Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20.04.1972; Aktenzeichen L 4 I 100/71)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. April 1972 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der jetzt 47 Jahre alte Kläger bezieht wegen erheblicher Schädigungsfolgen – insbesondere Verlust des rechten Beines, ausgedehnte Narben am linken Gesäß, linken Bein und linken Fuß und sonstige Beeinträchtigungen des linken Fußes – die Rente eines Erwerbsunfähigen und Pflegezulage der Stufe I nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er besuchte acht Jahre die Volksschule und zwei Jahre eine kaufmännische Berufsschule (Handelsschule); sodann war er bis Oktober 1942 als kaufmännischer Lehrling tätig. Nach dem Kriege arbeitete der Kläger einige Jahre als Verbandssekretär, war dann Lohnbuchhalter, danach Personal- und Betriebsleiter einer Schirmfabrik, sodann kaufmännischer Leiter einer Bauunternehmung und anschließend Leiter des Ein- und Verkaufs mit Handlungsvollmacht bei einer Baustoffgroßhandlung. Zuletzt war er über 1 Jahr Abteilungsleiter bei der Baustoffgroßhandlung G. in Übach-Palenberg. Er erzielte in den letzten Jahren (1964 bis 1966) vor der Aufgabe seiner Angestelltentätigkeit ein Jahreseinkommen von rund 20.000,– DM.

Der Kläger beantragte im Jahre 1967 einen Berufsschadensausgleich, weil er wegen der anerkannten Schädigungsfolgen den Beruf eines kaufmännischen Angestellten habe aufgeben müssen und sich künftig auf den Betrieb seines Einzelhandelsgeschäftes (Textilhandel) beschränken werde. Der Versorgungsarzt vertrat die Ansicht, dem Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines kaufmännischen Abteilungsleiters im Innen- und Außendienst im Hinblick auf die Schädigungsfolgen nicht zugemutet werden, für ihn komme nur eine sitzende Beschäftigung in Frage. Das Versorgungsamt (VersorgA) gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 30. April 1968 einen Berufsschadensausgleich ab 1. Januar 1967 nach § 3 der Durchführungsverordnung (DVO) vom 28. Februar 1968 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (BGBl I 194) und legte dabei der Berechnung die Leistungsgruppe II, Wirtschaftsbereich Handel, Kreditinstitute – Wirtschaftsgruppe Großhandel – zugrunde. Der Widerspruch, mit dem der Kläger gestützt auf § 3 Abs. 4 DVO die Berechnung des Berufsschadensausgleiches nach der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) begehrte, blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 15. Juli 1968).

Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten nach Beweiserhebung zur Gewährung von Berufsschadensausgleich ab 1. Januar 1968 unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 14, weil der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Geschäftsführer geworden wäre und damit praktisch die Stellung eines Unternehmers gehabt hätte.

Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Beklagten nach weiterer Beweiserhebung, insbesondere nach Anhörung und schriftlichen Äußerungen des Geschäftsführers und Gesellschafters G. der Rheinischen Baustoffwerke zurück und ließ die Revision zu: Zutreffend sei das SG davon ausgegangen, der Kläger wäre ohne die Schädigungsfolgen nichtselbständiger leitender Angestellter geblieben und Geschäftsführer entweder in der Firma G. oder in der Firma M. beides Baustoffgroßhandlungen, geworden. Diese Firmen gehörten neben über 20 anderen Unternehmen dem Firmenverbund W. -K. – Rheinische Baustoffwerke GmbH & CO. KG – an und seien als selbständige juristische Personen errichtet (GmbH bzw. GmbH & CO. KG). Die Leitung der Rheinischen Baustoffwerke habe dem Kläger 1967/68 die offene Position eines Geschäftsführers bei einer der genannten Firmen einräumen wollen, für die er mit seinen Fähigkeiten durchaus geeignet gewesen sei. Wegen der anerkannten Schädigungsfolgen sei der schwer behinderte Kläger aber für die dabei erforderliche Tätigkeit im Außendienst nicht in Betracht gekommen. Der damit gegebene schädigungsbedingt verhinderte Aufstieg im Beruf sei nach § 2 Abs. 3 Satz 2 DVO 68 zu berücksichtigen. Nach dem Erreichen der Position eines Geschäftsführers – einer leitenden Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis – hätte die Einstufung in die Leistungsgruppe II nicht mehr ausgereicht. Denn der Kläger hätte als Geschäftsführer einer der beiden Firmen im Rahmen der abzuwickelnden Handelsgeschäfte selbständige Dispositionsmöglichkeiten gehabt, zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen eine der beiden Baustoffgroßhandlungen vertreten und im Personalbereich die Entscheidungsbefugnis zur Einstellung und Entlassung von Tarif angestellten gehabt; er hätte unternehmerische Funktionen ausgeübt und lediglich einer allgemeinen Aufsicht durch die Geschäftsleitung der Rheinischen Baustoffwerke unterstanden. Seiner Aufsichts- und Dispositionsbefugnis wäre bei den 1967 bis 1970 erzielten Umsätzen der beiden Firmen (5 bis 11 Millionen jährlich) erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zugekommen, es seien größere Unternehmen gewesen. Dem habe der relativ geringe Personalbestand – bei der Firma G. 2 Prokuristen, 1 Handlungsbevollmächtigter und 16 Angestellte und Arbeiter, bei der Firma M. 1 Prokurist, 1 Handlungsbevollmächtigter und 12 Angestellte und Arbeiter – nicht entgegengestanden, handle es sich doch bei Baustoffgroßhandlungen um mechanisierte Unternehmen. Ähnliche Positionen seien nach den Registerauszügen in den beiden Firmen an Hochschulabsolventen (Dipl.-Ing., Dipl.-Kaufmann) vergeben worden. Auch die Dotierung dieser Position (nach Angaben des Zeugen G. 2 bis 3.000,– DM mtl. Gehalt, 13. Monatsgehalt, Tantieme von etwa 20.000,– DM jährlich, gesetzliche Altersversorgung) bestätige die Richtigkeit der Einstufung.

Die Revision rügt eine Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG, des § 3 DVO 68, der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG): Selbst wenn man davon ausgehe, daß der Kläger ohne Schädigungsfolgen Geschäftsführer in einer der beiden Firmen geworden wäre, rechtfertige der vom LSG angenommene Sachverhalt, der überdies verfahrensfehlerhaft festgestellt worden sei, das Urteil nicht. Das LSG habe die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Begriff des leitenden Angestellten nicht in vollem Umfange richtig erfaßt. Es habe sich für die Bejahung der erforderlichen Dispositions- und Aufsichtsbefugnis damit begnügt, daß der Kläger unternehmerische Funktionen ausgeübt hätte und daß die Betriebe, in denen er an führender Stelle tätig geworden wäre, bestimmte Umsätze erzielten und angeblich zu den größeren Unternehmen der Branche gehörten. Diese Merkmale genügten aber nicht für die Einstufung nach A 14; Voraussetzung sei vielmehr eine entsprechende Größe und Bedeutung des Unternehmens, ferner müßten hinsichtlich eines wesentlichen Teilbereiches die übertragenen Funktionen selbständig und selbstverantwortlich wahrgenommen werden. Eine solche Folgerung könne aber aus dem festgestellten Sachverhalt nicht gezogen werden. Die Befugnisse des Klägers hätten schon wegen der geringen Zahl der ihm unterstellten Personen keine besondere Bedeutung haben können, ganz abgesehen davon, daß das LSG bei diesen Personen nicht nach Arbeitern und möglicherweise nur mit einfacher Büroarbeit betrauten Angestellten unterschieden habe. Das Urteil lasse nicht erkennen, inwieweit eine selbständige Dispositionsbefugnis bestanden habe. Die Bezeichnung „Geschäftsführer einer GmbH” und die festgestellte Vertretungsbefugnis bei „allgemeiner Aufsicht” durch die „Konzernleitung” reichten für die Beurteilung nicht aus. Das LSG habe auch nicht ermittelt, wie weit die Handlungsfreiheit der beiden für den Kläger in Betracht kommenden Firmen im Rahmen eines aus über 20 Unternehmen bestehenden „Konzerns” eingeschränkt gewesen wäre. Von einer „sehr umfangreichen Aufsichts- und Dispositionsbefugnis” könne daher keine Rede sein, woran auch der Hinweis auf die akademische Bildung anderer Geschäftsführer nichts ändern könne.

Die Einstufung des Klägers wäre aber auch dann fehlerhaft, wenn das LSG aus der von ihm bejahten „allgemeinen Aufsichtsbefugnis” entnommen hätte, die Befugnisse des Klägers wären nicht infolge der Zugehörigkeit der Firmen G. oder M. zu einem „Konzern” eingeschränkt gewesen. Denn eine solche Feststellung wäre unter Verletzung des § 103 SGG zustande gekommen, weil sie im Gesamtergebnis des Verfahrens keine Stütze finde. Der Kläger hätte nämlich nach der Aussage des Zeugen G. auch als Geschäftsführer einer dieser Firmen der Geschäftsführung der Rheinischen Baustoffwerke GmbH & Co. KG unmittelbar unterstanden. Hierzu hätte das LSG Ermittlungen anstellen müssen, entsprechende Verträge der Rheinischen Baustoffwerke mit anderen Geschäftsführern beiziehen und ferner eine etwaige Beschränkung der Entscheidungsbefugnis der Geschäftsführer im Personalbereich beachten müssen. Der frühere Anstellungsvertrag des Klägers als Abteilungsleiter bei der Firma G. lasse nämlich vermuten, daß die „Konzernleitung” auf die Tätigkeit der untergeordneten Unternehmen sogar unter Umgehung der jeweiligen Geschäftsführer einzuwirken vermöge, ferner, daß der Kläger auch als Geschäftsführer der Firmen G. und M. anderen Angestellten der Rheinischen Baustoffwerke unterstellt gewesen wäre. Der Umsatz dieser Firmen und ihre Bezeichnung als „größere Unternehmen” reichten nicht aus, um den Begriff der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung auszufüllen. Soweit das LSG diese Tatsachen festgestellt haben sollte, habe es gegen die §§ 103, 128 SGG verstoßen. Der Zeuge G. habe die Firmen G. und M. nur als mittlere Unternehmen bezeichnet, die Industrie- und Handelskammer Aachen, die von größeren Unternehmen gesprochen habe, habe keinen weiteren Überblick gehabt. Das LSG hätte hierzu einen Wirtschaftsprüfer hören müssen, es habe keine ausreichende eigene Sachkunde gehabt, um eine „erhebliche wirtschaftliche Bedeutung” der beiden für den Kläger in Betracht kommenden Firmen festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des LSG und des Urteils des SG abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Verfahrensrügen für nicht begründet: Für eine eingeschränkte Dispositionsbefugnis ergäben die Unterlagen keine Anhaltspunkte. Die Rheinischen Baustoffwerke seien eine Dachgesellschaft, die keinen Einfluß auf die einzelnen Geschäfte der Tochtergesellschaften nehme. Dem Geschäftsführer und dem 1. Buchhalter der Tochtergesellschaften werde von der „Konzernleitung” Prokura erteilt, letzterer werde vom Geschäftsführer eingestellt. Die Prokura ermächtige nach § 49 des Handelsgesetzbuches (HGB) in der Regel zu allen Geschäften, die der Betrieb mit sich bringe: dies sei vom Zeugen G. im Falle des Klägers bestätigt worden. Diesbezügliche Einzelheiten seien dem Schreiben der Rheinischen Baustoffwerke vom 18. September 1969 zu entnehmen; die frühere Einschränkung in der Dispositionsbefugnis des Klägers als Abteilungsleiter bei dem Aufbau der Abteilung Hochbaustoffe der Firma … gebe nichts für seine Befugnisse als Geschäftsführer her. Die Größe und Bedeutung der Firmen G. und M. sei auch daraus ersichtlich, daß es sich bei ihnen um die einzigen Vertriebsfirmen der Rheinischen Baustoffwerke handle. Diese Firmen könnten zwar im Bereich der Bundesrepublik Deutschland nur mittlere Unternehmen sein, müßten aber im linksrheinischen Raum als Großunternehmen gelten. Bei den erzielten Millionenumsätzen komme der Aufsichts- und Dispositionsbefugnis eines Geschäftsführers erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Industrie- und Handelskammer Aachen habe dies besser beurteilen können als ein Wirtschaftsprüfer. Eine weitere Sachaufklärung sei nicht vonnöten gewesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG), Sie erweist sich insofern als begründet, als unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.

Nach § 30 Abs. 3 u. 4 BVG in der hier anzuwendenden Neufassung vom 20. Januar 1967 (BGBl I 141) nach dem. 3. Neuordnungsgesetz vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) i.V.m. der Verordnung zu § 30 Abs. 3 u. 4 BVG vom 28. Februar 1968 (BGBl I 194) ist bei der Ermittlung des für den Berufsschadensausgleich maßgebenden Durchschnittseinkommens ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 3 Satz 2 DVO). Gemäß § 3 Abs. 4 DVO gilt bei kaufmännischen und technischen Angestellten, die 1.) einen beruflichen Werdegang nachweisen, nach dem sie wahrscheinlich eine leitende Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis erreicht hätten und 2.) deren Tätigkeit mit einer Eingruppierung in die Leistungsgruppe II (Abs. 1 Satz 3 Buchst. d) nicht ausreichend bewertet wird, als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 BBesG zuzüglich der gesetzlichen Zuschläge. Es genügt also für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 14 nicht – alternativ – eine der unter 1.) und 2.) genannten Voraussetzungen, sondern es müssen – kumulativ – beide Voraussetzungen erfüllt sein. Die Feststellung des LSG, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich vom Abteilungsleiter bei der Firma G. zum Geschäftsführer bei dieser Firma oder bei der Firma M. aufgestiegen wäre, ist von der Revision nicht angegriffen und damit für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Der Beklagte meint jedoch, der Kläger hätte auch als Geschäftsführer schon die erste Voraussetzung des § 3 Abs. 4 DVO nicht erfüllt, die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des LSG seien unter Verletzung der §§ 103, 128 SGG zustandegekommen. Der erkennende Senat hält diese Verfahrensrügen im wesentlichen für begründet. Er hat das Urteil des LSG im vorliegenden Fall jedoch nicht nur im Rahmen dieser Rügen nachzuprüfen. Denn bei einer zugelassenen Revision muß das Urteil des LSG ohne Beschränkung auf geltend gemachte Verfahrensrügen auch dann aufgehoben werden, wenn es den Sachverhalt nur undeutlich und nicht erschöpfend angibt und das Revisionsgericht deshalb die Rechtsauffassung des LSG nicht überprüfen kann (BSG SozR Nr. 6 zu § 163 SGG). Dies ist hier der Fall.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die in § 3 Abs. 4 DVO erfaßte Gruppe von Angestellten in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis „nach unten” dadurch abgegrenzt wird, daß diese Angestellten aufgrund der Merkmale ihrer Tätigkeit über den der Leistungsgruppe II zuzurechnenden Angestellten stehen müssen. Da zur Leistungsgruppe XI bereits „Angestellte mit besonderen Erfahrungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben” (ferner „Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen”) gehören und sonach Angestellte in leitender Stellung sein können, ist ein entscheidendes Merkmal für die nach § 3 Abs. 4 DVO zu beurteilende Gruppe von Angestellten eine gegenüber den zur Leistungsgruppe II zu rechnenden Angestellten weitergehende, sehr umfangreiche, wenn auch im Hinblick auf das Weisungsrecht jedes Arbeitgebers notwendigerweise nicht völlig uneingeschränkte Aufsichts- und Dispositionsbefugnis. Nach der vom erkennenden Senat und auch vom LSG zugrunde gelegten Rechtsprechung des BSG, die an die Rechtsprechung zu den im wesentlichen nach gleichen Gesichtspunkten abgegrenzten Definitionen der Leistungsgruppen 1 und 2 in Anlage 1 Buchst. B zu § 22 Fremdrentengesetz anknüpft, fallen unter § 3 Abs. 4 DVO nur jene zur Spitzengruppe der leitenden Angestellten gehörenden Personen, die in oder unmittelbar unter der Geschäftsleitung stehend eine selbständige und selbstverantwortliche Aufsichts- und Dispositionsbefugnis innerhalb des Gesamtunternehmens oder doch eines bedeutenden Teils des Unternehmens besitzen, kraft deren sie unternehmerische Entscheidungen treffen dürren, die ein entsprechendes Risiko umfassen und geeignet sind, das Unternehmensergebnis wesentlich zu beeinflussen. Im Wesen einer solchen Funktion liegt es, daß auch Größe und Bedeutung des Unternehmens oder des Unternehmensteils dabei eine Rolle spielen (vgl. hierzu BSG 24, 113; Urteile des BSG vom 22.5.1969, veröffentlicht SozR Nr. 5 zu § 3 DVO 64 = BVBl 1970, 13; vom 11.11.1969, veröffentlicht BVBl 1970, 94 und vom 26.1.1972 – 10 RV 597/70 –).

Das LSG hat zwar festgestellt, daß alle diese auch nach der Auffassung des erkennenden Senats rechtserheblichen Tatsachen beim Kläger, falls er Geschäftsführer der Firma G. oder der Firma M. geworden wäre, vorgelegen hätten; seine Feststellungen sind aber insofern unvollständig, als es die Firmen G. und M. im wesentlichen als selbständige Unternehmen betrachtet hat und nicht genügend auf die Zugehörigkeit dieser Firmen zu den Rheinischen Baustoffwerken GmbH & Co. KG (dem „Firmenverbund W. -K.”) und die sich hieraus möglicherweise ergebenden Folgerungen für die Position des Klägers eingegangen ist. Insoweit hat es sich nicht mit den Aussagen des Zeugen G. und dessen ergänzenden schriftlichen Äußerungen, auf die es sich im wesentlichen gestützt hat, begnügen dürfen, weil diese zu unbestimmt gehalten sind. Der Zeuge hatte sich in der Bescheinigung für das Versorgungsamt Aachen vom 6. August 1969 als Gesellschafter und Geschäftsführer der Rheinischen Baustoffwerke und als Geschäftsführer der „Tochtergesellschaften” G. und M. bezeichnet. Nach den vom LSG beigezogenen, jedoch nicht weiter ausgewerteten Handelsregisterauszügen für die Firmen G. und M. hat die Firma G. in der hier in Betracht kommenden Zeit überwiegend nicht nur einen, sondern mehrere Geschäftsführer gehabt; über eine etwaige Abgrenzung der Befugnisse der Geschäftsführer untereinander ist vom LSG nichts festgestellt; über die Befugnisse des Klägers als Geschäftsführer bei der Firma M. ergibt der Handelsregisterauszug nichts. Es ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, inwiefern der Kläger, falls er Geschäftsführer geworden wäre, nach den Angaben des Zeugen G. in seinem Schreiben vom 1. März 1972 in der gesamten maßgebenden Zeit „vollkommen selbständige Dispositionsmöglichkeiten” gehabt hätte und – wie das LSG festgestellt hat – nur einer „allgemeinen Aufsicht” durch die Geschäftsleitung der Rheinischen Baustoffwerke unterworfen gewesen wäre. Insoweit hätte das LSG, worauf der Beklagte in der Revision zutreffend hinweist, die Verträge, die das Verhältnis der Rheinischen Baustoffwerke zu den Firmen G. und M. regeln, beiziehen und sich ferner auch Arbeitsverträge zwischen Geschäftsführern der beiden Firmen und den Rheinischen Baustoffwerken zum Vergleich vorlegen lassen müssen. Es ist nicht auszuschließen, daß sich hieraus weitergehende Abhängigkeiten und Beschränkungen der „Aufsichts- und Dispositionsbefugnis” des Klägers, falls er Geschäftsführer geworden wäre, ergeben könnten. Auf jedenfalls zur Zeit des Ausscheidens des Klägers als Abteilungsleiter bei der Firma C. und später noch bestehende enge personelle Verflechtungen der Firmen G. und M. mit den Rheinischen Baustoffwerken könnten deren Angaben vom 18. September 1969 hindeuten, wonach damals die Rheinischen Baustoffwerke alleinige Gesellschafter der Firma G. gewesen sind, und weiter aber auch die Aussage des Zeugen B. vom 4. Dezember 1969, er sei „Prokurist bei der Firma Rheinische Baustoffwerke und der Firma G”. Es ist nicht ersichtlich, ob etwa der Zeuge B. einer der beiden Prokuristen wäre, die nach dem Schreiben des Zeugen G. vom 1. März 1972 ab 1. Januar 1967 dem Kläger als Geschäftsführer „unterstanden” hätten und ob nicht etwa auch weitere Personen, die das LSG als – nur – dem Kläger unterstellte Arbeitnehmer der Firmen G. oder M. betrachtet hat, zugleich Beschäftigte der Rheinischen Baustoffwerke gewesen und damit mehr oder weniger deren Weisungen und nicht nur etwa den Weisungen des Klägers unterlegen wären. Auf diese Möglichkeiten könnte hindeuten, daß für die Rheinischen Baustoffwerke und die Firma G. dieselbe Anschrift angegeben ist und nach dem in den Akten enthaltenen Verzeichnis der zu dem Firmenverbund gehörenden Firmen „Verwaltung und Verkauf” für vielleicht alle Firmen sich im Haus W. – K. befinden, in dem auch die Firma G. ihren Sitz, hat. Soweit der Zeuge G. eine uneingeschränkte Dispositionsbefugnis des Klägers als Geschäftsführer „im Rahmen der abzuwickelnden Handelsgeschäfte” bestätigt hat, ist nicht erkennbar, ob dieser Rahmen vom Kläger als Geschäftsführer der Firma G. oder der Firma M. bestimmt worden wäre oder ob etwa die Rheinischen Baustoffwerke darauf Einfluß gehabt hätten. Die sich für den Kläger aus den §§ 48 ff HGB ergebenden Befugnisse innerhalb der Firmen G. oder M. wären zwar für seine Eingruppierung nicht unerheblich, beträfen aber nur die Vertretungsbefugnis nach außen und schließen eine Abhängigkeit von den Rheinischen Baustoffwerken im Innenverhältnis nicht ohne weiteres aus. Da es sich bei den beiden Firmen; wenn auch nicht rechtlich, so doch wirtschaftlich nur um Teilbetriebe der Rheinischen Baustoffwerke handeln könnte, dürfte es schließlich weniger darauf ankommen, ob diese Firmen im Verhältnis zu anderen, nicht dem Firmenverbund W. – K. angehörenden Unternehmen des Baustoffgroßhandels als „mittlere Unternehmen” – so der Zeuge G. – oder als „größere Unternehmen” – so ohne Vergleichsangabe die Industrie- und Handelskammer Aachen – zu betrachten sind, sondern darauf, welche wirtschaftliche Bedeutung diese Firmen innerhalb des Firmenverbundes W. – K. d. h. der Rheinischen Baustoffwerke haben.

Der erkennende Senat kann aufgrund der bisher vom LSG festgestellten Tatsachen unter diesen Umständen nicht beurteilen, ob die Rechtsauffassung des LSG hinsichtlich des für den Kläger maßgebenden „Vergleichseinkommens” zutrifft, er darf die erforderlichen weiteren Ermittlungen auch nicht selbst durchführen. Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG sonach aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Über die Kosten des Revisionsverfahrens ist im abschließenden Urteil zu beschließen.

 

Unterschriften

Dr. Schwarz, Dr. Baresel, Dr. Renner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926511

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