. 409) und Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 12. Juni 1956 für die knKVdR noch anzuwenden ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 1968 - 5 RKn 20/65 -). Nach dieser Vorschrift werden Leistungen an Rentner und berechtigte Familienangehörige, die in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder in einer ähnlichen Anstalt untergebracht sind, in der sie im Rahmen ihrer gesamten Betreuung Krankenpflege erhalten, nicht gewährt; zu den "ähnlichen Anstalten" gehören auch die Krankenhäuser, wenn die Unterbringung im Krankenhaus nicht nur vorübergehend, sondern auf die Dauer erfolgt. Die Vorschrift enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß der Versicherungsträger im Falle der Krankheit Krankenpflege zu gewähren hat; sie ist schon deshalb eng auszulegen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, die Krankenkassen nicht mit den Kosten für die dauernde Unterbringung unheilbar kranker oder siecher Personen zu belasten. Zwar war bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt im Gegensatz zu der Unterbringung in einem Krankenhause nicht zu prüfen, ob die Unterbringung auf die Dauer erfolgte, weil das - entsprechend den damaligen Verhältnissen - unwiderlegbar vermutet wurde. Deshalb spricht die VO auch von der Krankenpflege "im Rahmen ihrer gesamten Betreuung", womit die dauernde Pflege gemeint ist. Seit dem Erlaß der VO haben sich aber die tatsächlichen Verhältnisse erheblich geändert; insbesondere haben die Möglichkeiten der Behandlung psychischer Erkrankungen derartige Fortschritte gemacht, daß nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt - sofern es solche überhaupt noch gibt - eine Unterbringung "auf die Dauer" ist. Wegen dieser Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse hat § 216 Abs. 1 Nr. 4 RVO idF des Gesetzes vom 12. Juni 1956 die Unterscheidung zwischen der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt einerseits und in einem Krankenhaus andererseits aufgegeben und die Befreiung der Krankenkassen von der Leistungspflicht nur noch darauf abgestellt, ob die Unterbringung dauernd zur Pflege erfolgt. Zwar gilt diese Vorschrift für die knKVdR nicht, sondern es ist weiterhin § 11 Abs. 1 der VO über KVdR anzuwenden. Wie der erkennende Senat bereits in seinem zitierten Urteil vom 26. Januar 1968 ausgeführt hat, muß jedoch die in § 216 Abs. 1 Nr. 4 RVO zum Ausdruck kommende allgemeine sozialpolitische Tendenz bei der Auslegung des § 11 Abs. 1 der VO über KVdR berücksichtigt werden. Das gilt umso mehr, als diese Vorschrift für die knKVdR nicht etwa auf unabsehbare Zeit bestehen bleiben sollte. Bei Erlaß des Gesetzes vom 12. Juni 1956 ist sie nur deshalb nicht aufgehoben worden, weil der Gesetzgeber der beabsichtigten Neuregelung der knKVdR nicht vorgreifen wollte. Die Weitergeltung war also nur für eine kurze Übergangszeit gedacht. Da jedoch die Neuregelung bisher nicht durchgeführt worden ist, muß sich die Auslegung des § 11 Abs. 1 der VO über KVdR den geänderten Verhältnissen anpassen. Wie auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anerkannt hat, kann eine Gesetzesbestimmung bei gleichbleibendem Wortlaut durch Veränderung der Verhältnisse einen Bedeutungswandel erfahren (vgl. BVerfG Bd. 7 S. 342, 351). Kann infolge der Fortschritte auf medizinischem Gebiet nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß Heil- oder Pflegeanstalten in der Regel ausschließlich der dauernden Pflege Geisteskranker dienen, treffen also die Voraussetzungen für die im Jahre 1941 aufgestellte unwiderlegbare Vermutung nicht mehr zu, so kommt es für die jetzige Auslegung darauf an, welche Regelung der Verordnungsgeber unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse getroffen hätte. Nach dem erkennbaren Sinn der auszulegenden Vorschrift sollen von der Leistungspflicht der Krankenkassen nur solche Fälle ausgeschlossen sein, in denen eine Behandlung im Rahmen einer dauernden Pflege erfolgt. Bei einer Behandlung im Rahmen einer vorübergehenden Unterbringung soll die Leistungspflicht der Krankenkassen also bestehen bleiben. Das muß auch für die Unterbringung in Heil- oder Pflegeanstalten gelten. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber bei einer nur vorübergehenden Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt die Leistungspflicht der Krankenkassen ebenso wenig wie bei einer vorübergehenden Unterbringung in einem Krankenhaus ausgeschlossen hätte, wenn er nicht auf Grund der jetzt nicht mehr zutreffenden tatsächlichen Verhältnisse davon ausgegangen wäre, daß eine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt in der Regel "auf die Dauer" erfolgt und damit der Pflege dient. Hinzu kommt, daß diese Vorschrift von den Wertvorstellungen des Grundgesetzes (GG) her ausgelegt werden muß (vgl. dazu BVerfG Bd. 19 S. 1, 8). Es wäre aber mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn zwischen der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und der Unterbringung in einem Krankenhaus bei sonst gleicher Sachlage ein Unterschied gemacht würde. Auch die Heil- oder Pflegeanstalten erfüllen mindestens in vielen Fällen die Mindestvoraussetzungen, die an ein Krankenhaus zu stellen sind. Sie sind also oft Spezialkrankenhäuser, wie das auch in dem Namen des Psychiatrischen Krankenhauses M zum Ausdruck kommt. Wird ein Mitglied der knKVdR in ein solches Spezialkrankenhaus zur vorübergehenden Behandlung einer psychischen Erkrankung eingewiesen, so kann die Leistungspflicht der Knappschaft nicht ausgeschlossen sein, während sie bei derselben Behandlung in einem anderen Krankenhaus bestehen würde. Das führt nicht zur Nichtigkeit des § 11 Abs. 1 VO über KVdR, sondern nur dazu, daß diese Vorschrift verfassungskonform dahin auszulegen ist, daß es bei jeder Unterbringung darauf ankommt, ob sie nur vorübergehend oder auf die Dauer erfolgt ist. Kann bei einer verfassungskonformen Auslegung ein Maximum dessen aufrechterhalten werden, was nach der Verfassung aufrechterhalten werden kann, so ist es unerheblich, ob die Absichten des Gesetzgebers etwa hierüber hinausgingen (vgl. BVerfG Bd. 9 S. 194, 200). Eine restriktive Auslegung des § 11 Abs. 1 VO über KVdR ist also durchaus zulässig, auch wenn sie nicht dem Willen des Verordnungsgebers entspricht. Darüber hinaus wird bei dieser Auslegung der im § 216 Abs. 1 Nr. 4 RVO zum Ausdruck kommenden allgemeinen sozialpolitischen Tendenz Rechnung getragen. Danach kommt es also nicht darauf an, ob das Psychiatrische Krankenhaus M eine Heil- oder Pflegeanstalt nach früherem Sprachgebrauch oder ein sonstiges Krankenhaus ist. Die Entscheidung hängt vielmehr nur davon ab, ob die Unterbringung der Witwe R nur vorübergehend oder aber "auf die Dauer" erfolgt ist.
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen zur abschließenden Beurteilung dieser Frage nicht aus. Wie der Senat bereits in dem zitierten Urteil vom 26. Januar 1968 ausgeführt hat, kommt es nicht auf die tatsächliche Verweildauer des Kranken, sondern darauf an, in welcher Absicht er aufgenommen worden ist, ob nämlich zur vorübergehenden Behandlung oder zur Dauerpflege. Der Zweck der Aufnahme kann sich allerdings während des Aufenthalts ändern, sei es durch eine Veränderung im Krankheitszustand, sei es durch eine Änderung in der ärztlichen Beurteilung. Von einer Unterbringung "auf die Dauer" kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn die Verweildauer bei der Einweisung unbestimmt ist. Solange während der Unterbringung die psychische Erkrankung mit dem Ziel der Besserung und der Beendigung der Unterbringung behandelt wird, muß man von einer vorübergehenden Unterbringung ausgehen, die sich von der Unterbringung "auf die Dauer" wesentlich dadurch unterscheidet, daß sie nicht der dauernden Pflege des unheilbar Kranken dient.
Die zur abschließenden Beurteilung fehlenden tatsächlichen Feststellungen kann das Revisionsgericht nicht nachholen. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Fundstellen