Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsgeld. Höhe. Überprüfung. Arbeitsentgelt. unbillige Härte. Einzelfallbetrachtung. ausbildungsfremde Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der “unbilligen Härte” in § 44 Abs 3 S 1 Nr 3 AFG.
Normenkette
AFG §§ 44, 112 Abs. 7; SGB X § 44
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Unterhaltsgeld (Uhg) für die Zeit vom 4. Oktober 1993 bis 30. Juni 1994.
Der 1954 geborene Kläger, ein Agrarwissenschaftler, war nach Erwerb des Diploms von 1986 bis 1988 im Rahmen eines Forschungsauftrages an der Universität Göttingen beschäftigt; diese (halbtags verrichtete) Tätigkeit wurde nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Vergütungsgruppe II/2 vergütet. Ab 1. November 1988 bezog er Arbeitslosengeld (Alg). In der Folgezeit wurde er promoviert. Von August 1990 bis 28. Februar 1993 war der Kläger als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Ab 8. März 1993 bezog er erneut Alg.
Vom 4. Oktober 1993 bis 30. Juni 1994 nahm der Kläger an einer Fortbildungsmaßnahme “Referent für Umweltverträglichkeitsprüfung” teil, die die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) ua mit Uhg förderte. Als Bemessungsentgelt legte das Arbeitsamt (ArbA) den gemäß § 112 Abs 1 bis 6 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aus der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter ermittelten Betrag von 820,00 DM in der Woche zugrunde und bewilligte Uhg in Höhe von 340,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 9. November 1993). Mit Änderungsbescheid vom 14. Januar 1994 stellte die BA die Leistung ab 1. Januar 1994 mit 323,40 DM wöchentlich fest. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 11. März 1994 dynamisierte die BA das wöchentliche Bruttoarbeitsentgelt auf 870,00 DM und stellte den Zahlbetrag ab 1. März 1994 mit 339,60 DM wöchentlich fest. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. April 1994). Klage erhob der Kläger nicht.
Am 21. Juli 1994 beantragte der Kläger die Überprüfung der Höhe des Uhg mit der Begründung, es sei unbillig hart, bei der Bemessung des Uhg das Arbeitsentgelt aus seiner “berufsfremden” Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter zugrunde zu legen, die er allein wegen der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt längere Zeit ausgeübt habe. Statt dessen sei das Bemessungsentgelt nach BAT II zu bestimmen. Das ArbA lehnte dies ab (Bescheid vom 21. November 1994; Widerspruchsbescheid vom 1. März 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 20. September 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat dagegen die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Mai 1996). Es hat im wesentlichen ausgeführt, das Uhg sei auf der Basis des zugrunde gelegten Bemessungsentgelts rechnerisch richtig ermittelt worden. Grundlage des Anspruchs auf Uhg sei § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG. Nach dieser Vorschrift bemesse sich das Uhg bei unmittelbarem Vorbezug von Alg – wie im Fall des Klägers – mindestens nach dem Arbeitsentgelt, nach welchem das Alg zuletzt bemessen worden sei. Entgegen der Meinung des SG komme die Härteregelung des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nicht zur Anwendung; die Vorschrift erfasse den dem Uhg unmittelbar vorhergehenden Bezug von Alg nicht.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG sowie des Art 3 Grundgesetz (GG). Er macht geltend, die Bemessung nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG stelle nur sicher, daß für Teilnehmer, die unmittelbar vor Eintritt in die Maßnahme Alg bezogen haben, “mindestens” das für diese Leistung zugrunde gelegte Arbeitsentgelt maßgebend bleibe. Damit werde jedoch keineswegs die Bemessung der Leistung nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG ausgeschlossen. Eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liege bei ihm vor, denn er habe seinerzeit aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage eine berufsfremde Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter aufgenommen, um nicht weiter arbeitslos zu sein. Er habe sich jedoch keineswegs von seinem ursprünglichen Ausbildungsberuf gelöst, sondern sich weiterhin darum bemüht, eine entsprechende Stellung zu finden. Nach dem Grundgedanken des § 112 Abs 7 AFG müsse von seiner früheren Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und damit von einem Bemessungsentgelt nach BAT II ausgegangen werden. Andernfalls werde er auch im Vergleich zu anderen Teilnehmern der Fortbildungsmaßnahme benachteiligt, die zuvor lediglich eine Teilzeitstelle mit einer Vergütung nach BAT II innegehabt hätten und bei denen das Uhg nach dem fiktiven wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt einer vollen Stelle nach BAT II berechnet worden sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. Mai 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. September 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG im Ergebnis für zutreffend, da bei dem Kläger keine unbillige Härte iS des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG vorliege.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein höheres Uhg zu, als ihm von der Beklagten bewilligt wurde.
1. Grundlage der vom Kläger begehrten Überprüfung ist § 44 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder – was hier nicht relevant ist – Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Gegenstand der Überprüfung ist der Bescheid der Beklagten vom 9. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1994. Eine Rücknahme dieses angefochtenen Bescheides setzt sonach voraus, daß er “bei Erlaß” rechtswidrig war, dh nicht der damaligen Sach- und Rechtslage entsprach. Letzteres hat das LSG im Ergebnis zu Recht verneint.
2. Ein höheres Uhg als die dem Kläger von der Beklagten zugestandene Leistung nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 820,00 DM läßt sich nicht begründen.
2.1 Die Höhe des Uhg richtet sich nach § 44 Abs 2 Satz 1 AFG idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484). Von dieser Bemessungsvorschrift ist – wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt hat – für den Regelfall auszugehen (vgl BSGE 76, 77, 78 = SozR 3-4100 § 44 Nr 12; BSG-Urteile vom 25. April 1996 – 11 RAr 87/95 und 89/95 – letzteres zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG greift erst dann ein, wenn die Regelbemessung nach § 44 Abs 2 AFG ungünstiger wäre (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 48).
Nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AFG beträgt das Uhg für einen Teilnehmer, der – wie der Kläger – ledig ist und kein Kind hat, 65 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG. Dementsprechend hat die BA dem Kläger das Uhg für die streitige Zeit ab 4. Oktober 1993 zutreffend nach der Nettolohnersatzquote von 65 vH und nach den Leistungssätzen der Leistungsgruppe A, die der für ihn eingetragenen Steuerklasse I entspricht, bewilligt (§ 44 Abs 2c, § 111 Abs 2 Nr 1 Buchst a, § 44 Abs 7, § 113 AFG). Dies wird auch von dem Kläger nicht beanstandet. Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob dem Uhg unter Härtegesichtspunkten eine höheres Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist als das sich nach der Regelbemessung (§ 112 Abs 1 bis 6 AFG) ergebende Arbeitsentgelt von 820,00 DM wöchentlich.
2.2 Eine von der Regelbemessung abweichende Bemessung läßt sich nicht auf § 112 Abs 7 AFG stützen. Nach dieser Vorschrift ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach Abs 1 bis 6 auszugehen (Alt 1), oder der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt (Alt 2). Keine dieser. Tatbestandsvoraussetzungen ist hier erfüllt. Der letzte Tag des Bemessungszeitraums (Dezember 1992 bis Februar 1993) liegt nicht mehr als drei Jahre vor Beginn des Anspruch auf Uhg (4. Oktober 1993). Auch ein Härtefall iS des § 112 Abs 7 Alt 1 AFG ist nicht gegeben.
Der Grundgedanke des § 112 Abs 7 Alt 1 AFG (unbillige Härte) besteht darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum, der für die Regelbemessung nach § 112 Abs 1 bis 6 AFG maßgeblich ist, ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seinen überwiegend ausgeübten beitragspflichtigen Tätigkeiten entspricht (vgl BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 11 mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn der Kläger hat in den letzten drei Jahren vor Beginn der Maßnahme ausschließlich aus der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter Arbeitseinkommen erzielt und damit die Anwartschaftszeit für einen neuen Leistungsanspruch erfüllt. Dies spricht gerade dafür, die Regelbemessung zugrunde zu legen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, wonach er diese “ausbildungsfremde” Tätigkeit nur aufgenommen habe, um nicht weiterhin arbeitslos zu sein. Denn diese Umstände sind für die Annahme einer unbilligen Härte ohne Belang (vgl BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 11 mwN).
3. Eine von § 112 AFG abweichende Bestimmung des Arbeitsentgelts läßt sich auch nicht auf § 44 Abs 3 AFG stützen.
3.1 Die – bereits eingangs erwähnte – Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG idF des 7. AFG-ÄndG vom 20. Dezember 1985 bestimmt, daß sich das Uhg bei Teilnehmern, die unmittelbar vor Eintritt in die Bildungsmaßnahme Alg oder Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen haben, mindestens nach dem Arbeitsentgelt bemißt, nach dem diese Leistungen zuletzt bemessen worden sind. Wie der erkennende Senat schon ausgeführt hat (vgl BSGE 76, 77, 79 = SozR 3-4100 § 44 Nr 12; BSG-Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 89/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen), bezweckte der Gesetzgeber mit dieser Mindestgarantie-Regelung eine Besitzstandswahrung, um die Motivation von Arbeitslosen zur Teilnahme an notwendigen Bildungsmaßnahmen zu fördern. Diese Mindestgarantie-Regelung führt bei dem Kläger im Vergleich zur Regelbemessung nach § 44 Abs 2 AFG zu keiner höheren Leistung. Denn das unmittelbar vor Eintritt in die Maßnahme der beruflichen Bildung bezogene Alg wurde ebenfalls nach einem Arbeitsentgelt von 820,00 DM wöchentlich bemessen. Der durch den Bezug von Alg begründete Besitzstand ist jedenfalls gewahrt, wobei hier offenbleiben kann, ob bei der Feststellung des Uhg ohne weitere Richtigkeitskontrolle von dem der Bemessung des Alg zugrunde liegenden Entgelt auszugehen wäre (vgl dazu: BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 7; andererseits BSG SozR 4100 § 112 Nr 23; ebenfalls offengelassen in BSG-Urteil vom 12. September 1996 – 7 RAr 90/95 – nicht veröffentlicht). Denn für den Kläger ergäbe sich hier – wie die Ausführungen zu 2.1 und 2.2 gezeigt haben – keine günstigere Bemessung (vgl auch BSG-Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 87/95 – nicht veröffentlicht). Der Senat hatte deshalb auch keinen Anlaß, entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers das Revisionsverfahren bis zum Abschluß der beantragten Überprüfung des Alg auszusetzen.
3.2 Entgegen der Rechtsansicht des Klägers läßt sich eine günstigere Bemessung des Uhg auch nicht auf § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG (idF des 7. AFG-ÄndG) stützen. Nach dieser Vorschrift bemißt sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs 7, wenn es unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Abs 2 oder 2b auszugehen. Diese Vorschrift ist zwar im Fall des Klägers anwendbar. Doch fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung einer unbilligen Härte.
Der Rechtsansicht des LSG, wonach hier kein Anwendungsfall des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG gegeben sei, weil die Vorschrift nicht den dem Uhg unmittelbar vorhergehenden Bezug von Alg erfasse, kann nicht gefolgt werden. Denn diese Rechtsauffassung verkennt die Systematik der Bemessungsvorschriften. Danach richtet sich die Höhe des Uhg nach der Regelbemessungs-Vorschrift des § 44 Abs 2 Satz 1 AFG, die hier zu demselben Bemessungsentgelt von 820,00 DM wöchentlich führt, das bereits dem bis zu Beginn der Maßnahme bezogenen Alg zugrunde gelegt worden ist. Den Voraussetzungen des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG ist somit – wie unter 3.1 ausgeführt worden ist – bereits genügt, so daß insoweit kein Anwendungsfall für diese besondere Bemessungsvorschrift gegeben ist. Es kann deshalb auch die Frage offenbleiben, ob die Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG zu der Bemessung nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG in einem Rangverhältnis oder Ausschlußverhältnis steht (vgl dazu Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, § 44 RdNr 87; Menard in Niesel, Komm zum AFG, § 44 RdNr 30; Richter in Gagel, Komm zum AFG, § 44 RdNr 94). Jedenfalls schließt der Vorbezug von Alg die Anwendung der Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nicht generell aus. Dies läßt sich im übrigen auch der bereits vom LSG und vom Kläger zitierten Rechtsprechung des BSG entnehmen (vgl SozR 3-4100 § 44 Nr 11; ebenso BSG-Urteile vom 25. April 1996 – 11 RAr 87/95 und 89/95 – letzteres zur Veröffentlichung vorgesehen).
