Leitsatz (amtlich)
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit iS der Rehabilitationsvorschrift des RVO § 1236 Abs 1 setzt nicht voraus, daß der Versicherte in dem Bereich der Tätigkeiten, auf die er nach RVO § 1246 Abs 2 S 2 verwiesen werden könnte, in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt ist; es genügt eine Beschränkung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf.
Normenkette
RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1237 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 4 Fassung: 1957-02-23, § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Juli 1966 wird aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. April 1965 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Kläger besuchte das Gymnasium bis November 1957; er verließ es als Unterprimaner, um Offizier der Handelsmarine zu werden. Bis Februar 1958 nahm er an einem Lehrgang für seemännischen Nachwuchs teil. Danach fuhr er als Decksjunge, Jungmann, Leichtmatrose und Matrose bis August 1962 zur See. In der Zwischenzeit hatte er die Aufnahmeprüfung für einen Lehrgang zum Steuermann auf Großer Fahrt bestanden und sich bei der Seefahrtschule H zum Januar 1963 angemeldet. Bei der Untersuchung auf Seediensttauglichkeit im Dezember 1962 wurde bei ihm ein Sehvermögen rechts von 6/10, links von 6/20 festgestellt. Deshalb wurde er "seedienstuntauglich" befunden; später - im Laufe des Streitverfahrens - wurde der Befund in "deckstauglich ohne Ausguck und Rudergehen" geändert.
Am 1. April 1963 schloß der Kläger einen Lehrvertrag auf drei Jahre als Kaufmann im Reederei- und Schiffsmaklergewerbe. Mit Schreiben vom 29. April 1963 bat er die beklagte Seekasse, ihm für die Dauer seiner Lehrzeit einen Zuschuß etwa bis zur Höhe der Matrosenheuer zu zahlen, weil der unverschuldete späte Berufswechsel für ihn eine große finanzielle Belastung bedeute.
Durch Bescheid vom 25. Oktober 1963 lehnte die Beklagte den Antrag auf "Durchführung von Berufsförderungsmaßnahmen" mit folgender Begründung ab: Die Durchführung einer Maßnahme zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit setze voraus, daß die Erwerbsfähigkeit gemindert oder gefährdet sei und voraussichtlich wiederhergestellt werden könne. Unter Erwerbsfähigkeit sei - ähnlich wie in der gesetzlichen Unfallversicherung - die Fähigkeit eines Versicherten zu verstehen, sich unter Ausnutzung aller sich ihm nach seinen Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten im wirtschaftlichen Leben bietenden Arbeitsgelegenheiten einen Erwerb zu beschaffen. Bei der Beurteilung, ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) eingetreten sei, müsse von der letzten beruflichen Tätigkeit des Klägers - derjenigen eines Matrosen - ausgegangen werden; das angestrebte Berufsziel eines nautischen Offiziers könne nicht berücksichtigt werden. Ein seedienstuntauglich gewordener Matrose könne ua auf folgende Tätigkeiten verwiesen werden: Hafenarbeiter, Lagerarbeiter, Magazinverwalter, Materialverwalter, Kranführer, Werft- oder Dockmatrose, Matrose auf schwimmenden Geräten, Matrose oder Decksmann auf Hafenfähren oder Schleppfahrzeugen. Hierzu sei der Kläger noch fähig.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 1964 zurück. Sie begründete ihre Entscheidung mit folgenden Ausführungen: Eine - in § 1236 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorausgesetzte - MdE liege nicht vor, wenn der Versicherte in seinem Beruf zwar nichts oder weniger als vorher verdienen könne, aber in einer anderen Tätigkeit, die er auszuüben vermöge, den bisherigen Verdienst erreichen werde. Bei der Verweisung auf einen anderen Beruf sei die Frage der Zumutbarkeit in Anlehnung an § 1246 Abs. 2 RVO (Begriff der Berufsunfähigkeit) zu prüfen. Ein Matrose könne auf alle bereits im Bescheid vom 25. Oktober 1963 aufgezählten Tätigkeiten verwiesen werden. In diesen Beschäftigungen werde er mindestens seinen bisherigen Verdienst erhalten. Berufliche Entwicklungsmöglichkeiten könnten, auch wenn sie im Einzelfall konkret erkennbar seien, keine Berücksichtigung finden.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg durch Urteil vom 21. April 1965 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, über den Antrag des Klägers neu zu entscheiden. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Grenzen ihres Ermessens enger gesehen, als sie im Gesetz gezogen seien. Sie habe den Begriff der MdE i. S. von § 1236 Abs. 1 RVO unrichtig ausgelegt. Die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der gesundheitlich fähig sei, ein seemännisches Patent zu erwerben, sei wesentlich größer als die eines Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen das angestrebte Ziel fallenlassen müsse. - Die Beklagte habe die fehlende Ermessensausübung nachzuholen.
Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg durch Urteil vom 7. Juli 1966 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beklagte habe mit Recht Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (§ 1235 Nr. 1, §§ 1236 ff RVO) abgelehnt; sie habe das ihr vom Gesetz eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Zu den Maßnahmen i. S. des § 1237 RVO gehöre im Rahmen der sozialen Betreuung auch die Gewährung von Übergangsgeld nach § 1237 Abs. 1 und Abs. 4 Buchst. a RVO. Wenn der Kläger für die Zeit seiner kaufmännischen Lehre die Gewährung von Übergangsgeld begehre, so sei Voraussetzung, daß Maßnahmen der Berufsförderung durchgeführt würden, mindestens jedoch, daß ein Anspruch auf die Durchführung solcher Maßnahmen bestehe. Dies setze wiederum voraus, daß die Erwerbsfähigkeit des Versicherten gefährdet oder gemindert sei und durch die Maßnahmen voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. - Eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit i. S. des § 1236 Abs. 1 RVO liege nur dann vor, wenn der Versicherte weder in seinem bisherigen Beruf noch in einer anderen - i. S. des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO - zumutbaren Tätigkeit in der Lage sei, sein bisheriges Entgelt zu erzielen. Da der Gesetzgeber sowohl in § 1237 Abs. 3 als auch in § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO vom "bisherigen Beruf" spreche und beide Vorschriften in engem Zusammenhang ständen, müsse darunter der gleiche Sachverhalt verstanden werden, nämlich die versicherungspflichtige Tätigkeit, die der Versicherte vor dem Eintritt der Gefährdung bzw. der Minderung seiner Leistungsfähigkeit, ausgeübt habe; denn die Rentenversicherung gewähre Schutz nur in dem Rahmen, in dem eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Inwieweit eine andere Berufstätigkeit zumutbar sei, sei nur an der tatsächlich ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit zu messen. Tätigkeiten, die der Versicherte im Laufe weiterer Berufsentwicklung möglicherweise einmal verrichtet haben würde, könnten dabei nicht berücksichtigt werden. Auch im Rahmen der Maßnahmen nach §§ 1236 ff RVO könne ein Versicherter auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die er auf Grund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten noch ausüben könne und die keinen sozialen Abstieg darstellten. Solche Tätigkeiten gebe es für den Kläger.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat das Rechtsmittel eingelegt und dazu vorgetragen: Das LSG habe zu Unrecht § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO in den § 1236 RVO übernommen; die §§ 1236, 1237 RVO müßten selbständig ausgelegt werden. Dies sei notwendig, weil zur Begründung eines Anspruchs auf Rehabilitationsmaßnahmen die Erwerbsfähigkeit nicht - wie bei den Versicherungsfällen der Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit - ganz oder teilweise verloren sein müsse, sondern schon eine Gefährdung oder Minderung genüge. Bei der Auslegung des § 1236 RVO müsse auf die Fortsetzung des beschrittenen Berufsweges oder eine entsprechende Ersatzausbildung als offensichtliches Anliegen des Gesetzgebers Bedacht genommen werden. Weil die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit schon dem Wortsinn nach in der Zukunft liege, müsse auch die zukünftige Entwicklung der Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden. Tue man das, so seien die dem Kläger, der ein angehender Schiffsoffizier gewesen sei, angesonnenen Tätigkeiten als Decksmatrose usw. nicht zumutbar.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig und begründet. Der Bescheid, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger eine finanzielle Hilfe während seiner kaufmännischen Ausbildung zu gewähren, unterliegt der Aufhebung, weil die Beklagte die ihrem Ermessen zur Leistung gezogenen gesetzlichen Grenzen zu eng gesehen hat und der Bescheid auch nicht unter einer anderen rechtlichen Würdigung im Ergebnis zutrifft.
Die Beklagte ist zur Ermessenausübung über Art und Umfang der vom Kläger beantragten Rehabilitationsmaßnahme nicht gekommen, weil sie die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1236 Abs. 1 RVO als nicht vorliegend erachtet hat. Das ist nicht richtig. Nach dieser Vorschrift hängt die Gewährung von Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten - diese Maßnahmen umfassen auch die soziale Betreuung (§ 1237 Abs. 1 und 4 RVO) - davon ab, daß die Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann.
Bei der Auslegung des Begriffs der Erwerbsfähigkeit, der in der Gesetzgebung der Rentenversicherung erstmalig mit der Rentenreform des Jahres 1957 in Erscheinung tritt, ist die Beklagte zutreffend und in Übereinstimmung mit dem Schrifttum von der auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein anerkannten Auffassung ausgegangen, daß unter jenem Begriff die Fähigkeit des Versicherten zu verstehen ist, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, einen Erwerb zu beschaffen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. III S. 566 b mit Nachweisen, insbes. RVA, EuM 21, 97 und S. 664 s, ferner Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, Viertes und Fünftes Buch, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, § 1236 Anm. 2; RVO-Gesamtkommentar, § 1246 Anm. 5; Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1246 Anm. II 2 b; Hanow/Lehmann/Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl., § 1236 Randbem. 3). Indessen ist jedenfalls für die Gewährung von Berufsförderung und eine damit verbundene soziale Betreuung nicht auf die Vielzahl aller abstrakten Erwerbsmöglichkeiten des gesamten Arbeitsfeldes abzustellen, sondern - in Einschränkung des allgemeinen Begriffs der Erwerbsfähigkeit - auf den bisherigen Beruf des Versicherten; das ist aus § 1237 Abs. 3 Buchst. a und b RVO herzuleiten, wonach die Berufsförderung ua Maßnahmen zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit "im bisherigen Beruf" oder die Ausbildung für einen anderen nach der "bisherigen Berufstätigkeit" zumutbaren Beruf umfaßt. Der Meinung der Beklagten ist beizupflichten, daß in der Rehabilitation Schutz nur in dem Rahmen gewährt wird, in dem versicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt worden sind.
Einer einengenden Auslegung der Rehabilitationsvorschrift des § 1236 Abs. 1 RVO bedarf es auch im Begriff der "Minderung" der Erwerbsfähigkeit. Es genügt nicht schlechthin jede, wenn auch noch so geringfügige Minderung, vielmehr muß es sich, wenn sie das Recht auf Maßnahmen nach § 1237 RVO zu Folge haben soll, um eine solche von einem gewissen Gewicht und voraussichtlich gewisser Dauer, also um eine wesentliche Minderung handeln. Andererseits darf jedoch keine so hochgradige Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gefordert werden, daß bereits Berufsunfähigkeit vorliegt oder bevorsteht. Dies ergibt sich aus dem Wandel in der Rehabilitationsgesetzgebung von 1957 gegenüber der von ihr abgelösten Regelung des § 1310 RVO aF. Während früher die Einleitung eines Heilverfahrens - als der damals allein vorgesehenen Rehabilitationsmaßnahme - von der Voraussetzung abhängig war, daß Invalidität einzutreten drohte oder - bei einem Rentner - die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten stand, werden jetzt die in § 1237 RVO näher umschriebenen Maßnahmen schon in einem zeitigeren Stadium und - bei Rentnern - auch ohne sichere Aussicht auf einen Erfolg in Gestalt des Wegfalls der Rente gewährt. Das Ziel der gesetzlichen Regelung ist insofern erweitert worden, als neben dem Anliegen, einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vorzubeugen und damit Rentenleistungen einzusparen, zugleich sowohl allgemeine Gesichtspunkte der Versichertenbetreuung als auch Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden sollen.
Die vorstehenden Überlegungen führen zugleich zu dem von der Revision angestrebten Ergebnis, daß die Rehabilitationsvoraussetzungen des § 1236 Abs. 1 RVO nicht durch Übernahme des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO noch weiter eingeengt werden dürfen. Die MdE i. S. des § 1236 Abs. 1 RVO setzt nicht voraus, daß der Versicherte in dem Bereich zumutbarer Tätigkeiten, auf die er - im Rentenverfahren - nach § 1246 Abs. 2 RVO verwiesen werden könnte, in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt ist. Es fehlt in §§ 1236, 1237 RVO eine Bezugnahme auf § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO, die zu dieser Einengung der Voraussetzungen für Rehabilitationsmaßnahmen führen könnte. Auch erläutert § 1246 Abs. 2 RVO - etwa in Ergänzung des § 1236 Abs. 1 RVO - nicht den Begriff der Erwerbsfähigkeit, vielmehr definiert jene Vorschrift ausschließlich den Begriff der Berufsunfähigkeit. Das Wort Erwerbsfähigkeit ist darin nicht in bestimmter Weise beschreibend gebraucht; es hätte ebensogut - wie in § 1247 Abs. 2 RVO - durch eine indifferente Ausdrucksweise ersetzt werden können. Es besteht auch, wie dargelegt, nach der Rentenreform - im Unterschied zur Beziehung, in der die §§ 1310 und 1254 RVO aF zueinander standen - keine innere Verknüpfung zwischen § 1246 Abs. 2 und § 1236 Abs. 1 RVO. Deshalb sind die für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit geltenden Maßstäbe bei der Prüfung, ob Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit zu gewähren sind, nicht anwendbar. Die gegenteilige - vom LSG vertretene - Auffassung würde zu dem mit dem Ziel der Rehabilitationsgesetzgebung nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen, daß einem Versicherten, der an der Ausübung seines bisherigen Berufs durch ein heilbares Gebrechen verhindert ist, nicht einmal Heilbehandlung gewährt werden dürfte, solange er noch durch Verrichtung einer Tätigkeit, auf die er nach § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO verwiesen werden könnte, ein Erwerbseinkommen in der Höhe seines bisherigen zu erzielen vermag.
Die Anwendung der vorstehend entwickelten Rechtsgrundsätze auf den zu entscheidenden Streitfall führt zu folgendem Ergebnis: Die Erwerbsfähigkeit des Klägers hat infolge eines Gebrechens, nämlich der im Dezember 1962 festgestellten erheblichen Schwächung seines Sehvermögens, die zu dem Befund "seedienstuntauglich" geführt hat, eine Minderung erfahren; diese ist auch wesentlich; denn der Kläger ist seitdem und aus dem angeführten Grunde nicht mehr in der Lage, seiner bisherigen Berufstätigkeit in der Handelsschiffahrt nachzugehen. Sein bisheriger Beruf war nicht schlechthin der eines Matrosen, wenn der Kläger auch bis zu der Seediensttauglichkeitsuntersuchung wie ein Matrose Dienst getan hat; er war vielmehr Matrose auf dem Berufsweg zum nautischen Schiffsoffizier. Seine Tätigkeit im Seedienst hatte er bereits mit Kenntnissen und Fähigkeiten - Besuch des Gymnasiums bis zur Unterprima - begonnen, die für den Matrosendienst weder gefordert noch üblicherweise mitgebracht werden. Darüber hinaus war seine dienstliche Verwendung von vornherein auf das endgültige Berufsziel ausgerichtet; er hatte auch bereits die Aufnahmeprüfung an der Seefahrtschule für einen Lehrgang bestanden, dessen erfolgreicher Abschluß ihm das Patent eines Steuermanns auf Großer Fahrt gebracht hätte. Unter diesen Umständen muß die berufliche Tätigkeit des Klägers in allen Phasen mit Blickrichtung auf das angestrebte Offizierspatent gesehen werden; er war Schiffsoffizier-Anwärter, selbst wenn es diesen Beruf oder Dienstgrad offiziell nicht gibt. Es kann auf sich beruhen, ob die von dem Kläger begonnene Offiziersausbildung, was die Beklagte im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Oktober 1957 (BSG 6, 38) in Zweifel zieht, bei der Festlegung des "bisherigen Berufs" i. S. des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO berücksichtigt werden dürfte. Im Rahmen der §§ 1236, 1237 RVO jedenfalls sind künftige berufliche Entwicklungsmöglichkeiten der in Rede stehenden Art berücksichtigungsfähig. Dies folgt aus der Zielsetzung der Rehabilitation, den Versicherten, die in ihrem Berufsleben Schicksalsschläge durch Krankheit, Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte erleiden, durch Maßnahmen der angeführten Art die Fortsetzung ihres bisherigen oder die Begehung eines zumutbaren neuen Berufsweges zu ermöglichen.
Die Beklagte war hiernach entgegen ihrer Meinung und der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht durch das Gesetz gehindert, dem Kläger eine Maßnahme der in § 1237 RVO genannten Art zu gewähren.
Die auf Zahlung eines Übergangsgeldes gerichtete Klage scheitert, wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat, nicht daran, daß der Kläger keine Berufsförderung auf Kosten der Beklagten in Anspruch genommen, sich vielmehr darauf beschränkt hat, eine soziale Betreuung i. S. des § 1237 Abs. 4 Buchst. a RVO zu verlangen. Übergangsgeld kann jedenfalls dann für sich allein gewährt werden, wenn der Versicherte die Ausbildung für einen anderen Beruf selbst in die Wege geleitet und der Versicherungsträger keine Veranlassung hat, die gewählte Berufsausbildung nach Art und Umfang zu mißbilligen. So ist aber die Sachlage in dem zu entscheidenden Falle. Es fehlt an jedem Anhalt dafür, daß die Beklagte, wenn sie um die Durchführung der Umschulung angegangen worden wäre, dem Vorschlag des Klägers - abgesehen von der den Kern des Rechtsstreits bildenden grundsätzlichen Frage nach den gesetzlichen Grenzen der Rehabilitationsvorschriften - von vornherein ablehnend begegnet wäre.
Das auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruhende Urteil des LSG muß aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen die vom erkennenden Senat im Ergebnis gebilligte erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht in Anwendung des § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
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