Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 1983 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Mutterschaftsgeldes.
Die 1951 geborene Klägerin, von Beruf Diplom-Volkswirtin, wechselte zum 1. Januar 1980 von einer gesetzlichen Krankenkasse zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen über, nachdem ihr Gehalt die für die Krankenversicherung maßgebende Versicherungspflichtgrenze überschritten hatte. Nach der Geburt ihres Kindes am 16. Oktober 1982 gewährte ihr die Beklagte ein Mutterschaftsgeld in Höhe von 400,– DM für die Dauer der Schutzfristen vom 20. August bis zum 11. Dezember 1982 nach § 13 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) und für die Zeit des Mutterschaftsurlaubs in Höhe von 25,– DM kalendertäglich nach § 13 Abs. 3 MuSchG. Die Klägerin wandte hiergegen ein, die Beschränkung des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 MuSchG durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1578) verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und benachteilige sie rückwirkend.
Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 13. Oktober 1983 die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Neuregelung stehe mit der Verfassung in Einklang. Bei ihrem Inkrafttreten habe die Klägerin keine Rechtsposition inne gehabt, in die aus Vertrauensschutzgründen nicht habe eingegriffen werden dürfen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, daß die ab 1. Januar 1982 geltende Fassung des § 13 Abs. 2 MuSchG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 4 GG verfassungswidrig sei und beantragt,
das Urteil des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 1983 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 29. Oktober 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 1983 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 20. August bis 11. Dezember 1982 kalendertäglich 25,– DM als Mutterschaftsgeld zu zahlen,
hilfsweise,
den Rechtsstreits auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage vorzulegen, ob die Begrenzung des Mutterschaftsgeldes auf höchstens 400,– DM in § 13 Abs. 2 Satz 1 MuSchG in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I 1578) verfassungsgemäß ist oder nicht.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung zu Recht zurückgewiesen.
Die Klage war zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Das hier umstrittene Mutterschaftsgeld für Mütter, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, ist den Angelegenheiten der Sozialversicherung iS des § 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zuzurechnen (BSGE 33, 127; Urteile des 3. Senats des BSG vom 24. November 1983 – 3 RK 41/82 – und vom 15. November 1984 – 3 RK 51/83 –). Der Umstand, daß die zahlende Stelle nicht mehr die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), sondern das Bundesversicherungsamt (BVA) ist, steht dem nicht entgegen; denn entscheidend ist die Sachnähe des umstrittenen Anspruchs zu den Leistungen der Sozialversicherung, zu denen auch das Mutterschaftsgeld als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehört (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – SGB I). Der in § 13 Abs. 1 MuSchG geregelte Anspruch auf Mutterschaftsgeld für versicherte Frauen ist in dessen Abs. 2 – wenn auch in eingeschränktem Umfange und zu Lasten des Bundes – unter bestimmten Voraussetzungen auch den nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Frauen eingeräumt, wenn sie wie versicherungspflichtig Beschäftigte in einem abhängigen Arbeitsverhältnis stehen. Die sich daraus ergebende Sachnähe wird durch die angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) unterstrichen.
Der Klägerin steht, wie das LSG zutreffend entschieden hat, für die Dauer der Mutterschutzfristen nur das von der Beklagten als einmalige Leistung gewährte Mutterschaftsgeld in Höhe von 400,– DM zu.
Die Begrenzung des Mutterschaftsgeldes auf diesen Betrag für Frauen, die – wie die Klägerin – nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, aber bei Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist durch das am 1. Januar 1982 in Kraft getretene KVEG eingeführt worden (Art. 4 und Art. 7 KVEG). Sie gilt für den vorliegenden Fall, weil der Versicherungsfall, nämlich der Beginn der sechswöchigen Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG unstreitig nach dem 1. Januar 1982 lag (BSGE 32, 270). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die den § 13 Abs. 2 Satz 1 MuSchG abändernde Neuregelung des KVEG, wie bereits der 3. Senat in den oben bezeichneten Urteilen vom 24. November 1983 und 15. November 1984 entschieden hat, nicht verfassungswidrig. Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, zumal das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde gegen das vorbezeichnete Urteil vom 24. November 1983 nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluß des 1. Senats des BVerfG vom 16. November 1984 – 1 BvR 142/84 –).
Das Schutzgebot aus Art. 6 Abs. 4 GG ist nicht verletzt. Dieses Gebot hat zwar – auch – das Ziel und die Tendenz, den Gesetzgeber zu verpflichten, wirtschaftliche Belastungen der Mütter, die im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft stehen, auszugleichen (BVerfGE 60, 68, 74). Dies bedeutet aber nicht, daß der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen. Bei der Verwirklichung positiver Schutz- und Fürsorgepflichten kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz der Schwangeren und Mütter verwirklichen will (BVerfGE 37, 121, 127). Bei den nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmerinnen konnte der Gesetzgeber angesichts ihres vor Beginn der Schutzfristen erzielten – über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden – Verdienstes und ihres damit verbundenen anderweitigen Entgeltschutzes nach § 14 MuSchG im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit eine Beschränkung der Leistungsverpflichtung des Bundes vornehmen, ohne das Verfassungsgebot des Art. 6 Abs. 4 GG zu verletzen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil damit eine systemgerechte Gleichbehandlung aller Mutterschaftsfälle durch den Bund erreicht werden konnte. Denn der Bund erbringt nunmehr für alle Arbeitnehmerinnen die gleichen Leistungen.
Arbeitnehmerinnen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, erhalten zwar von der Krankenkasse nach näherer Regelung des § 200 Abs. 2 RVO für die Zeit der Schutzfristen der §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt, mindestens 3,50 DM, höchstens 25,– DM für den Kalendertag. An dieser Leistung beteiligt sich der Bund gemäß § 200d Abs. 1 RVO aber nur mit einem Pauschbetrag von 400,– DM. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 MuSchG der jeweilige Arbeitgeber verpflichtet, einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 25,– DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt zu zahlen. Auch die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmerinnen erhalten vom Bund und Arbeitgeber jeweils die gleichen Leistungen wie die versicherten Arbeitnehmerinnen. Lediglich der Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nicht. Da das MuSchG die durch die Schwangerschaft bedingten wirtschaftlichen Lasten in zulässiger Weise auf Bund, Krankenkassen und Arbeitgeber verteilt (BVerfGE 37, 121, 126 ff), ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Arbeitnehmerinnen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, den Anteil der Krankenversicherung am Ausgleich des Einkommensverlustes nicht – insbesondere nicht aus allgemeinen Steuermitteln – erhalten. Es wäre nämlich systemwidrig, wenn der Staat die Lasten der Mutterschaftsgeldgewährung an die Versicherten zum Teil der Versichertengemeinschaft aufbürdete und die gleichen Leistungen an die nichtversicherten Arbeitnehmerinnen in vollem Umfang aus dem allgemeinen Steueraufkommen erbrächte. Die Neuregelung hat deshalb zu einer systemgerechten Gleichbehandlung aller Mutterschaftsfälle durch den Bund geführt.
§ 13 Abs. 2 Satz 1 MuSchG idF des KVEG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsnorm ist weder in ihrer konkreten Ausgestaltung als unsachgemäßes Differenzierungsgebot noch als Willkürverbot verletzt. Soweit der Gesetzgeber die finanziellen Lasten des Mutterschutzes der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen hat, ergibt sich deren Leistungspflicht aus der Mitgliedschaft der Mutter in der gesetzlichen Krankenversicherung und ihrer Arbeitnehmereigenschaft. Dem entspricht es, daß bei fehlender Mitgliedschaft auch kein Leistungsanspruch gewährt wird. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die nichtversicherten Mütter, die keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichten, solchen Müttern gleichzustellen, die durch ihre Beiträge den von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragenden Teil des Mutterschaftsgeldes mitfinanzieren. Eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung kann auch nicht darin gesehen werden, daß der Gesetzgeber die dem Bund nach § 13 Abs. 2 MuSchG obliegende Leistung einheitlich auf 400,– DM begrenzt und darüber hinaus bei dieser Leistung die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der Anspruchsberechtigten unberücksichtigt gelassen hat. Der Gesetzgeber durfte den individuellen Einkommensausgleich für die Zeit der Schutzfristen im wesentlichen den Krankenversicherungsträgern und Arbeitgebern übertragen (§ 200 Abs. 2 RVO, § 14 Abs. 1 MuSchG; Ausnahme: § 14 Abs. 2 MuSchG). So ist auch der Einkommensausgleich (Zuschuß zum Mutterschaftsgeld) für die Arbeitnehmerinnen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, je nach dem vorher erzielten Arbeitsentgelt unterschiedlich hoch. Ein voller Einkommensausgleich wird hier nur deshalb nicht erreicht, weil diesen Arbeitnehmerinnen kein Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung zusteht. Ihre Schlechterstellung gegenüber den in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmerinnen beruht im übrigen auch nicht auf willkürlichen Erwägungen, da sich der Gesetzgeber in zulässiger Weise von finanziellen Gesichtspunkten hat leiten lassen und zudem eine gleichmäßige Verteilung der Bundesmittel erreicht worden ist.
Verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer durch das KVEG bewirkten Verschlechterung ihrer Rechtsposition hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht. Sie greifen auch nicht durch, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Einen Vertrauensschutz hat das BVerfG selbst in den Fällen verneint, in denen – anders als im Falle der Klägerin – die Schwangerschaft bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts begonnen hatte (vgl. Beschluß vom 16. November 1984 aaO). Da die Neuregelung zur Herstellung eines dem Gleichheitssatz entsprechenden Rechtszustandes erfolgte, ist eine ausnahmslose Anwendung des neuen Rechts auf alle neuen Leistungsfälle gerechtfertigt, zumal ein eventueller Vertrauensschaden der betroffenen Frauen – wie der 3. Senat des BSG in den Urteilen vom 24. November 1983 und 15. November 1984 dargelegt hat – allenfalls in geringer Höhe und nur für den kurzen Zeitraum der gesetzlichen Schutzfristen hätte entstehen können.
Nach allem sieht der erkennende Senat auch keinen Anlaß, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen