Orientierungssatz

Wird dem Versorgungsempfänger rückwirkend eine Entschädigungsrente zugebilligt und ergibt sich hierdurch eine Überzahlung der Versorgungsleistungen, kann die Versorgungsbehörde die Rückerstattung nach KOV-VfG § 47 verlangen. Der Umstand, daß diese Überzahlung nicht rechtzeitig vor der Auszahlung des Nachzahlungsbetrages an Entschädigungsrente als "übergegangene Forderung" gegenüber der Entschädigungsbehörde geltend gemacht worden ist (BVG § 71b), hinderte sie daran nicht.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1960-06-27, Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Fassung: 1975-06-09; BVG § 71b Fassung: 1960-06-27; BVG§33DV § 2 Abs. 1 Nr. 9 Fassung: 1974-12-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 1975 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin und ihr während des gerichtlichen Verfahrens verstorbener Ehemann Willi F (F.) bezogen erhöhte Elternrente gemäß § 51 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach ihrem im Januar 1945 gefallenen - bzw., wie die Klägerin glaubt, verschollenen - einzigen Kind Hermann (Bescheid vom 5. Februar 1957; Beginn der Versorgungsleistungen am 1. November 1956). Mit Schreiben vom 30. März 1972 teilte die Klägerin der Versorgungsverwaltung mit, daß ihr vom Bayerischen Landesentschädigungsamt (BLEA) ab 1. April 1972 eine laufende Rente in Höhe von 613,- DM gezahlt werde. Auf Rückfrage der Versorgungsverwaltung teilte das BLEA am 18. April 1972 mit, daß die Klägerin aufgrund des Endurteils des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 17. Januar 1969 - bestätigt durch den Bundesgerichtshof (BGH) - für Schaden an Körper oder Gesundheit rückwirkend ab 1. November 1953 eine laufende Rente und für die Zeit vom 1. Januar 1937 bis 31. Oktober 1953 eine Kapitalentschädigung erhalte. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 1937 bis 31. März 1972 habe insgesamt 88.748,20 DM betragen und sei am 20. März 1972 an die Klägerin zur Auszahlung angewiesen worden. Bei der Rentenfestsetzung sei die Elternrente nach dem BVG nicht berücksichtigt worden. An den Ehemann der Klägerin wurde gleichzeitig eine Nachzahlung von 23.455,- DM geleistet (Zeitraum vom 1. November 1953 bis 31. Dezember 1959). Die Versorgungsverwaltung stellte darauf die Zahlungen vorsorglich ab 1. Mai 1972 ein (Mitteilung vom 21. April 1972). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. September 1972 stellte das Versorgungsamt die Elternrente für die Eheleute F. ab 1. November 1956 neu fest, errechnete eine Überzahlung von 45.218,- DM und forderte diesen Betrag gemäß § 47 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zurück. Der Widerspruch der Eheleute F. war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1973). Mit einem weiteren Bescheid vom 3. Mai 1973 wurde die Elternrente ab 1. Januar 1972 endgültig auf 0,- DM festgesetzt (Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1973).

Im Klageverfahren wandte sich die Klägerin nur noch gegen den Rückforderungsanspruch. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 29. Juli 1974 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 13. Mai 1975 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat ausgeführt, eine Neufeststellung der Elternrente sei gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG wegen einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gerechtfertigt gewesen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 der DVO zu § 33 BVG blieben Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) nur dann als auf die Versorgungsbezüge anzurechnendes Einkommen unberücksichtigt, wenn bei ihrer Bemessung Leistungen nach dem BVG angerechnet worden seien. Das sei hier jedoch nicht geschehen. Der Hinweis der Klägerin auf die "doppelte Anrechnung" der gewährten Entschädigungsleistungen gehe fehl. Der Rückforderung überzahlter Elternrente stehe auch die Bestimmung des § 71 b BVG nicht entgegen. Der Rückerstattungsanspruch der Beklagten finde in § 47 Abs. 2 Buchstabe b VerwVG eine ausreichende Rechtsgrundlage. Allein die Höhe der der Klägerin vom BLEA gewährten Nachzahlung von mehr als 88.000,- DM lasse die Rückerstattung von Versorgungsbezüge in Höhe von rund 45.000,- DM mehr als vertretbar erscheinen. Die Verwendung eines Teiles der Nachzahlung zur Schuldentilgung sei von der Klägerin nicht nachgewiesen. Die Geltendmachung der Rückerstattungsforderung durch den Beklagten stelle auch keine unzulässige Rechtsausübung dar.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 7. Juli 1975 zugestellt, die dagegen am 6. August Revision eingelegt und diese am 27. August 1975 begründet hat.

Die Klägerin beantragt:

"1.)

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 1975 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Juli 1974 sowie der Bescheid des Versorgungsamtes vom 26. September 1972 und der Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes vom 25. Januar 1973 werden insoweit aufgehoben, als überzahlte Versorgungsbezüge zurückgefordert worden sind.

2.)

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits."

In ihrer Revisionsbegründung rügt sie eine Verletzung des § 47 Abs. 2 VerwVG und trägt dazu vor, nach allen ihr gegenüber abgegebenen Erklärungen der Behörden habe sie mit Sicherheit annehmen müssen, daß ihr die Leistung der Elternrente zugestanden habe und daß davon keinerlei Abzüge oder Rückforderungsbeträge abgezogen werden könnten. Nach dem rechtskräftigen Urteil des OLG München vom 17. Januar 1969 habe sie "anrechenbare Vorleistungen" nach § 10 BEG nicht erhalten. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Rückzahlungsforderung nicht "mehr als vertretbar", sondern bedeute eine große Härte und widerspreche daher § 47 Abs. 2 Buchstabe b VerwVG. Wenn von den erhaltenen DM 88.000,- DM 45.000,- Rückerstattung abgezogen werden müßten, würden ihr nur 43.000,- DM verbleiben. Allein für Prozeßzwecke habe sie DM 9.350,- ausgeben müssen. In gutem Glauben habe sie von der Nachzahlung ein im Jahre 1944 auf Dollar-Basis gewährtes Darlehen zurückgezahlt (zusammen DM 106.000,-); damit sei praktisch die Entschädigungsleistung mehr als aufgezehrt.

Im März 1972 habe sie sehr erhebliche Vermögensdispositionen vornehmen müssen. Allerdings könne sie die Tatsache der Schuldentilgung nicht urkundlich oder durch Zeugen beweisen. Neben der Härteklausel stelle die Rückerstattungsforderung auch eine unzulässige Rechtsausübung dar. Das Versorgungsamt Rottweil sei schon seit Jahren darüber informiert gewesen, daß um Entschädigungsleistungen nach dem BEG prozessiert werde, ohne einen Ersatzanspruch angemeldet zu haben. Im Spätherbst 1968 sei ihr von dem zuständigen Sachbearbeiter im Versorgungsamt erklärt worden, daß die Elternrente nicht zurückgefordert werde. Es sei ein Versäumnis der Behörden, wenn sie erst 1972 den Rückforderungsanspruch geltend gemacht hätten.

Der Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 1975 als unbegründet zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Eheleute F. seien bereits durch das Schreiben des Versorgungsamtes vom 15. Februar 1963 über die Rechtslage, insbesondere nach § 33 BVG, und über die etwaige Anrechnung von anderen Leistungen auf die Elternrente belehrt worden. Mit einem weiteren Schreiben vom 26. November 1969 sei die Klägerin erneut auf die etwaige Neufeststellung der Elternrente und die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs hingewiesen worden. Nach Bekanntwerden des Urteils des OLG München sei dann sofort - unter Einstellung der laufenden Leistungen - die Neufeststellung erfolgt und die Rückforderung geltend gemacht worden. Eine unangemessen lange Bearbeitungszeit liege somit nicht vor. Im Hinblick auf die erhaltene Nachzahlung in Höhe von insgesamt 112.203,- DM könne auf die Rückforderung gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG nicht verzichtet werden. Als Rechtsgrund des geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs habe das LSG nicht § 47 Abs. 2 Buchst. a, sondern Buchst. b VerwVG angesehen. Eine nähere Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung sei dem LSG mangels nachprüfbarer Angaben der Klägerin verwehrt gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die vom LSG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist von der Klägerin frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig (§ 169 SGG); sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist aus eigenem Recht (aus eigener Verpflichtung) und als Rechtsnachfolgerin und Erbin ihres während des Klageverfahrens verstorbenen Ehemannes zur Rückzahlung der überzahlten Elternrente verpflichtet.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Klägerin mit der Klage und mit der Berufung nur gegen den Rückforderungsanspruch des Beklagten in Höhe von 45.218,- DM gewandt hat. Diese Beschränkung des Streitstoffes ergibt sich eindeutig aus dem Vorbringen und den entsprechenden Anträgen der Klägerin. Der angefochtene Bescheid vom 26. September 1972 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1973, der zwei selbständige Regelungen enthält - Neufeststellung und Rückforderung -, ist daher hinsichtlich der Neufeststellung der Elternrente bindend geworden (§ 24 VerwVG, § 77 SGG). Das gleiche trifft auf den Bescheid vom 3. Mai 1973 zu. Damit steht zwischen den Beteiligten fest, daß die Versorgungsverwaltung zur Neufeststellung der Versorgungsbezüge gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG berechtigt war und daß sich dabei eine Überzahlung in der angegebenen Höhe ergibt.

Zu Unrecht meint die Klägerin, daß die Entschädigungsleistungen überhaupt nicht auf die Versorgungsleistungen angerechnet werden dürften. Die Elternrente ist eine vom Einkommen abhängige Leistung, die nur gewährt wird, wenn "anzurechnendes Einkommen" nicht oder nicht in hinreichender Höhe vorhanden ist (vgl. § 51 Abs. 4 BVG und die dortige Verweisung auf § 33 BVG).

Einkommen i. S. dieser Vorschrift sind nach § 1 Abs. 1 der DVO zu § 33 BVG "alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle und Rechtsnatur". Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 DVO bleiben unberücksichtigt (anrechnungsfrei): Leistungen nach dem BEG, sofern bei ihrer Bemessung Leistungen nach dem BVG angerechnet werden. Das ist jedoch hier nach den Feststellungen des LSG, das sich dabei auf das Urteil des OLG München und auf die Mitteilung des BLEA vom 18. April 1972 gestützt hat, nicht der Fall. Die Voraussetzungen des § 10 BEG sind gleichfalls nicht gegeben; die Elternrente ist keine Verfolgten-Entschädigungsleistung. Der Beklagte hat daher gesetzmäßig die (rückwirkend) zugesprochene Entschädigungsrente auf die für die gleiche Zeit gewährte Elternrente angerechnet und eine "Überzahlung" von Versorgungsleistungen festgestellt. Gemäß § 47 Abs. 1 VerwVG sind zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten; der Einwand der nicht mehr vorhandenen Bereicherung ist ausgeschlossen (vgl. jetzt § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VerwVG i. d. F. des 7. Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG vom 9. Juni 1975, BGBl I S. 1321 - 7. AnpG-KOV). Beruht die Überzahlung - wie hier - auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, so ist der Empfänger - oder der Nachfolger bzw. Erbe (vgl. BSGE 24, 190) - zur Rückzahlung der Versorgungsleistungen (nur) verpflichtet,

a)

soweit er beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand, oder

b)

soweit die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers oder der Höhe einer ihm von einem Träger der Sozialversicherung, einem öffentlich-rechtlichen Dienstherren oder einer öffentlich-rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung vertretbar ist (§ 47 Abs. 2 VerwVG a. F.).

Das 7. AnpG-KOV hat insoweit keine Rechtsänderung gebracht, sondern lediglich die bisherigen Absätze 1 bis 3 in einer Vorschrift zusammengefaßt.

Das LSG ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, daß der Rückforderungsanspruch in § 47 Abs. 2 Buchst. b VerwVG a. F. eine ausreichende Rechtsgrundlage findet. Das LSG hat daher davon abgesehen und auch nicht zu prüfen brauchen, ob auch die Voraussetzungen des Buchstaben a dieser Vorschrift gegeben sind. Auf die entsprechenden Ausführungen der Klägerin in ihrer Revisionsschrift kommt es daher nicht an. Lediglich ergänzend soll darauf hingewiesen werden, daß die Klägerin schon in ihrer Klageschrift zum Ausdruck gebracht hat, daß sie und ihr Ehemann mit einer Rückzahlungspflicht gerechnet hätten (siehe auch die Schreiben der Versorgungsverwaltung vom 15. Februar 1963 und 26. November 1969).

Die hier einschlägige Vorschrift des § 47 Abs. 2 Buchst. b VerwVG a. F. enthält zwei Alternativen. Lediglich in der ersten Alternative wird auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers abgestellt, während bei der zweiten Alternative die Vertretbarkeit der Rückforderung allein nach der "Höhe der Nachzahlung" zu beurteilen ist. Wenn das LSG auch insoweit die "wirtschaftliche Vertretbarkeit" geprüft - und bejaht - hat (vgl. BSGE 11, 44; 21, 27, 30), so ist es - allerdings zugunsten der Klägerin - noch über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gegangen.

Allein die Höhe der vom BLEA - einer öffentlich-rechtlichen Kasse - geleisteten Nachzahlung läßt hier die Rückforderung vertretbar erscheinen. Der Klägerin sind nämlich nicht nur 88.000,- DM, sondern - zusammen mit ihrem Ehemann - insgesamt 112.203,- DM zugeflossen. Nach den Feststellungen des LSG, die von der Revision nicht wirksam angegriffen und daher für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG), hat die Klägerin die Verwendung wenigstens eines Teils der Nachzahlung zur Schuldentilgung nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat weder die Anschrift des Gläubigers noch die seines Sohnes, an den die Rückzahlung erfolgt sein soll, angeben können. Sie hat auch keine Quittungen oder Bankbelege vorlegen können. Neue Beweisanträge - hier: Benennung des Direktors der Kreissparkasse in B. als Zeugen - sind in der Revisionsinstanz unstatthaft, ganz abgesehen davon, daß die überaus schnelle Barabhebung des Gesamtbetrages der Nachzahlung durchaus andere Gründe gehabt haben kann. Liegt aber ein gesicherter Nachweis über eine notwendige Schuldentilgung nicht vor, dann hätte es die Höhe der Nachzahlung der Klägerin ohne weiteres gestattet, zunächst den Rückforderungsanspruch des Beklagten in Höhe von 45.218,- DM zu tilgen. Auch nach Abzug dieses Betrages wäre der Klägerin noch der weitaus größere Teil der Nachzahlung zur freien Verfügung verblieben (vgl. Urteil BSG vom 11. September 1975 - 9 RV 30/75 -).

Die Klägerin hat sich lediglich den Umstand zunutze gemacht, daß die Versorgungsverwaltung ihren Erstattungsanspruch nicht rechtzeitig beim zuständigen LEA angemeldet hatte. Das Versorgungsamt hatte zwar mit Schreiben vom 26. November 1969 (vgl. Bl. 126 R der Vers. Akten) "vorsorglich gem. § 71 b BVG Ersatzanspruch geltend gemacht". Dieses Schreiben war jedoch nicht an das BLEA in München, sondern an das Amt für Wiedergutmachung in Stuttgart gerichtet. Dieses teilte dem Versorgungsamt daraufhin mit, daß die Klägerin "in unseren Karteien als Antragstellerin nicht registriert" ist. Eine Anfrage des Versorgungsamtes, "von welcher Stelle die Zahlung erfolgt", hatte die Klägerin nicht beantwortet. Nachteile zu Lasten des Beklagten können aus dieser fehlgeleiteten Anmeldung des Ersatzanspruchs nicht hergeleitet werden. Die Versorgungsverwaltung muß es lediglich in Kauf nehmen, daß ihr jetzt bei der Durchsetzung ihres Rückforderungsanspruchs Schwierigkeiten entstehen, die bei einer rechtzeitigen Anmeldung und Übertragung von Kasse zu Kasse vermieden worden wären. Die Rechtsstellung der Klägerin und ihre wirtschaftliche Lage sind dadurch nicht verschlechtert worden.

Die Beklagte ist berechtigt, den Rückforderungsanspruch unmittelbar gegenüber der Klägerin geltend zu machen. Zwar gehen nach § 71 b BVG die Ansprüche des Versorgungsberechtigten gegen öffentlich-rechtliche Dienstherren oder Kassen insoweit auf den Kostenträger der KOV über, als sie zur Minderung oder zum Wegfall der Versorgungsleistungen führen. Dieser Forderungsübergang erfolgt jedoch nicht an Erfüllungs Statt (§ 364 BGB), sondern erfüllungshalber. Die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs unmittelbar gegen den Versorgungsberechtigten im Rahmen des § 47 VerwVG wird dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. BSGE 26, 106). Der Beklagte hat auch keine unangemessen lange Zeit verstreichen lassen, um seine Rechte geltend zu machen. Sofort nach Bekanntwerden des Obsiegens der Klägerin in dem Entschädigungsprozeß und der Auszahlung der dort zugesprochenen Leistungen (vgl. Schreiben des BLEA vom 18. April 1972, Bl. 187) ist die Versorgungsverwaltung tätig geworden, hat die Zahlung der laufenden Versorgungsbezüge eingestellt (vgl. Mitteilung vom 21. April 1972, Bl. 188) und - nach endgültiger Klärung - den Neufeststellungs- und Rückforderungsbescheid vom 26. September 1972 erlassen. Eine unzulässige Rechtsausübung gegenüber der Klägerin kann darin um so weniger gesehen werden, da die Versorgungsverwaltung die Klägerin wiederholt - zuletzt mit zwei Schreiben vom 26. November und 15. Dezember 1969 (Bl. 126 und 131 der Vers. Akten), also zeitlich nach dem von der Klägerin behaupteten Gespräch mit dem Versorgungsbeamten W. vom "Spätherbst 1968" - auf die Rechtslage und die Verpflichtung zur Neufeststellung hingewiesen hatte.

Die Rückforderung stellt auch nicht deshalb eine unzulässige Rechtsausübung dar, weil sie für einen Zeitraum geltend gemacht wird, der mehr als 4 Jahre seit Beginn des Jahres zurückliegt, in dem der Rückforderungsbescheid ergangen ist (vgl. BSGE 21, 27, 33). Diese Entscheidung des erkennenden Senats (vom 17. April 1964) war dadurch gekennzeichnet, daß die Versorgungsverwaltung eine "unangemessen lange Bearbeitungszeit" bis zur Geltendmachung ihres Rückforderungsanspruchs gebraucht hatte. Lediglich unter diesem Gesichtspunkt - Untätigkeit der Versorgungsverwaltung über lange Zeiträume - ist eine unzulässige Rechtsausübung vom Senat angenommen worden. In Ergänzung zu diesem Urteil hat der 9. Senat des BSG in einer zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung vom 11. September 1975 - 9 RV 30/75 - ausgesprochen, daß Rückerstattungsansprüche nach § 47 Abs. 2 Buchstabe b VerwVG, die Versorgungsbezüge betreffen, welche weiter als vier Kalenderjahre vor Erteilung des Rückforderungsbescheides zurückliegen, nur verwirken, wenn der Versorgungsbehörde der Grund für die Überzahlung zu Beginn der für die Verwirkung maßgeblichen Frist bekannt war oder bekannt sein mußte. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Im vorliegenden Falle mußte der Klägerin und ihrem Ehemann im Hinblick auf die gegebenen Einkommensverhältnisse die Elternrente ab November 1956 (Antragsmonat) gewährt werden (§ 60 Abs. 1 BVG). Die Versorgungsverwaltung durfte die Zahlungen damals nicht mit der Begründung zurückhalten oder verweigern, daß der Klägerin später einmal andere - anrechnungsfähige - Leistungen bewilligt werden könnten.

Ein besonderer Härtefall (§ 47 Abs. 4 VerwVG) kann hier schon im Hinblick auf die Höhe der Nachzahlung und die Unklarheit ihrer Verwendung durch die Klägerin nicht angenommen werden.

Eine Doppelanrechnung der Entschädigungsleistungen - auf die Versorgungsleistungen und auf die der Klägerin gewährten Leistungen nach dem LAG - scheidet schon deshalb aus, weil die erhaltene Nachzahlung den Rückforderungsanspruch des Beklagten weit übersteigt. Ein eventueller Ausgleich unter den beteiligten Behörden hat nach den Grundsätzen zu erfolgen, die der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 22. Mai 1975 - 10 RV 107/74 - aufgestellt hat.

Die Revision der Klägerin erweist sich daher als unbegründet und ist zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646972

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge