Leitsatz (redaktionell)
Zwischen der versicherten Tätigkeit eines ständig in einem landwirtschaftlichen Unternehmen Beschäftigten und seiner im Haushalt verrichteten Tätigkeit muß ein innerer Zusammenhang bestehen.
Orientierungssatz
Zur Frage, ob das Zerkleinern des als Deputat gelieferten Brennholzes unter dem Versicherungsschutz der Unfallversicherung steht, wenn der Deputant nach dem Tarifvertrag verpflichtet ist dies selbst zu besorgen, ihm aber von der Gutsverwaltung die hierfür erforderlichen Geräte (Kreissäge, Trecker) zur Verfügung gestellt werden.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30, § 777 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Juli 1971 aufgehoben. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 9. September 1970 wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenen-Leistungen nach ihrem verstorbenen Ehemann und Vater aus Anlaß des tödlichen Unfalls, den dieser am 23. April 1968 beim Holzsägen erlitten hat, haben.
Der Ehemann der Klägerin zu 1) Günther P (P.) war als Melkermeister auf dem Hof R bei der Pächterin Ingeborg W (W.) beschäftigt. Er erhielt rund 18000 DM Barlohn und als Deputat u. a. 3 Raummeter Klobenholz jährlich. Das Zerkleinern des Holzes hatte er laut Tarifvertrag selbst zu besorgen. An seinem Wohnhaus befand sich ein Schuppen mit Stall und Schweinebucht. Er erhielt jeweils drei Schweine. Nach etwa 5 bis 6 Monaten Mast verkaufte er sie oder schlachtete sie selbst ein.
Am 22. April 1968 begannen P. und die Klägerin zu 1) mit dem Zerkleinern des vom Hof gelieferten Holzes. Hierzu benutzten sie eine Kreissäge und als Antrieb einen Trecker, die dem Hof R gehörten und den Deputanten des Hofes zum Zerkleinern des Deputat-Holzes zur Verfügung gestellt wurden. Am Morgen des 23. April 1968 wurde das Zerkleinern des Holzes fortgesetzt. Gegen 11.15 Uhr verletzte sich P., der die Säge bediente, infolge Zerspringens des Sägeblattes tödlich.
Mit Bescheid vom 27. September 1968 lehnte die beklagte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Gewährung von Hinterbliebenenrenten mit der Begründung ab, zur Zeit des Unfalls habe kein Versicherungsschutz bestanden. Das Zerkleinern des gelieferten Holzes habe der Verwendung im eigenen Haushalt gedient. Obwohl die Geräte vom Hof zur Verfügung gestellt worden seien, handele es sich um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die lediglich der privaten Hauswirtschaft gedient habe und somit keinen Versicherungsschutz begründe.
Die Klage hat das Sozialgericht (SG) nach Vernehmung des landwirtschaftlichen Inspektors des Hofes R, Albrecht W, abgewiesen (Urteil vom 9. September 1970).
Auf die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, durch einen neuen Bescheid den Klägern nach dem am 23. April 1968 verstorbenen P. Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Es hat den Unfall des P. als Arbeitsunfall deswegen angesehen, weil der technische Mangel der Betriebseinrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise des täglichen Lebens als (Mit-)Ursache des Unfalls anzusehen war. Aus der jahrelangen Übung, die betriebseigene Sägeeinrichtungen mit einem Trecker für das Zerkleinern des Klobenholzes zu benutzen, habe sich für die Betriebsangehörigen eine Rechtsposition ergeben, die der eines Berechtigten ähnele. Dadurch habe der Arbeitgeber seinen Beitrag zu dem Zerkleinern des gelieferten Holzes geleistet.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Ansicht, daß die Benutzung betrieblicher Einrichtungen für eigenwirtschaftliche Handlungen, die - wie hier - aus Gefälligkeit zur Verfügung gestellt werden, nicht dem Versicherungsschutz unterliege. Überdies habe sich die Kreissäge in einem betriebssicheren Zustand befunden; die Benutzer hätten das Sägeblatt auch selbst warten und es auf eigene Kosten stanzen müssen. Die Voraussetzungen des § 777 Nr. 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils die Berufung gegen das Urteil des SG Lübeck zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Versicherungsschutz müsse bejaht werden, weil das zerkleinerte Brennholz wesentlich zum Kochen des Viehfutters für die 7 Schweine bestimmt gewesen sei. Das Herrichten von Brennholz habe auch der "reinen" Haushaltsführung gedient (§ 777 RVO). P. habe einen Rechtsanspruch zur Benutzung der Kreissäge gehabt.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
P. stand bei seiner zum Unfall führenden Tätigkeit nicht unter Versicherungsschutz. P. hat kein landwirtschaftliches Unternehmen i. S. des § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO betrieben, denn das setzt voraus, daß er eine eigene Bodenbewirtschaftung gehabt hätte, aus der er die verkauften Schweine mästete (vgl. Urteil des Senats vom 20. März 1973 in SozR Nr. 7 zu § 776 RVO).
Es kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen das Mästen von Schweinen als landwirtschaftlicher Betrieb i. S. des § 776 Abs. 2 RVO i. V. m. der "Entscheidung" des Reichsversicherungsamts vom 2. Juni 1889 (AN 321 Nr. 712) "gilt", denn P. war nicht Unternehmer eines eigentlichen Viehhaltungsbetriebes. Ein Unfall beim Brennholzsägen für den eigenen Bedarf kann im übrigen nur dann als Arbeitsunfall in einem landwirtschaftlichen Unternehmen angesehen werden, wenn entweder die Haushaltungen des Unternehmers und der landwirtschaftlich versicherten Betriebsangehörigen dem Unternehmen i. S. des § 777 Nr. 1 RVO wesentlich dienen oder wenn die Voraussetzungen des § 777 Nr. 2 RVO erfüllt sind. Da P. Melkermeister war und ein Deputat erhielt, könnte der vorliegende Unfall beim Brennholzsägen hiernach als Arbeitsunfall anerkannt werden, wenn die Landwirtschaft und die Haushaltung solcher ständig im Unternehmen Beschäftigten, die als Entgelt vom Unternehmer Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel zur eigenen landwirtschaftlichen Erzeugung erhalten und aus dieser Erzeugung einen wesentlichen Teil ihres Unterhalts bestreiten, als Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens gelten. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 777 Nr. 1 und 2 RVO hat jedoch das LSG unter Bezugnahme auf das Urteil des SG verneint. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch das Vorbringen der Revisionsbeklagten vermag nicht darzutun, daß die Haushaltung des P. dem Unternehmen der W. wesentlich gedient habe (§ 777 Nr. 1) oder daß P. von der Unternehmerin W. "Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel zur eigenen landwirtschaftlichen Erzeugung" (§ 777 Nr. 2) als Entgelt erhalten hätte, die es ihm ermöglichten, einen wesentlichen Teil seines Unterhalts zu bestreiten. In dieser Richtung sind auch keine Verfahrensrügen vorgebracht worden.
Der Senat vermochte der Auffassung in dem angefochtenen Urteil, daß trotz der Eigenwirtschaftlichkeit des Sägens ein Arbeitsunfall i. S. des § 548 RVO deswegen gegeben sei, weil wegen des engen Zusammenhangs des Geschehens mit dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und des Zur-Verfügung-Stellens von Betriebsmitteln ein Arbeitsunfall vorliege, nicht zu folgen.
Ein Arbeitsunfall i. S. der genannten Vorschrift setzt einen inneren Zusammenhang zwischen der z. Zt. des Unfalls verrichteten Arbeit und der versicherten Tätigkeit voraus. An diesem Zusammenhang fehlt es. P. stand zwar zur der Gutsverwaltung "Hof R" als Melkermeister in einem Arbeitsverhältnis. Nach seinem Arbeitsvertrag erhielt er rd. 18000 DM Barlohn und als Deputat u. a. 3 Raummeter Klobenholz jährlich. Das Zerkleinern dieses Holzes hatte er jedoch laut Tarifvertrag selbst zu besorgen. Damit war zwischen den Beteiligten klargestellt worden, daß die Tätigkeit des Holzzerkleinerns dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nicht mehr zuzurechnen ist. Diese Tätigkeit ist also eine eigenwirtschaftliche und war daher nicht mehr dem landwirtschaftlichen Unternehmen der W., sondern dem eigenwirtschaftlich-hauswirtschaftlichen Bereich des P. zuzuordnen. Ein Versicherungsschutz ist auch nicht schon dadurch begründet worden, daß sich der Unfall bei der Benutzung eines Arbeitsgeräts oder einer Betriebseinrichtung ereignet hat, also durch eine für den Betrieb kennzeichnende Gefahr verursacht worden ist (BSG in SozR Nr. 72 zu § 542 RVO aF unter Hinweis auf BSG 14, 295, so schon früher RVA in BG 1918, 5). Denn P. hatte im Zeitpunkt des Unfalls keine Arbeit verrichtet, die ihm auf Grund seines Arbeitsverhältnisses aufgetragen worden war. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Kreissäge von dem Gut R. zum Verrichten der unfallbringenden Tätigkeit zur Verfügung gestellt worden ist. Dies selbst dann nicht, wenn man mit dem LSG aus der Tatsache, daß dieses Gut die betriebseigene Sägeeinrichtung mit einem Trecker als Antriebskraft jahrelang zur Verfügung gestellt hat, die Schlußfolgerung zieht, daß P. damit eine Art Rechtsanspruch auf die Zur-Verfügung-Stellung dieser Geräte erworben hatte. Der eindeutig eigenwirtschaftliche Charakter der unfallbringenden Tätigkeit würde dadurch nicht verändert; denn P. hatte weder nach dem Tarifvertrag noch auf Grund der jahrelangen Übung Anspruch auf zerkleinertes Holz, so daß er bei dem Sägen des Klobenholzes dem Hof R. nicht irgendeine Verpflichtung abgenommen oder eine diesem obliegende Tätigkeit verrichtet hat. Nur dann, wenn nicht vertraglich genau festgelegt worden wäre, daß P. das Zerkleinern des Holzes selbst zu besorgen habe, hätte u. U. ein Unfallversicherungsschutz unter Würdigung der vom LSG hervorgehobenen Gesichtspunkte bejaht werden können. Dieser Auffassung steht die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. März 1969 in Breithaupt 1969, 755 nicht entgegen, da sie einen anderen Sachverhalt und zudem einen Ausnahmefall betrifft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen