Leitsatz (amtlich)

Ein Versicherter kann Anspruch auf Familienkrankenpflege für sein Kind auch dann haben, wenn er dem Kinde gegenüber nur zu einer Unterhaltsleistung in Höhe des Kindergeldes nach dem BKGG verpflichtet ist.

 

Orientierungssatz

Kindergeld ist Einkommen des anspruchsberechtigten Elternteils. Es wird zwar für das Kind gewährt, es ist aber kein Einkommen des Kindes. Der Anspruch steht einem Elternteil zu (BKGG § 1 iVm § 2 Abs 1 und § 3 Abs 2 bis 4). Das für das Kind bzw die Kinder verwendete Kindergeld stellt somit grundsätzlich eine Unterhaltsleistung der unterhaltspflichtigen Eltern dar.

 

Normenkette

RVO § 205 Abs 1 Fassung: 1974-08-07; RVO § 205 Abs 3 Fassung: 1975-05-07; BGB § 1601 Fassung: 1896-08-18, § 1602 Fassung: 1896-08-18, § 1603 Abs 1 Fassung: 1961-08-11, § 1606 Fassung: 1969-08-19; BKGG § § 1, 2 Abs 1, § 3 Abs 2, § 3 Abs 3, § 3 Abs 6, §§ 10, 12 Abs 2 Fassung: 1975-01-31, § 12 Abs 3 Fassung: 1975-01-31, § 12 Abs 4; SGB 1 § 48 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.09.1978; Aktenzeichen L 4 Kr 56/76)

SG Regensburg (Entscheidung vom 08.09.1976; Aktenzeichen S 11 Kr 20/76)

 

Tatbestand

I

Der klagende Sozialhilfeträger verlangt von der beklagten Krankenkasse Ersatz für Krankenhilfeleistungen, die er dem Sohn einer Versicherten gewährt hat.

Der 1935 geborene R B leidet seit seiner Kindheit an progressiver Muskeldystrophie. Er ist völlig pflegebedürftig und befindet sich deshalb seit November 1974 in einem Altenheim. Die Kosten der Unterbringung übernahm der Kläger. Am 29. September 1975 erlitt der Hilfsbedürftige einen Oberschenkelbruch, der eine Krankenhausbehandlung zunächst bis 15. November 1975 und dann noch einmal vom 12. Dezember 1975 bis 20. Januar 1976 erforderlich machte. Auch diese Kosten wurden vom Kläger getragen. Die Mutter des Hilfsbedürftigen ist Bezieherin einer Witwenrente aus der Rentenversicherung und als solche Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse. Außer der Witwenrente - ab 1. Juli 1975 monatlich 332,50 DM und ab 1. Juni 1976 350,-- DM - steht ihr aus einem Übergabevertrag vom 27. August 1975 (Notariat N, URNr 1417/75) ein freies Wohnrecht, ein Anspruch auf Wartung und Pflege in alten und kranken Tagen sowie ein Anspruch auf Lieferung von Heizmaterial zu. Auf ihren Antrag gewährte das Arbeitsamt S für den hilfsbedürftigen Sohn ab 1. Januar 1975 Kindergeld in Höhe von monatlich 50,-- DM. Dieses wird jedoch nicht an sie, sondern mit ihrem Einverständnis an den Kläger zur teilweisen Deckung der Unterbringungskosten ausgezahlt.

Nach der Änderung des § 205 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter (SVBG) vom 7. Mai 1975 - BGBl I 1061 - bat der Kläger die Beklagte, die angefallenen Krankheitskosten zu übernehmen; gleichzeitig meldete er Anspruch auf Kostenersatz an. Die Beklagte wies dieses Begehren zurück, weil für den Hilfsbedürftigen ein Anspruch auf Familienkrankenhilfe nicht bestehe. Der Hilfsbedürftige habe keinen konkreten Unterhaltsanspruch gegen seine bei der Beklagten versicherte Mutter, er sei also ihr gegenüber nicht unterhaltsberechtigt. Seine Mutter sei aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht imstande, Unterhalt zu gewähren. Aus der Zahlung des Kindergeldes allein lasse sich eine Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO nicht herleiten.

Mit im wesentlichen gleicher Begründung hat das Sozialgericht (SG) die auf Kostenersatz gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat jedoch der Berufung des Klägers stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die diesem aus Anlaß der Erkrankung des Hilfsbedürftigen entstandenen Aufwendungen für ambulante und stationäre Behandlung ab 1. Juli 1975 zu ersetzen: Die Versicherte sei zumindest seit Bewilligung des Kindergeldes zur teilweisen Unterhaltsgewährung imstande und verpflichtet. Ihr stünden Mittel zur Verfügung, deren Höhe deutlich über den Regelsätzen nach § 22 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) liege. Berücksichtige man, daß sie vorher ein landwirtschaftliches Anwesen mit 7 Tagwerk bewirtschaftet habe, das kaum eine Existenzgrundlage darstelle, könne nicht zweifelhaft sein, daß eine Unterhaltsleistung jedenfalls in Höhe des Kindergeldes ihren eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährde. Das Kindergeld sei kein Einkommen des Kindes, seine Verwendung für den Unterhalt eines Kindes sei eine Leistung des Anspruchsberechtigten. Daran ändere sich im vorliegenden Fall auch nichts dadurch, daß das Kindergeld aufgrund einer Anordnung nach § 12 Abs 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) aF an den Kläger ausgezahlt werde. Dieser Beurteilung stünden schließlich nicht die Regelungen des § 176c RVO (Beitrittsrecht für Schwerbehinderte) und des § 205 Abs 3a RVO (Beitragszuschuß des Bundes für die nach § 205 Abs 3 Satz 5 genannten Personen) entgegen. Der Ersatzanspruch sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger die Krankenhilfeleistungen nicht nur vorläufig nach § 59 Abs 1 BSHG, sondern nach § 27 Abs 1 Nr 4, § 37 BSHG endgültig übernommen habe. Diese Unterscheidung sei hier ohne Bedeutung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 205 Abs 1 RVO und des § 1603 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Der vom Kläger unterstützte Sohn der Versicherten habe auch in der hier in Betracht kommenden Zeit ab 1. Juli 1975 keinen konkreten Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Mutter. Zwar sei der Sohn vollkommen unterhaltsbedürftig, die Versicherte jedoch zur Unterhaltsleistung nicht imstande. Das LSG habe nicht ermittelt, welchen Betrag die Versicherte für ihren eigenen angemessenen Unterhalt benötige. Es sei zu Unrecht vom Regelsatz der Sozialhilfe ausgegangen. Als angemessener Unterhaltsbedarf komme die durchschnittliche Witwenrente in der Bundesrepublik (1975: 495,60 DM, 1976: 550,-- DM) oder der zweifache Regelsatz der Sozialhilfe (1975 und 1976: 532,-- DM) in Betracht. Danach wäre die Versicherte selbst dann nicht unterhaltsfähig, wenn man ihren Einkünften das Kindergeld hinzurechnen dürfte. Dies sei jedoch nicht gerechtfertigt. Das Kindergeld stehe zwar de jure der Versicherten zu, eine rein rechtliche Betrachtung werde jedoch hier den Dingen nicht gerecht. Tatsächlich liege der Sachverhalt so, daß Zahlender der Staat und Empfänger nach Überleitung des Kindergeldes auf den Sozialhilfeträger entweder dieser selbst oder der Unterhaltsberechtigte sei. Diese tatsächliche Betrachtungsweise sei bei der Prüfung eines konkreten Unterhaltsanspruchs des Sohnes gegen seine Mutter angezeigt. Der Ersatzanspruch scheitere auch daran, daß der Kläger die Krankenhilfeleistungen nach § 27 Abs 1 Nr 4 iVm § 37 BSHG endgültig übernommen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. September 1978 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 8. September 1978 zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuverweisen.

Er ist der Ansicht, bei dem in § 205 Abs 3 Satz 4 RVO genannten Personenkreis, den behinderten Kindern, komme es nicht auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen iS des § 1603 Abs 1 BGB an. Davon abgesehen, habe das Berufungsgericht die Leistungsfähigkeit der versicherten Mutter des behinderten Kindes in zutreffender Weise bejaht. Der Ersatzanspruch sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Krankenhilfe endgültig übernommen worden sei. Krankenhilfe könne der Sozialhilfeträger nicht vorläufig gewähren (anders bei den Sonderregelungen für Tbc-Hilfe und Eingliederungshilfe - §§ 44, 59 BSHG). Krankenhilfe müsse bei Bedarf endgültig gewährt werden, wobei dem Sozialhilfeträger die Möglichkeiten des § 90 BSHG und der §§ 1531 ff RVO verblieben.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist unbegründet.

Das LSG hat zu Recht den vom Kläger erhobenen Ersatzanspruch dem Grunde nach anerkannt. Die Voraussetzungen der hier maßgebenden §§ 1531 bis 1533 RVO sind erfüllt. Der Kläger hat dem hilfsbedürftigen Sohn der Versicherten in der streitbefangenen Zeit ab 1. Juli 1975, insbesondere aus Anlaß des am 29. September 1975 erlittenen Oberschenkelbruches, nach § 37 BSHG Krankenhilfe gewährt. In diesem Unterstützungszeitraum stand der Versicherten für den Hilfsbedürftigen ein Anspruch auf entsprechende Leistungen gegen die beklagte Krankenkasse zu. Der Kläger kann daher aus den Leistungen der Krankenkasse Ersatz verlangen (§ 1531 Satz 2 iVm § 1531 Satz 1, §§ 1532, 1533 RVO).

Die Beklagte ist nach § 205 RVO spätestens seit 1. Juli 1975 verpflichtet, der Versicherten für ihren 1935 geborenen Sohn, den Hilfsbedürftigen, Familienkrankenhilfe zu gewähren. Bis dahin konnten die gesetzlichen Krankenkassen durch ihre Satzungen generell bestimmen, daß für Kinder über einer bestimmten Altersgrenze ein Anspruch nicht besteht (§ 205 Abs 3 Satz 2 RVO aF). Das am 1. Juli 1975 in Kraft getretene SVBG (Art 3 § 3 SVBG) schränkte diese Regelungsbefugnis ein. Von ihr wurden diejenigen Kinder ausgenommen, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (§ 205 Abs 3 Satz 2 Halbs 2 RVO idF des Art 2 § 1 Nr 4 SVBG). Die somit zeitlich unbegrenzte Anspruchsberechtigung für solche behinderten Kinder gilt auch heute noch. Zwar wurden die insoweit maßgebenden gesetzlichen Vorschriften durch das Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 - BGBl I 1536 (§ 1 Nr 11 KVSG) - erneut geändert. Es ist nun im Gesetz selbst festgelegt, bis zu welchem Alter für Kinder Anspruch auf Familienkrankenhilfe in Betracht kommt (§ 205 Abs 3 Satz 2 und 3 RVO). Für behinderte Kinder besteht jedoch der Anspruch weiterhin ohne Altersgrenze (§ 205 Abs 3 Satz 4 RVO). Im vorliegenden Fall ist der Hilfsbedürftige unbestritten von Kindheit an körperlich behindert. Sein Lebensalter schließt daher einen Anspruch auf Familienkrankenhilfe nicht aus. Auch andere Ausschließungsgründe - ein Gesamteinkommen des Kindes oder des mit ihm verwandten Ehegatten der Versicherten in einer bestimmten Höhe oder ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege (§ 205 Abs 1 Satz 1 und 2 RVO) - liegen nicht vor. Der Anspruch der Versicherten auf Familienkrankenhilfe für ihren hilfsbedürftigen Sohn hängt somit allein davon ab, ob dieser ihr gegenüber unterhaltsberechtigt ist (§ 205 Abs 1 Satz 1 RVO). Diese Frage wird von der Beklagten zu Unrecht verneint.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats richtet sich die Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO nach den familienrechtlichen Vorschriften des BGB. Es muß ein konkreter Unterhaltsanspruch gegeben sein, der außer einem Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie - § 1601 BGB - die Bedürftigkeit des Berechtigten - § 1602 BGB - und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten - § 1603 BGB - sowie dessen vorrangige Verpflichtung - § 1606 BGB - voraussetzt (SozR Nr 9 zu § 205 RVO mwN). Im vorliegenden Fall wird von der Beklagten die Unterhaltsbedürftigkeit des Sohnes der Versicherten ausdrücklich anerkannt. Außer Frage steht auch, daß neben der Versicherten keine anderen Verwandten als vorrangig unterhaltspflichtig in Betracht kommen. Die Unterhaltsberechtigung des Hilfsbedürftigen gegenüber der Versicherten wäre somit nur dann ausgeschlossen, wenn diese - wie die Beklagte behauptet - zur Unterhaltsleistung ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts nicht imstande wäre (§ 1603 Abs 1 BGB). Eine weitergehende Verpflichtung der Versicherten besteht nicht, denn der Hilfsbedürftige ist volljährig (§ 1603 Abs 2 BGB). Obwohl die Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, ist ihre Leistungsfähigkeit zu bejahen. Sie erhält für den Hilfsbedürftigen seit Januar 1975 Kindergeld. Zumindest in Höhe dieses Bezuges ist ihr die Unterhaltsgewährung möglich.

Dabei kann dahinstehen, ob der angemessene Unterhalt der Versicherten selbst sichergestellt ist. Das Kindergeld wird den Eltern nicht zur Deckung des eigenen Unterhaltsbedarfes, sondern für den Unterhalt ihrer Kinder gewährt (Soergel/ Siebert/Lange, Kommentar zum BGB, 10. Aufl, § 1603 Rdnr 3; BVerwGE 20, 188, 190 ff; bezüglich Kinderzuschuß zur Rente vgl BSGE 19, 241, 243 und Etmer, Angestelltenversicherung, 78, Ergänzungslieferung, § 39 Anm 2). Diese Zweckbestimmung ergibt sich aus der Zielsetzung des Kindergeldrechts, sie findet auch in gesetzlichen Einzelbestimmungen ihren Niederschlag (zB in den durch § 48 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB I - ersetzten und durch Art II § 12 Nr 1 SGB I aufgehobenen Vorschriften des § 12 Abs 2 und 3 BKGG). Das Kindergeld soll die Fähigkeit der Eltern, ihren Kindern Unterhalt zu gewähren, begründen und stärken (Palandt/Diederichsen, Kurzkommentar zum BGB, 39. Aufl, § 1602 Anm 2 c; vgl auch Soergel/ Siebert/Lange, aaO, § 1603 Rdnr 3 und 4). Das Kindergeld bezweckt also nicht, den angemessenen Unterhalt der Eltern sicherzustellen. Die Eltern dürfen deshalb auch nicht zur Deckung ihres eigenen Bedarfs auf das Kindergeld verwiesen werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dementsprechend entschieden, daß das Kindergeld, soweit es zum Unterhalt von Kindern Verwendung findet, die selbst kein Einkommen noch Vermögen haben, nicht als ein die tatsächliche Hilfsbedürftigkeit eines Elternteils minderndes Einkommen iS des § 76 BSHG angesehen werden kann (BVerwGE aaO S 193; vgl auch BSG SozR Nr 3 zu § 12 BKGG). Auf das Revisionsvorbringen hinsichtlich der Bemessung des eigenen angemessenen Unterhalts der Versicherten kommt es daher nicht an.

Trotz dieser Zweckbestimmung ist das Kindergeld Einkommen des anspruchsberechtigten Elternteils. Es wird zwar für das Kind bzw für die Kinder gewährt, es ist aber kein Einkommen des Kindes (BSG SozR 2200 § 1267 RVO Nr 1; OLG München vom 14. September 1978 - 26 UF 844/77 - Zeitschrift für Sozialhilfe 1979, 28 ff; Palandt/Diederichsen aaO). Der Anspruch steht einem Elternteil zu (§ 1 iVm § 2 Abs 1 und § 3 Abs 2 bis 4 BKGG). Sind anspruchsberechtigte Eltern nicht vorhanden, dann besteht überhaupt kein Anspruch. Auch die Auszahlung an das Kind selbst oder an eine andere unterhaltgewährende Person oder Stelle - hier an den Kläger - ändert nichts an der Anspruchsberechtigung des betreffenden Elternteils. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der die anderweitige Auszahlung regelnden Vorschriften (jetzt § 48 SGB I, vorher § 12 Abs 2 und 3 BKGG aF). Diese sprechen entweder von einer Auszahlung laufender Geldleistungen, wenn der Berechtigte seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt, oder von einer Pfändung, Verpfändung oder Abtretung des Anspruchs wegen eines Anspruchs des Kindes auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Diese Maßnahmen erfassen nur die laufenden Geldleistungen, sie setzen aber gerade eine Anspruchsberechtigung des unterhaltspflichtigen Elternteils voraus. Damit in Einklang stehen die in den §§ 10 und 12 Abs 4 BKGG enthaltenen Regelungen. Das Kindergeld beträgt heute für das erste Kind 50,-- DM, für das zweite Kind 100,-- DM und für jedes weitere Kind 200,-- DM (§ 10 BKGG), es wurde auch früher für die einzelnen Kinder einer Familie in unterschiedlicher Höhe gewährt, ursprünglich erst ab dem dritten Kind. Diese Staffelung macht ebenfalls deutlich, daß das Kindergeld nicht unmittelbar dem einzelnen Kind zufließen, sondern die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in bezug auf den Unterhalt aller seiner Kinder stärken soll. Die ausnahmsweise vorgesehene unmittelbare Verwendung für den Unterhalt eines von mehreren Kindern macht deshalb die Regelung des § 12 Abs 4 BKGG über eine gleichmäßige Aufteilung des Gesamtbetrages auf alle Kinder erforderlich.

Daraus folgt, daß das für das Kind bzw die Kinder verwendete Kindergeld grundsätzlich eine Unterhaltsleistung der unterhaltspflichtigen Eltern darstellt (BSG SozR 2200 § 1267 RVO Nr 1). Es ist auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, den das Kind gegen seine Eltern hat (vgl BGHZ 70, 151 ff, 154; OLG München aaO). Eine andere Schlußfolgerung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Eltern nur in Höhe des Kindergeldes zur Unterhaltsleistung in der Lage sind. Das Kindergeld soll - wie dargelegt - die Leistungsfähigkeit der Eltern iS des § 1603 BGB stärken oder auch erst begründen. Es kommt deshalb auch eine beschränkte Unterhaltsverpflichtung in Betracht, die wertmäßig dem Kindergeld entspricht.

Der Annahme einer durch das Kindergeld begründeten konkreten Unterhaltsverpflichtung der Eltern steht nicht entgegen, daß es sich beim Kindergeld um eine letztlich für den Unterhalt des Kindes bestimmte öffentlich-rechtliche Leistung handelt. Die Beklagte versucht mit ihrem Hinweis, daß "Zahlender der Staat und Empfänger nach Überleitung auf den Sozialhilfeträger entweder dieser selbst oder der Unterhaltsberechtigte sei", das Kindergeld als eine dem Kind unmittelbar zustehende staatliche Leistung zu qualifizieren. Diese Betrachtungsweise stellt zu sehr auf die besonderen tatsächlichen Verhältnisse des vorliegenden Falles ab, die jedoch für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung sind. Es kann nicht darauf ankommen, an wen das Kindergeld (oder der auf ein Kind entfallende Anteil eines Gesamtkindergeldbetrages) ausgezahlt wird. Insbesondere hängt die rechtliche Beurteilung nicht davon ab, ob das Kindergeld zunächst von den Eltern vereinnahmt und dann von diesen dem Kind zugewendet oder ob es - evtl mit Zustimmung der anspruchsberechtigten Eltern - unmittelbar dem Kind oder der für seinen Unterhalt aufkommenden Stelle zur Verfügung gestellt wird. Es handelt sich hierbei nur um besondere Ausgestaltungen eines rechtlich einheitlich zu beurteilenden Tatbestandes. Der Senat hat schon früher öffentlich-rechtliche Leistungen, die für den Unterhalt eines Familienangehörigen bestimmt waren (Familienzuschläge zur Hauptunterstützung aus der Arbeitslosenhilfe -Alhi-) als geeignet angesehen, die Unterhaltspflicht eines Elternteils zu begründen. Er hat dabei darauf hingewiesen, daß dem nicht die unmittelbare Auszahlung an den Sozialhilfeträger entgegensteht (BSG SozR Nr 6 zu § 205 RVO; zur Begründung der Leistungsfähigkeit durch öffentlich-rechtliche Unterhaltsleistungen vgl auch Soergel/Siebert/Lange aaO Rdnr 4).

Nicht zu entscheiden ist hier die Frage, ob das Kindergeld auch dann eine Unterhaltsberechtigung iS des § 205 RVO begründet, wenn nicht nur das Kind, sondern auch die kindergeldberechtigten Eltern sozialhilfebedürftig sind. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils verfügt die Versicherte über Einkünfte, die eine Sozialhilfebedürftigkeit ausschließen. Ihre Unterhaltsleistung in Höhe des Kindergeldes wird also nicht durch einen entsprechenden Sozialhilfebezug ausgeglichen, so daß es sich bei der Unterhaltsleistung nicht um die Weitergabe einer am Unterhaltsbedarf der gesamten Familie orientierten öffentlichen Unterstützungsleistung handelt.

Der Ersatzanspruch scheitert schließlich nicht daran, daß die hier in Frage stehende Krankenhilfe nach § 37 BSHG vom Kläger zunächst ohne Vorbehalt seiner endgültigen rechtlichen Verpflichtung, also nicht ausdrücklich als vorläufige Leistung übernommen worden ist. Da der Unterhalt des Hilfsbedürftigen seit seiner Heimunterbringung im November 1974 nicht sichergestellt war, mußte der Kläger Sozialhilfe gewähren und in diesem Rahmen auch die Krankenhilfe leisten. Erst während des Unterstützungsbezuges entstand für den Hilfsbedürftigen ein Anspruch auf Krankenhilfe (infolge Kindergeldbewilligung für die Zeit ab 1. Januar 1975 und Neufassung des § 205 RVO durch das am 1. Juli 1975 in Kraft getretene SVBG). In Höhe dieses Anspruches kann der Kläger nach § 1531 ff RVO Ersatz verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

BSGE, 243

Breith. 1981, 99

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