Eine höhere Bemessung des Uhg nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG scheidet jedoch deshalb aus, weil keine unbillige Härte vorliegt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Rechtsbegriffs sind in § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nicht näher definiert, vielmehr wird nur auf die Rechtsfolgen des § 112 Abs 7 AFG verwiesen (vgl BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 11 mwN). Daraus folgt, daß § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG den Härtefall nicht auf den in § 112 Abs 7 Alt 1 AFG geregelten Härtefall beschränkt, denn sonst hätte es dieser Regelung nicht bedurft. Statt dessen formuliert § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG eine offene Generalklausel (so auch Richter in Gagel, aaO, § 44 RdNr 93; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 44 RdNr 87; Menard in Niesel, aaO, § 44 RdNr 30). Diese Generalklausel dient zwar dem Schutz gegen Leistungsbemessung nach einem durch besondere Umstände des Einzelfalls bedingten, objektiv zu niedrigen Arbeitsentgelt. Hieraus folgt jedoch nicht, daß sämtliche Umstände eines Einzelfalls zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist die Generalklausel nach Maßgabe der Funktion des Uhg auszulegen, wobei auch die gesetzgeberische Entwicklung der Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nähere Hinweise für die Interpretation des Rechtsbegriffs der unbilligen Härte bietet.
Wie das BSG wiederholt entschieden hat, ergibt sich sowohl aus der Entwicklung des Uhg (§§ 44, 46 AFG) als auch aus der gesetzestechnischen Verknüpfung der Bemessung des Uhg mit der des Alg, daß der zunächst eigenständige Charakter des Uhg im Verhältnis zum Alg bzw zur Alhi zugunsten einer weitgehenden Anlehnung der Uhg-Bemessung an die Alg-Bemessung aufgegeben worden ist (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 17; BSGE 76, 77, 81 = SozR 3-4100 § 44 Nr 12). Die Motivation des Arbeitslosen, an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, wurde und wird grundsätzlich nur noch dadurch gefördert, daß die Nettolohnersatzquote beim Uhg geringfügig höher liegt als beim Alg (im Jahr 1993: Alg = 63 vH; Uhg = 65 vH). Bei beiden Leistungen ist der Gesetzgeber von einem einheitlichen Grundprinzip ausgegangen, nämlich der Anknüpfung aller laufenden Leistungen (zum Lebensunterhalt) an das ausfallende Nettoarbeitsentgelt (vgl SozR 4100 § 112 Nr 17).
Dieses Grundprinzip hat auch unter Berücksichtigung der Sondervorschrift des § 44 Abs 3 AFG weiterhin seine Gültigkeit (vgl BSGE 76, 77 = SozR 3-4100 § 44 Nr 12 – dort speziell zu § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG). Dies belegen auch die Gesetzesmaterialien zu der Regelung. Danach regelt der durch das 7. AFG-ÄndG neu gefaßte Abs 3 des § 44 AFG “wie bisher” Ausnahmen von der grundsätzlich nach § 112 AFG vorzunehmenden Bemessung des Uhg (BT-Drucks 10/3923 S 18). Schon die bis dahin geltende Regelung in § 44 Abs 3 AFG idF des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zu Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881, 1921) und die nahezu wortgleiche Fassung durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) sah Ausnahmetatbestände vor und bestimmte in § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG, daß sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs 7 AFG bemißt, wenn es unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach Abs 2 (oder Abs 2a) auszugehen. Diese Vorschrift löste die frühere Regelung des § 44 Abs 3 AFG in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) ab, wonach sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs 7 AFG bemißt, wenn es nicht nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG bemessen werden kann. In den Gesetzesmaterialien zu § 44 Abs 3 AFG idF des RehaAnglG ist ausgeführt, die Vorschrift entspreche weitgehend dem geltenden Recht. Sie fasse die zum Teil in § 44 Abs 3 AFG (aF), zum Teil in der Anordnung Fortbildung und Umschulung des Verwaltungsrats der BA vom 9. September 1971 (§ 11 Abs 5 und 6) enthaltenen Regelungen in einer Vorschrift zusammen (vgl BT-Drucks 7/1237 S 77). In § 11 Abs 6 der zitierten Anordnung (ANBA 1971, 800 f) war – abgesehen vom Fall des Minderverdienstes bei Zwischenbeschäftigung (Abs 5) – bestimmt, daß, wenn ein Teilnehmer vor Eintritt in eine Maßnahme mit ganztägigem Unterricht nicht beschäftigt oder nur teilbeschäftigt war und die dafür maßgeblichen Gründe fortgefallen sind, das Uhg nach § 112 Abs 7 AFG zu bemessen ist (vgl auch BA RdErl 36/76, Ziff 10.15). Eine Ausnahme von der Regelbemessung und damit ein Härtefall sollte also auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers grundsätzlich nur dann zu bejahen sein, wenn die Regelbemessung (nach § 44 Abs 2 bzw 2a AFG) nicht möglich war oder – wie im Fall der Teilzeitbeschäftigung im Bemessungszeitraum – zu unzuträglichen Ergebnissen führte.
Gemessen an diesen Grundsätzen läßt sich bei dem Kläger ein Härtefall iS des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nicht bejahen. Die Frage einer in § 112 Abs 7 Alt 1 AFG angesprochenen Unbilligkeit, wenn ein höherer Verdienst als der der Bemessung zugrunde gelegt ist – sei es “überwiegend” oder nicht – in den letzten drei Jahren erzielt worden ist, stellt sich von vornherein nicht. Denn der Kläger hat den Anspruch auf Uhg ausschließlich mit der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter begründet. Er war in der letzten Zeit vor Beginn der Maßnahme auch nicht teilzeitbeschäftigt, sondern seinem Anspruch auf Uhg lag die durchgehend ausgeübte, 2 1/2-jährige Vollzeitbeschäftigung als kaufmännischer Angestellter mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von durchschnittlich 3.555,56 DM zugrunde, das deutlich höher war als das Arbeitseinkommen aus seiner Halbtagstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter (zuletzt 2.163,81 DM monatlich). Von daher ist es auch sachlich gerechtfertigt, das Uhg nach diesem zuletzt “erzielten” Arbeitsentgelt zu bemessen, wie dies die Regelbemessung nach § 44 Abs 2 iVm § 112 AFG vorsieht. Dies entspricht auch der – bereits oben erwähnten – primären Lohnersatzfunktion des Uhg ebenso wie des Alg und trägt dem Gedanken Rechnung, daß das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitseinkommen “Indizwirkung” sowohl für den bisherigen Lebenszuschnitt als auch für das erzielbare Arbeitseinkommen hat (vgl BSGE 76, 77, 80 ff = SozR 3-4100 § 44 Nr 12; BSGE 76, 162, 163 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 mwN).
Dem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß der längerfristigen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter deshalb keine indizielle Wirkung für das erzielbare Arbeitsentgelt zukomme, weil diese Tätigkeit gemessen an der Zeit der Berufsausbildung und der anschließenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter als vorübergehend ausgeübte Tätigkeit zu qualifizieren sei. Soweit er sich dafür auf die Entscheidung des 7. Senats vom 9. Februar 1995 (SozR 3-4100 § 44 Nr 11) beruft, hat er diese Entscheidung offenbar mißverstanden. Denn abgesehen davon, daß die vom Kläger zitierten Ausführungen sich nicht auf § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG, sondern auf § 112 Abs 7 Alt 1 AFG beziehen, ist dort lediglich dargelegt worden, daß bei der Verrichtung mehrerer Tätigkeiten innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums vor der Arbeitslosigkeit eine Zusammenrechnung mehrerer Tätigkeiten, ua auch von Zeiten der Berufsausbildung, für die vergleichende Betrachtung möglich sei. Dies gilt allerdings – wie schon der dort in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG entnommen werden kann – nicht für beitragsfreie Zeiten der Berufsausbildung im Rahmen des Studiums, die darüber hinaus auch noch außerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums liegen. Die indizielle Wirkung des zuletzt bezogenen Arbeitsentgelts aus der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter kann auch nicht – wie der Kläger meint – dadurch widerlegt werden, daß sie unter dem Verdienst einer nach BAT II vergüteten Volltagsbeschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter liegt. Denn selbst wenn – wozu das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat – bei dem Kläger davon ausgegangen werden könnte, daß für ihn zu Beginn der Maßnahme (vgl § 44 Abs 3 Satz 2 AFG) eine solche Tätigkeit in Betracht gekommen wäre, könnte dies die Annahme einer unbilligen Härte iS des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nicht rechtfertigen. Denn es entspricht nicht dem Sinn dieser Regelung eine unbillige Härte schon dann anzunehmen, wenn das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitseinkommen unter dem erzielbaren Arbeitsentgelt liegt. Ein solches Verständnis des Härtefalles entspricht weder den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 112 Abs 7 Alt 1 AFG, der in solchen Fällen keine Korrektur ermöglicht, noch eröffnet die weitergehende Regelung des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG die Annahme eines Härtefalles. Dies wäre weder mit der Lohnersatzfunktion des Uhg nach Maßgabe der Regelbemessung in Einklang zu bringen noch aus anderen Gründen – etwa im Hinblick auf eine präventive oder pädagogische Funktion des Uhg – sachgerecht (vgl Richter in Gagel, aaO, § 44 RdNrn 75 f, 93). Die bloße Tatsache, daß der Teilnehmer an einer beruflichen Bildungsmaßnahme in seinem zuletzt ausgeübten Beruf weniger erzielt hat als er (fiktiv) zu Beginn der Maßnahme erzielen könnte, ist zudem nicht außergewöhnlich, so daß auch von daher die eine Einzelfallbetrachtung voraussetzende Annahme eines Härtefalles nicht in Betracht kommt.
Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, er stelle sich damit schlechter, als wenn er – wie andere Teilnehmer der Maßnahme – weiterhin eine arbeitsmarktlich erzwungene Teilzeitbeschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vergütungsgruppe BAT II bis zum Beginn der Maßnahme ausgeübt hätte und seine subjektive Bereitschaft zu einer Vollzeittätigkeit erklärt hätte. Denn ohne daß dies einer abschließenden Entscheidung bedarf, dürfte auch in diesem Fall für die Bemessung des Uhg von der Regelbemessung nach § 44 Abs 2 AFG, dh von dem Arbeitsentgelt aus der Teilzeitbeschäftigung, auszugehen sein. Eine allein aus arbeitsmarktlichen Gründen ausgeübte Teilzeitbeschäftigung kann die Annahme eines Härtefalles iS des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG nicht rechtfertigen. Etwas anderes, nämlich ein Anwendungsfall des § 112 Abs 7 Alt 1 AFG, könnte allerdings dann anzunehmen sein, wenn der Teilnehmer zwar im Bemessungszeitraum nur teilzeitbeschäftigt, im übrigen aber während der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung überwiegend vollschichtig beschäftigt gewesen wäre (vgl BSG-Urteil vom 25. April 1996 – 11 RAr 87/95 – nicht veröffentlicht). Ein Härtefall iS des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG wäre auch dann denkbar, wenn beispielsweise wegen der Erfordernisse der Kinderbetreuung der Teilnehmer nur einer Teilzeitarbeit nachgehen konnte, jedoch die einer Vollbeschäftigung entgegenstehenden Gründe fortgefallen sind (vgl dazu nicht veröffentlichtes BSG-Urteil vom 12. September 1996 – 7 RAr 90/95 –; ähnlich auch Dienstbl RdErl der BA 36/76, Ziff 10.51).
4. Die Rechtslage begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gleichheit vor dem Gesetz (Art 3 Abs 1 GG) wird nicht dadurch verletzt, daß bei dem Kläger das Uhg nicht nach derselben Bemessungsgrundlage, nämlich dem (fiktiven) Arbeitsentgelt aus einer nach BAT II vergüteten Vollzeittätigkeit bemessen worden ist, wie dies – wie er vorträgt – bei anderen Teilnehmern an der Fortbildungsmaßnahme geschehen ist. Denn bei Sachverhaltsgestaltungen, bei denen die Teilnehmer zuvor eine arbeitsmarktlich erzwungene Teilzeitbeschäftigung nach BAT II verrichtet haben, besteht – wie oben dargelegt – ebenfalls kein Grund für die Annahme eines Härtefalles iS des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG. Selbst wenn von der Beklagten in gleichgelagerten Fällen anders entschieden worden sein sollte, könnte aus fehlerhaft getroffenen Entscheidungen der Beklagten kein Anspruch des Klägers auf eine höhere Uhg-Bemessung folgen. Im übrigen hat der Kläger immerhin 2 1/2 Jahre ein deutlich höheres Arbeitsentgelt aus einer Vollzeitbeschäftigung erzielt als bei einer nach BAT II vergüteten Teilzeitbeschäftigung.
5. Da rechtliche Anhaltspunkte für die Bewilligung eines höheren Uhg als dem Kläger für die Zeit vom 4. Oktober 1993 bis 30. Juni 1994 zugestanden – insbesondere auch hinsichtlich der nach § 86 SGG erfaßten Änderungs- bzw Dynamisierungsbescheide vom 14. Januar 1994 und 11. März 1994 – nicht ersichtlich sind, ist die Revision nicht begründet und damit zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen